Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.03.2018, Az. I ZR 264/16

I. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 13045

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Entscheidungstext


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[X.]:[X.]:[X.]:2018:010318U[X.]264.16.0

[X.]UN[X.]SGERICHTSHOF
IM
NAMEN
[X.]S
VOLKES
URTEIL
I [X.]
Verkündet am:

1. März 2018
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Art. 19 Abs. 3; UWG § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 1, § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1, § 12 Abs. 1 Satz 2; UWG aF § 4 Nr. 7
a)
Eine Handwerksinnung kann sich als Körperschaft des öffentlichen Rechts auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] berufen, soweit sie nicht in ihrer Funktion als Teil der öffentlichen Verwaltung, sondern als Vertreterin der berufsständischen und wirtschaftlichen Interessen ihrer [X.] betroffen ist.
b)
Als Körperschaft des öffentlichen Rechts muss eine Handwerksinnung bei kri-tischen Äußerungen das Gebot der Sachlichkeit und Neutralität sowohl in in-haltlicher Hinsicht als auch bei den gewählten Formulierungen wahren. Nimmt sie allerdings berufsständische und wirtschaftliche Interessen ihrer Mitglieder wahr, geht damit eine Lockerung des [X.] einher.
[X.], Urteil vom 1. März 2018 -
I [X.] -

[X.]

[X.]

-
2
-
[X.]:[X.]:[X.]:2018:010318U[X.]264.16.0
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 1. März 2018 durch [X.] Dr. Koch, Prof.
Dr.
Schaffert, Dr.
Löffler und die Richterinnen Dr. [X.] und Dr.
Schmaltz

für Recht erkannt:
Auf die Revision der [X.]eklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 27. Oktober 2016 aufgehoben.
Die [X.]erufung der Klägerin gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des [X.] vom 4. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittel.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin ist Hörgeräteakustikerin und vertreibt bundesweit in [X.] mit [X.] Hörhilfen im sogenannten "verkürzten [X.]" (vgl. zum "verkürzten [X.]" und dem daneben existierenden "klassischen [X.]" [X.], Urteil vom 24.
Juli 2014

I
ZR
68/13, [X.], 283 Rn.
2 = [X.], 344 -
Hörgeräteversorgung
III). Die [X.]eklagte zu
1, deren Hauptge-schäftsführer der [X.]eklagte zu
2 ist, ist die [X.]undesinnung der Hörgeräteakustiker. Sie ist eine unter der Aufsicht der [X.] stehende [X.]
-
3
-
schaft des öffentlichen Rechts, deren [X.]ezirk das gesamte [X.] umfasst. Mitglieder der [X.]eklagten zu
1 sind überwiegend örtlich niedergelassene Hörgerä-teakustiker, die den "klassischen [X.]" anbieten. Nach §
3 Abs.
1 Satz
1 ihrer Satzung hat die [X.]eklagte zu
1 unter anderem die Aufgabe, die gemeinsamen gewerblichen Interessen ihrer Mitglieder zu fördern.
Am 25. Februar 2015 veröffentlichte die "[X.]" in ihrer Online-Ausgabe unter der Überschrift "Drei Monate für mehr Lebensqualität" einen Artikel mit folgendem Wortlaut:
Drei Monate für mehr Lebensqualität
Hörakustiker: Ein Hörgerät auf die individuellen [X.]edürfnisse des Nutzers einzu-stellen, dauert seine Zeit
[X.]is ein Hörgerät perfekt sitzt und auf das letzte Detail eingestellt ist, kann es dauern. "Eine gute Hörversorgung braucht zwei bis drei
Monate

wenn es gut läuft. Es kann auch schon mal ein halbes Jahr gehen", sagt C.

Co.

-von E.

. Sie
ist in einem von rund 400 Akustikerläden im Südwesten tätig und hat Sorge, dass ihr [X.]erufsstand wegen des sogenannten verkürzten [X.] überflüssig wer-den könnte.
Denn mittlerweile können sich Hörgeschädigte auch an ihren Arzt wenden, der ihnen das Gerät einstellt. Viele könnten sich den Weg zum Akustiker also sparen. "Ärzte können aber nicht die komplexe Anpassung der Hörgeräte übernehmen", sagt Co.

-von E.

. "Ihre Kompetenz liegt ja eigentlich im medizinischen [X.]e-
reich."
J.

[X.].

ist Geschäftsführer der [X.] ([X.])
und vertritt bundesweit rund 5000 [X.]etriebe. Er sieht den [X.]eruf der rund 13 500 Akusti-ker in [X.] durch den verkürzten [X.] in Gefahr. Vor allem die Krankenkasse [X.], die rund ein Drittel aller Versicherten in [X.] vertritt, sei dabei, dieses Modell immer weiter zu etablieren

ohne dafür Gründe nennen zu [X.], kritisiert [X.].

.
Die [X.] hingegen betont, dass der verkürzte [X.] als eine Alternative zur konventionellen Variante zu verstehen sei. "Der Versicherte kann frei zwischen diesen zwei [X.]en wählen", sagt ein Sprecher. Laut [X.] nutzen wenige den verkürzten [X.]: "Ihr Anteil liegt nur im einstelligen [X.]ereich", betont der Sprecher.
Anpassung des Hörgeräts erfolgt durch Fachleute
2
-
4
-
Und die Möglichkeit könne einigen Menschen durchaus einen Nutzen bringen: "Stellen Sie sich eine ältere Dame vor. Die kann sich einen zusätzlichen Weg sparen."
Die konventionelle Versorgung sieht vor, dass der Arzt seine Patienten zum Akustiker schickt, der dann Einstellungen am Hörgerät vornimmt. Übernehmen allerdings wie beim verkürzten Weg die Ärzte die Versorgung, würde der lokale Akustiker übergan-gen, argumentiert die [X.]. "Hier wird für schlechte Qualität gutes Geld ausgegeben", kritisiert [X.].

. [X.] habe ja nie gelernt, ein Hörgerät einzustellen. [X.].

spricht zudem von einem ungleichen Wettbewerb: [X.] könne die Hörgeräte direkt über einen Großhändler beziehen, ein Spezialist nehme dann die Einstellungen per Telefon oder über das [X.] per Live-Chat vor. Das ginge auf Kosten der lokalen Anbieter, die dann nicht mehr gebraucht würden.
Richtet ein Akustikermeister das Gerät aus der Ferne ein, könne er nicht individuell auf Probleme der Menschen mit Hörgerät eingehen, kritisiert die [X.]

und das sind deutschlandweit immerhin 2,5 Millionen. Aber gerade die Nachsorge sei wichtig: Die Hörgeräte müssten mehrmals nachjustiert werden, bis sie für den Patienten optimal eingestellt seien.
"Ein Hörverlust kommt schleichend. Man muss erst einmal wieder lernen zu hören", sagt [X.].

