Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.05.2012, Az. IX ZB 296/11

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 6525

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 296/11

vom

10. Mai 2012

in dem Verfahren

auf Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens

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Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.],
[X.] und [X.], die Richterin [X.] und den Richter Dr. Pape

am 10. Mai 2012
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 13. Zivilkammer des [X.] vom 31. Oktober 2011 sowie der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen den bezeichneten [X.] werden auf Kosten des Schuldners als unzulässig verwor-fen.

Der
Gegenstandswert des
Rechtsbeschwerdeverfahrens
wird auf 11.001

festgesetzt.

Gründe:

I.

Die weitere Beteiligte zu
1
beantragte am 11.
August 2010 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Der Schuldner trat dem Eröffnungsantrag mit der Begründung entgegen, das Insolvenzgericht sei international unzuständig, weil der Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Inte-ressen seit Januar 2010 in Großbritannien
liege. Auf Antrag des Schuldners vom 1.
September 2010 wurde am selben Tag durch den High Court of Justice 1
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in [X.] das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners nach [X.] Recht eröffnet. Das
Insolvenzgericht
hat daraufhin
das Sekundärin-solvenzverfahren über das im Inland belegene Vermögen des Schuldners eröff-net. Das [X.] hat
die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde des Schuldners mit Beschluss vom 31. Oktober 2011 zurückgewiesen, ohne aus-drücklich über die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu entscheiden. Die Ge-hörsrüge des Schuldners gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde hat das [X.] zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde, deren Zulas-sung durch das Rechtsbeschwerdegericht der Schuldner hilfsweise beantragt, verfolgt er sein Begehren
weiter, die Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfah-rens abzulehnen.

II.

Das [X.] hat ausgeführt, der Eröffnungsantrag der Gläubigerin
sei auch als Antrag auf Eröffnung des [X.]. Die Durchführung eines Sekundärinsolvenzverfahrens in [X.] sei gemäß Art.
3 Abs.
2 und 3 in Verbindung mit Art.
2 Buchst.
h EuInsVO zulässig, weil der Schuldner zum Zeitpunkt der Antragstellung am 11.
August 2010 eine Niederlassung im Inland unterhalten habe. Auf die Gehörsrüge des Schuldners hat das [X.] ausgeführt, die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ha-be den Anspruch des Schuldners auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Zwar ha-be aufgrund der mit Wirkung zum 27.
Oktober 2011 erfolgten Aufhebung
des §
7 [X.] die Rechtsbeschwerde nach der Übergangsvorschrift des Art. 103f
Satz 1
EG[X.] der Zulassung durch das Beschwerdegericht bedurft. Die Vor-

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aussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde lägen jedoch nicht vor, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung habe noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Ent-scheidung des [X.] erfordere.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen (§
4 [X.], §
577 Abs.
1 Satz 2 ZPO).

1. Entgegen der vom Schuldner vertretenen Auffassung ist die Rechtbe-schwerde
nicht nach der Regelung des §
7 [X.] aF statthaft.

a) Durch das am 27.
Oktober 2011 in [X.] getretene Gesetz zur Än-derung des §
522 der Zivilprozessordnung
vom 21.
Oktober 2011 ([X.]
I S.
2082) ist die Vorschrift des §
7 [X.] aufgehoben worden. Während gemäß §§
4, 6 Abs.
1, §
7 [X.] aF
in Verbindung mit §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1
ZPO
gegen die Entscheidung des [X.] im Verfahren nach der Insol-venzordnung die Rechtsbeschwerde stets stattfand, wenn die sofortige Be-schwerde statthaft gewesen war (vgl. [X.], Beschluss
vom 4.
März 2004
-
IX
ZB 133/03, [X.]Z 158, 212, 214;
vom 25.
Juni 2009 -
IX
ZB 161/08, [X.], 1582 Rn.
5), setzt die [X.] der Rechtsbeschwerde nach neuem Recht gemäß §
4 [X.], §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 ZPO deren Zulassung durch das Beschwerdegericht voraus.

