Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.11.2018, Az. XII ZB 315/18

12. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 1443

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Versorgungsausgleichssache: Tenorierung bezogen auf den Bewertungszeitpunkt bei Ermittlung des Ausgleichswerts einer laufenden kapitalgedeckten Versorgung anhand des noch vorhandenen Restkapitalwerts


Leitsatz

Ermittelt das Gericht den Ausgleichswert einer laufenden kapitalgedeckten Versorgung anhand des noch vorhandenen Restkapitalwerts zeitnah zur Entscheidung über den Versorgungsausgleich oder vorausschauend auf den Zeitpunkt der mutmaßlichen Rechtskraft, so ist die interne Teilung des Anrechts nicht mit Bezug auf das Ehezeitende, sondern mit Bezug auf diesen Bewertungszeitpunkt auszusprechen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 1. August 2018, XII ZB 159/18, NJW 2018, 3176).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des 2. Senats für Familiensachen des [X.] vom 27. Juni 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Wert: 3.600 €

Gründe

I.

1

Auf den am 21. September 2017 zugestellten Antrag hat das Familiengericht die am 7. Oktober 1994 geschlossene Ehe des Antragstellers (im Folgenden: Ehemann) und der Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Während der Ehezeit (1. Oktober 1994 bis 31. August 2017; § 3 Abs. 1 [X.]) haben beide Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, darüber hinaus die Ehefrau ein betriebliches Anrecht bei der Beteiligten zu 2 und der Ehemann Anrechte aus verschiedenen Bausteinen der betrieblichen Versorgung bei der [X.] (Beteiligte zu 1), aus denen er bereits seit dem 1. Juni 2014 laufende Rente bezieht. Die Beteiligte zu 1 hat die bei ihr jeweils begründeten Rentenansprüche gemäß den ihrer letzten Handelsbilanz zugrunde gelegten Bewertungsgrundsätzen, jedoch mit dem auf das voraussichtliche Rechtskraftdatum (31. März 2018) prognostizierten Rechnungszins, jeweils in einen Kapitalwert umgerechnet. Für die "Grundversorgung" hat sie danach einen Ehezeitanteil als Kapitalwert von 76.260,02 € angegeben und - nach Abzug von 2.287,80 € [X.] - einen Ausgleichswert von 36.986,11 € vorgeschlagen, für die "[X.]" einen ehezeitlichen Kapitalwert von 11.101,70 € und - nach Abzug von 333,05 € [X.] - einen Ausgleichswert von 5.384,33 €, für die "[X.]I" einen ehezeitlichen Kapitalwert von 7.800,35 € und - nach Abzug von 234,01 € [X.] - einen Ausgleichswert von 3.783,17 € sowie für die "[X.]" einen ehezeitlichen Kapitalwert von 10.831,89 € und - nach Abzug von 324,96 € [X.] - einen Ausgleichswert von 5.253,47 €, bewertet jeweils auf den Stichtag 31. März 2018 als das voraussichtliche Rechtskraftdatum.

2

Das Familiengericht hat die Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung und das betriebliche Anrecht der Ehefrau wie vorgeschlagen intern geteilt. Die vom Ehemann bei der Beteiligten zu 1 erworbenen Anrechte hat es mit den vom Versorgungsträger vorgeschlagenen [X.]n, jedoch bezogen auf den 31. August 2017 als das Ehezeitende, intern geteilt.

3

Gegen diese Entscheidung hat die Beteiligte zu 1 Beschwerde mit dem Ziel eingelegt, die bei ihr bestehenden Anrechte mit den angegebenen [X.]n bezogen auf den Bewertungsstichtag am 31. März 2018 als dem voraussichtlichen Rechtskraftdatum zu teilen. Das [X.] hat die Beschwerde zurückgewiesen; hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

5

1. Das [X.] hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

6

Maßgeblicher Zeitpunkt der Bewertung von [X.] sei das Ende der Ehezeit. Auf diesen Zeitpunkt sei ihre Teilung im Tenor zu beziehen. Eine Grundlage für eine davon abweichende Tenorierung ergebe sich auch bei laufendem Rentenbezug nicht.

