Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.12.2015, Az. XI ZR 488/14

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 1119

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[X.]:[X.]:[X.]:2015:081215UXIZR488.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL

XI
ZR 488/14
Verkündet am:

8. Dezember 2015

Mayer,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
[X.] § 5 Abs. 2 Satz 1
[X.] der Gläubiger nach §
5 [X.] sind auch für solche Gläu-biger derselben Anleihe gleichermaßen verbindlich, die die Anleihe zuvor we-gen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Emittentin außerordent-lich gekündigt haben.
[X.], Urteil vom
8. Dezember 2015 -
XI ZR 488/14 -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 8.
Dezember
2015
durch [X.]
Ellenberger, die Richter
Dr.
Grüneberg
und
Maihold
sowie die Richterinnen
Dr.
Menges
und Dr.
Derstadt

für Recht erkannt:

Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 4.
Zivilsenats des [X.] vom 17.
September 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben,
als
zu
ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Die Berufung der Klägerin
gegen das Urteil der 18. Zivilkammer des [X.] vom 25.
April
2014
wird ins-gesamt zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Klägerin.

Von Rechts wegen
-
3
-
Tatbestand:

Die
Klägerin
nimmt
die Beklagte aus einer von dieser begebenen Unter-nehmensanleihe
in Anspruch.

Die Beklagte, eine börsennotierte Aktiengesellschaft,
emittierte im Jahr 2011 unter anderem die in einer Dauerglobalurkunde ohne Zinsscheine ver-briefte 6,375%-Schuldverschreibung 2011/2016 in einem Gesamtnennwert von 150
Mio.

, eingeteilt in 150.000 auf den Inhaber lautende [X.] im Nennbetrag von je 1.000

. In §
9 der Anleihebedingungen ("Kündi-gung") heißt es unter anderem:

"(1) Kündigungsgründe.
Jeder Gläubiger ist berechtigt, seine Schuldverschrei-bung zu kündigen und deren sofortige Rückzahlung zu ihrem Nennbetrag zu-züglich (etwaiger) bis zum Tage der Rückzahlung [X.] Zinsen zu ver-langen, falls:
(a) Nichtzahlung:
die Emittentin Kapital oder Zinsen oder sonstige auf die Schuldverschreibung zahlbaren
Beträge nicht innerhalb von 30
Tagen nach dem betreffenden Fälligkeitsdatum zahlt; oder
(b) ...
(c) ...
(d) Zahlungseinstellung:
die Emittentin ihre Zahlungseinstellung bekannt gibt oder ihre Zahlungen allgemein einstellt; oder
(e) Insolvenz u.ä.: ein Gericht ein Insolvenzverfahren gegen die Emittentin [X.] oder die Emittentin ein solches Verfahren einleitet oder beantragt oder eine allgemeine Schuldenregelung zu Gunsten ihrer Gläubiger anbietet oder trifft oder ein Dritter ein Insolvenzverfahren gegen die Emittentin beantragt und ein solches Verfahren nicht innerhalb einer Frist von 60
Tagen aufgehoben
oder ausgesetzt worden ist; oder (...)."

1
2
-
4
-
§
11 der Anleihebedingungen ("Beschlüsse der Gläubiger") enthält unter anderem folgende Regelungen:

"(1) Grundsatz.
Vorbehaltlich §
11 Absatz (3) können die Gläubiger durch Mehrheitsbeschluss über alle gesetzlich zugelassenen Beschlussgegenstände Beschluss fassen. Eine Verpflichtung zur Leistung kann für die Gläubiger durch Mehrheitsbeschluss nicht begründet werden.
(2) Verbindlichkeit.
Die [X.] der Gläubiger sind für alle [X.] gleichermaßen verbindlich. Ein Mehrheitsbeschluss der Gläubiger, der nicht gleiche Bedingungen für alle Gläubiger vorsieht, ist unwirksam, es sei denn die benachteiligten Gläubiger stimmen ihrer Benachteiligung ausdrücklich zu.
(3) Mehrheitsprinzip.
Die Gläubiger entscheiden mit einer Mehrheit von 75% (Qualifizierte Mehrhei

(4) Abstimmungsmethode.
Die Gläubiger beschließen in einer Gläubigerver-sammlung. ..."

