Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.07.2013, Az. III ZR 338/12

III. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4449

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
III ZR 338/12

Verkündet am:

4. Juli 2013

K i e f e r

Justizangestellter

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-

2

-

Der III.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche
Verhandlung vom
4. Juli 2013
durch den Vizepräsidenten [X.] sowie [X.]
[X.], [X.], [X.] und Seiters

für Recht erkannt:

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 9.
Zivilsenats des [X.]s vom 21.
September 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des [X.].

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger begehrt vom beklagten Land eine Entschädigung wegen des nach seiner Ansicht menschenunwürdigen [X.]ugs der Strafhaft in der Teilan-stalt I der
[X.]anstalt T.

. Er war dort im Zeitraum vom 30.
Oktober 2006
bis zum 16. Mai 2007
in einem Einzelhaftraum mit einer räumlich nicht abgetrennten Toilette und einer Fläche von etwa 5,3
qm
untergebracht. Das [X.] hat den Beklagten -
unter Abweisung der weitergehenden Klage
-
zur Zahlung von 2.300

g-ten hat das [X.] unter Abänderung der erstinstanzlichen Entschei-dung die Klage insgesamt abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom [X.] zugelassene Revision des [X.].

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-

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-

Entscheidungsgründe

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger gegen den Beklagten weder ein Amtshaftungsanspruch aus §
839 Abs.
1 Satz
1 [X.], Art.
34 Satz
1 GG noch ein verschuldensunabhängiger Entschädigungsan-spruch nach Art.
5 Abs.
5 [X.] zu.

Zwar habe der Beklagte die vom Kläger zu verbüßende Strafhaft unter Verletzung von Amtspflichten vollzogen. Die Haftbedingungen, über die sich der Senat anlässlich einer Ortsbesichtigung
in der inzwischen nicht mehr belegten [X.] der JVA T.

informiert habe, stellten, wie vom Verfassungsge-richtshof Berlin in
der eine baugleiche Einzelzelle betreffenden Entscheidung vom 3.
November 2009 ([X.], 374) festgestellt worden sei,
einen Eingriff
in das Recht des [X.] auf Achtung seiner Menschenwürde dar. Der [X.] scheitere aber daran, dass der Beklagte seine gegenüber dem Kläger bestehenden Pflichten nicht schuldhaft verletzt habe. Denn die verant-wortlichen Amtsträger des
Beklagten hätten bis zur Entscheidung des [X.] nicht fahrlässig gehandelt. Es
sei seinerzeit auch unter Be-rücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung
vertretbar gewesen, davon auszugehen, dass die Haftbedingungen die Schwelle zu einer Verletzung der Menschenwürde noch nicht überschritten hätten.

Art. 5 Abs. 5 [X.] sei nicht einschlägig. Die Garantie des Art. 5 [X.] beziehe sich nur auf die Freiheitsentziehung als solche, nicht auf die Modalitä-ten der Haft. Die streitgegenständlichen Haftbedingungen führten nicht zur 2
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4

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Rechtswidrigkeit des mit der Vollstreckung der Strafhaft einhergehenden [X.].

II.

Die zulässige Revision ist unbegründet.

1.
Der im Bereich des [X.] tätige Hoheitsträger verletzt Amts-pflichten im Sinne von §
839 Abs.
1 Satz
1 [X.], wenn er die rechtmäßig ver-hängte Strafhaft unter Bedingungen vollzieht, die einen Eingriff in das Recht des Gefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde nach Art.
1 Abs.
1 GG
-
oder auch, wie hier, nach
Art. 6 der [X.] -
darstellen (vgl. nur [X.], [X.], 83; NJW-RR 2011, 1043 Rn.
29; Senat, Urteil vom 1.
Oktober 2009 -
III
ZR 18/09, [X.], 301 Rn.
11). Ob der [X.]ug der Strafhaft als menschenunwürdig anzusehen ist, lässt sich dabei nicht abstrakt generell klären; vielmehr bedarf es jeweils einer Gesamtschau der Umstände des konkreten Einzelfalls (vgl. nur Senat, Beschluss vom 21. Dezember 2005
-
III ZR 33/05, [X.], 1289; Urteil vom 11.
März 2010 -
III
ZR 124/09, NJW-RR 2010, 1465 Rn.
7; VerfGH
Berlin, [X.], 374 f). Als erhebliche Umstände kommen insbesondere die Anzahl der in einem Haftraum [X.] Gefangenen, die Größe der zur Verfügung stehenden [X.], die Ausgestaltung der sanitären Anlagen im Haftraum, die Gesamtdauer der Unterbringung sowie die täglichen Einschlusszeiten in Betracht (vgl. nur [X.], NJW-RR 2011, 1043 Rn.
30; [X.] aaO S.
375).
Die diesbe-zügliche tatrichterliche Würdigung unterliegt dabei nur einer beschränkten revi-sionsrechtlichen Überprüfung (vgl. nur Senat, Beschluss vom 21. Dezember 2005
aaO).
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5

