Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.06.2017, Az. XII ZB 465/14

12. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 9303

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Gegenstand

Versorgungsausgleich: Verteilung der Barwertminderung bei Bezug einer betrieblichen Altersversorgung


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 5 wird der Beschluss des 6. [X.] in [X.] des [X.] vom 7. August 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

[X.]: 1.350 €

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht hat im [X.] mit Beschluss vom 17. März 2014 die Ehe der 1952 geborenen Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) und des 1951 geborenen [X.] (im Folgenden: Ehemann) geschieden und den Versorgungsausgleich für die Ehezeit vom 1. November 1975 bis zum 31. Juli 2012 geregelt. Dabei hat es neben dem Ausgleich von Anrechten in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der privaten Altersvorsorge angeordnet, dass zu Lasten des betrieblichen Anrechts des Ehemanns bei der [X.] (Beteiligte zu 5) im Wege der internen Teilung zugunsten der Ehefrau ein auf den 31. Juli 2012 bezogenes Anrecht mit einem Ausgleichswert von 370.070,98 € begründet wird.

2

Mit ihrer dagegen gerichteten Beschwerde hat die [X.] geltend gemacht, die Entscheidung des Amtsgerichts berücksichtige nicht, dass der Ehemann bereits seit dem 1. November 2011 aus dem ungekürzten betrieblichen Anrecht eine Altersrente beziehe und dadurch ein "[X.]" eingetreten sei. Die [X.] hat im Beschwerdeverfahren eine aktualisierte Auskunft vorgelegt, mit der sie den Ausgleichswert zum 31. August 2014 nach Abzug von [X.] mit 327.572,46 € beziffert hat. Das [X.] hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die [X.] mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

4

1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in [X.], 754 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, dass der Rentenbezug des [X.] und der damit einhergehende "Verzehr" des [X.] der Versorgung keine Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 [X.] darstelle. Eine abweichende Sichtweise würde dazu führen, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte - sofern er keinen Unterhalt zahlen müsse - dazu animiert werde, das Verfahren über den Versorgungsausgleich möglichst lange herauszuschieben, um weiterhin die ungeschmälerte Versorgung zu beziehen. Hinzu komme, dass der Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung nicht zuverlässig vorhergesagt und der [X.] durch das Gericht bei seiner Entscheidung deshalb nicht zutreffend berücksichtigt werden könne.

5

2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

6

a) Richtig ist dabei allerdings im Ausgangspunkt, dass der nachehezeitliche Rentenbezug keine auf die Ehezeit zurückwirkende tatsächliche Änderung im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 [X.] darstellt (vgl. Senatsbeschlüsse [X.], 32 = [X.], 775 Rn. 28 ff. und vom 24. August 2016 - [X.]/13 - [X.], 2000 Rn. 14 ff.). Wie der Senat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung mehrfach ausgesprochen hat, rechtfertigt dies aber nicht die Schlussfolgerung, dass die laufenden Veränderungen der Bewertungsfaktoren einer betrieblichen Altersversorgung in der Leistungsphase beim Versorgungsausgleich nicht berücksichtigt werden dürften.

7

aa) Ansonsten käme es zu einer übermäßigen Inanspruchnahme des Versorgungsträgers. Denn dieser muss aus dem erst noch auszugleichenden [X.] bereits laufende Leistungen an den [X.] erbringen, die sich nach Durchführung des Versorgungsausgleichs als überproportional zu dem bei ihm nur anteilig verbleibenden Anrecht darstellen würden, während gesetzliche Erstattungs- oder Ausgleichsmechanismen außerhalb des § 30 [X.] nicht vorgesehen sind. Den Versorgungsträger mit solchen Mehrbelastungen zu belegen, wäre jedoch mit grundgesetzlichen Rechtsgarantien nicht vereinbar.

