Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2016, Az. 4 StR 511/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2016, 17533

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:190116B4STR511.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 511/15

vom
19. Januar
2016
in der Strafsache
gegen

wegen Misshandlung von [X.] u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 19.
Januar 2016 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 [X.] beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 16.
Juni 2015
a)
mit den Feststellungen zur Schuldfähigkeit des Ange-klagten aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen Miss-handlung Schutzbefohlener in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt wurde,
b)
im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen Nötigung statt wegen sexueller Nötigung verurteilt ist und
c)
im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den Feststel-lungen aufgehoben.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Jugendkammer des [X.]s zurückverwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verwor-fen.
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3
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Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Misshandlung Schutzbe-fohlener in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen gefährlicher Körperverletzung, wegen Körperverletzung in zwei Fällen sowie wegen sexuel-ler Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Mona-ten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, die in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg hat.
1.
Das Rechtsmittel ist aus den vom [X.] in der An-tragsschrift vom 11.
November 2015 dargelegten Gründen erfolglos (§
349 Abs.
2 [X.]), soweit es sich gegen die Verurteilung wegen gefährlicher Kör-perverletzung und wegen Körperverletzung in zwei Fällen, begangen jeweils zum Nachteil von

S.

(Taten vom 27.
November 2010 und vom
19.
Februar 2011), richtet.
2.
Der Schuldspruch wegen sexueller Nötigung (weitere Tat vom 27.
No-vember 2010) hat dagegen keinen Bestand. Insofern ist der Angeklagte jedoch der Nötigung schuldig. Entsprechend ändert der [X.] den Schuldspruch ab.
a)
Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen wollte der An-geklagte die Zeugin S.

an diesem Tag unter Anwendung von Gewalt zu-
nächst zum
Oral-
und anschließend zum vaginalen Geschlechtsverkehr zwin-gen. Die Zeugin konnte jedoch ein Eindringen in ihren Mund verhindern, indem sie die Lippen zusammenpresste und den Kopf zur Seite drehte. Zum [X.] kam es nicht, da die Zeugin schri
n-geklagte sein Vorhaben auf.
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4
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Die Strafkammer bewertet dieses Geschehen als versuchte Vergewalti-gung, von der der Angeklagte jedoch strafbefreiend zurückgetreten ist, sowie als sexuelle Nötigung.
b)
Letzteres wird jedoch von den Feststellungen nicht getragen.
Wie der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend ausge-führt hat, erfordert §
177 Abs.
1 StGB einen unmittelbaren Körperkontakt zwi-schen dem Täter bzw. Drittem und dem Opfer. Zu diesem kam es nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen indes nur, als der Angeklagte den Kopf der Zeugin in Richtung seines Gliedes drückte, er ihr aus Verärgerung über das Misslingen des [X.] einen Schlag ins Gesicht versetzte und er ihr Hose und Slip herunterzog, um den Geschlechtsverkehr auszuführen. All dies reicht indes zur Verwirklichung des Tatbestandes des §
177 Abs.
1 StGB nicht aus, weil diese Handlungen nicht die sexuellen Handlungen waren, son-dern lediglich Mittel zu deren Vornahme (vgl. [X.], Beschlüsse vom 26.
Okto-ber 2006

4
StR
354/06, [X.], 217, 218, insbesondere zum Festhalten und Drücken des Kopfes in Richtung Geschlechtsteil,
und vom 13.
Februar 1997

4
StR
648/96, [X.], 292, insbesondere zum gewaltsamen Entkleiden; ferner SSW-StGB/[X.], 2.
Aufl., §
177 Rn.
7 mwN).
c)
Die vom [X.] rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bele-gen jedoch, dass der Angeklagte zumindest der Nötigung (§
240 Abs.
1 StGB) schuldig ist. Entsprechend ändert der [X.] den Schuldspruch auf Antrag des [X.]s ab. Da lediglich ein erschwerender Umstand wegfällt, bedarf es hierfür keines Hinweises nach §
265 Abs.
1 [X.] (vgl. [X.]/[X.], [X.], 58.
Aufl., §
265 Rn.
9 mwN).

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3. Keinen Bestand hat das Urteil, soweit der Angeklagte der [X.] von [X.] in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen wurde.
a)
Nach den insofern vom [X.] getroffenen Feststellungen
ver-setzte der Angeklagte den damals höchstens
siebenjährigen Zwillingen A.

und [X.]

am 13.
Juni 2014 nach 16
Uhr vier bzw. drei heftige Schläge mit
einem Gummiknüppel auf das entblößte Gesäß, nachdem diese ihm in einem

eingestanden hatten, statt

wozu er sie aufgefordert hatte

Hausaufgaben zu machen gespielt und etwas gegessen zu haben.
Nach dem Abendessen, gegen 20
Uhr, forderte er die Kinder, um sie seine Macht spüren zu lassen und um zu erreichen, dass sie sich
ihm unterord-nen, auf, abwechselnd
jeweils 20
Liegestütze und 20
Sit-Ups zu machen. Beide Kinder waren körperlich rasch überfordert, begannen zu weinen und gaben schließlich auf. Daraufhin wies der Angeklagte [X.]

, den er hierdurch ernied-
rigen und sden Boden des Flurs zu putzen. Nachdem dem Jungen dies in der [X.] nicht gelungen war, versetzte ihm der Angeklagte einen Fußtritt, wodurch [X.]

mit dem Kopf gegen eine
Türzarge prallte.
Nachdem die Kinder sich schließlich schlafen gelegt hatten, stürmte der Angeklagte in das Kinderzimmer und forderte sie dazu auf, entsprechend einer Alarmübung beim [X.] Militär innerhalb von 45
Sekunden jeweils ihre Schlafanzüge aus-
und andere Kleidung anzuziehen. Auch hier waren A.

und [X.]

