Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2014, Az. XII ZB 607/12

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 7965

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

BESCHLUSS
XII [X.] 607/12
Verkündet am:

12. Februar 2014

Küpferle,

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 1611 Abs. 1
a)
Eine schwere Verfehlung gemäß §
1611 Abs.
1 Satz
1 Alt.
3 BGB kann re-gelmäßig nur bei einer tiefgreifenden Beeinträchtigung schutzwürdiger wirt-schaftlicher Interessen oder persönlicher Belange des Pflichtigen angenom-men werden (im [X.] an [X.]surteil vom 19.
Mai 2004 -
XII ZR 304/02
-
FamRZ 2004, 1559).
b)
Ein vom unterhaltsberechtigten Elternteil ausgehender Kontakta[X.]ruch stellt regelmäßig eine Verfehlung dar. Sie führt indes nur ausnahmsweise bei [X.] weiterer Umstände, die das Verhalten des
Unterhaltsberechtigten auch als schwere Verfehlung i.S.d. §
1611 Abs.
1 Satz
1 Alt.
3 BGB erschei-nen lassen, zur Verwirkung des [X.].
[X.], Beschluss vom 12. Februar 2014 -
XII [X.] 607/12 -
OLG Oldenburg

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat
des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 15.
Januar 2014 durch
den
Vorsitzenden [X.], die Richterin We-ber-Monecke
und [X.], Dr.
Nedden-Boeger und Guhling
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 14.
Zivilsenats
5.
[X.] für Familiensachen
des Oberlan-desgerichts Oldenburg vom 25.
Oktober 2012 aufgehoben.
Die Beschwerde des [X.] gegen den Beschluss des Amtsgerichts -
Familiengericht
-
Delmenhorst vom 27.
März 2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

Von Rechts wegen

Gründe:
I.
Die Antragstellerin verlangt von dem
Antragsgegner aus übergegange-nem Recht Elternunterhalt.
Die Eltern des 1953 geborenen [X.] trennten sich 1971; ihre Ehe wurde noch im [X.] geschieden. Der Antragsgegner verblieb im 1
2
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3
-
Haushalt seiner Mutter und hatte anfangs noch einen losen Kontakt zu seinem Vater. Nach Erreichen des Abiturs im [X.] brach der Kontakt zu
seinem 1923 geborenen Vater ab. Dieser bestritt seinen Lebensunterhalt als Rentner aus den Erträgen einer Lebensversicherung sowie einer geringen Altersrente. 1998 errichtete er ein notarielles Testament, in dem er seine Bekannte zur [X.] einsetzte. Zudem bestimmte er, dass der Antragsgegner nur den "strengs-ten Pflichtteil" erhalten solle. [X.] führte der Vater in dem Testament aus, dass zu seinem [X.] seit rund
27
Jahren kein Kontakt mehr bestehe.
Im April 2008 verzog der Vater in eine Heimeinrichtung; er starb im Februar 2012.
Die Antragstellerin
nimmt den -
als Beamten tätigen
-
Antragsgegner we-gen der seinem Vater in der [X.] von Februar 2009 bis einschließlich Januar 2012 nach dem Sozialgesetzbuch erbrachten Leistungen auf Zahlung eines Gesamtbetrages
von

in Anspruch.
Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Auf die Beschwerde des [X.] hat das Beschwerdegericht den Antrag zurückgewiesen. Hier-gegen wendet sich die Antragstellerin
mit der zugelassenen [X.].