-

Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit dem [X.]
im Wege der gebotenen Gesamtschau
davon ausgegangen, dass die Haftbedin-gungen das
Recht des [X.] auf Achtung seiner Menschenwürde verletzt
hätten. Dies nimmt die Revision als ihr günstig hin; der Beklagte erhebt insoweit keine Gegenrügen.

Soweit der Kläger in seiner Revisionsbegründung unter Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Schriftsatz vom 9.
September 2011
rügt, die Instanzge-richte hätten bei der Bewertung der Haftbedingungen zu Unrecht nicht zusätz-lich noch seinen Vortrag, die Zelle sei nicht ausreichend beheizt gewesen, wodurch seine Menschenwürde ebenfalls verletzt worden sei, berücksichtigt und insoweit -
statt Beweis zu erheben
-
diese
Darstellung als nicht ausreichend substantiiert zurückgewiesen, hat der Senat das Vorliegen eines [X.] geprüft. Er hält die Verfahrensrüge aber nicht für durchgreifend. Von einer näheren Begründung wird nach
§
564 Satz
1 ZPO abgesehen.

2.
Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht
zu der Auffassung gelangt, dass es bis zum Bekanntwerden der Entscheidung des [X.] an einem Verschulden der zuständigen Amtsträger des Beklagten gefehlt
habe.

a) Bei der Verschuldensprüfung ist auf die Anforderungen abzustellen, deren Beachtung von einem Amtsträger generell erwartet werden kann. Jeder Inhaber eines öffentlichen Amtes hat die Sach-
und Rechtslage unter Zuhilfe-nahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und sich danach aufgrund vernünftiger Überlegungen eine Rechtsmei-nung zu bilden. Wenn die nach solcher Prüfung gewonnene Rechtsansicht des 7
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Amtsträgers als vertretbar angesehen werden kann, lässt sich aus der späteren Missbilligung dieser Rechtsauffassung durch die Gerichte ein Schuldvorwurf nicht herleiten (vgl. nur Senat, Urteile vom 8.
Oktober 1992 -
III
ZR 220/90, [X.], 365, 369
f;
vom 17.
März 1994 -
III
ZR 27/93, NJW 1994, 3158, 3159;
vom 3.
Februar 2000 -
III
ZR 296/98, [X.], 362, 371
und vom 9.
Dezember 2004 -
III ZR 263/04, [X.], 305, 309). Eine infolge unrichti-ger Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung fehlerhafte Amtsausübung ist zwar unter anderem dann schuldhaft, wenn die Auslegung und Anwendung ge-gen den klaren, bestimmten und völlig eindeutigen Wortlaut des Gesetzes ver-stößt oder zu einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung in [X.] steht. Anders ist es aber, wenn die Rechtsfrage nicht einfach zu [X.] ist beziehungsweise
die Auslegung einer Vorschrift -
bezogen auf den zur Entscheidung stehenden Einzelfall -
zweifelhaft sein kann und insoweit die Sa-che weder durch die Rechtsprechung geklärt noch im Schrifttum abschließend behandelt ist
(vgl. nur Senat, Urteile vom 5. Februar 1968 -
III ZR 162/66, [X.], 788, 790; vom 10. April 1986 -
III ZR 209/84, NVwZ 1987, 168, 169; vom 17. März 1994 aaO und vom 9. Dezember 2004 aaO [X.];
Beschluss vom 19. Dezember 1991 -
III ZR 9/91, NJW-RR 1992, 919; siehe zum Ganzen auch [X.]/[X.], [X.],
Neubearbeitung 2013, § 839 Rn.
204 ff).

b) Von diesem Maßstab ist das Berufungsgericht, was die Revision nicht in Abrede gestellt, ausgegangen. Ob im konkreten Fall das Verhalten der [X.] des Beklagten als schuldhaft zu beurteilen ist, ist eine Frage der tatrich-terlichen Würdigung, die in der Revisionsinstanz
nur beschränkt dahin [X.] ist, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den
etwaigen Be-weisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkge-11
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setze oder Erfahrungssätze verstößt
(vgl. nur [X.], Urteile
vom 26. Oktober 2004 -
XI ZR 211/03, NJW-RR 2005, 558; vom 12. Juli 2005 -
VI [X.], [X.]Z 163, 351, 353; vom 16. Januar 2009 -
V [X.], [X.]Z 179, 238 Rn.
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mwN). Entsprechende Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf.