§
12 der Anleihebedingungen ("Gemeinsamer Vertreter der Gläubiger") sieht die Möglichkeit der Bestellung eines "Gemeinsamen Vertreters" für alle Gläubiger durch Mehrheitsbeschluss der Gläubiger vor und regelt dessen [X.] und Befugnisse sowie dessen Haftung. Der gemeinsame Vertreter muss in persönlicher Hinsicht den Anforderungen des §
8 Abs.
1 [X.] genügen. Wegen des für Gläubigerversammlungen oder Abstimmungen der Gläubiger ohne Versammlung zu wahrenden Verfahrens nimmt §
1 Abs.
7 der [X.] auf die Bestimmungen gemäß Annex
2 des Emissions-
und [X.] vom 11.
Juli 2011 zwischen der Emittentin und der [X.] als Hauptzahlstelle unter Hinweis auf deren Veröffentli-chung im Internet Bezug.
3
4
-
5
-
Am 24.
Januar 2013 gab die Beklagte in einer Ad-hoc-Mitteilung bekannt, dass eine finanzwirtschaftliche Restrukturierung erforderlich sei. Es seien "gra-vierende Einschnitte bei den Verbindlichkeiten der Gesellschaft, insbesondere den Anleihen ... erforderlich", wobei auch die streitgegenständliche Anleihe
in Bezug genommen wurde. Am 17.
April 2013 zeigte die Beklagte durch eine wei-tere Ad-hoc-Mitteilung an, dass ein Verlust in Höhe der Hälfte des [X.] eingetreten sei.
Mit einer Ad-hoc-Mitteilung vom 29.
April 2013 wurde ein erheblicher Wertberichtigungsbedarf bekanntgegeben. Mit einer Ad-hoc-Mittei-lung vom 30.
April 2013 teilte die Beklagte mit, dass sie mit wesentlichen [X.] eine vorläufige Einigung über die wirtschaftlichen Eck-punkte zur Restrukturierung ihrer Finanzverbindlichkeiten erzielt habe. Zugleich leitete sie die notwendigen gesellschaftsrechtlichen Schritte
zur Umsetzung des Restrukturierungskonzepts ein. Mit einer Ad-hoc-Mitteilung vom 18.
Juni 2013 vermeldete die Beklagte eine Einigung mit den [X.] und dem Inhaber eines gesicherten Darlehens über die Umsetzung zur Restruktu-rierung ihrer Finanzverbindlichkeiten.

Am 12.
Juli 2013 lud die Beklagte zwecks Durchführung eines Verfah-rens nach den §§
5
ff. [X.] die Gläubiger der streitgegenständlichen Anleihe für den 5.
August 2013 zu einer (zweiten) Gläubigerversammlung ein, in der
mehr als 99% der teilnehmenden Stimmrechte der von der [X.] vorge-schlagenen Restrukturierung zustimmten. Die Zustimmung bezog sich auf den Umtausch der Anleihe in Erwerbsrechte auf neue Anleihen mit einem reduzier-ten Nennwert und in Erwerbsrechte auf neue Aktien an der [X.]. Darüber hinaus stimmten die Gläubiger auch einem zeitlich bis Ende 2014 befristeten Kündigungsverzicht zu. Im wirtschaftlichen Ergebnis stellte dies für die [X.] einen Forderungsverzicht von ca. 55% dar.
Das
Sanierungskonzept
wurde auf einer außerordentlichen Hauptversammlung der [X.] am 5
6
-
6
-
7.
August 2013 mit mehr als 99% der anwesenden Stimmrechte gebilligt und in der Folgezeit umgesetzt.
Dabei wurde

so auch in dem Depot der Klägerin

die streitgegenständliche Anleihe gegen Einbuchung von [X.] auf neue Aktien sowie neue besicherte Anleihen ausgebucht.