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5

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b) Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners ist das neue Recht anzu-wenden.

aa) Gemäß
Art.
103f Satz 1 EG[X.] ist das vor dem 27.
Oktober 2011 geltende Recht auf
Beschwerdeentscheidungen weiter anzuwenden, bei denen die Frist des §
575 ZPO am 27.
Oktober 2011 noch nicht abgelaufen ist.
[X.] der Gesetzesbegründung sollte durch diese Übergangsregelung das Zulassungserfordernis des neuen Rechts auf [X.] gegen [X.] bezogen werden, die nach dem Inkrafttreten des neuen Rechts erlassen worden sind, während die Rechtsbeschwerde ge-gen zuvor ergangene Beschwerdeentscheidungen zulassungsfrei bleiben sollte (BT-Drucks. 17/5334 S.
9). Wie die Rechtsbeschwerde zutreffend darlegt, wäre bei streng am Wortlaut haftender
Auslegung
der Übergangsregelung die Vor-schrift des §
7 [X.] jedoch dauerhaft weiter anzuwenden, weil die Frist zur [X.] der Rechtsbeschwerde (§
575 Abs.
1 Satz 1 ZPO) und zu deren Be-gründung (§
575 Abs.
2 ZPO) am 27.
Oktober 2011 noch nicht abgelaufen sein kann, wenn die anzufechtende Entscheidung des [X.] bis zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht
ergangen ist.

Die Rechtsbeschwerde
meint, auch wenn sich vor diesem Hintergrund eine gewisse Einschränkung des Gesetzeswortlauts aufdränge, müsse diese
Einschränkung
aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit möglichst gering ausfallen. Der gesetzgeberischen Intention werde bereits dadurch Genüge getan, dass die Vorschrift des Art.
103f Satz
1 EG[X.] um die zusätzliche Voraussetzung ergänzt werde, die Neuregelung sei dann anzuwenden, wenn die sofortige Be-

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schwerde vor dem 27.
Oktober 2011 eingelegt worden sei. Eine solche Ausle-gung komme dem Wortlaut des Art.
103f Satz
1 EG[X.] am nächsten und ver-hindere, dass vom Zufall oder von der Willkür des [X.] [X.], ob die Rechtsbeschwerde zulassungsfrei möglich sei.

bb) Demgegenüber hat der Senat die Regelung des Art.
103f Satz
1 EG[X.] entsprechend der Vorstellung des Gesetzgebers dahingehend ausge-legt, dass das Zulassungserfordernis sich auf [X.] gegen [X.] bezieht, die seit dem Inkrafttreten des neuen Rechts erlassen worden sind ([X.], Beschluss vom 20.
Dezember 2011 -
IX
ZB 294/11, [X.], 276 Rn.
5; vom 18.
Januar 2012 -
IX
ZB 1/12, Rn. 2; vom 25.
Januar 2012 -
IX
ZB 301/11,
Rn. 2). Das Vorbringen der Rechtsbeschwerde gibt keinen Anlass,
diese Rechtsprechung zu ändern.

Der Zweck einer gesetzlichen Regelung kann
es
gebieten, diese abwei-chend von deren Wortlaut auszulegen ([X.], Urteil vom 23.
Mai 1951 -
II
ZR 71/50, [X.]Z 2, 176, 184 f; Beschluss vom 10.
Dezember 1951 -
GSZ 3/51, [X.]Z 4, 153, 157
f; Urteil vom 25.
September 2002 -
VIII
ZR 253/99, [X.]Z 152, 121, 127). Die offenkundige Sinnlosigkeit einer streng am Wortlaut haften-den Auslegung des Art.
103f Satz 1 EG[X.] sowie die eindeutige Vorstellung des Gesetzgebers vom Zweck der Übergangsregelung
sprechen für ein Ver-ständnis der Vorschrift, wonach §
7 [X.] weiter anzuwenden ist, wenn die mit der Rechtsbeschwerde anzufechtende Entscheidung des [X.] vor dem 27.
Oktober 2011 erlassen worden ist. Auf diese Weise wird ver-

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hindert, dass die Abschaffung der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde prak-tisch leer läuft. Zugleich gewährleistet
eine solche Auslegung, dass für Rechts-beschwerden gegen Beschwerdeentscheidungen, die vor Inkrafttreten der [X.] ergangen sind, nicht rückwirkend ein Zulassungserfordernis eingeführt wird.