aa) Das Berufungsgericht hat zu
Recht maßgeblich darauf abgestellt, dass die bis zur Entscheidung des [X.] ergangenen ober-
und höchstrichterlichen Entscheidungen nahezu ausschließlich Haftsituationen betrafen, in denen
zwei oder mehr Gefangene in einer Zelle untergebracht [X.]; soweit ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG angenommen wurde, war nicht bereits die Zellengröße
für sich, sondern vor allem der Umstand maßgeblich, dass in der Zelle kein abgetrennter
Toilettenbereich existierte
(vgl. die Nach-weise bei [X.], Beschluss vom 13. November 2007 -
2 BvR 2201/05, juris Rn. 17; [X.], 83, 84; NJW-RR 2011, 1043 Rn. 31). Bei der Zuweisung eines Haftraums an einen einzelnen Gefangenen verletzt die fehlende [X.] vom übrigen Raum aber nicht den Anspruch des Häftlings auf Achtung seiner Menschenwürde (vgl. [X.], [X.], 83, 84). Lediglich vereinzelt waren auch mit zwei oder mehr Häftlingen belegte Zellen mit separa-ter Toilette oder Einzelzellen Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen (vgl. etwa [X.], [X.], 567, 568: Doppelbelegung in einem Raum von 9,82
qm mit separater Nasszelle von 1,42 qm kein Verstoß gegen die [X.]; [X.], [X.] 2005, 113: Doppelbelegung in einem Raum von 9,13
qm mit abgetrennter
Nasszelle von 1,3
qm kein Verstoß gegen die Menschenwürde; [X.], Beschluss vom 11. Oktober 2005 -
5 [X.] ([X.]) 54/05, [X.]St 50, 234, 240: Doppelbelegung in einem Raum von
12,59 qm (einschließlich separatem Sanitärbereich) kein Verstoß gegen die [X.]; [X.], NStZ-RR 2005, 155, 156: Unterbringung von drei
Häft-lingen in einem Raum von 11,54
qm (einschließlich abgetrennter Toilette) als 12
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Verstoß gegen die Menschenwürde; [X.], [X.], 262, 264: Unter-bringung von 4 Häftlingen in einem Raum von 17,74 qm bzw. 2 Häftlingen in einem Raum von 9,06 qm -
jeweils einschließlich separater Toilette -
als [X.] gegen die Menschenwürde; das [X.] ging insoweit von einem "Grenzwert"
von 5
qm pro Häftling aus; [X.], [X.], 29: [X.] in einem Raum von 6,11 qm kein Verstoß gegen die [X.]).
Aus keiner der genannten Entscheidungen mussten die zuständi-gen Strafvollzugsbehörden den Schluss ziehen, die konkrete Haftsituation des [X.] verstoße gegen die Menschenwürde.

bb) Der [X.] (im Folgenden: [X.]), auf dessen Rechtsprechung das Berufungsgericht ebenfalls Bezug genommen hat,
geht, was die Frage der Überbelegung einer [X.]ugsanstalt und insoweit der Verletzung von Art.
3 [X.] ("Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen wer-den.") anbetrifft, von einem Regelwert von 4 qm je Inhaftiertem aus
(vgl. etwa Urteil vom 12. Juli 2007, [X.]. 20877/04, [X.], 21 Rn. 57 f mwN) und bezieht bei Werten darunter die weiteren Haftbedingungen in seine Würdigung mit ein
(siehe die Nachweise bei [X.] in [X.]/[X.], [X.], Art.
3 Rn.
13; [X.], [X.], 3.
Aufl., Art.
3 Rn.
31; [X.] in [X.]/[X.], [X.] und [X.], Bd.
11 ([X.]/[X.]), 26.
Aufl., Art.
3 Rn.
88). Zwar hindert die Einhaltung der in der [X.] niedergelegten und für die Konventionsstaaten verbindlichen Standards keine tatrichterliche Würdi-gung, dass bestimmte Haftbedingungen gegen das Grundgesetz verstoßen (vgl. Senat, Urteil vom 11. März 2010
aaO Rn.
7). Dies ändert aber nichts [X.], dass im Rahmen der tatrichterlichen Prüfung des Verschuldens eines Amtsträgers die Rechtsprechung des [X.] zu Art. 3 [X.] -
zumal wie hier nur als einer von mehreren Aspekten -
nicht unbeachtet bleiben kann.
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cc) Die Auffassung, dass die Haftbedingungen in den Einzelzellen
der [X.] der JVA T.

