Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.10.2017, Az. I ZR 255/16

I. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 3748

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:181017BIZR255.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 255/16
vom

18. Oktober
2017

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat am 18.
Oktober 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr.
Büscher, die Richter Prof. Dr.
Schaffert, Dr.
Löffler,
die Richterinnen Dr.
Schwonke und Dr.
Marx
beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des [X.]

6.
Zivilsenat

vom 3.
November 2016 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Be-schwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 68.451,24

festgesetzt.

Gründe:
[X.] Die Klägerin betreibt ein Speditionsunternehmen. Sie führte nach ihrer Behauptung die Verschiffung von elf
Containern beladen mit "B.

T.
" von
[X.] ([X.]) nach [X.] im Auftrag der [X.] durch. Die Beklagte, die ein Handelsunternehmen betreibt, nahm die Container in [X.] nicht an.
Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe ihr den zugrunde liegenden Auftrag auf der Grundlage eines schriftlich erstellten Angebots telefonisch er-teilt.
Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von Seefracht in Höhe von

1
2
3
-
3
-

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der [X.] hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. Mit der zuzulassenden Revision will sie die Wiederherstellung des
erstinstanzlichen Urteils erreichen.
I[X.] Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch aus §
627 Abs.
1 HGB aF auf Begleichung der [X.] erworben hat. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass sie den Beförderungsvertrag mit der [X.] geschlossen habe. Die Aussage des vom [X.] vernommenen Zeugen
P.

genüge nicht zum
Nachweis, dass der Auftrag durch eine Mitarbeiterin der [X.] erteilt [X.] sei, und diese hierzu bevollmächtigt gewesen sei. Den vorgelegten [X.] sei zu entnehmen, dass der Auftrag durch eine Mitarbeiterin der T.

O.

GmbH erteilt worden sei. Dieses Handelsunternehmen sei eine rechtlich selb-ständige juristische Person. Vor diesem Hintergrund sei auch eine Rechts-scheinhaftung der [X.] nach den Grundsätzen der Anscheins-
oder [X.] nicht begründet. Die von der Klägerin vorgelegten Konnosse-mente wiesen zwar die Beklagte als Empfängerin aus; sie
seien jedoch nicht unterschrieben. Die von der [X.] vorgelegten Konnossemente über die elf Container mit der Ladung wiesen die H.

F.

S.R.O. als Empfängerin aus.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg. Das Berufungsgericht hat den erstinstanzlich vernommenen Zeugen P.

nicht erneut vernommen, ob-
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-
4
-
wohl es dessen Aussagen anders gewürdigt hat als das [X.]. Dies ver-letzt den Anspruch der [X.] auf rechtliches
Gehör aus Art.
103 Abs.
1 GG.
a) [X.] das Berufungsgericht Zweifel an der Richtigkeit der entschei-dungserheblichen Tatsachenfeststellungen, die sich auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertungen ergeben können, so sind nach §
529 Abs.
1 Nr.
1 ZPO erneute Feststellungen geboten. Im Zuge dieser erneuten Tatsachenfest-stellung muss das Berufungsgericht einen in erster Instanz vernommenen [X.] gemäß §
398 Abs.
1 ZPO grundsätzlich nochmals vernehmen, wenn es seiner Aussage eine andere Tragweite oder ein anderes Gewicht als das erst-instanzliche Gericht beimessen möchte (st. Rspr.; [X.], Beschluss vom 5.
April 2005

IV
ZR
253/05, [X.], 949 Rn.
2; Beschluss vom 14.
Juli 2009

VIII
ZR
3/09, NJW-RR 2009, 1291 Rn.
4;
Beschluss vom 5.
Mai 2015

XI
ZR
326/14, [X.] 2015, 1200 Rn.
11;
Beschluss vom 11.
Juni 2015

I
ZR
217/14, NJW-RR 2016, 175 Rn.
9). Unterlässt es dies, so verletzt es den Anspruch der benachteiligten [X.] auf rechtliches Gehör (vgl. [X.], NJW 2005, 1487; [X.], NJW-RR 2009, 1291 Rn.
4; [X.], Beschluss vom 21.
März 2012

XII
ZR
18/11, NJW-RR 2012, 704 Rn.
6). Die erneute Vernehmung eines Zeugen darf unterbleiben, wenn sich das Berufungsgericht auf Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitslie-be des Zeugen, das heißt seine Glaubwürdigkeit, noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage, das heißt deren
Glaubhaftigkeit, [X.], und es die Zeugenaussage deshalb ohne Verstoß gegen das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung bewerten kann, weil es keines persönli-chen Eindrucks von dem Zeugen bedarf (vgl. [X.], Urteil vom 19.
Juni 1991