II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Das Beschwerdegericht hat seine in [X.], 1051 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:
Zwar bestehe ein unterhaltsrechtlich relevanter Bedarf in der von der [X.] vorgetragenen Höhe. Ebenso habe
der Antragsgegner seine Leis-3
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-
tungsfähigkeit nicht in Frage gestellt.
Er könne sich gegenüber dem geltend gemachten Anspruch jedoch auf Verwirkung wegen einer schweren Verfehlung i.S.d. §
1611 Abs.
1 Satz
1 BGB berufen.
Diese müsse sich nicht in einzelnen, schwerwiegenden Übergriffen ge-gen den Unterhaltspflichtigen oder dessen nahe Angehörige ausdrücken. Sie könne unter Berücksichtigung der Intention des Gesetzgebers auch
in einem Verhalten
gesehen werden, das in seiner Gesamtschau einen groben Mangel an verwandtschaftlicher Gesinnung erkennen lasse und infolgedessen den [X.] als Person herabwürdige, zurücksetze oder kränke. Bei der Unterhaltspflicht von Kindern gegenüber ihren Eltern sei insbesondere zu be-rücksichtigen, dass selbst scheinbar nur geringfügige Kränkungen und Verlet-zungen im Kindes-
und Jugendalter in besonderer Weise traumatisierend [X.] könnten und dann das Kind ein Leben lang belasteten.
Gemessen hieran sei dem Vater des [X.] auf der Grundlage des in seinen Grundzügen unstreitigen Sachverhalts
sowie des
vom Antrags-gegner in der persönlichen Anhörung gewonnenen Eindrucks eine schwere Verfehlung vorzuwerfen; er habe mit seinem jede Beziehung vermeidenden Verhalten seinen [X.] in einer nicht mehr zu akzeptierenden
Weise nachhaltig belastet. Unmittelbar vor der Trennung der Eltern sei es am 1.
Mai 1971 zu [X.] tätlichen Auseinandersetzung gekommen, in deren Verlauf der Vater die Mutter massiv beschimpft und beleidigt habe. Dieser von dem Antragsgegner miterlebte Vorfall sei -
wie die Ausführungen im Scheidungsurteil zeigten
-
symptomatisch für die Beziehung innerhalb der Familie gewesen. Nach der [X.] vollzogenen Trennung habe sich der Vater von der Familie abgewandt. In der Folgezeit habe es nur noch einige [X.] aus dem Urlaub ge-geben. Zwar habe der Antragsgegner seinen Vater noch gelegentlich besucht. Diese sporadischen Kontakte seien aber bereits nach etwa einem Jahr endgül-8
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tig zum Erliegen gekommen.
Wie der Antragsgegner in seiner Anhörung ge-schildert
habe, habe er nach dem Scheitern der Ehe seiner Eltern mehrfach von sich aus den Kontakt zu seinem Vater gesucht, um wieder eine Vater-[X.]-Beziehung herzustellen. Wenn der Vater dann auf die Mitteilung von dem [X.] Abitur nur mit einem Achselzucken reagiert habe, habe er deutlich zum Ausdruck
gebracht, dass ihn jedenfalls ab 1972 die Person seines inzwi-schen fast erwachsenen [X.]es und dessen Zukunft nicht mehr berührt hätten. Dieser Eindruck habe sich in der Reaktion auf die Mitteilung von der beabsich-tigten Verlobung bestätigt, die der Vater nur mit den Worten "Du bist ja verrückt" quittiert habe. Er habe offensichtlich kein Interesse an seiner Schwiegertochter und den Zukunftsplänen des Paares gezeigt. Dass dieses nach außen [X.] Desinteresse noch immer nachwirke und den Antragsgegner bis heute be-laste, sei ihm bei der Schilderung der Vorfälle deutlich anzumerken gewesen.
Wenn der Antragsgegner nach diesen Erfahrungen von sich aus keine weiteren Kontakte mehr zu seinem Vater gesucht habe, sei dies nachvollziehbar und könne nicht als einfache Kontaktlosigkeit bagatellisiert werden. Nicht einmal das Zusammentreffen auf der Beerdigung des Großvaters habe dazu geführt, dass noch persönliche Worte zwischen beiden gewechselt worden seien. In seinem notariellen Testament aus dem Jahr 1998
habe der Vater bestätigt, zu seinem [X.] seit etwa 27
Jahren keinen Kontakt mehr zu haben. Mit der gewählten laienhaften Formulierung, sein [X.] solle nur den "strengsten Pflichtteil" erhal-ten, spiegele er seine innere Einstellung und dokumentiere nachdrücklich den bereits früher vollzogenen Bruch mit seinem Kind. Er habe ihn damit ersichtlich von allen Zuwendungen ausschließen wollen, soweit ihm das Recht einen Ge-staltungsspielraum gelassen habe.
Der dem Vater
anzulastende Bruch der [X.] werde nicht durch die langjährigen Ehekonflikte relativiert. Diese hätten unmittelbar nur die Eheleute betroffen und den Vater nicht dazu berechtigt, sich auch [X.]
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über seinem damals noch minderjährigen [X.] zurückzuziehen. Unabhängig von der Frage der elterlichen Sorge sei er nicht von der jedem [X.] immanenten
Pflicht zu wechselseitigem Beistand und [X.],
und damit über die Schulzeit hinaus Kontakt zu seinem [X.] zu halten, entbunden gewesen. Wenn der Vater gleichwohl die Bemühungen seines be-reits durch die Ehekonflikte erheblich belasteten [X.]es um eine Aufrechterhal-tung verwandtschaftlicher Bindungen zurückgewiesen habe und es zu einem endgültigen Bruch habe kommen lassen, habe er einen groben Mangel an elter-licher Verantwortung und menschlicher Rücksichtnahme offenbart, so dass die Voraussetzungen für eine schwere Verfehlung gegeben seien.
Da die Folgen seines Handelns für den Vater erkennbar gewesen seien und er diese bewusst in
Kauf genommen habe, sei an einem Vorsatz nicht zu zweifeln.
Bei dieser Ausgangslage sei eine Inanspruchnahme des [X.] grob unbillig, so dass die Verwirkung nicht zu einer Kürzung, sondern zum Wegfall des Anspruchs führe. Wer sich bewusst und dauerhaft von jeglichen Beziehungen persönlicher und wirtschaftlicher Art zu seinen Kindern ablöse, stelle sich außerhalb des familiären [X.]. [X.] dies zudem noch in einer Weise, die für das nunmehr unterhaltspflichtige Kind traumatisie-rend gewirkt habe, müsse diesem