. Eine kontinuierliche Nachsorge durch den Arzt sei aber kaum möglich:
zu lange Wartezeiten, falscher Umgang mit Reklamation, zu wenig Raum, um auf den Kunden eingehen zu können. "Am Ende profitieren Krankenkassen wie die [X.], nicht aber deren schwerhörige Versicherte", sagt [X.].

. Das liege an den günstigen
Konditionen der [X.]. Die [X.] sieht keine Probleme. "Die Qualitätsanfor-derungen sind gleichwertig", sagt der Sprecher.
Auch das [X.] [X.]aden-Württemberg bewertet den verkürzten [X.] als gute Alternative. Menschen, die sich den Weg zum Akustiker sparen wollen, könnten davon profitieren. Man habe sich 2009 gegen die Abschaffung des verkürzten [X.] entschieden und werde weiter an dem Modell festhalten, solange keine konkreten Fehlentwicklungen sichtbar seien. Man sehe auch keine existenzielle [X.]edrohung der Akustiker. Es werde vielmehr der Wettbewerb [X.] und stabilisiert.
"Die großen Hörgeräteketten sind aber Konkurrenz für kleine Läden", widerspricht Co.

-von E.

. In Norddeutschland hätten viele kleine Läden schließen
müssen. Und auch die Situation im Südwesten sieht die Hörakustikerin kritisch: Die Online-Händler hätten sich etabliert

auf Kosten der kleinen Läden. "Es trifft vor allem die Akustiker auf dem Land, die auf jeden Kunden angewiesen sind."
Nach erfolgloser Abmahnung hat die Klägerin Klage auf Unterlassung erhoben und beantragt,
1.
die [X.]eklagten unter Androhung von [X.] zu verurteilen, es zu [X.], im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des [X.] in [X.]ezug auf ei-ne Hörgeräteversorgung im sogenannten "verkürzten [X.]" wörtlich oder sinngemäß zu behaupten oder behaupten zu lassen:
3
-
5
-
"Hier wird für schlechte Qualität gutes Geld ausgegeben"
und/oder
"Eine kontinuierliche Nachsorge durch den
Arzt sei aber kaum möglich: zu lange Wartezeiten, falscher Umgang mit Reklamation, zu wenig Raum, um auf den Kunden eingehen zu können",
wenn dies geschieht wie in dem als Anlage K
3 beigefügten Artikel "Drei Monate für mehr Lebensqualität" in der Online-Ausgabe der [X.]adischen Zeitung vom 25.02.2015;
2.
die [X.]eklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie, die Klägerin, vorgericht-liche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.531,90

Prozentpunkten über dem [X.]asiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die [X.]erufung der Klägerin hat das [X.] der Klage stattgegeben ([X.], [X.], 234). Mit der vom [X.]erufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klä-gerin beantragt, verfolgen die [X.]eklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:
A. Das [X.]erufungsgericht hat angenommen, unter [X.]erücksichtigung des [X.], dem die [X.]eklagten als Körperschaft des öffentlichen Rechts sowie deren Organ unterlägen, setzten die Äußerungen in dem Presseartikel die Klägerin als Mitbewerberin unlauter herab. Hierzu hat es ausgeführt:
[X.]ei den Äußerungen des [X.]eklagten zu
2, die der [X.]eklagten zu
1 zuzurechnen seien, handele es sich um geschäftliche Handlungen. Die Aufgabenstellung und [X.]struktur der [X.]eklagten zu
1 sprächen bei objektiver [X.]etrachtung dafür, dass das vorrangige Ziel der streitigen Äußerungen die Förderung des Absatzes derjeni-gen Hörgeräteakustiker gewesen sei, die (ausschließlich oder überwiegend) den "klassischen [X.]" anböten. Die Äußerungen selbst gingen über eine 4
5
6
-
6
-
bloße Information der [X.]evölkerung hinaus. Ein "Verhalten zugunsten eines fremden Unternehmens" erfordere nicht, dass die zu fördernden Unternehmen konkret be-nannt oder einheitliche Interessen der Mitglieder vertreten würden.
Die Klägerin sei als Mitbewerberin aktivlegitimiert. Sie stehe im Wettbewerb mit Hörgeräteakustikern, die (ausschließlich oder überwiegend) den "klassischen [X.]" bei der [X.] anböten.
Die mit dem Klageantrag beanstandeten Äußerungen stellten unlautere [X.] dar. Die Äußerung "Hier wird für schlechte Qualität gutes Geld ausge-geben" genüge nicht dem Sachlichkeitsgebot, dem die [X.]eklagte zu
1 als öffentlich-rechtlich verfasste Stelle unterliege. Der [X.]egriff "Innung" habe eine positive Konnota-tion; es bestehe ein besonderes Vertrauen in die Fachkompetenz der [X.]. Diesem besonderen Vertrauen der Öffentlichkeit entspreche die Ver-pflichtung juristischer Personen des öffentlichen Rechts, namentlich bei kritischen Äußerungen das Gebot strenger Sachlichkeit und Neutralität
sowohl in inhaltlicher Hinsicht als auch im Hinblick auf die gewählten Formulierungen zu beachten. Die Unzulässigkeit der Äußerung ergebe sich ungeachtet ihrer möglichen inhaltlichen [X.]erechtigung allein schon aus der hier gewählten und einer Körperschaft des öffent-lichen Rechts nicht erlaubten überspitzt-polemischen Formulierung. Auf das Grund-recht der Meinungsfreiheit könne sich die [X.]eklagte zu
1 als Körperschaft des öffentli-chen Rechts nicht berufen. Die Äußerung "Eine kontinuierliche Nachsorge durch den
Arzt sei aber kaum möglich: zu lange Wartezeiten, falscher Umgang mit [X.], zu wenig Raum, um auf den Kunden eingehen zu können" verstoße aufgrund ihrer Formulierung ebenfalls gegen das Sachlichkeitsgebot. Dass die Aussage vor-dergründig die am "verkürzten [X.]" teilnehmenden Ärzte kritisiere, ste-he ihrer
[X.]eanstandung durch die Klägerin nicht entgegen. Die Kritik am Arzt treffe zugleich den am "verkürzten [X.]" teilnehmenden Hörgeräteakustiker. 7
8
-
7
-
Ob die Spürbarkeit der Herabsetzung zu prüfen sei, könne dahinstehen. Die [X.] stellten spürbare [X.]eeinträchtigungen der Interessen der Klägerin dar.
Der [X.]eklagte zu
2 hafte neben der [X.]eklagten zu
1 auf Unterlassung, weil er in seiner Person die Anspruchsvoraussetzungen der Unterlassungsansprüche verwirk-licht habe. Da der [X.]eklagte zu
2 für die [X.]eklagte zu
1 gehandelt habe, könne er sich ebenso wenig wie diese auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen.
[X.]. Die gegen diese [X.]eurteilung gerichtete Revision der [X.]eklagten hat Erfolg. Der Klägerin stehen
die
geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung (§
8 Abs.
1 Satz
1, Abs.
3 Nr.
1 UWG) und Erstattung von Abmahnkosten (§
12 Abs.
1 Satz
2 UWG)
weder gegen die [X.]eklagte zu
1 noch gegen den [X.]eklagten zu
2
zu. Die bean-standeten Äußerungen stellen keine wettbewerbswidrige Herabsetzung der Klägerin als Mitbewerberin im Sinne von §
3 Abs.
1, §
4 Nr.
7 UWG aF und §
3 Abs.
1, §
4 Nr.
1 UWG dar.
[X.] Für den von der Klägerin auf Wiederholungsgefahr gemäß §
8 Abs.
1 Satz
1
UWG gestützten Unterlassungsanspruch
muss die beanstandete Handlung sowohl im Zeitpunkt ihrer Vornahme als auch im Zeitpunkt der Entscheidung in der [X.] rechtswidrig sein;
für den Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten kommt es auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an (st.
Rspr.; vgl. nur [X.],
Urteil vom 5.
Oktober 2017

