Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.05.2022, Az. 6 StR 628/21

6. Strafsenat | REWIS RS 2022, 8232

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Gegenstand

Strafverurteilung wegen besonders schweren Raubes u.a.: Vollendung der Wegnahme


Tenor

Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 10. September 2021

a) in den [X.] dahin geändert, dass die Angeklagten jeweils des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit bewaffnetem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit gefährlicher Körperverletzung schuldig sind,

b) aufgehoben

aa) in den [X.], wobei die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten bleiben,

bb) betreffend den Angeklagten [X.]mit den zugehörigen Feststellungen im Ausspruch über die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten jeweils des versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Beihilfe zum versuchten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen und den Angeklagten [X.]unter Einbeziehung von früher gegen ihn verhängten Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten, den Angeklagten [X.]unter Strafaussetzung zur Bewährung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und betreffend den Angeklagten [X.]deren Vollstreckung ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen dagegen, dass die Angeklagten nicht wegen vollendeten besonders schweren Raubes und bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden sind. Die vom [X.] vertretenen Rechtsmittel haben Erfolg.

I.

2

Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen berichtete eine unbekannte männliche Person den Angeklagten, dass der Geschädigte [X.]Betäubungsmittel verkaufe und diese sowie Bargeld fertig verpackt in einem Rucksack in seiner Wohnung vorrätig halte. Die Angeklagten kamen mit dem Unbekannten überein, in dessen Auftrag den Rucksack zu erbeuten und ihm auszuhändigen. Sie wussten, dass [X.] den Rucksack nicht widerstandslos herausgeben würde. Deshalb verabredeten sie mit dem Unbekannten, [X.] durch Schläge gefügig zu machen. Den Angeklagten war gleichgültig, wieviel Betäubungsmittel und Bargeld sie erbeuten würden. Ihre Vorstellung richtete sich allerdings auf eine erhebliche Menge an Betäubungsmitteln. Für die Durchführung der Tat erwarteten sie von dem Unbekannten eine Entlohnung.

3

Der Unbekannte fuhr die Angeklagten zu dem Mehrfamilienhaus, in dem [X.] wohnte, und beschrieb ihnen die Lage der Wohnung im zweiten Obergeschoss. Dem gemeinsamen Tatplan entsprechend sollte er im Auto warten und die Beute nach der Tat entgegennehmen. Die Angeklagten betraten das Haus und gingen zu der Wohnung des Geschädigten. [X.]trug schwarze Handschuhe, die auf der Oberseite mit [X.] verstärkt waren, um die Wucht der Schläge zu verstärken. [X.]wusste dies und billigte deren Einsatz. Er selbst trug Lederhandschuhe und hatte unter anderem ein Klappmesser eingesteckt, was [X.]jedoch nicht bekannt war. Einer der Angeklagten hatte außerdem ein Bündel Kabelbinder dabei, um [X.] gegebenenfalls zu fesseln.

4

[X.] öffnete arglos seine Wohnungstür. [X.]drängte ihn in die Wohnung und schlug ihm zweimal mit der Faust ins Gesicht, wodurch er ins Taumeln geriet, aber nicht zu Boden ging. Währenddessen schloss [X.]die Tür mit dem innen im [X.] steckenden Schlüssel ab. Als [X.] um Hilfe rief, hielt ihm [X.]den Mund zu. Es kam zu einer Rangelei, in deren Verlauf [X.] zu Boden ging. [X.]versuchte, ihn dort zu fixieren. Währenddessen durchsuchte [X.]die Wohnung. In der Küche fand er zwei Rucksäcke der Marken [X.] und [X.]. Im [X.]-Rucksack befanden sich 2.218,50 Euro, 22 [X.] und 57,7 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 10 Gramm THC. [X.]nahm die Rucksäcke an sich und steckte den [X.]-Rucksack in den [X.]-Rucksack.

