Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.03.2024, Az. XII ZB 243/23

12. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 2279

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Leitsatz

In der Berücksichtigung einer vom Unterhaltsschuldner getragenen Gesamtschuld bei der Bemessung des Kindesunterhalts kann regelmäßig keine anderweitige Bestimmung gesehen werden, die Ausgleichsansprüche zwischen den Ehegatten nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ausschließt (im Anschluss an Senatsurteile vom 26. September 2007 - XII ZR 90/05, FamRZ 2007, 1975 und vom 9. Januar 2008 - XII ZR 184/05, FamRZ 2008, 602).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 21. Zivilsenats - [X.] - des [X.] vom 17. Mai 2023 wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über einen [X.] für von der Antragstellerin beglichene Darlehensraten für die Finanzierung des gemeinsamen Familienheims.

2

Aus der 2010 geschlossenen Ehe der Beteiligten sind drei 2012, 2015 und 2018 geborene Kinder hervorgegangen. Auf Grundlage eines Gerichtsbeschlusses aus dem [X.] ist die Antragstellerin als dem weiblichen Geschlecht zugehörig anzusehen. Die Ehe wurde durch seit 6. März 2021 rechtskräftigen Beschluss geschieden.

3

Während der Ehe erwarben die Beteiligten je hälftiges Miteigentum an einem Familienheim und nahmen im [X.] hierfür gemeinsam vier Darlehen auf, die Ende 2019 noch mit insgesamt 364.000 € valutierten. Während des ehelichen Zusammenlebens beglich jeweils die Antragstellerin die Darlehensraten in Höhe von monatlich 941,48 €. Zusätzlich hatte die Antragstellerin zwei zur Sicherheit an den Darlehensgeber abgetretene Bausparverträge abgeschlossen, auf die sie monatliche [X.] von 218,75 € bzw. 185 € erbrachte. Die Antragsgegnerin trug von ihrem Einkommen alle weiteren Lebenshaltungskosten der Familie.

4

Im Februar 2019 zog die Antragstellerin aus dem Familienheim aus, beließ dort aber ihre Möbel. Tageweise betreute sie die gemeinsamen Kinder in dem Familienheim. Ab März 2020 gerieten die Beteiligten in Streit über die Finanzen, wobei die Antragsgegnerin Zahlung von Kindesunterhalt und die Antragstellerin eine Beteiligung an der Immobilienfinanzierung sowie Trennungsunterhalt verlangte. In der Folgezeit leistete die Antragstellerin Kindesunterhalt in Höhe von monatlich insgesamt 422,39 €, den das Jugendamt unter Berücksichtigung einer alleinigen Belastung der Antragstellerin mit den Darlehens- und Sparraten (insgesamt 1.345,23 €) für das Familienheim berechnet hatte.

5

Zum 30. Juli 2021 veräußerten die Beteiligten die Immobilie und teilten den Erlös hälftig, ohne dass die zur Sicherheit abgetretenen Bausparverträge für die Darlehensrückzahlung eingesetzt werden mussten. Die Bausparverträge wurden vielmehr an die Antragstellerin zurückabgetreten, woraufhin diese die Verträge für sich und die Antragsgegnerin jeweils hälftig teilen ließ.

6

Das Familiengericht hat den auf [X.] hinsichtlich der Darlehens- und [X.] in Höhe von monatlich insgesamt 672,61 € von Februar 2019 bis Dezember 2020 gerichteten Antrag zurückgewiesen. Auf die - im Laufe des Beschwerdeverfahrens teilweise zurückgenommene und teilweise antragserweiternde - Beschwerde hat das [X.] die Antragsgegnerin verpflichtet, an die Antragstellerin 7.061,10 € nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.

II.

7

Die Rechtsbeschwerde erweist sich auf der Grundlage des vom Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalts als unbegründet. Über sie ist daher, obwohl die Antragstellerin im Verhandlungstermin vor dem Senat nicht vertreten war, durch streitige Endentscheidung (unechter Versäumnisbeschluss) zu entscheiden (ständige Rechtsprechung; vgl. nur Senatsbeschluss [X.], 136 = FamRZ 2022, 781 Rn. 5 mwN).

8

1. Das [X.] hat seine in FamRZ 2023, 1530 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:

9

Der Antragstellerin stehe der von ihr zuletzt noch geltend gemachte [X.] für 15 Monate im [X.]raum vom 1. April 2020 bis zum 31. August 2021 in Höhe von monatlich (941,48 € / 2 =) 470,74 €, insgesamt 7.061,10 € zu. Beide Beteiligten seien aus den Darlehensverträgen gemeinsam verpflichtet gewesen, da sie diese gemeinsam abgeschlossen hätten. Hingegen habe die Antragstellerin die Darlehensraten in Höhe von monatlich 941,48 € jeweils allein erbracht. Für den [X.]raum ab April 2020 habe die Antragsgegnerin nicht hinreichend dargelegt oder bewiesen, dass abweichend von der Grundregel der im Verhältnis zueinander bestehenden Verpflichtung zu gleichen Anteilen (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB) eine abweichende Bestimmung zwischen den Beteiligten getroffen worden sei.