nicht gegen die Menschenwürde verstoßen, [X.] im Übrigen der -
bis zur Entscheidung des [X.] -
Rechtsprechung der [X.] Strafvollstreckungsgerichte (vgl. etwa KG,
[X.], 222, 223 f). Zwar gilt insoweit -
weil es sich, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, um grundlegende Einschätzungen einer obersten Landesbehörde handelte -
die so
genannte Kollegialgerichts-Richtlinie
nicht
(vgl. hierzu auch [X.]/[X.] aaO Rn. 211 ff, 215; BVerwGE 124, 99, 106 mwN). Dies hindert aber nicht, diese Rechtsprechung als einen Aspekt bei der tatrichterlichen Verschuldensprüfung mit zu berücksichtigen.

dd) Letztlich ist auch zu beachten, dass es sich bei der Beurteilung der Menschenrechtswidrigkeit von Haftbedingungen immer um eine Gesamtschau der Umstände des konkreten Einzelfalls handelt, wie gerade auch die von der Revision maßgeblich herangezogene Entscheidung des [X.] Verfassungs-gerichtshofs (aaO S. 375) zeigt, in der ein Verstoß gegen die Menschenwürde nicht mit der Größe der Zelle allein, sondern unter wertender Heranziehung al-ler Haftbedingungen begründet worden ist.

Insgesamt ist deshalb die tatrichterliche Würdigung des Berufungsge-richts, die Bewertung des Beklagten, eine Haftsituation wie die des [X.] ver-stoße noch nicht gegen die Menschenwürde, sei bis zu
dieser -
für die [X.] Behörden maßgebenden
-
Entscheidung vertretbar gewesen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger versucht insoweit nur in untauglicher Weise,
seine eigene Bewertung an die Stelle der des Berufungsgerichts zu setzen.

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4.
Zutreffend hat das Berufungsgericht auch einen verschuldensunabhän-gigen Entschädigungsanspruch nach Art.
5 Abs.
5 [X.] verneint.

Nach Art.
5 Abs.
5 [X.]
hat jede Person einen Anspruch auf [X.], die unter Verletzung dieses Artikels von Festnahme und Freiheits-entziehung betroffen ist. In den vorstehenden Absätzen werden die Vorausset-zungen näher beschrieben, unter denen die Freiheit entzogen werden darf.

a) Art.
5 Abs.
5 [X.] gewährt dem Betroffenen einen unmittelbaren Schadensersatzanspruch wegen rechtswidriger Freiheitsbeschränkungen durch die öffentliche Hand (vgl. nur Senat, Urteil vom 10. Januar 1966 -
III
ZR 70/64, [X.]Z 45, 46, 49 ff), der vom Verschulden der handelnden Amtsträger [X.] ist (vgl. nur Senat, Urteil vom 31. Januar 1966 -
III
ZR 118/64, [X.]Z 45, 58, 65
ff) und auch den Ersatz immateriellen Schadens umfasst (vgl. nur Senat, Urteil vom 29. April 1993 -
III
ZR 3/92, [X.]Z 122, 268, 279 ff). Dabei ist bei innerstaatlicher Rechtswidrigkeit der Inhaftierung der Freiheitsentzug auch dann (mittelbar) konventionswidrig, wenn die Anforderungen der Konvention an die Voraussetzungen, unter denen (Untersuchungs-)Haft angeordnet werden
kann, geringer sind als die der [X.] Strafprozessordnung (vgl. Senat, Urteil vom 14. Juli 1971 -
III ZR 181/61, [X.]Z 57, 33, 38; Urteil vom 29. April 1993 aaO S.
270).

b) Ob bei Haftbedingungen, die gegen die Menschenwürde verstoßen, ein Schadensersatzanspruch nach Art.
5 Abs.
5 [X.] gegeben ist, ist in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung umstritten (bejahend etwa [X.], NJW 2003, 2463
f, NJW-RR 2004, 380, 381; KG,
[X.], 813; [X.], Beschluss vom 21. Januar 2011 -
4 [X.], nv. Abdruck S. 4; wohl auch [X.], NJW 2005, 514, 515; [X.], Beschluss vom 11. Mai 17
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2009 -
1
O 343/08, juris Rn.
5; verneinend etwa [X.], Beschluss vom 30. Januar 2006 -
2
W 25/05, juris Rn.
10; [X.], Beschluss vom 13.
Juni 2008 -
11
W 78/07, juris Rn.
26).