die Auferlegung einer Zahlungspflicht in [X.] Weise als unbillig erscheinen
und zwar unabhängig von dem zuvor im Rahmen des Familienverbandes erhaltenen Unterhalt.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Gemäß
§
1611 Abs.
1 Satz
1 Alt. 3 BGB braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht, wenn sich der Unterhaltsberechtigte vorsätzlich einer schweren Verfehlung ge-gen den Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht hat. Die Unterhaltspflicht entfällt 11
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-
vollständig, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten im Hinblick darauf grob unbillig wäre, §
1611 Abs.
1 Satz
2 BGB.
aa)
Eine schwere Verfehlung gemäß §
1611 Abs.
1 Satz
1 Alt.
3 BGB kann regelmäßig nur bei einer tiefgreifenden Beeinträchtigung schutzwürdiger wirtschaftlicher Interessen oder persönlicher Belange des Pflichtigen ange-nommen werden. Als Begehungsformen kommen [X.] und Unterlassen in Betracht, letzteres allerdings nur, wenn der Berechtigte dadurch eine Rechts-pflicht zum Handeln verletzt. Daher kann sich auch eine -
durch Unterlassen herbeigeführte
-
Verletzung elterlicher Pflichten,
wie etwa der Pflicht zu [X.] und Rücksicht im Sinne von §
1618
a BGB, der auch auf das Verhältnis zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern Anwendung findet ([X.]/Götz BGB 73.
Aufl. §
1618 a Rn.
1),
als Verfehlung gegen das Kind darstellen (Se-natsurteile
vom 15.
September 2010
XII
ZR
148/09
FamRZ 2010,
1888
Rn.
32 und vom 19.
Mai 2004
XII
ZR
304/02
RZ 2004, 1559, 1560).
Eine "schwere Verfehlung" im vorgenannten Sinn ist nicht auf einzelne, schwerwiegende Übergriffe
gegen den Unterhaltspflichtigen oder dessen nahe Angehörige
beschränkt.
Bereits
in den Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuch wurde eingeräumt, dass erhebliche Gründe dafür
sprechen, die [X.], in denen der Bedürftige durch unwürdiges Verhalten das [X.] hat, nicht nur zu beschränken, sondern ganz wegfallen zu lassen (BT-Drucks. V/2370 S.
41). Ein solches Verhalten kann sich zum einen in einzelnen besonders schwerwiegenden Verfehlungen zeigen; eine schwere Verfehlung im Sinne des §
1611 Abs.
1 Satz
1 Alt.
3 BGB kann sich zum ande-ren aber auch aus einer Gesamtschau des Verhaltens des Unterhaltsberechtig-ten ergeben. Selbst wenn die einzelnen Verfehlungen dabei nicht besonders schwer wiegen, kommt es maßgeblich darauf an, ob sie zusammengenommen zeigen, dass sich der Unterhaltsberechtigte in besonders vorzuwerfender Weise 14
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-
aus der familiären Solidarität gelöst und damit letztlich bezogen auf seine fami-liären Verpflichtungen eine schwere Verfehlung begangen hat.
[X.]) Eine vom Unterhaltsberechtigten ausgehende Kontaktverweigerung kann, wenn nicht weitere
Umstände hinzutreten, nur in ganz besonders gela-gerten Ausnahmefällen eine Verwirkung des Unterhalts gemäß §
1611 Abs.
1 BGB begründen.
Beim Kindesunterhalt
vermag allerdings die Ablehnung jeder persönli-chen Kontaktaufnahme zu dem unterhaltspflichtigen Elternteil durch das (voll-jährige) Kind allein oder auch in Verbindung mit unhöflichen und unangemes-senen Äußerungen diesem gegenüber eine Herabsetzung oder den Ausschluss des Unterhalts nach §
1611 Abs.
1 BGB nicht zu rechtfertigen ([X.]surteil vom 25.
Januar 1995
XII
ZR
240/93
mRZ 1995, 475,
476). Beim Elternunterhalt
kann eine Verwirkung demgegenüber dann gerechtfertigt
sein, wenn der Eltern-teil sein Kind, das er später auf Elternunterhalt in Anspruch nimmt, schon im Kleinkindalter bei den Großeltern zurückgelassen und sich in der Folgezeit nicht mehr in nennenswertem Umfang um es gekümmert hat. Dann offenbart das Unterlassen des Elternteils einen so groben Mangel an elterlicher Verantwor-tung und menschlicher Rücksichtnahme, dass nach Abwägung aller Umstände von einer schweren Verfehlung ausgegangen werden kann
([X.]surteil vom 19.
Mai 2004
XII
ZR
304/02
amRZ 2004, 1559, 1560).
b) Gemessen an den vorstehenden Anforderungen hält die Beschwerde-entscheidung den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand.
Zwar stellt der vom Tatrichter festgestellte, vom Vater des [X.] ausgegangene Kontakta[X.]ruch eine Verfehlung i.S.v. §
1611 Abs.
1 Satz
1 Alt.
3 BGB
dar. Entgegen der Auffassung des [X.] han-delt es sich indes nicht um eine schwere Verfehlung
im Sinne dieser Vorschrift.
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aa) Indem der Vater des [X.] eine Beziehung zu seinem [X.] vermieden und dadurch den Antragsgegner nach den Feststellungen des [X.] nachhaltig belastet hat, hat der Vater gegen seine Ver-pflichtung verstoßen, seinem [X.] beizustehen und auf seine Belange [X.] zu nehmen. Diese Verpflichtung hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1.
Januar 1980 mit §
1618 a auch im Verhältnis zu volljährigen Kindern in
das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen (Art.
1 Nr.
1 des Gesetzes zur Neurege-lung des Rechts der elterlichen Sorge vom 18.
Juli 1979, [X.]
I 1061). Auch wenn diese Norm zu
dem [X.]punkt, als der Vater den Kontakt zum [X.] abgebrochen hatte, noch nicht galt, begründete sie [X.] für die [X.] ab 1980 das [X.] prägende Rechtspflichten, deren künftige Verletzung unter den Voraussetzungen des §
1611 Abs.
1 Satz
1 3.
Alt. BGB Bedeutung zukommt (vgl. [X.]surteil vom 19.
Mai 2004