überfordert und begannen aus Angst und Verzweiflung heftig zu

e-ren und disziplinieren.
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Dieses ([X.] bewertet das [X.] als eine Miss-handlung von [X.] in der Tatbestandsalternative des rohen Miss-handelns in Tateinheit mit (einer) gefährlichen Körperverletzung.
b)
Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
aa)
[X.], das rohe Misshandeln und die böswillige Fürsor-gepflichtverletzung sind selbständige Begehungsformen der Misshandlung Schutzbefohlener gemäß §
225 Abs.
1 StGB. [X.] im Sinne dieser Vorschrift bedeutet das Verursachen länger dauernder oder sich wiederholender (erheb-licher) Schmerzen oder Leiden körperlicher oder seelischer Art. Mehrere [X.], die für sich genommen noch nicht den Tatbestand des §
225 Abs.
1 StGB erfüllen, können als ein [X.] zu beurteilen sein, wenn die ständige Wiederholung den gegenüber §
223 StGB gesteigerten Unrechts-gehalt ausmacht. Rohes Misshandeln im Sinne des §
225 Abs.
1 StGB liegt dagegen vor, wenn der Täter einem anderen eine Körperverletzung aus gefühl-loser Gesinnung zufügt, die sich in erheblichen Handlungsfolgen äußert (zum Ganzen: [X.], Urteil vom 23.
Juli 2015

3
StR
633/14, [X.], 369, 370
f.; Beschluss vom 25.
Februar 2015

4
StR
11/15 jeweils mwN). Anders als das [X.] bezieht sich diese Tatalternative des §
225 Abs.
1 StGB auf ein einzelnes Körperverletzungsgeschehen (vgl. [X.], Beschluss vom 25.
Februar 2015

4
StR
11/15 mwN).
bb)
Hiervon ausgehend ist die Bewertung der Strafkammer, das [X.] stelle eine einzige rohe Misshandlung dar, unzutreffend. [X.] handelt es sich nach den getroffenen Feststellungen um zeitlich von-einander abgegrenzte Handlungen, die sich auch in ihrer Gesamtheit nicht als ein einziges Körperverletzungsgeschehen darstellen.
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c)
Zwar liegt es nahe, zumindest die Schläge mit dem Gummiknüppel als rohe Misshandlungen zu bewerten. Auch kommt in Betracht, das [X.] als [X.] der Kinder zu bewerten. Eine entsprechende [X.] ist dem [X.] jedoch verwehrt, da auch die vom [X.] vorgenommene Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten durchgreifenden Bedenken begegnet.
Denn die Strafkammer kommt nach einer Rückrechnung der beim Ange-klagten am 14.
Juni 2014 um 10.46
Uhr festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,98
Promille mit stündlichen Abbauwerten von 0,1
Promille und einem

Juni 2014, 20.00
Uhr zu einem [X.] von rund 0,8

21). Diese weder im Ansatz noch im Ergebnis nachvollziehbare Berechnung
hat das [X.]

neben anderen Umständen

der Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklag-ten zugrunde gelegt.
d)
Der Schuldspruch wegen Misshandlung von [X.] in Tat-einheit mit gefährlicher Körperverletzung ist daher aufzuheben; die Sache ist insofern

auch zur Prüfung der Konkurrenzen bei zwei Tatopfern

an das [X.] zurückzuverweisen. Einer Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffe-nen Feststellungen bedarf es

mit Ausnahme derjenigen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten

dagegen nicht, zumal bereits die unverändert zur [X.] zugelassene Anklageschrift dem Angeklagten unter anderem vier (Einzel-)Fälle der Misshandlung von [X.] zur Last gelegt hat. Der [X.] kann daher ausschließen, dass der Angeklagte sich gegen die getroffe-nen Feststellungen als solche anders verteidigt hätte. Beschränkt waren seine Verteidigungsmöglichkeiten vielmehr allein
hinsichtlich der rechtlichen

vor allem der konkurrenzrechtlichen

Bewertung der rechtsfehlerfrei festgestellten 17
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Tatgeschehen (zur Entbehrlichkeit der Aufhebung der Feststellungen bei [X.] auch: [X.], Urteil vom 15.
September 1998

1
StR 290/98; Beschluss vom 12.
Dezember 2012

5
StR
506/12; vgl. ferner [X.]/[X.], aaO, §
353 Rn.
15).
4.
Schließlich unterliegt der Aufhebung

mit den insofern getroffenen Feststellungen

auch der verbleibende Rechtsfolgenausspruch.
Wie der [X.] in seiner Antragsschrift, auf die der [X.] insofern ebenfalls Bezug nimmt, zutreffend ausgeführt hat, hätte es angesichts des vom Angeklagten in der Hauptverhandlung zum Ausdruck gebrachten Be-e-

46a StGB bedurft.
Ferner unterliegen

wie der [X.] ebenfalls dargelegt hat

die Ausführungen des [X.]s zur Ablehnung eines Hangs im Sinn des §
64 StGB durchgreifenden Bedenken (vgl. hierzu etwa [X.], Beschluss vom 14.
Oktober 2015

1
StR
415/15 mwN).
Sost-Scheible
Roggenbuck
Franke

Mutzbauer
Quentin
20
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22

Meta

4 StR 511/15

19.01.2016

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2016, Az. 4 StR 511/15 (REWIS RS 2016, 17533)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17533

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