I
ZR
232/16,
[X.], 420
Rn.
9 -
Energieaus-weis,
[X.]).
Nach der von der Klägerin beanstandeten Verletzungshandlung vom
25.
Februar 2015 ist das Lauterkeitsrecht mit Wirkung ab dem 10.
Dezember 2015 durch das [X.] zur Änderung des [X.] den unlauteren Wett-bewerb vom 2. Dezember 2015 ([X.]G[X.]l.
I, S.
2158) novelliert worden. Eine für die [X.]e-urteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus jedoch nicht. Der Tatbestand der Herabsetzung oder Verunglimpfung
von Mitbewerbern, der sich in §
4 Nr.
7 UWG
aF und §
4 Nr.
1 UWG wortgleich findet, hat sich in der Sache 9
10
11
-
8
-
nicht geändert
(vgl. [X.], Urteil vom 31.
März 2016 -
I [X.], [X.], 710 Rn.
35 = WRP
2016, 843 -
Im [X.]).
I[X.] Das [X.]erufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die streitge-genständlichen Äußerungen keine hoheitliche Handlung zur Erfüllung einer öffentli-chen Aufgabe, sondern eine geschäftliche Handlung im Sinne von
§
2 Abs.
1 Nr.
1 UWG darstellen (zur Abgrenzung
vgl. [X.], Urteil vom 27.
Juli 2017 -
I
ZR 162/15, [X.], 196 Rn. 23 ff. = [X.], 186 -
Eigenbetrieb Friedhöfe) und die [X.] Mitbewerber im Sinne von §
2 Abs.
1 Nr.
3 UWG sind. Dagegen wendet sich die Revision auch nicht.
II[X.] Zu Unrecht hat das [X.]erufungsgericht jedoch angenommen, die beanstan-deten Äußerungen erfüllten den Tatbestand der unlauteren Herabsetzung im Sinne von §
4 Nr.
7 UWG aF und §
4 Nr.
1 UWG.
Nach §
4 Nr.
7 UWG aF handelt unlauter, wer die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft.
1. "Herabsetzung" im Sinne des §
4 Nr.
7 UWG aF ist die sachlich nicht ge-rechtfertigte Verringerung der Wertschätzung des Mitbewerbers durch ein abträgli-ches Werturteil oder eine abträgliche wahre oder unwahre Tatsachenbehauptung; "Verunglimpfung" ist eine gesteigerte Form der Herabsetzung, die darin besteht, den Mitbewerber ohne sachliche Grundlage verächtlich zu machen (vgl. [X.], [X.], 710 Rn.
38 -
Im [X.],
[X.]). Die [X.]eurteilung der Frage, ob die
Werbeaussage eines Wettbewerbers einen Mitbewerber oder eine Mitbewerberin herabsetzt, erfordert eine Gesamtwürdigung, die die Umstände des Einzelfalls wie insbesondere den Inhalt und die Form der Äußerung, ihren Anlass, den [X.], in dem sie erfolgt ist, sowie die Verständnismöglichkeit des angesprochenen Verkehrs berücksichtigt. Dabei kommt es maßgeblich auf die Sicht des durchschnitt-12
13
14
15
-
9
-
lich informierten und verständigen Adressaten der Werbung an. Für die [X.]ewertung maßgeblich ist daher der Sinngehalt der Äußerung, wie sie vom angesprochenen Verkehr verstanden wird. In die Gesamtwürdigung sind betroffene [X.] einzubeziehen (vgl. [X.], [X.], 710 Rn.
38 -
Im [X.],
[X.]).
2. Das [X.]erufungsgericht hat angenommen, der [X.]eklagte zu
2 hätte die bean-standeten
Äußerungen für die [X.]eklagte zu
1 in dem Pressegespräch nicht tätigen dürfen, weil sie dem Sachlichkeitsgebot nicht genügten und unlautere Herabsetzun-gen darstellten. Das ergebe sich allein schon aus den gewählten und einer Körper-schaft des öffentlichen Rechts nicht erlaubten überspitzten Formulierungen. Die [X.]e-klagte zu
1 könne sich bei den Äußerungen nicht auf das Grundrecht der Meinungs-freiheit berufen. Diese [X.]eurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die angegriffenen Äußerungen enthalten keine gegen §
4 Nr.
7 UWG aF verstoßende Herabsetzung der Klägerin. Das ergibt die erforderliche umfassende Gesamtabwä-gung unter [X.]erücksichtigung der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit, auf die sich die [X.]eklagten entgegen der Auffassung des [X.]erufungsgerichts berufen [X.].
a) Das [X.]erufungsgericht ist allerdings zutreffend von einem besonderen
Neu-tralitäts-
und Sachlichkeitsgebot ausgegangen, dem die [X.]eklagte zu
1 bei ihrer Tä-tigkeit grundsätzlich unterliegt. Mit [X.]lick auf die Doppelstellung der [X.]eklagten zu
1 als mittelbare Staatsverwaltung und Interessenvertretung kann für sie ein strengerer
Maßstab im Rahmen von §
4 Nr.
7 UWG aF gelten. Körperschaften des öffentlichen Rechts nehmen besonderes Vertrauen für sich in Anspruch (vgl. [X.] in [X.]/
[X.]ornkamm/[X.], UWG, 36.
Aufl.,
§
3a Rn. 2.49; [X.] in [X.]/[X.], UWG, 7.
Aufl., Einf. D
Rn. 34 und 36). Der [X.]egriff der "Innung" hat aufgrund der Aufgaben, die Handwerksinnungen bei der Ausbildung und Förderung des handwerklichen Nachwuchses (vgl. §
54 Abs.
1 Satz
2 Nr.
3 bis
6 HwO) zukommen, eine positive 16
17
-
10
-
[X.]edeutung; in die Fachkompetenz der
Innungsverantwortlichen besteht ein hohes Vertrauen. Die [X.]eklagte ist wegen des ihr in ihrer amtlichen Funktion entgegenge-brachten Vertrauens deshalb gehalten, Informationen objektiv und sachgerecht zu verbreiten (vgl. [X.], Urteil vom 24.
Februar 1994 -
I
ZR 59/92, [X.], 516, 517 = [X.], 506