XII
ZR
304/02
mRZ 2004, 1559, 1560).
Die
in Form der
Kontaktverweigerung begangene Verfehlung hat der [X.] nach den Feststellungen des [X.]
noch dadurch [X.], dass er seinen [X.] im Jahr 1998 enterbt hat. Die Errichtung dieses Tes-taments
selbst stellt allerdings
keine Verfehlung dar. Vielmehr hat der Vater lediglich von seinem Recht auf Testierfreiheit Gebrauch gemacht (vgl. §§
2064 ff., 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Zu Recht hat das Beschwerdegericht
darauf hingewiesen, dass dieses Verhalten des [X.] seinem [X.] gegenüber nicht durch die seinerzeit lang-jährig bestehenden Ehekonflikte relativiert wurde. Denn die persönlichen Kon-flikte haben unmittelbar nur die Eheleute betroffen und den Vater nicht dazu berechtigt, sich auch gegenüber seinem [X.] zurückzuziehen.

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[X.]) Entgegen der Ansicht des [X.]
handelt es sich [X.] nicht um eine schwere Verfehlung i.S.d. §
1611 Abs.
1 Satz
1 Alt.
3 BGB.
Zwar mag der Vater durch sein Verhalten das familiäre Band zu seinem [X.] aufgekündigt haben. Sein Verhalten offenbart jedoch nicht einen
so gro-ben Mangel an elterlicher Verantwortung und menschlicher Rücksichtnahme, dass von einer schweren Verfehlung ausgegangen werden könnte (vgl. dazu [X.]surteil vom 19.
Mai 2004 -
XII
ZR
304/02
-
FamRZ 2004, 1559, 1560 [X.]).
Denn bis zur Trennung der Eltern im Jahr 1971 und mithin in den ersten 18 Lebensjahren des [X.] war der Vater Teil
des Familienverbands und hat sich um den Antragsgegner gekümmert. Der Vater hat daher gerade in den regelmäßig eine besonders intensive elterliche Fürsorge erfordernden Le-bensphasen seines [X.]es bis zum Erreichen der Volljährigkeit im [X.] den aus seiner Elternstellung folgenden Rechtspflichten genügt. Als es im [X.] zum Kontakta[X.]ruch kam, war der damals fast 19-jährige Antrags-gegner zwar nach damaliger Rechtslage noch nicht volljährig, hatte jedoch be-reits erfolgreich das Abitur abgelegt und damit eine gewisse Selbständigkeit erlangt. Das in die [X.] ab dem 19.
Lebensjahr des [X.] fallende Verhalten des [X.] stellt sich im Hinblick darauf nicht als eine schwere [X.]. §
1611 Abs.
1 Satz
1 Alt.
3 BGB dar.
Insoweit unterscheidet sich dieser Fall maßgeblich von der vom [X.] entschiedenen Kons-tellation, in der
die (unterhaltsberechtigte) Mutter ihr Kind im Kleinkindalter [X.] hatte ([X.]surteil vom 19.
Mai 2004 -
XII
ZR
304/02
-
FamRZ 2004, 1559).
3. Danach ist der Beschluss des [X.] aufzuheben, §
74 Abs.
5 FamFG. Der [X.] kann in der Sache abschließend entscheiden, §
74 Abs.
6 Satz
1 FamFG.
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a) Der von der Antragstellerin geltend gemachte Unterhaltsanspruch aus übergegangenem Recht ist zwischen den Beteiligten dem Grunde und der [X.] nach unstreitig. Danach hat der Antragsgegner den vom Amtsgericht festge-