Die Klägerin hatte nach Bekanntwerden der Notwendigkeit einer Restruk-turierung im Januar 2013 von der
streitgegenständlichen
Anleihe Teilschuldver-schreibungen im Nennwert von insgesamt 202.000

22% des Nennwerts erworben. Mit anwaltlichem Schreiben vom 31.
Mai 2013 kündigte sie gegenüber der [X.] die Anleihe unter Hinweis auf §
9 Abs.
1 Buchst.
d und e der Anleihebedingungen wegen wesentlicher Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse und verlangte die Rückzahlung der Anleihe zum Nennwert. Mit Schreiben vom 18.
Juli 2013 wiederholte sie die Kündigung, wobei sie diese zusätzlich mit einer ausgebliebenen Zinszahlung begründete. Mit anwaltlichen Schreiben vom 8. und 13.
August 2013 erfolgten weitere [X.] der Klägerin, die sie unter anderem mit dem beabsichtigten Ausschluss des Kündigungsrechts und dem Angebot einer allgemeinen [X.] rechtfertigte. Die Zinszahlungen auf die Anleihe für den Zeitraum vom 14.
Juli 2012 bis 13.
Juli 2013 erfolgten seitens der [X.] am 9.
August 2013 an das nach §
1 Abs.
4 der Anleihebedingungen eingerichtete Clearing System und wurden der Klägerin

nach ihrer Behauptung

am 14.
August 2013 gutgeschrieben. Diese Zinszahlungen waren nach dem Be-schluss der Gläubigerversammlung vom 5.
August 2013 auf die Tilgung der neuen Anleihen anzurechnen.

Die Klägerin begehrt im Wege der Teilklage die Rückzahlung der Anleihe zum Nennwert in Höhe von 50.000

März 2014 gezahlter 2.892

März 2014 gezahlter 641,46

sowie die Erstat-7
8
-
7
-
tung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Sie ist der Auffassung, dass sie die [X.] wirksam gekündigt habe und dass ihr die

erst nach Wirksamwerden ihrer Kündigung gefassten

Beschlüsse der Gläubigerversammlung vom 5.
August 2013 nicht entgegengehalten werden könnten. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der
Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage bis auf einen Teil der geltend gemachten Nebenforderungen stattgegeben, [X.] nur gegen Aushändigung von 48
Bonds der neuen Anleihe und 365
Aktien an der [X.]. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revi-sion begehrt
die Beklagte
die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet.
Sie führt zur vollständigen Zurückweisung der Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, die unter anderem in [X.], 2176 veröffentlicht ist, ausgeführt:

Der
Klägerin stehe der geltend gemachte
Zahlungsanspruch aus §
9 Abs.
1 der Anleihebedingungen gegen Aushändigung der anstelle der streitge-genständlichen Teilschuldverschreibungen
in ihr Depot eingebuchten Wertpa-piere
zu.
Die Klägerin habe die Anleihe jedenfalls mit ihrem Schreiben vom 18.
Juli 2013 wirksam gekündigt. Ihr habe zwar kein Kündigungsrecht nach §
9 Abs.
1 Buchst.
d der Anleihebedingungen wegen Zahlungseinstellung oder 9
10
11
-
8
-
nach §
9 Abs.
1 Buchst.
e der Anleihebedingungen wegen einer Vermögens-verschlechterung der [X.] oder der Gefährdung des Leistungsanspruchs der Anleihegläubiger zugestanden.
Die Klägerin habe die [X.] aber nach §
9 Abs.
1 Buchst.
e der Anleihebedingungen vorzeitig kün-digen können, weil danach ein Kündigungsrecht auch dann bestehe, wenn die Emittentin eine allgemeine Schuldenregelung zu Gunsten ihrer Gläubiger anbie-te. Diese Voraussetzung sei auch dann gegeben, wenn die Emittentin den Gläubigern

wie hier

einen Beschlussvorschlag im Sinne der §§
5
ff. [X.] unterbreite. Das Restrukturierungskonzept der [X.] stelle eine "[X.]"
dar. Die Kündigungserklärung sei nicht wegen eines Verstoßes gegen §
9 Abs.
2 Satz
2 der Anleihebedingungen nach §
125 Satz
2 BGB formunwirksam, weil die Klägerin dem Kündigungsschreiben keine Be-scheinigung ihrer Depotbank über ihre [X.]haberschaft beigefügt habe. Diese Bescheinigung habe die Klägerin bereits mit dem vorangegangenen
Kündigungsschreiben vom 31.
Mai 2013 übersandt.