Auskunft über Notdienste; Urteil vom 22.
April 2009
-
I [X.], [X.], 1080 Rn. 18 -
Auskunft der [X.], [X.]). Dabei ist [X.] danach zu differenzieren, ob eine Körperschaft des öffentlichen Rechts im Rahmen der ihr vom Staat übertragenen amtlichen Aufgaben tätig wird oder -
was
gerade bei Innungen möglich ist -
gemeinsame berufsständische und wirtschaftliche Interessen der in ihr zusammengeschlossenen [X.]erufsträgerinnen und [X.]erufsträger
wahrnimmt. Ein besonderes Vertrauen ist umso weniger gerechtfertigt, je
mehr die Interessenvertretung im Vordergrund steht.
b) Mit Erfolg rügt die Revision, dass das [X.]erufungsgericht angenommen
hat, die [X.]eklagten könnten sich für die beanstandeten Äußerungen nicht
auf das Grund-recht der Meinungsäußerungsfreiheit aus Art.
5 Abs.
1 Satz
1 [X.] berufen.
aa) Der Anwendung von Art.
5 Abs. 1 Satz
1 [X.] steht im Streitfall nicht ent-gegen, dass bei der Auslegung des der Umsetzung von Richtlinien des Unionsrechts dienenden nationalen Rechts nach Art.
51 Abs.
1 Satz
2 der [X.] ([X.]) die dort niedergelegten Grundrech-te zu beachten sind und daher, soweit die Freiheit der Meinungsäußerung in Rede steht, vorrangig die insoweit einschlägige Regelung in Art.
11 Abs.
1 [X.] anzuwenden ist (vgl. [X.], Urteil vom 20.
Mai 2003 -
C-465/00 u.a., Slg. 2003, [X.] = [X.], 243 Rn.
68 -
Rechnungshof/[X.] u.a.; [X.], [X.], 710 Rn.
45 -
Im [X.],
[X.]). Die [X.]estimmung des §
4 Nr.
7
UWG aF bezweckt nicht den Schutz der Verbraucher, sondern dient in erster Linie dem Schutz des betroffenen Mitbewerbers. Sie setzt daher weder die Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken noch eine andere Richtlinie 18
19
-
11
-
des Unionsrechts in das [X.] Recht um (vgl. [X.], [X.], 710 Rn.
45 -
Im [X.],
[X.]).
bb) Die Annahme des [X.]erufungsgerichts, der persönliche Schutzbereich von Art.
5 Abs.
1 Satz
1 [X.] sei nicht eröffnet, die [X.]eklagte zu
1 und der [X.]eklagte zu
2 bei
seiner Tätigkeit für die [X.]eklagte zu
1 könnten sich nicht auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Auf die [X.]eklagten
ist das Grundrecht der Meinungsfreiheit in dem hier maßgeblichen Zusammenhang seinem "Wesen nach" im Sinne von Art.
19 Abs.
3 [X.] anwendbar.
(1) Die Grundrechte sollen in erster Linie die Freiheitssphäre der Einzelnen gegen Eingriffe der staatlichen Gewalt schützen und ihnen insoweit zugleich die Vor-aussetzungen für eine freie aktive Mitwirkung und Mitgestaltung im Gemeinwesen sichern. Von diesem
Ausgangspunkt her ist auch Art.
19 Abs.
3 [X.] auszulegen und anzuwenden.
Danach
rechtfertigt sich eine Einbeziehung von
juristischen Personen in den persönlichen Schutzbereich der Grundrechte nur, wenn ihre [X.]ildung und [X.]etätigung Ausdruck der freien Entfaltung der natürlichen Personen sind, und insbesondere
wenn der "Durchgriff" auf die hinter den juristischen Personen stehenden Menschen dies als sinnvoll oder erforderlich erscheinen lässt (vgl. [X.]VerfGE 21, 362, 369; 68, 193, 206; [X.]VerfG, NVwZ 1994, 262).
Juristische Personen des öffentlichen Rechts, die üblicherweise öffentliche Aufgaben wahrnehmen, können danach zumeist keinen Grundrechtsschutz gegen staatliches Handeln
beanspruchen (vgl. [X.]VerfG, NVwZ 1994, 262). [X.] dafür ist aber nicht die Rechtsform als solche. Maßgebend ist vielmehr, ob und inwieweit in der Rechtsstellung als juristische Person des öffentlichen Rechts eine Sach-
und Rechtslage
Ausdruck findet, welche nach dem "Wesen" der Grundrechte deren Anwendung auf juristische Personen entgegensteht. Dabei kommt es nament-20
21
22
23
-
12
-
lich auf die Funktion an, in der eine juristische Person des öffentlichen Rechts von dem beanstandeten Akt der öffentlichen Gewalt betroffen wird. [X.]esteht diese Funkti-on in der Wahrnehmung gesetzlich zugewiesener und geregelter öffentlicher Aufga-ben, so ist die juristische Person zumindest insoweit nicht grundrechtsfähig (vgl. [X.]VerfGE 68, 193, 207
f.; 70, 1, 15; 75, 192, 197; [X.]urghart in [X.]/Rinck
Art.
19 Rn.
117).
(2) Innungen sind Organisationen, die aus den Zünften entstanden und maß-geblich vom Grundsatz der Freiwilligkeit sowohl ihrer Gründung als auch des [X.]eitritts zu ihnen
bestimmt sind (vgl. [X.]adura/Kormann, [X.] 2005, 99, 103
f.). Die In-nungen
beruhen
im Gegensatz zu den Kammern (vgl. §
90 HwO; §
2 [X.]G) nicht auf einer Zwangsmitgliedschaft (vgl. §
52 Abs.
1 Satz
1 HwO). Ihre Form ist ihr allerdings vom Staat vorgegeben (§
53 Satz
1 HwO; vgl. [X.]VerfG, NVwZ 1994, 262, 262
f.; [X.] in [X.]/[X.], [X.], Stand: Mai 2009, Art.