Die in [X.]en des Zusammenlebens getroffene Regelung, wonach die Antragstellerin die Kosten der Hausfinanzierung und die Antragsgegnerin sämtliche übrigen Kosten der allgemeinen Lebensführung zu tragen habe, hätten die Beteiligten zwar nach ihrer Trennung im Februar 2019 zunächst einvernehmlich weiter fortgeführt. Nachdem die Antragsgegnerin aber ab April 2020 auf Kindesunterhalt bestanden und die Antragstellerin eine Beteiligung an der Immobilienfinanzierung gefordert habe, könne ein Fortbestehen der bis dahin angewendeten Bestimmung, dass die Antragstellerin die Immobilienfinanzierung weiterhin allein trage, nicht mehr angenommen werden. Soweit die Antragsgegnerin das (Fort-)Bestehen einer anderweitigen Bestimmung geltend mache, habe sie den ihr obliegenden Beweis für den [X.]raum ab April 2020 nicht erbracht.

Eine anderweitige Bestimmung könne auch nicht darin gesehen werden, dass die von der Antragstellerin allein getragenen Darlehensraten bei der Berechnung des Kindesunterhalts durch das Jugendamt insgesamt einkommensmindernd berücksichtigt worden seien, auch wenn dies bei drei unterhaltsberechtigten Kindern insgesamt zu einem Unterhaltsminderungsbetrag geführt habe, der der Hälfte der Darlehensraten in etwa entspreche.

Die Antragsgegnerin könne auch nicht mit einem familienrechtlichen Ausgleichsanspruch aufrechnen. Ein solcher bestehe nicht, da die Antragstellerin die Darlehensraten in dem hier streitigen [X.]raum allein getragen habe und daher ihre unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit gegenüber den Kindern um den gesamten Betrag faktisch gemindert gewesen sei.

An der Geltendmachung des [X.]s sei die Antragstellerin schließlich nicht infolge eines widersprüchlichen oder treuwidrigen Verhaltens (§ 242 BGB) gehindert. Zwar hätte sie unter Berücksichtigung nur der Hälfte der Darlehensraten als einkommensmindernd einen höheren Mindestunterhalt an die Kinder zahlen können. Soweit sich die Antragstellerin mit der Nachforderung des [X.]s dazu widersprüchlich verhalte, könne die Antragsgegnerin ihr jedoch kein treuwidriges Verhalten entgegenhalten, weil sie ihrerseits den berechtigten Interessen der Antragstellerin nicht gerecht worden sei. Denn sie habe im gleichen [X.]raum die Wohnnutzung der Immobilie für sich und die Kinder in Anspruch genommen, ohne eine Nutzungsentschädigung an die Antragstellerin zu zahlen. Die finanziellen Verhältnisse der Beteiligten seien durch eine Vielzahl wechselseitiger Zahlungs- und Ausgleichsansprüche geprägt, deren Voraussetzungen und Höhe weiterhin streitig seien. In einer solchen Situation erscheine es nicht gerechtfertigt, einem Beteiligten treuwidriges Verhalten entgegenzuhalten, wenn ein isolierter Anspruch geltend gemacht werde und dieser dem Grunde nach gerechtfertigt sei.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Durch den gemeinsamen Abschluss von Darlehensverträgen zwecks Finanzierung des gemeinsamen Eigenheims gingen beide Ehegatten gegenüber der finanzierenden Bank eine gesamtschuldnerische Verpflichtung ein (§ 421 BGB). Im Verhältnis zueinander sind die Gesamtschuldner gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Eine abweichende Bestimmung kann sich aus dem Gesetz, einer Vereinbarung, dem Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisses oder der Natur der Sache, mithin aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens ergeben (Senatsbeschluss [X.]Z 223, 374 = FamRZ 2020, 231 Rn. 15 mwN).

b) Abweichend von der gesetzlichen Verteilungsregel hatten die Beteiligten während der [X.] ihres Zusammenlebens eine Vereinbarung getroffen, wonach die Antragstellerin die laufenden Darlehensraten und Ansparungen auf die Bausparverträge ohne Anspruch auf [X.] allein bediente, während die Antragsgegnerin von ihrem Einkommen alle weiteren Kosten der Lebenshaltung der Familie trug. An dieser Vereinbarung hielten die Beteiligten nach den getroffenen Feststellungen auch noch fest, nachdem die Antragstellerin im Februar 2019 aus dem Familienheim ausgezogen war.

c) Zu Recht hat das [X.] weiter angenommen, dass die zwischen den Beteiligten getroffene Bestimmung über den [X.] für die [X.] ab April 2020 ihre Gültigkeit verloren hatte.