Die demgegenüber von der Rechtsbeschwerde vorgeschlagene Ausle-gung des Art.
103f Satz 1 EG[X.], wonach auf den Zeitpunkt abzustellen sei, zu welchem die sofortige Beschwerde eingelegt worden ist
[X.], Z[X.] 2011, 1689, 1695; a.A.
Wenz, Z[X.] 2011, 2120), findet weder im Wort-laut noch in der Entstehungsgeschichte des Gesetzes eine Stütze. Das Argu-ment der Rechtsbeschwerde, es dürfe nicht der Entscheidung des Beschwer-degerichts
obliegen, ob die Rechtsbeschwerde zulassungsfrei möglich sei, überzeugt nicht. Es entspricht gerade dem gesetzlichen Regelungsmodell
der zulassungsbedürftigen Rechtsbeschwerde
gemäß §
574 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 ZPO, die Entscheidung über die Eröffnung der Rechtsbeschwerdeinstanz
in die Verantwortung des [X.] zu stellen.

2. Der Hilfsantrag der Rechtsbeschwerde, dieses Rechtsmittel durch das Rechtsbeschwerdegericht zuzulassen, ist nicht statthaft.

a) Die Rechtsbeschwerde
meint, das Beschwerdegericht habe nicht wirksam über die Zulassung der Rechtsbeschwerde entschieden, weil es sich der Aufhebung des §
7 [X.] nicht bewusst gewesen sei. Im Verfahren über die Anhörungsrüge des Schuldners gemäß §
321a ZPO habe das Beschwerdege-

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richt die Zulassungsentscheidung nicht nachholen können, weil die Parteien zur Frage der Zulassung der Rechtsbeschwerde nichts vorgetragen hätten und damit keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in Betracht [X.] sei. Die Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde müsse
daher durch das Rechtsbeschwerdegericht
erfolgen.
Es sei insoweit ei-ne Parallele zur Entscheidung über die Zulassung der Berufung zu ziehen, [X.] vom
Berufungsgericht nachzuholen sei, wenn das erstinstanzliche Gericht hierzu keine Veranlassung gesehen habe, weil es von einem Überschreiten der Wertgrenze für die Zulässigkeit der Berufung ausgegangen sei
(vgl. dazu [X.], Urteil vom 10.
Februar 2011 -
III
ZR 338/09, NJW 2011, 926 Rn.
15 mwN).

b) Diese Rechtsprechung kann nicht auf Fälle übertragen werden, in [X.] die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht unter-blieben ist. Enthält eine Beschwerdeentscheidung keine Ausführungen über die Zulassung der Rechtsbeschwerde, ist der Rechtsweg erschöpft. Der Bundesge-richtshof kann mit der Sache nicht mehr in statthafter Weise befasst werden. Wie der Senat in seinem Beschluss vom heutigen Tage (Beschluss vom 10.
Mai 2012 -
IX
ZB 295/11, [X.]) näher dargelegt hat, gilt das auch dann, wenn das Beschwerdegericht verkannt hat, dass ihm
die Zulassungsentschei-dung [X.] hat. Hierauf wird ergänzend Bezug genommen.

Ist -
wie vorliegend
-
eine Prüfungs-
und Entscheidungskompetenz des [X.] nicht eröffnet (vgl. [X.], Beschluss vom 26.
Sep-tember 1979 -
VIII
ZR 87/79, [X.], 344 [zu §
546 ZPO aF]),
fehlt es an

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der erforderlichen gesetzlichen Grundlage, um die Zulassungsentscheidung dem Rechtsbeschwerdegericht überantworten
zu können.

Kayser
[X.]

[X.]

[X.]

Pape
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.07.2011 -
94 IE 1/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 31.10.2011 -
13 [X.] -

Meta

IX ZB 296/11

10.05.2012

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.05.2012, Az. IX ZB 296/11 (REWIS RS 2012, 6525)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6525

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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