19 Abs.
3 Rn.
55 [X.]). [X.] des vom Staat vorgegebenen Rahmens kann die Innung aber grundsätzlich auch grundrechtlich geschützte Aktivitäten entwickeln (vgl. [X.]VerfG, NVwZ 1994, 262, 263). Das [X.]undesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Grundrechtsfähigkeit von der Funktion abhängt, für die
die Innung
Grundrechtsschutz beansprucht (vgl. [X.]VerfGE 68, 193, 209; [X.]VerfG, NVwZ 1994, 262). Die "Doppelnatur" von [X.]erufsver-bänden in der -
atypischen (vgl. [X.] in [X.]/[X.] aaO Art.
19 Abs.
3 Rn.
55 [X.]) -
Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts führt dazu, dass Grund-rechtsfähigkeit in [X.]etracht kommt, soweit nicht die Funktion als Teil der öffentlichen Verwaltung, sondern die
Wahrnehmung der gemeinsamen berufsständischen und wirtschaftlichen Interessen der in den Verbänden zusammengeschlossenen [X.]erufs-träger betroffen ist ([X.] in [X.]/[X.] aaO; [X.] in [X.]/Wolf/Göcken, An-waltliches [X.]erufsrecht, 2.
Aufl., Art.
12 [X.] Rn.
15; [X.]aier-Treu in [X.], [X.]eckOK, HwO, Stand: 1.
November 2017, §
53 Rn.
12; [X.] in Honig/[X.]/[X.], HwO, 5.
Aufl., §
53 Rn.
12). Diese "Doppelnatur" spiegelt sich im gesetzlichen Rahmen für 24
-
13
-
die Handwerksinnungen wider (§
52 Abs.
1 Satz
1, §
54 HwO), der nach Interessen-vertretung, Mitgliederförderung und Aufgaben der Wirtschaftsverwaltung unterschei-det, wobei der Schwerpunkt auf den ersten beiden Aufgaben liegt und die übertrage-nen staatlichen Aufgaben weniger ins Gewicht fallen (vgl. [X.]adura/Kormann,
[X.] 2005, 99, 104).
(3) Nach diesen Maßstäben können sich sowohl die [X.]eklagte zu
1 als auch der [X.]eklagte zu
2 im Rahmen seiner Tätigkeit für die [X.]eklagte zu
1 bei den streitigen Äußerungen auf das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit aus Art.
5 Abs.
1 Satz
1 [X.] berufen.
Die vom [X.]erufungsgericht verbotenen Äußerungen betreffen die [X.]eklagte zu
1 nicht in ihrer Funktion als Teil der öffentlichen Verwaltung, sondern als Vertreterin der berufsständischen
und wirtschaftlichen
Interessen ihrer Mitglieder im Sinne von §
52 Abs.
1 Satz
1, §
54 Abs.
1 Satz 1, Abs.
4 [X.] Das [X.]undesverfassungsgericht zählt nur die Pflichtaufgaben nach §
54 Abs.
1 Satz
2 HwO und die weiteren gesetzlich zugewiesenen Pflichtaufgaben zu den staatlichen Aufgaben, während es die "sonsti-gen, freiwilligen Aufgaben im Sinne des §
54 Abs.
2 und 3 HwO" der nichtstaatlichen Interessenvertretung zuordnet (vgl. [X.]VerfGE 68, 193, 210; 70, 1, 20). Die streitge-genständlichen Äußerungen hat der [X.]eklagte zu
2 in Ausübung seiner Tätigkeit für die [X.]eklagte zu
1 offensichtlich zur Förderung der gewerblichen Interessen der überwiegenden Mitglieder der [X.]eklagten zu
1 gemacht. Insofern unterscheidet sich seine Tätigkeit nicht von der eines Geschäftsführers eines privatrechtlich organisier-ten [X.]erufs-
oder Wirtschaftsverbands. Soweit
der [X.]eklagte zu
2 sich kritisch über den "verkürzten [X.]" geäußert hat, hat er zugleich die Interessen der über-wiegend in der [X.]eklagten zu
1 zusammengeschlossenen niedergelassenen Hörgerä-teakustiker wahrgenommen, die vornehmlich eine Hörgeräteversorgung im "klassi-schen [X.]" anbieten. Diese Interessenvertretung gehört nicht zu den gesetzlichen Pflichtaufgaben der [X.]eklagten zu
1, sondern ist die
"Förderung der ge-25
26
-
14
-
meinsamen gewerblichen Interessen der Innungsmitglieder" im Sinne der sonstigen,
freiwilligen Aufgaben gemäß §
54
Abs. 1 Satz 1,
Abs.
4 HwO und §
3 Abs.
1
Satz
1, Abs.
4 Satz
1
der
Satzung der [X.]eklagten zu
1. Werden ihr diese Äußerungen [X.], ist die [X.]eklagte zu
1 dadurch wie jeder andere
[X.]erufs-
oder Wirtschaftsverband in ihrem grundrechtlich geschützten [X.]ereich der Interessenvertretung betroffen.
Ob dabei
aus Verbrauchersicht erkennbar ist, dass die Interessenvertretung
im Vorder-grund steht,
ist nicht
ausschlaggebend; grundrechtlicher Schutz
hängt nicht vom
Verbraucherverständnis ab.
cc) [X.]ei den beanstandeten Aussagen handelt es sich um Äußerungen, die in den sachlichen Schutzbereich der Meinungsfreiheit des Art.
5 Abs.
1 Satz
1 [X.] fal-len.
(1) Die [X.]estimmung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1
[X.] schützt die Freiheit der Mei-nungsäußerung und Meinungsverbreitung. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit er-fasst kommerzielle Meinungsäußerungen ebenso wie reine Wirtschaftswerbung mit wertendem, meinungsbildendem Inhalt (vgl. [X.]VerfGE 102, 347, 359; [X.],
Urteil vom 19.
Mai 2011