Das Kündigungsrecht der Klägerin sei nicht unter
dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ausgeschlossen. Aufgrund der Kündigung habe sie gegen-über den anderen Anleihegläubigern
keinen unzulässigen Sondervorteil erlangt, sondern lediglich von den ihr nach den Anleihebedingungen zustehenden Rechten Gebrauch gemacht. Eine wie auch immer geartete Treue-
oder Sanie-rungspflicht der Anleihegläubiger untereinander oder gegenüber der Emittentin bestehe nicht. Es widerspreche auch nicht der Intention des Schuldverschrei-bungsgesetzes, Gläubigern in bestimmten Phasen von Restrukturierungsmaß-nahmen die Möglichkeit zu gewähren, der Emittentin ihr Kapital durch Kündi-gung zu entziehen. Das in §
9 Abs.
1 Buchst.
e der Anleihebedingungen für sol-che Konstellationen vorgesehene Kündigungsrecht sei gerade das Korrelat da-zu, dass [X.] der Gläubigerversammlung für alle [X.]
-
9
-
biger verbindlich seien. Der Zeitpunkt des Erwerbs der Anleihen durch die Klä-gerin erst nach Bekanntgabe finanzieller Schwierigkeiten der [X.] sei für die Ausübung des Kündigungsrechts unerheblich.

Schließlich werde durch den Vollzug des Beschlusses der Gläubigerver-sammlung vom 5.
August 2013 die Aktivlegitimation der Klägerin nicht berührt. Insbesondere sei
der Zahlungsanspruch der Klägerin als Hauptleistungspflicht der [X.] nicht durch den Umtausch der Anleihen unmöglich geworden. Dieser Umtausch wirke sich nicht auf die Hauptleistungspflicht der [X.] zur Zahlung aus, sondern betreffe allein die Gegenleistungspflicht der Klägerin auf Aushändigung der Anleihen. Aufgrund dessen stehe der Klägerin der [X.] nur gegen Aushändigung der substituierten Wertpapiere zu.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in einem wesentli-chen Punkt nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin ein Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung der streitge-genständlichen Teilschuldverschreibungen nicht zu, weil dieser Anspruch in Vollziehung des Beschlusses der Gläubigerversammlung vom 5.
August 2013 auf die als Abwicklungsstelle eingeschaltete Bank übergegangen und anschlie-ßend der [X.] erlassen worden ist.

1. Es kann dahinstehen, ob der Klägerin aufgrund der Verschlechterung der Vermögenslage der [X.] und der von ihr beabsichtigten Restrukturie-rungsmaßnahmen hinsichtlich ihrer Finanzverbindlichkeiten ein außerordentli-ches Kündigungsrecht nach §
9 Abs.
1 der Anleihebedingungen oder

was die 13
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15
-
10
-
Klägerin meint

nach §§
314,
490 Abs.
1 BGB zugestanden und sie die von ihr erworbenen Schuldverschreibungen wirksam gekündigt hat. Dies kann für das Revisionsverfahren zugunsten der Klägerin unterstellt werden. Denn auch in diesem Fall kann die Beklagte der
Klägerin gemäß §
11 Abs.
2 Satz
1 der An-leihebedingungen den Beschluss der Gläubigerversammlung vom 5.
August 2013 mit der Folge entgegenhalten, dass die Teilschuldverschreibungen der Klägerin auf die Abwicklungsstelle übertragen und der [X.] das darin ver-briefte Zahlungsversprechen erlassen worden ist, während die Klägerin im [X.] in entsprechender Anzahl Erwerbsrechte auf neue Aktien an der [X.] und auf eine neu zu begebende Schuldverschreibung erhalten hat.

2. Der Beschluss der Gläubigerversammlung vom 5.
August 2013 gilt für alle Gläubiger, d.h. auch für diejenigen Gläubiger, die

wie hier zugunsten der
Klägerin unterstellt

die von ihnen gehaltenen Teilschuldverschreibungen zuvor gekündigt haben.

a) Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des §
11 Abs.
2 Satz
1 der Anleihebedingungen, die der Senat selbständig und ohne Bindung an die Aus-legung des Berufungsgerichts
auslegen kann (vgl. Senatsurteil vom 30.
Juni 2009

XI
ZR 364/08, [X.], 1500 Rn.
20
mwN). Nach dieser Regelung, die §
5 Abs.
2 Satz
1 [X.] entspricht, sind [X.] der Gläubiger für alle Gläubiger derselben Anleihe gleichermaßen verbindlich. Dies stimmt mit der
Regelung in §
4 Satz
2 [X.]
überein, wonach der Schuldner die [X.] gleich behandeln muss.