VIII
ZR
116/90, NJW 1991, 3285, 3286; Urteil vom 10.
März 1998

VI
ZR
30/97, NJW 1998, 2222, 2223; [X.], NJW-RR 2009, 1291 Rn.
5; [X.] 2012, 704 Rn.
7). Diesen Maßstäben wird das Berufungsurteil nicht gerecht.
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-
5
-
b) Das [X.] hat den Mitarbeiter der Klägerin P.

als Zeugen
vernommen und dessen Aussage dahingehend gewürdigt, dass eine Mitarbei-terin der [X.] Anfang und Mitte Mai 2012 die Aufträge für die Verschiffung nach den vorliegenden Rahmenbeförderungsverträgen telefonisch erteilt hat. Der Zeuge sei glaubwürdig gewesen. Er habe ausgeführt, dass Frau V.

auch zuvor alle Aufträge an ihn geschickt, die Abrechnungen bearbeitet
sowie die erforderlichen Transportdokumente im Original und Überweisungsbe-lege für die Beklagte an ihn übersendet habe. Frau V.

habe sich
ihm gegenüber telefonisch als neue Mitarbeiterin der [X.] für das B.

T.

Geschäft vorgestellt.
c) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Aussage des Zeugen P.

sei nicht ausreichend für die Annahme, dass Frau V.

Mitarbeiterin
der [X.] sei oder in Vollmacht für diese gehandelt habe. Zwar habe der Zeuge ausgesagt, dass die T.

O.

GmbH und die Beklagte ein Handelsun-
ternehmen seien. Dies sei jedoch unzutreffend, da es sich um selbständige ju-ristische Personen handele. Die Annahme des [X.]s stehe nicht im Ein-klang mit dem Inhalt der Eail-Korrespondenz zwischen der Klägerin und Frau V.

. Diese sei unter dem Mail-Account der T.

O.

GmbH aufgetre-
ten. Eine andere Würdigung ergebe sich auch nicht aus den von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten [X.] nebst den damit vorgelegten [X.] wie Handelsrechnungen des Lieferanten, die Beklagte als Empfängerin [X.],
an die Beklagte gerichtete Versandanzeigen, [X.] der [X.] und Rechnungen, die die Beklagte be-glichen habe. Die Anhänge seien nicht aussagekräftig, weil diese vom Zeugen P.

im Zuge der Archivierung zusammengestellt worden seien. Gegen einen
Auftrag der
[X.] sprächen auch die vorgelegten Konnossemente, die
nicht von der [X.] unterzeichnet seien.

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-
d) Damit hat das Berufungsgericht der Aussage des Zeugen P.

ein
anderes Gewicht und einen anderen Inhalt als das [X.] beigemessen. Es hat zwar keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen angenommen. Allerdings lassen seine Ausführungen erkennen, dass es die Widerspruchsfrei-heit seiner Aussage in Zweifel zieht. Bei einer solchen Sachlage ist eine Wie-derholung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme durch Vernehmung des [X.] P.

geboten.
3. Mit Erfolg rügt die Beschwerde zudem, dass das Berufungsgericht den entscheidungserheblichen Vortrag der Klägerin aus dem Schriftsatz vom 11.
Februar 2016 nebst dem Anlagenkonvolut
K15 übergangenen hat. Mit [X.] hat die Klägerin die unterzeichneten Konnossemente vorgelegt. Verfah-rensfehlerhaft geht das Berufungsgericht davon aus, dass die vorgelegten Kon-nossemente nicht unterzeichnet seien, ohne sich mit dem genannten Schriftsatz nebst Anlage auseinandergesetzt zu haben.
4. Die in der unterlassenen Wiederholung der Beweisaufnahme und in der Nichtberücksichtigung des Vortrags
der Klägerin zu den [X.] liegende Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Wenn sich bei einer Wiederholung der Beweisaufnahme das vom [X.] gefundene Beweiser-gebnis bestätigt, bestünde ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von [X.]. In diesem Fall wäre die Berufung der [X.] gegen das [X.] zurückzuweisen.
Hätte das Berufungsgericht die mit Schriftsatz vom
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7
-
11.
Februar 2016 von der [X.]

In.

F.

L.

ausgestellten und un-
terzeichneten Konnossemente berücksichtigt, kann ebenfalls nicht ausge-schlossen werden, dass das Berufungsgericht von einer Auftragserteilung durch die Beklagte ausgegangen wäre.

Büscher
Schaffert
Löffler

Schwonke
Marx
Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 07.01.2015 -
401 [X.] 16/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 03.11.2016 -
6 [X.] -

Meta

I ZR 255/16

18.10.2017

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.10.2017, Az. I ZR 255/16 (REWIS RS 2017, 3748)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 3748

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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I ZR 255/16

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