I
ZR
147/09, [X.], 74 Rn.
27 = WRP 2012, 77

Coaching Newsletter). Die [X.]ehauptung wahrer Tatsachen fällt in den Schutzbereich des Art.
5 Abs. 1 [X.], weil und soweit sie Voraussetzung für die Meinungsbildung ist (vgl.
[X.]VerfGE 85, 1, 15; [X.], [X.], 74 Rn.
27

Coaching Newsletter).
Tatsachen sind Vorgänge oder Zustände, deren Vorliegen dem [X.] zugänglich ist. Werturteile sind hingegen durch das Element des Wertens, [X.] und [X.] gekennzeichnet (vgl. [X.]VerfGE 61, 1, 8; 90, 241, 247). Die Einstufung einer Äußerung bestimmt sich danach, wie der angesprochene Verkehr sie nach Form und Inhalt in ihrem Gesamtzusammenhang versteht (vgl. [X.], [X.], 710 Rn. 23 -
Im [X.], [X.]). [X.] eine Äußerung Tatsachen und Meinungen, so kommt es für die Anwendung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] darauf 27
28
29
-
15
-
an, ob sie durch die Elemente der Stellungnahme, des [X.] oder [X.] geprägt wird. Im Falle einer solchermaßen engen Verknüpfung von Tatsachenbe-hauptung und [X.]ewertung darf der Grundrechtsschutz nicht dadurch verkürzt werden, dass ein tatsächliches Element aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert be-trachtet wird oder durch die Trennung der tatsächlichen und der wertenden [X.]estand-teile einer Äußerung ihr Sinn verfälscht wird (vgl. [X.]VerfG, ZUM 2013, 793 Rn.
18; [X.], [X.], 710 Rn.
23 -
Im [X.], [X.]).
(2) Die
angegriffenen Äußerungen sind danach vom Schutzbereich der [X.] umfasst. Es handelt sich um wertende Argumente, die im Rahmen der Debatte des Für und Wider des "verkürzten [X.]" in dem Presseartikel ausgetauscht werden. Die Aussagen enthalten zwar einen Tatsachenkern, sind aber ganz überwiegend von wertenden [X.]egriffen wie "gut", "schlecht", "kaum möglich", "zu
lange", "zu wenig Raum" und mithin auslegungsbedürftigen Formulierungen geprägt. Die von der Klägerin angestrebte Verurteilung zur Unterlassung dieser Äußerungen griffe in den Schutzbereich von Art.
5 Abs.
1 Satz
1 [X.] ein.
dd) Das Grundrecht der Meinungs-
und Pressefreiheit des
Art.
5 Abs.
1 [X.] findet gemäß Art.
5 Abs. 2 [X.] seine Schranke in den allgemeinen Gesetzen. Zu ihnen gehört auch die lauterkeitsrechtliche [X.]estimmung des §
4
Nr.
7 UWG aF, die ihrerseits allerdings im Licht der [X.]edeutung des Art.
5 Abs.
1 [X.] auszulegen und daher in ihrer dieses Grundrecht beschränkenden Wirkung selbst einzuschränken ist (vgl. [X.]VerfG, [X.], 81, 82 zu §§
1, 2 Abs.
2 Nr.
5 UWG aF; [X.], Urteil vom 19.
Juni 1997 -
I [X.], [X.]Z 136, 111, 122 -
Kaffeebohne; [X.], [X.], 74 Rn. 31 -
Coaching-Newsletter; [X.], 710 Rn.
46 -
Im [X.]). Eine Einschränkung des Grundrechts der Meinungsfreiheit durch lauterkeitsrechtliche [X.]estimmungen setzt deshalb die Feststellung einer Gefährdung des an der Leistung orientierten [X.] voraus (vgl. [X.]VerfG, [X.], 455, 456). [X.]ei werbli-chen Äußerungen über Themen von erhöhter gesellschaftlicher, politischer oder so-30
31
-
16
-
zialer [X.]edeutung, die zum geistigen Meinungskampf in der Öffentlichkeit anregen sollen, unterliegt der Nachweis einer solchen Gefährdung besonderen Anforderun-gen (vgl. [X.]VerfGE 107, 275, 281).
Wegen des nach Art.
12 Abs.
1 und Art.
2 Abs.
1 in Verbindung mit Art.
1 Abs.
1 [X.] gebotenen Schutzes des Geschäftsrufs der [X.]e-troffenen bedarf es regelmäßig einer Abwägung der widerstreitenden Interessen un-ter [X.]erücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls (vgl. [X.], [X.], 74
Rn. 31 -
Coaching-Newsletter).
Eine solche Abwägung kann nur entfallen, wenn sich die herabsetzenden Äußerungen als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen; dann tritt die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurück (vgl. [X.]VerfGE 93, 266, 294). Das ist hier
jedoch nicht der Fall.
ee) Der [X.]egriff der Schmähkritik ist wegen seines die Meinungsfreiheit ver-drängenden Effekts eng auszulegen. Selbst eine überzogene oder gar ausfällige Kri-tik ist erst dann eine Schmähung, wenn bei der Äußerung nicht mehr die [X.], sondern die persönliche Diffamierung der Person im [X.] steht. [X.]ezieht
sich die Äußerung auf eine die Öffentlichkeit wesentlich be-rührende Frage, so liegt eine Schmähkritik nur ausnahmsweise vor (vgl. [X.]VerfGE 93, 266, 294; [X.], [X.], 710 Rn. 48 -
Im [X.]).
Danach stellen die angegriffenen Äußerungen keine Schmähkritik dar. Die [X.] Äußerungen des [X.]eklagten zu
2 sind zwar überspitzt. Die Auseinander-setzung in der Sache steht bei beiden Äußerungen aber ganz offensichtlich im [X.]. Das wird insbesondere
darin deutlich, dass die
Aussagen sachlich be-gründet
werden.
ff) Die
somit
im Rahmen von §
4 Nr.
7 UWG aF unter [X.]erücksichtigung von Art.
5 Abs.
1 Satz
1 [X.] vorzunehmende Abwägung der betroffenen -
auch grund-rechtlich geschützten -
Rechtspositionen führt dazu, dass die Klägerin die von ihr beanstandeten Äußerungen
hinnehmen muss.
32
33
34
-
17
-
(1) [X.]ei der gebotenen Gesamtabwägung sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und die Interessen der Parteien und der Allgemeinheit im Licht der [X.]edeutung des Grundrechts unter [X.]eachtung des Grundsatzes der [X.] gegeneinander abzuwägen (vgl. [X.] in [X.]/[X.]ornkamm/[X.] aaO §
4 Rn. 1.21; [X.] in [X.]üscher/[X.]/[X.], Gewerblicher Rechtsschutz
Urheberrecht
Medienrecht, 3.
Aufl., §
4 Nr.
7 UWG Rn. 19). Insbesondere der Inhalt und die Form der Äußerung, ihr Anlass, der Zusammenhang, in dem sie erfolgt ist, sowie die Verständnismöglichkeit des angesprochenen Verkehrs sind zu [X.]. Dabei kommt es maßgeblich auf die Sicht des durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten der Äußerung an (vgl. [X.], [X.], 710 Rn.
38 -
Im [X.]). Ein beeinträchtigendes Werturteil kann danach umso eher zuläs-sig sein, je nützlicher die Information für den Adressatenkreis ist oder je mehr aus anderen Gründen ein berechtigtes Informationsinteresse oder hinreichender Anlass für die Kritik besteht und je sachlicher die Kritik präsentiert wird ([X.]
in
[X.]üscher/
[X.]/[X.] aaO §
4 Nr.
7 UWG Rn.
19). Von [X.]edeutung ist weiter das Maß an Herabsetzung, das mit der Äußerung
einhergeht (vgl. [X.] in [X.]/[X.] aaO §
4 Rn. 1/18). [X.]ei der Gewichtung der Meinungsäußerungsfreiheit gegenüber anderen [X.] ist zudem zu berücksichtigen, ob von diesem Grundrecht im Rahmen einer privaten Auseinandersetzung zur Verfolgung von Eigeninteressen oder
im Zusammenhang mit einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage Gebrauch gemacht wird. Je mehr das Interesse der sich Äußernden auf politische, wirtschaftliche, [X.] oder kulturelle [X.]elange der Allgemeinheit gerichtet ist, desto eher ist ihre Äußerung in Abwägung mit anderen [X.]elangen gerechtfertigt (vgl. [X.]VerfG, [X.], 81, 83). Meinungsäußerungen, die zugleich wettbewerblichen Zwecken dienen, sind dabei strenger zu bewerten als Äußerungen, die nicht den lau-terkeitsrechtlichen Verhaltensanforderungen, sondern lediglich dem allgemeinen De-liktsrecht unterliegen (vgl. [X.], [X.], 74 Rn.
33 -
Coaching-Newsletter; [X.] in [X.]/[X.]ornkamm/[X.] aaO §
4 Rn.
1.21).
35
-
18
-
(2) Diese Güter-
und Interessenabwägung führt dazu, dass die beanstandeten Äußerungen nicht als unlauter untersagt werden können.
Um dem situativen Kontext hinreichend Rechnung zu tragen, sind bei der Ab-wägung die Umstände zu berücksichtigen, die zu den Äußerungen geführt haben. Die beanstandeten Äußerungen sind Teil eines Presseartikels, der über die Hörgerä-teversorgung und in diesem Zusammenhang insbesondere über den "verkürzten [X.]" berichtet. Der Anstoß für den [X.]eklagten zu
2, sich in einem Inter-view zum verkürzten [X.]
zu äußern, kam von außen durch die Presse. Die angegriffenen Äußerungen sind in dem Artikel eingebettet in eine umfangreiche-re Erörterung gesundheitspolitischer Fragen. Der Artikel dient dem [X.] der Öffentlichkeit, indem er die Vor-
und Nachteile des "verkürzten [X.]s" darstellt und Kritiker sowie [X.]efürworter der [X.] zu Wort
kommen lässt.
Soweit die Revisionserwiderung die beanstandeten Äußerungen losgelöst von diesem
Kontext lauterkeitsrechtlich beurteilt
wissen will, verkennt sie, dass die [X.] insbesondere mit [X.]lick auf Art.
5 Abs.
1 Satz
1 [X.] nicht isoliert betrachtet werden dürfen;
Anlass und Zusammenhang, in dem sie erfolgt sind, müssen berück-sichtigt werden (vgl. [X.], [X.], 710 Rn.
38 -
Im
[X.]). Das ent-spricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung des §
4 Nr.
7 UWG aF, der in erster Linie dem Schutz des betroffenen Mitbewerbers und daneben dem Schutz des Inte-resses der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb dient. Ein Verstoß gegen §
4 Nr.
7 UWG aF setzt -
anders als eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts -
voraus, dass die Handlung geeignet ist, die wettbewerblichen Interessen des Mit-bewerbers
oder der Mitbewerberin
auf dem fraglichen Markt zu beeinträchtigen (vgl. [X.], Urteil vom 12. Dezember 2013 -
I [X.], [X.], 601 Rn.
24 = [X.], 548