8

Nach der Rechtsprechung des [X.] schützt Art. 2 Abs. 1 GG einen privaten Versorgungsträger vor hoheitlichen Eingriffen in Verträge, die er abgeschlossen hat, und er gewährleistet ferner die Handlungsfreiheit des Versorgungsträgers im wirtschaftlichen Bereich. Einen unzulässigen Eingriff würde es darstellen, wenn einem privatrechtlichen Träger der zusätzlichen Altersversorgung die Verpflichtung auferlegt werden sollte, einem geschiedenen Versorgungsempfänger Leistungen in einem Umfang zu erbringen, auf die dieser nach dem Inhalt des abgegebenen Versorgungsversprechens keinen Anspruch hat. Um einen solchen Eingriff handelte es sich, wenn der Versorgungsträger zunächst für eine Übergangszeit die volle Rentenleistung erbringen und dennoch rückwirkend das ungekürzte Anrecht teilen müsste. Denn mit der planmäßigen Auszahlung der Rente an die ausgleichspflichtige Person ab Erreichen der vereinbarten Altersgrenze erfüllt der Versorgungsträger bereits einen Teil seiner vertraglichen Leistungszusage so, als sei und bleibe das bei ihm erworbene Anrecht ungeteilt. Eine zusätzlich auf das Ende der Ehezeit bezogene (höhere) Bewertung des Anrechts im Versorgungsausgleich würde zu einer wesentlichen Vermehrung der Zahlungsströme führen und die versicherungsmathematische Äquivalenz nach der Begründung des [X.] stören. Den Trägern der ergänzenden Altersversorgung dürfen indessen über die durch den Versorgungsausgleich angeordnete, wertneutrale Halbteilung bestehender Anrechte hinaus keine zusätzlichen Leistungspflichten und Risiken aufgebürdet werden, durch die das versicherungsmathematische Gleichgewicht von Deckungsbeitrag und Leistungsanspruch einseitig zu Lasten des Versorgungsträgers verschoben würde. Zwar gibt es keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass einem privatrechtlich organisierten Versorgungsträger jede Belastung durch den Versorgungsausgleich erspart bleiben müsse; es fehlt aber an einer verfassungsrechtlich tragfähigen Legitimation dafür, einem privaten Versorgungsträger wegen der Scheidung eines Betriebsangehörigen weitergehende wirtschaftliche Belastungen zuzumuten, als dies mit der aufwandsneutralen Umsetzung des Versorgungsausgleichs verbunden ist (vgl. Senatsbeschlüsse [X.], 32 = [X.], 775 Rn. 45 ff. und vom 24. August 2016 - [X.]/13 - [X.], 2000 Rn. 18 ff.). Diese für kapitalgedeckte Versorgungen aufgestellten Grundsätze gelten in gleicher Weise für rückstellungsfinanzierte Anrechte aus Direktzusagen (vgl. Senatsbeschluss [X.], 32 = [X.], 775 Rn. 67 f.). Denn die Beurteilung, dass der Versorgungsausgleich bei einer auf das Ende der Ehezeit bezogenen (höheren) Bewertung des Anrechts für den Versorgungsträger nicht kostenneutral durchgeführt werden kann, wenn dieser nach dem Ende der Ehezeit aus dem ungekürzten Anrecht vertragsgemäße Leistungen an die ausgleichspflichtige Person erbringt, hängt nicht mit der Finanzierungsform des Anrechts, sondern damit zusammen, dass der Wert des Anrechts als stichtagsbezogener versicherungsmathematischer Barwert angegeben ist (vgl. Senatsbeschluss vom 24. August 2016 - [X.]/13 - [X.], 2000 Rn. 21).

9

bb) Es ist auch nicht möglich, dem ausgleichsberechtigten Ehegatten aus dem reduziert verbliebenen Anrecht den auf das Ende der Ehezeit bemessenen vollen Ausgleichswert zu übertragen. Wenn ein solcher Ausgleich nicht zu Lasten des Versorgungsträgers ginge, hätte dies nämlich zur Folge, dass sich der zwischenzeitliche Rentenbezug aus dem noch ungekürzten Anrecht nach der Scheidung allein zu Lasten des ausgleichspflichtigen Ehegatten auswirkt, indem sein Anrecht nicht nur um den ehezeitlichen Ausgleichswert, sondern zusätzlich um den vollen Barwertverlust während des zwischenzeitlichen Rentenbezuges gekürzt würde. Der [X.] gebietet aber nicht nur, dass die ausgleichsberechtigte Person die Hälfte des in der Ehezeit erworbenen Anrechts abzüglich der anteiligen Kosten der Teilung erhält, sondern ebenso, dass der ausgleichspflichtigen Person die Hälfte des von ihm erworbenen Anrechts abzüglich der anteiligen [X.] verbleibt (Senatsbeschluss [X.], 32 = [X.], 775 Rn. 51 f.; BT-Drucks. 16/10144 S. 126).