An der Gläubigerstellung der Klägerin ändert sich durch ihre Kündigung nichts. Im Fall der
außerordentlichen
Kündigung der Schuldverschreibung bleibt dessen Inhaber Gläubiger des Emittenten, bis dieser die Forderung vollständig 16
17
18
-
11
-
erfüllt hat. Erst dann ist das Schuldverhältnis endgültig beendet. Die Kündigung der Schuldverschreibung dient nur dazu, die Fälligkeit der darin verbrieften [X.] herbeizuführen und dadurch den Leistungszeitpunkt festzulegen oder vorzuverlegen.
Inhalt und Umfang der in
der Schuldverschreibung verbrieften Forderung im Übrigen bleiben dagegen durch die Kündigung unberührt.

b) Weder aus den Anleihebedingungen noch aus den Vorschiften
des Schuldverschreibungsgesetzes ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Fälligkeitszeitpunkt für deren Anwendbarkeit relevant wäre. Ganz im Gegenteil spricht die Regelung in §
5 Abs.
5 [X.] für eine Anwendbarkeit des Gesetzes auch nach einer Kündigung der Anleihe. Dies entspricht der ganz überwiegen-den Auffassung in der Instanzrechtsprechung und in der Literatur (vgl. [X.], [X.], 2174, 2175, 2176; [X.], Urteil vom 12.
Januar 2015

9
O 153/14; [X.]/[X.] in Langenbucher/[X.]/[X.], [X.], Kap.
17, §
4
[X.] Rn.
10; [X.]/Schmidtbleicher in
FraKomm[X.], §
5 Rn.
30; BK-InsO/[X.], Stand: Juli 2015, §
4 [X.] Rn.
9; [X.]/[X.] in [X.], [X.], §
4 Rn.
60; [X.]/[X.], [X.], §
5 Rn.
15; [X.], Restrukturierung von Anleihen nach dem neuen
Schuldver-schreibungsgesetz, 2013, S.
129; [X.]/Splittgerber/[X.], [X.] 2015, 111, 112; [X.], [X.], 446, 448; [X.], [X.] 2015, 313, 316
f.; [X.], EWiR 2014, 481, 482; [X.]/[X.], [X.], 401, 411
ff.; [X.], [X.] 2015, 2379, 2381; [X.], [X.], 1073, 1075).

Dafür spricht auch, dass für den vergleichbaren Fall einer Beschlussfas-sung der Gläubiger nach Ablauf der Laufzeit einer Anleihe auch der [X.] des [X.] ohne weiteres davon ausgegangen ist (vgl. [X.], Urteil vom 1.
Juli 2014

II
ZR 381/13, [X.]Z 202, 7 Rn.
13).

19
20
-
12
-
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Merkmal "während der Laufzeit"
in §
4 Satz
1 [X.]. Diesem Kriterium, das im Übrigen vorliegend erfüllt wäre, weil die Beschlussfassung der Gläubigerversammlung vor Ablauf der regulären Fälligkeit der Anleihe im Jahr 2016 erfolgt ist, kommt bis zur vollständigen Erfül-lung der Anleihe keine eigenständige Bedeutung zu (vgl. [X.], Urteil vom 1.
Juli 2014

II
ZR 381/13, [X.]Z 202, 7 Rn.
13; [X.]/[X.] in
Langenbucher/[X.]/[X.], Bankrechts-Kommentar, Kap.
17, §
4 [X.] Rn.
10; [X.]/Schmidtbleicher in FraKomm[X.], §
4 Rn.
37; [X.]/
Oulds, [X.], §
4 Rn.
34; [X.], [X.], 446, 448).