5

Währenddessen wurden die in der darunterliegenden Wohnung wohnende Schwester des Geschädigten S.       und deren Freund [X.]auf [X.]s Hilferufe aufmerksam. Sie eilten zu dessen Wohnung und versuchten, die Tür mit einem Zweitschlüssel zu öffnen, was aber wegen des innen im [X.] steckenden Schlüssels nicht gelang. [X.]und S.       begaben sich auf den Balkon der Wohnung des Geschädigten, von wo aus sie einen Teil des Geschehens in der Wohnung beobachten konnten. Als die Angeklagten bemerkten, dass [X.]auf den Balkon geklettert war, um [X.] zu Hilfe zu kommen, gelang es diesem, sich von [X.]loszureißen und die Balkontür zu öffnen. Daraufhin wollten die Angeklagten fliehen. [X.]lief aus der Wohnung nach unten. Er konnte das Gebäude aber nicht verlassen, weil die Mutter des Geschädigten die Hauseingangstür abgeschlossen hatte. Es kam zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen [X.]und dem Bruder des Geschädigten, der [X.]bis zum Eintreffen der Polizei festhielt. [X.]war noch in der Wohnung von [X.]ergriffen und zur Hauseingangstür gebracht worden.

II.

6

1. Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht, dass das [X.] die Angeklagten aufgrund dieser Feststellungen nicht des vollendeten besonders schweren Raubes (§ 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) und des bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) schuldig gesprochen hat.

7

a) Die zur Vollendung eines Raubes führende Wegnahme ist vollzogen, wenn fremder Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet ist. Das ist der Fall, wenn der Täter die tatsächliche Sachherrschaft derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten [X.] ausüben und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des [X.] zu brechen. Maßgeblich sind insoweit die Anschauungen des täglichen Lebens. Danach genügt bei leicht beweglichen Sachen regelmäßig schon ein Ergreifen und Festhalten bzw. das offene Wegtragen als Wegnahmehandlung. Hat der Täter einen solchen Gegenstand an sich gebracht, erlangt er jedenfalls dann die ausschließliche Sachherrschaft darüber, wenn er den umschlossenen Herrschaftsbereich des bisherigen [X.] verlassen hat. Die Beobachtung des Tathergangs bzw. alsbaldige Entdeckung des [X.] und seine Festnahme stehen der Tatvollendung nicht entgegen. Dadurch wird lediglich die Rückgabe der Sache an den bisherigen [X.] ermöglicht; bereits gesicherter Gewahrsam des [X.] ist für die Vollendung der Wegnahme nicht erforderlich (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteile vom 26. Juni 2008 – 3 [X.], [X.]R StGB § 242 Abs. 1 Wegnahme 12; vom 18. Februar 2010 – 3 [X.], [X.], 158).

8

Danach hatten die als Mittäter handelnden Angeklagten den Gewahrsam des Geschädigten [X.] an den beiden Rucksäcken sowie den darin befindlichen Betäubungsmitteln und dem Bargeld spätestens zu dem Zeitpunkt gebrochen und neuen Gewahrsam begründet, als der Angeklagte [X.]die Wohnung [X.]s verlassen hatte und zur Hauseingangstür hinuntergelaufen war. Dass die Angeklagten auf frischer Tat betroffen wurden und [X.]das Haus wegen der verschlossenen Haustür nicht verlassen konnte, hinderte nicht die Vollendung der Tat, sondern lediglich deren Beendigung durch die Sicherung der Beute.

9

b) Aus den in der Zuschrift des [X.]s genannten Gründen erlangten die Angeklagten durch die Tat zugleich die Verfügungsgewalt über die Betäubungsmittel in nicht geringer Menge, wobei sie mit den [X.], der Angeklagte [X.]darüber hinaus mit dem Klappmesser, bewusst Gegenstände mit sich führten, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt waren (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG).

2. Der Senat ändert die Schuldsprüche in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil den insoweit umfassend geständigen Angeklagten schon mit der Anklage vollendete Taten zur Last gelegt worden sind und sie sich hiergegen nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können. Gleiches gilt in Bezug auf den Angeklagten [X.]für den über die Anklage hinausgehenden Vorwurf des [X.]. Die Schuldspruchänderungen führen zur Aufhebung der Strafaussprüche und des den Angeklagten [X.]betreffenden Ausspruchs über die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Im Übrigen werden die Maßregelaussprüche von den [X.] nicht berührt und können deshalb ebenso bestehen bleiben wie die den Strafaussprüchen zugrundeliegenden Feststellungen. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.

König     

      

Feilcke     

      

Tiemann

      

von [X.]     

      

Werner     

      

Meta

6 StR 628/21

04.05.2022

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Magdeburg, 10. September 2021, Az: 25 KLs 30/20

§ 249 Abs 1 StGB, § 250 Abs 2 Nr 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.05.2022, Az. 6 StR 628/21 (REWIS RS 2022, 8232)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8232

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 StR 556/09

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