7

Die laufende Veränderung der Bewertungsfaktoren in der Leistungsphase stelle nämlich keine auf den Ehezeitanteil rückwirkende Veränderung dar, weshalb es auch bei laufendem Rentenbezug grundsätzlich bei der Bewertung nach § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] mit dem Ende der Ehezeit als maßgeblichem Bewertungszeitpunkt verbleibe. Folgerichtig könne auch in die Tenorierung nur das Ehezeitende als Bezugspunkt aufgenommen werden. Es bedeute auch keinen Widerspruch, wenn bei der Berechnung des [X.] berücksichtigt werde, dass der Versorgungsträger einen mit Zeitablauf geringer werdenden Betrag zur Abdeckung der noch offenen Leistungsverpflichtung vorhalte, und andererseits sichergestellt werde, dass ab dem Zeitpunkt, auf den die Teilung bezogen werde, für das neu begründete Anrecht des [X.] und das Restanrecht des [X.] die gleichen Bewertungsgrundsätze zugrunde gelegt würden. Denn es sei Aufgabe des Versorgungsträgers sicherzustellen, dass in die Berechnung für den Zeitraum, der zwischen dem Ende der Ehezeit und der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich liege, nicht Aspekte, die sich auf die Wertentwicklung auswirkten, doppelt berücksichtigt würden. Es sei nicht erkennbar, weshalb bei einer Tenorierung bezogen auf das Ehezeitende eine für den Versorgungsträger kostenneutrale Teilung des Anrechts nicht mehr gewährleistet sei. Eine doppelte Berücksichtigung von Wertentwicklungsfaktoren sei an keiner Stelle vorgesehen und ein Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz nicht erkennbar.

8

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

9

Wie der [X.] nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat ([X.]sbeschluss vom 1. August 2018 - [X.] 159/18 - NJW 2018, 3176 Rn. 17 ff.), ist ein auf das voraussichtliche Rechtskraftdatum ermitteltes Deckungskapital im Rahmen der internen Teilung nicht bezogen auf das Ehezeitende, sondern auf den zugrundeliegenden Bewertungsstichtag zu teilen.

a) Nach der [X.]srechtsprechung zur Teilung von kapitalgedeckten Anrechten kann dem ausgleichsberechtigten Ehegatten nicht mehr der auf das Ende der Ehezeit bemessene volle Ausgleichswert übertragen werden, wenn aus dem Anrecht bereits eine laufende Rente bezogen wird und der noch bestehende Barwert unter den Barwert des Anrechts bei Eintritt in die Leistungsphase gesunken ist ([X.]sbeschluss [X.], 32 = [X.], 775 Rn. 42 ff.).

Um denjenigen Friktionen Rechnung tragen zu können, die sich bei der Teilung einer laufenden Versorgung aus der eingetretenen oder noch zu erwartenden Barwertminderung des zu teilenden Anrechts in dem Zeitraum zwischen dem Eintritt des [X.] und der Rechtskraft der Entscheidung ergeben, hat es der [X.] im Ausgangspunkt sowohl für die interne Teilung (vgl. [X.]sbeschluss [X.], 32 = [X.], 775 Rn. 55) als auch für die externe Teilung (vgl. [X.]sbeschluss vom 24. August 2016 - [X.] 84/13 - [X.], 2000 Rn. 22) gebilligt, den Ausgleichswert anhand des noch vorhandenen Restkapitalwerts zeitnah zur Entscheidung über den Versorgungsausgleich oder vorausschauend auf den Zeitpunkt der mutmaßlichen Rechtskraft zu ermitteln.

Der [X.] hat hierbei nicht verkannt, dass darin eine inhaltliche Abweichung von der - nach § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] gebotenen - Bewertung des Anrechts zum Stichtag des [X.] liegt. Er hat das Hinausschieben des Bewertungszeitpunkts bei laufendem Rentenbezug aus einer kapitalgedeckten Versorgung aber als unvermeidlich angesehen, weil der Versorgungsausgleich entfallen muss, soweit ein bei Ende der Ehezeit bestehendes Anrecht später entfallen ist ([X.]sbeschluss [X.], 32 = [X.], 775 Rn. 56).

b) Aus dem Hinausschieben des Bewertungszeitpunkts folgt zwangsläufig auch ein Hinausschieben des Wirkungszeitpunkts für die Umsetzung der internen Teilung. Der reduzierte Ausgleichswert bildet die Teilung nämlich nur dann sachgerecht ab, wenn er mit zeitgleicher Wirkung in ein zugunsten des [X.] neu zu begründendes Anrecht sowie in die dementsprechende Kürzung des beim [X.] verbleibenden Anrechts umgesetzt wird. Andernfalls würde die bei der Berechnung des [X.] bereits berücksichtigte Wertentwicklung des Anrechts zwischen Ehezeitende und hinausgeschobenem Bewertungszeitpunkt durch eine zweite Dynamik nach Vollzug der (auf das Ehezeitende bezogenen) Umsetzung der Entscheidung überlagert ([X.]sbeschluss vom 1. August 2018 - [X.] 159/18 - NJW 2018, 3176 Rn. 21).