Allein der bestimmungsmäßige Bezug der Rentenleistung rechtfertigt es nicht, der ausgleichspflichtigen Person einen geringeren Anteil an dem im Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung noch vorhandenen restlichen Barwert zuzuweisen, als ihn die ausgleichsberechtigte Person erhielte. Vielmehr ist die zwischen Ehezeitende und Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich eingetretene oder noch zu erwartende Minderung des [X.] des zu teilenden Anrechts grundsätzlich im Wege eines gleichmäßigen Abzugs auf beide Ehegatten zu verteilen. Um dies zu bewirken, hat es der Senat im Ausgangspunkt gebilligt, den Ausgleichswert anhand des noch vorhandenen restlichen [X.] zeitnah zur Entscheidung über den Versorgungsausgleich oder vorausschauend auf den Zeitpunkt der mutmaßlichen Rechtskraft zu ermitteln (Senatsbeschlüsse [X.], 32 = [X.], 775 Rn. 55 und vom 24. August 2016 - [X.]/13 - [X.], 2000 Rn. 22).

b) Das Beschwerdegericht wird daher nach der Zurückverweisung der Sache aktuelle Auskünfte zum restlichen Barwert der Versorgungsverpflichtung zu einem Bewertungszeitpunkt einzuholen haben, der zeitnah zu seiner (erneuten) Beschlussfassung liegt.

Liegt der zum entscheidungsnahen Zeitpunkt aktualisierte Barwert unter dem Barwert zum Ehezeitende, kann freilich nur noch die Hälfte des in seinem Barwert geminderten [X.]s auf die Ehefrau übertragen werden. Das wird dem [X.] gerecht, wenn sich die vom Ehemann aus dem noch ungeteilten Anrecht bei der [X.] bezogenen Leistungen im Rahmen einer Unterhaltsberechnung zugunsten der Ehefrau ausgewirkt haben. Hat die Ehefrau demgegenüber seit dem Ende der Ehezeit von den (ungekürzten) Versorgungsleistungen in unterhaltsrechtlicher Hinsicht nicht profitiert, kann der [X.] durch den Ausgleich des im Entscheidungszeitpunkt noch vorhandenen [X.] nicht vollständig erfüllt werden. In diesem Fall sind die gesetzlich eröffneten Korrekturmöglichkeiten zu prüfen. Insbesondere kann der [X.] dann dadurch verwirklicht werden, dass die Gegenanrechte der Ehefrau bei der [X.], die in umgekehrter Richtung auszugleichen wären, ganz oder teilweise gemäß § 27 [X.] vom Versorgungsausgleich ausgenommen werden, soweit die gesamten Umstände des Einzelfalls dies rechtfertigen (Senatsbeschlüsse [X.], 32 = [X.], 775 Rn. 58 f. und vom 24. August 2016 - [X.]/13 - [X.], 2000 Rn. 26). Hierzu hat das Beschwerdegericht - aus seiner Sicht folgerichtig - bislang noch keine Feststellungen getroffen.

3. Die Zurückverweisung gibt dem Beschwerdegericht zugleich Gelegenheit, die Angemessenheit der [X.] zu überprüfen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. März 2015 - [X.]/12 - [X.], 913 Rn. 11 ff. und vom 25. März 2015 - [X.] 156/12 - [X.], 916 Rn. 8 ff.). Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Dose     

       

Schilling     

       

[X.]

       

Botur     

       

Guhling     

       

Meta

XII ZB 465/14

21.06.2017

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Frankfurt, 7. August 2014, Az: 6 UF 109/14, Beschluss

§ 5 VersAusglG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.06.2017, Az. XII ZB 465/14 (REWIS RS 2017, 9303)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9303

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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