Allerdings war die Vereinbarung der Ehegatten über ihre Verpflichtung im Verhältnis zueinander weder befristet getroffen noch aus Anlass ihrer Trennung beendet worden. Sie galt deshalb fort, bis eine andere Bestimmung an ihre Stelle trat oder die Vereinbarung ersatzlos entfiel und dadurch die gesetzliche Verteilungsregel zur Anwendung kam. Die Änderung oder das Entfallen einer bestehenden Vereinbarung ist dabei ein Umstand, den derjenige darlegen und beweisen muss, der aus der Änderung Rechte herleiten will (vgl. [X.] Urteil vom 11. Oktober 1994 - [X.] - NJW 1995, 49, 50 mwN). Deshalb lag es an der Antragstellerin, Umstände darzulegen und zu beweisen, die die zuvor unbefristet getroffene Bestimmung mit Wirkung ab April 2020 entfallen ließ.

Solche Umstände hat das [X.] jedoch tragfähig festgestellt. Denn die Grundlage einer Bestimmung über den [X.] entfällt dann, wenn die Ehegatten in einer späteren Phase ihrer Trennung den Willen äußern, deren finanzielle Folgen anders zu regeln ([X.] Beschluss vom 8. Juli 2020 - 15 UF 128/19 - juris Rn. 29 f.; [X.] Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts 8. Aufl. Rn. 385). Nach den Feststellungen hat die Antragsgegnerin von der Antragstellerin ab März 2020 Zahlung von Kindesunterhalt gefordert, woraufhin die Antragstellerin von der Antragsgegnerin die hälftige Erstattung der Hauslasten und die Zahlung einer Nutzungsentschädigung verlangt hat. Damit war die bisherige Übereinstimmung, dass die Antragstellerin die Darlehensraten und [X.] trug, die Antragsgegnerin hingegen alle weiteren Lebenshaltungskosten der Familie, hinfällig geworden.

d) Ebenfalls ohne Rechtsfehler hat das [X.] angenommen, dass die Antragsgegnerin nicht hinreichend dargelegt oder bewiesen hat, dass für die [X.] ab April 2020 eine anderweitige Bestimmung über den [X.] zwischen den Beteiligten getroffen wurde.

Eine neue Bestimmung über den [X.] ergibt sich nicht schon daraus, dass die Antragstellerin bei der Festsetzung des Kindesunterhalts durch das Jugendamt Darlehens- und Sparraten in voller Höhe von monatlich 1.345,23 € von ihren Einkünften in Abzug gebracht hat, ohne einen [X.] gegenzurechnen, und die Antragsgegnerin dieses hinnahm und den dadurch entstehenden Minderbetrag an Kindesbarunterhalt aus ihren eigenen Mitteln ausglich. Denn in der Berücksichtigung einer vom Unterhaltsschuldner getragenen Gesamtschuld bei der Bemessung des Kindesunterhalts kann regelmäßig keine anderweitige Bestimmung gesehen werden, die Ausgleichansprüche zwischen den Ehegatten nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ausschließt. Es handelt sich nämlich insoweit schon nicht um wechselseitige Ansprüche der Ehegatten. Abgesehen davon würde durch diese Vorgehensweise regelmäßig im Ergebnis keine nahezu hälftige Aufteilung der Schuldentilgung unter den Ehegatten herbeigeführt (Senatsurteile vom 26. September 2007 - [X.]/05 - FamRZ 2007, 1975 Rn. 16 f. und vom 9. Januar 2008 - [X.]/05 - [X.], 602 Rn. 10).

Soweit in der Literatur vertreten wird, eine andere Beurteilung sei dann angezeigt, wenn der Abzug der Gesamtschuld bei der Bemessung des Kindesunterhalts zur Leistungsunfähigkeit des die Schuld [X.] führe und der betreuende Elternteil finanziell eingesprungen sei ([X.] FamRZ 2011, 1703; [X.] 2018, 783, 785; [X.] FamRZ 2018, 826; [X.] Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts 8. Aufl. Rn. 437), tritt der Senat dem nicht bei. Denn bei Anwendung der vorgenannten Regel würde die Annahme des Bestehens einer anderweitigen Bestimmung i.S.d. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB und deren konkreten Inhalts jeweils von Zufällen abhängen, die sich aus dem Umfang der Leistungsfähigkeit des [X.] einerseits und dem jeweiligen Bedarf (einschließlich Mehr- und Sonderbedarf) der Kinder andererseits ergeben und sich ohne Zutun, sogar ohne bewusste Wahrnehmung zumindest eines der Beteiligten, laufend ändern können. Es fehlte dann, schon da es nicht um wechselseitige Ansprüche der Ehegatten geht, an der notwendigen Rechtsklarheit.

e) Schließlich ist auch die Begründung, mit der das [X.] die Annahme eines treuwidrigen Verhaltens der Antragstellerin (§ 242 BGB) im Ergebnis abgelehnt hat, weder von der Rechtsbeschwerde beanstandet noch beruht sie auf offenkundig sachwidrigen Erwägungen oder der Außerachtlassung wesentlichen Verfahrensstoffs.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

[X.]     

      

Günter     

      

Nedden-Boeger

      

Pernice     

      

[X.]     

      

Meta

XII ZB 243/23

13.03.2024

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Celle, 17. Mai 2023, Az: 21 UF 3/23, Beschluss

§ 426 Abs 1 S 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.03.2024, Az. XII ZB 243/23 (REWIS RS 2024, 2279)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 2279

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