englischsprachige Pressemitteilung,
[X.]). [X.] Interessen der Klägerin als Mitbewerberin können aber nur beeinträchtigt
sein, wenn und soweit 36
37
38
-
19
-
sie
durch die angegriffenen Äußerungen in ihrem Gesamtkontext,
also
unter [X.]erück-sichtigung des gesamten
Inhalts
des
Artikels, herabgesetzt wird. Alles andere liefe auf
eine künstliche [X.]etrachtungsweise
hinaus.
Der angesprochene Verkehr nimmt die beanstandeten Äußerungen nicht isoliert, sondern als Teil des Artikels
wahr, zu-mal sie weder im Text noch durch Zwischenüberschriften hervorgehoben sind. Im Übrigen hat die Klägerin selbst nicht die Äußerungen
des [X.]eklagten zu
2 gegenüber der Presse, sondern die durch die Presse wiedergegebenen
Äußerungen
im Artikel als Ganzes zum Gegenstand der Klage gemacht.
[X.]ei der Abwägung ist freilich auch von Gewicht, dass die Klägerin durch die kritischen Äußerungen des [X.]eklagten zu
2 in ihrem Recht aus Art.
12 Abs.
1 Satz
1 [X.] betroffen ist. Weiterhin
ist zu berücksichtigen, dass die [X.]eklagte zu
1 als Körper-schaft des öffentlichen Rechts und der [X.]eklagte zu
2 als deren Organ bei kritischen Äußerungen das Gebot der Sachlichkeit und Neutralität sowohl in inhaltlicher Hin-sicht als auch bei den gewählten Formulierungen zu wahren haben
(vgl. [X.], Urteil vom 23.
Mai 1985