Soweit
die Revisionserwiderung ihre gegenteilige Auffassung damit [X.], dass Nummer
2.9 des Beschlusses der Gläubigerversammlung vom 5.
August 2013
einen (zeitlichen)
Kündigungsverzicht erst mit Wirkung ex nunc beinhalte und deshalb die Kündigung der Klägerin unberührt lasse, bleibt dies ohne Erfolg.
Die Beschlussfassung zur Änderung des Kündigungsrechts ist von der Beschlussfassung über den Umtausch der Anleihe in neue Aktien und neue besicherte Schuldverschreibungen in Nummer
2.3 des Beschlusses der [X.]versammlung zu unterscheiden. Letzterer schließt alle Anleihegläubiger ein.

c) Dieses Auslegungsergebnis wird durch die Gesetzesmaterialien unter-strichen. Darin heißt es, dass die konkrete Reichweite der kollektiven Bindung der Änderungen der Anleihebedingungen durch den Gesetzgeber nicht ab-schließend bestimmt werden kann. Sie soll jedenfalls so weit reichen, wie es der mit ihr verfolgte Zweck gebiete. Im Regelfall sei von der kollektiven Bindung auszugehen (BT-Drucks.
16/12814, S.
17). Der Gesetzgeber
ist damit im Grundsatz von der Verbindlichkeit eines Beschlusses der Gläubiger für alle Gläubiger, also auch für diejenigen, die die Anleihe gekündigt haben, ausge-gangen.
21
22
23
-
13
-

d) Dafür sprechen
schließlich entscheidend der Sinn und Zweck des §
5 Abs.
2 Satz
1 [X.], dem §
11 Abs.
2 Satz
1 der Anleihebedingungen nach-gebildet ist. Das Schuldverschreibungsgesetz, insbesondere seine beiden Kernvorschriften der §§
4, 5 [X.], dient dem Ziel, die Gläubiger einer Anleihe in der Krise des Schuldners auf der Grundlage vollständiger und richtiger Infor-mationen sowie in einem geordneten, fairen und transparenten Verfahren an dessen vorinsolvenzrechtlicher Sanierung gleichmäßig zu beteiligen (vgl.
BT-Drucks. 16/12814, S. 13
f.). Den Gläubigern der Anleihe muss
diese Mög-lichkeit, mit der zugleich eine "Beschränkung ihrer individuellen Rechtsmacht"
(BT-Drucks. 16/12814, [X.]) verbunden ist, dadurch deutlich vor Augen geführt
werden, dass sich diese

wie vorliegend

aus den Anleihebedingungen ergibt

2 Satz
1, §
5 Abs.
1 Satz
1 [X.]).

Mit diesem Gesetzeszweck wäre es nicht zu vereinbaren, wenn [X.], die die Schuldverschreibung vor der Beschlussfassung durch die Gläubiger oder
sogar noch bis zum Vollzug eines solchen Beschlusses nach §
21 Abs.
1 Satz
1 [X.] (sog. Skripturakt) gekündigt haben, die Verbindlichkeit dieses Beschlusses nach §
5 Abs.
2 Satz
1 [X.] bzw. hier §
11 Abs.
2 Satz
1 der Anleihebedingungen nicht gegen sich gelten lassen müssten. Ohne eine [X.] aller Gläubiger und einen kollektiven Forderungsverzicht würden
der [X.] nachhaltig gefährdet und

sollte eine solche "Ausstiegsmöglichkeit"
eröffnet sein

das Schuldverschreibungsgesetz seine praktische Bedeutung verlieren. Aufgrund dessen räumen
die Kündigungstat-bestände des §
9 Abs.
1 der Anleihebedingungen dem einzelnen Gläubiger nicht die Möglichkeit ein, seine Einzelforderung einer Mehrheitsentscheidung aller Gläubiger zu entziehen.

24
25
-
14
-
e) Gegen dieses Auslegungsergebnis spricht nicht die Vorschrift
in §
5 Abs.
5 [X.], der
die Rücknahme einer "Gesamtkündigung"
durch einen Mehrheitsbeschluss regelt. Dieser Bestimmung lässt sich nicht entnehmen, dass die Rechtswirkungen einer Individualkündigung von einem Mehrheitsbe-schluss nach §
5 Abs.
2 Satz
1 [X.] unberührt bleiben sollen. Vielmehr soll §
5 Abs.
5 [X.] lediglich
der Mehrheit der Gläubiger ermöglichen, einen von einer Minderheit verursachten
erheblichen Liquiditätsabfluss bei dem
Emitten-ten zu unterbinden (vgl. [X.]/Schmidtbleicher in FraKomm[X.], §
5 Rn.
99).
Es handelt sich dabei um eine spezielle Regelung einer Restrukturierungsmaß-nahme, die von den übrigen in §
5 Abs.
3 [X.] genannten Maßnahmen, die eine Änderung der Anleihebedingungen zum Gegenstand haben, unabhängig ist und auch isoliert beschlossen werden kann, so dass sie einen eigenständi-gen Regelungsbereich aufweist.