Diesem [X.] ist bei der Tenorierung dadurch Rechnung zu tragen, dass die interne Teilung des Anrechts mit Bezug auf das Datum der zugrundeliegenden Wertbemessung ausgesprochen wird ([X.]sbeschluss vom 1. August 2018 - [X.] 159/18 - NJW 2018, 3176 Rn. 22).

c) Sowohl hinsichtlich des Bewertungszeitpunkts als auch des Bezugsstichtags sind Abweichungen vom gesetzlichen [X.] des § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] allerdings nur insoweit veranlasst, als sie unabdingbar erforderlich sind, um die Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs für den Versorgungsträger sicherzustellen. Daher beurteilt sich insbesondere die Frage, ob der Ausgleichswert die Wertgrenze für eine einseitig auf Verlangen des Versorgungsträgers durchzuführende externe Teilung (vgl. §§ 14 Abs. 2 Nr. 2, 17 [X.]) überschreitet, nach der Bewertung des Anrechts zum Ende der Ehezeit ([X.]sbeschluss vom 24. August 2016 - [X.] 84/13 - [X.], 2000 Rn. 36). Dies für sich genommen erfordert indessen im vorliegenden Fall nicht die Bezugnahme auf das Ehezeitende als Bezugszeitpunkt in der [X.]. Soweit der [X.] in solchen Fällen einen Bezug auf das Ende der Ehezeit in der [X.] gebilligt hat ([X.]sbeschluss vom 19. Juli 2017 - [X.] 201/17 - FamRZ 2017, 1655 Rn. 16), gilt dies jedenfalls im Rahmen der internen Teilung nicht ([X.]sbeschluss vom 1. August 2018 - [X.] 159/18 - NJW 2018, 3176 Rn. 24).

3. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der [X.] kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da die [X.] für das neu in Aussicht zu nehmende Beschluss- oder Rechtskraftdatum neu zu berechnen sind und der [X.] die dazu erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann.

Bei seiner erneuten Befassung wird das [X.] außerdem die vom Versorgungsträger geltend gemachten [X.] anhand der hierzu ergangenen [X.]srechtsprechung (vgl. [X.]sbeschluss vom 18. März 2015 - [X.] 74/12 - FamRZ 2015, 913 Rn. 14 f.) zu überprüfen haben.

Dose     

      

Schilling     

      

[X.]

      

Botur     

      

Guhling     

      

Meta

XII ZB 315/18

21.11.2018

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Braunschweig, 27. Juni 2018, Az: 2 UF 66/18

§ 10 VersAusglG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.11.2018, Az. XII ZB 315/18 (REWIS RS 2018, 1443)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 165-166 REWIS RS 2018, 1443

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 159/18 (Bundesgerichtshof)

Versorgungsausgleichssache: Beschwerdeeinlegung durch den Handlungsbevollmächtigten eines Versorgungsträgers; Tenorierung bezogen auf den Bewertungszeitpunkt bei Ermittlung des …


XII ZB 408/14 (Bundesgerichtshof)

Versorgungsausgleich: Berücksichtigung der allgemeinen Lohnentwicklung bei Teilung einer endgehaltsbezogenen betrieblichen Altersversorgung; Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes; Ermittlung …


XII ZB 84/13 (Bundesgerichtshof)

(Versorgungsausgleich: Externe Teilung eines betrieblichen Anrechts bei bereits laufender Rente; Berechnung des Ausgleichswerts)


XII ZB 433/19 (Bundesgerichtshof)

Versorgungsausgleich: Teilrechtskraft im Rechtsbeschwerdeverfahren; unwirksame Bestimmung in Teilungsanordnung des Versorgungsträgers; materielle Beschwer eines Ehegatten


XII ZB 178/12 (Bundesgerichtshof)

Versorgungsausgleich: Interne Teilung von Anrechten bei einem betrieblichen Pensionsfonds


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.