b) Nach den weiteren, von Rechts wegen nicht zu beanstandenden und von dem Antragsgegner auch nicht angegriffenen Ausführungen des [X.] liegen die Voraussetzungen der übrigen Alternativen des §
1611 Abs. 1 Satz 1 BGB für eine Verwirkung des Unterhalts hier nicht vor. Der Vater des [X.] ist mithin weder durch eigenes Verschulden be-dürftig geworden,
noch hat er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Antrags-gegner gröblich verletzt.
c) Ebenso wenig steht § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII einem An-spruchsübergang auf die Antragstellerin entgegen.
Nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII geht der zivilrechtliche Unterhaltsan-spruch eines Sozialhilfeberechtigten bis zur Höhe der geleisteten [X.] mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozi-alhilfe über. Gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII geht der Anspruch nicht über, soweit dies eine unbillige Härte bedeuten würde.
Die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Übergangs des [X.] (s. hierzu [X.]surteil
vom 15.
September
2010 -
XII
ZR 148/09
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FamRZ 2010, 1888 Rn. 44 ff. [X.]) liegen ersichtlich nicht vor.
Soweit es die vom Antragsgegner geltend gemachte Verfehlung anbe-langt, werden die entsprechenden Umstände abschließend von §
1611 BGB erfasst.
Nach dem unstreitigen Sachverhalt sind auch keine [X.] Belange ersichtlich, die einen Übergang des Anspruchs nach öffentlich-rechtlichen Krite-26
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rien ausschließen könnten, wie sich nicht
zuletzt auch aus dem Beschluss des Amtsgerichts ergibt. Weder hat der Antragsgegner seinen Vater betreut oder gepflegt, noch erscheint die Inanspruchnahme des [X.] angesichts der festgestellten Einkommensverhältnisse unzumutbar, zumal die [X.] ohnehin zeitlich begrenzt ist. Schließlich sind auch keine Belange der Familie zu erkennen, die eine Heranziehung zum Unterhalt in Frage stellen könnten.
Dose Weber-Monecke Schilling

Nedden-Boeger Guhling

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.03.2012 -
22 [X.]/11 [X.] -

OLG Oldenburg, Entscheidung vom 25.10.2012 -
14 UF 80/12 -

Meta

XII ZB 607/12

12.02.2014

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2014, Az. XII ZB 607/12 (REWIS RS 2014, 7965)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7965

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 607/12

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