f) Eine
unzulässige Rückwirkung, die
bei der rückwirkenden Anwendung
von Gesetzen auf einen abgeschlossenen Sachverhalt die Frage nach ihrer Zulässigkeit
aufwirft
(vgl. dazu [X.], Urteil vom 1.
Juli 2014

II
ZR 381/13, [X.]Z 202, 7 Rn.
12), ist damit nicht verbunden. Die Möglichkeit einer Um-wandlung der Teilschuldverschreibungen
in Gesellschaftsanteile, andere [X.] oder andere Leistungsversprechen war in §
11 Abs. 1 Satz
1 der [X.]bedingungen i.V.m. §
5 Abs.
3 Satz
1 Nr.
5 [X.] von vornherein vorgese-hen.

g) Da §
11 Abs.
2 Satz
1 der Anleihebedingungen auch gekündigte Schuldverschreibungen erfasst, bedarf es

was teilweise im Schrifttum erörtert wird (vgl. [X.], [X.] 2015, 313, 315; [X.]/[X.], [X.], 401, 412)

keiner wie auch immer gestalteten
Rücknahme der Kündigung. Vielmehr ist vorliegend mit Wirksamwerden des Beschlusses der Gläubigerversammlung 26
27
28
-
15
-
vom 5.
August 2013 auch der
Rückzahlungsanspruch der Klägerin nach den Maßgaben dieses Beschlusses auf die Abwicklungsstelle übertragen worden.
Die von der Klägerin ausgesprochene(n) Kündigung(en) sind damit gegen-standslos geworden. Dies gilt auch im Hinblick auf die Kündigung vom 18.
Juli 2013, die sie mit einer verzögert erfolgten
Zinszahlung begründete. Denn auch diese Zinszahlung war Gegenstand von Nummer
2.9 des Beschlusses der Gläubigerversammlung vom 5.
August 2013.

3. Gegen die Wirksamkeit des §
11 Abs.
2 Satz 1 der Anleihebedingun-gen und des
Beschlusses
der Gläubigerversammlung vom 5.
August 2013 be-stehen keine rechtlichen Bedenken. §
11 der Anleihebedingungen entspricht §
5 [X.], so dass die Regelung

was zwischen den Parteien auch nicht in Streit steht

einer Inhaltskontrolle nach §§
307 bis 309 BGB (vgl. dazu Senats-urteil vom 30.
Juni 2009

XI
ZR 364/08, [X.], 1500 Rn.
23 mwN) jeden-falls standhält (vgl. BT-Drucks. 16/12814, S.
13
f.). Anhaltspunkte für eine Nich-tigkeit des Beschlusses der Gläubigerversammlung (vgl. dazu [X.], Urteil vom 1.
Juli 2014

II
ZR 381/13, [X.]Z 202, 7 Rn.
15
ff.) sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich; insbesondere sieht der Beschluss keine "nicht gleichen Bedingungen für alle Gläubiger"
im Sinne der
§
11 Abs.
2 Satz
2 der [X.]bedingungen, §
5 Abs.
2 Satz
2 [X.] vor.
Vielmehr werden alle Gläubiger gleich behandelt.

29
-
16
-
III.

Das angefochtene Urteil war demnach aufzuheben (§
562 Abs.
1 ZPO). Da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§
563 Abs.
3 ZPO) und die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil insgesamt zurückweisen.

Ellenberger
Grüneberg
Maihold

Menges
Derstadt
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 25.04.2014 -
2-18 O 429/13 -

O[X.], Entscheidung vom 17.09.2014 -
4 [X.] -

30

Meta

XI ZR 488/14

08.12.2015

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.12.2015, Az. XI ZR 488/14 (REWIS RS 2015, 1119)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1119

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZR 178/20 (Bundesgerichtshof)

Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen: Vergütung des nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Emittenten …


XI ZR 370/15 (Bundesgerichtshof)


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XI ZR 488/14

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