I
ZR 18/83, [X.], 1063, 1064
= WRP 1985, 694
-
Landes-innungsmeister). Das [X.]erufungsgericht hat die Anforderungen insofern allerdings überspannt, als es die beiden
Äußerungen ausschließlich aufgrund ihrer [X.] für herabsetzend erachtet und sie damit vollständig von ihrem Sinngehalt [X.] hat. Das wird der im Rahmen von §
4 Nr.
7 UWG aF
gebotenen Gesamtab-wägung nicht gerecht; erst recht gilt das für eine Abwägung unter [X.]erücksichtigung des Grundrechts der Meinungsfreiheit aus Art.
5 Abs.
1 Satz
1 [X.].
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung führt der Umstand, dass das [X.]erufungsgericht im Tatbestand den gesamten Presseartikel wiedergegeben hat und bei der Erörterung der Frage, ob eine geschäftliche Handlung im Sinne des §
2 Abs.
1 Nr.
1 UWG vorliegt, auf weitere Äußerungen im Presseartikel eingegangen ist, zu keinem anderen Ergebnis. Das [X.]erufungsgericht hat die Unzulässigkeit der bean-standeten Äußerungen ausdrücklich
allein aus den gewählten Formulierungen gefol-39
40
-
20
-
gert, ohne den Gesamtzusammenhang
in den [X.]lick zu nehmen oder eine Gesamt-abwägung vorzunehmen. Außerdem
hat das [X.]erufungsgericht unbeachtet gelassen, dass der [X.]eklagten zu
1 bei ihrer Tätigkeit als Interessenvertreterin von der [X.] weniger Vertrauen entgegengebracht wird, als wenn sie hoheitlich tätig wird; damit einher geht eine Lockerung des [X.].

Einen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot stellen die angegriffenen [X.] danach nicht dar. Sie sind zwar plakativ und haben schlagwortartigen Cha-rakter. Allerdings ist im Gesamtkontext insbesondere zu berücksichtigen, dass der [X.]eklagte zu
2 beide Äußerungen nachvollziehbar und sachlich begründet hat. Das gilt unabhängig von der objektiven Richtigkeit der [X.]egründungen, zumal eine Inter-essenvertretung durch die [X.]eklagte zu
1 erkennbar im Vordergrund stand. Soweit der [X.]eklagte zu
2 angegeben hat, es werde für schlechte Qualität gutes Geld ausge-geben, hat er dies damit begründet, dass der Arzt nie gelernt habe, ein Hörgerät [X.]. Die zweite als unlauter beanstandete
Äußerung ist im Zusammenhang mit der vom [X.]eklagten zu
2 als wichtig und teilweise längerfristig
geboten bezeichneten Nachsorge gefallen. Eine solche Nachsorge
ist nach Auffassung des [X.]eklagten zu
2 durch den Arzt wegen langer Wartezeiten, eines falschen Umgangs mit Reklamatio-nen und zu wenig Raum, um auf den Kunden eingehen zu können, kaum möglich. Auch diese [X.]egründung ist zumindest sachlich nachvollziehbar, unabhängig davon, ob sie in jeder
Hinsicht zutrifft.
Die mithin plakative,
aber sachlich begründete Kritik stellte
unter [X.]erücksichti-gung der Meinungsfreiheit der [X.]eklagten einerseits und der [X.]erufsfreiheit der Kläge-rin sowie dem Schutz des [X.] im Sinne von §
1 UWG andererseits keine
unlautere
Herabsetzung der Klägerin dar. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es nicht in erster Linie um eine private Auseinandersetzung zur Verfolgung von Eigeninteressen geht. Die [X.]eklagte zu
1 hat
vom Grundrecht der Meinungsfreiheit vielmehr im Zusammenhang mit einer auch die Öffentlichkeit berührenden Frage 41
42
-
21
-
Gebrauch
gemacht. Je mehr aber das Interesse der sich Äußernden auf politische, wirtschaftliche, [X.] oder kulturelle [X.]elange der Allgemeinheit gerichtet ist, desto eher ist eine Äußerung in Abwägung mit anderen [X.]elangen gerechtfertigt (vgl. [X.]VerfG, [X.], 81, 83). So liegt es hier. Die, wenn auch überspitzt formulierte, Kritik am "verkürzten [X.]" ist vom [X.]eklagten zu
2 sachlich begründet worden und eingebettet in einen Artikel, der sowohl [X.]efürworter als auch Gegner dieses [X.] zu Wort kommen lässt. Darin liegt schon keine Herabset-zung im Sinne von §
4 Nr.
7
UWG
aF. Darüber hinaus muss die [X.]eklagte zu
1 als Interessenvertreterin der Hörgeräteakustiker die Möglichkeit haben, sich zu gesund-heitspolitischen Fragen
zu äußern, die ihre Mitglieder direkt betreffen. Ihre Teilhabe an solchen Auseinandersetzungen darf ihr nicht deswegen erschwert werden, weil ihre Mitglieder sich in dem betreffenden [X.]ereich beruflich und wettbewerblich betäti-gen (vgl. [X.]VerfG, [X.], 81, 82). Die durch die Äußerungen
betroffene [X.]erufs-freiheit der Klägerin führt nicht zu einem anderen [X.]. Ihre Grund-rechtsbetroffenheit geht nicht über im Wettbewerb zulässige Kritik hinaus und muss deswegen bei einer Abwägung gegenüber dem Grundrecht der [X.]eklagten zu
1 aus Art.
5 Abs.
1 Satz
1 [X.] zurückstehen.
-
22
-
C. Da das [X.]erufungsurteil sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§
561 ZPO), ist es aufzuheben. Die Sache ist zur Endentscheidung reif und das die Klage abweisende Urteil des [X.]s wiederherzustellen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Kostenentscheidung beruht auf §
91 Abs.
1 Satz
1, §
97 Abs.
1
ZPO.
Koch
Schaffert
Löffler

[X.]
Schmaltz
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.12.2015 -
10 O 63/15 -

[X.], Entscheidung vom 27.10.2016 -
I-4 [X.] -

43

Meta

I ZR 264/16

01.03.2018

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.03.2018, Az. I ZR 264/16 (REWIS RS 2018, 13045)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13045

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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