Die Frage ist zu verneinen. Die Garantie des Art.
5 [X.] bezieht sich grundsätzlich nur auf die Freiheitsentziehung als solche, nicht auf die Modalitä-ten des [X.]ugs der Haft; daher ergeben sich aus ihr keine Rechte von in Haft befindlichen Personen in Bezug auf ihre Behandlung in der Haft (vgl. Senat, Urteil vom 29. April 1993 aaO [X.]). Dementsprechend wird in der Recht-sprechung des [X.] (vgl. nur Urteile vom 15. Juli 2002, [X.]. 47095/99, NVwZ 2005, 303
f, vom 12. Juli 2007 aaO und vom 21. Januar 2011, [X.]. 30696/09, [X.], 243 ff; vgl. auch die Nachweise im Senatsurteil vom 4. November 2004 -
III ZR 361/03, [X.], 33, 37) im Zu-sammenhang mit der Frage menschenrechtswidriger Haftbedingungen nicht auf Art.
5, sondern auf Art.
3 [X.] abgestellt (siehe auch [X.] in [X.]/[X.], aaO Art.
3 Rn.
78 ff, 86 ff, Art.
5 Rn.
3; [X.]/[X.], [X.], 3.
Aufl., Art.
3 Rn.
12, Art.
5 Rn.
9; [X.]/[X.], aaO Art.
3 Rn.
12, Art.
5 Rn.
12; [X.], aaO Art.
3 Rn.
29, 31). Art.
3 [X.] enthält aber -
anders als Art.
5 [X.] im Absatz
5
-
keine unmittelbare Schadensersatzregelung. [X.] richten sich die Rechtsfolgen im Falle eines Verstoßes zunächst nach na-tionalem Recht, in [X.] also nach §§ 839, 249 ff [X.]. Erst und nur dann, wenn das innerstaatliche Recht lediglich eine unvollkommene Wieder-gutmachung für die Folgen einer Konventionsverletzung gewährt -
was für [X.] schon deshalb ausscheidet, weil die Anforderungen an eine men-schenwürdige Unterbringung von Strafgefangenen nach Maßgabe des Art. 1

21
-

12

-

Abs. 1 Satz 1 GG höher sind als die Anforderungen nach Art. 3 [X.] im Lichte der Rechtsprechung des [X.] -, kommt eine gerechte Entschädigung nach Maßgabe des Art. 41 [X.] in Betracht, für
deren Ausspruch ausschließlich der [X.] im Verfahren einer Individualbeschwerde zuständig ist.

Zu Unrecht beruft sich der Kläger in diesem Zusammenhang auf das [X.] vom 29. April 1993 (aaO [X.]). Diesem lag ein Fall zugrunde, in dem die im [X.]ug -
einschließlich der Unterbringung in einem Anstalts-
oder in einem externen Krankenhaus
-
zur Verfügung stehenden ärztlichen [X.] nicht ausreichten, um von der Haft ausgehende schwerwie-gende Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Lebensgefahren für den Häftling abzuwenden. Insoweit ging es um die persönliche [X.]ugstauglichkeit als Vor-aussetzung für die Rechtmäßigkeit der Haft. Solange die vorhandenen [X.] genügten, blieb die Haft rechtmäßig; soweit dies nicht (mehr) der Fall war und der Geschädigte bei rechtmäßigem Verhalten der zuständigen Amtsträger vom weiteren Haftvollzug hätte verschont werden müssen, war die Recht-mäßigkeit der Haft selbst betroffen. In einem solchen Ausnahmefall stellen die Umstände des [X.]ugs auch die Rechtmäßigkeit der Haft im Sinne von Art.
5 [X.] in Frage. Eine vergleichbare Fallgestaltung liegt hier nicht vor.

Zwar muss -
wie der Senat in seinem Urteil vom 11. März 2010 (III
ZR 124/09, NJW-RR 2010, 1465 Rn.
15) entschieden hat -
dann, wenn die [X.] in einer Zelle menschenunwürdig sind und die [X.]ugsanstalt auch unter Berücksichtigung aller ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten (ein-schließlich der Verlegung in eine andere Haftanstalt, gegebenenfalls auch in einem anderen Bundesland; vgl. zur Verlegung auch [X.], Beschluss vom

22
23
-

13

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13. November 2007 -
2 BvR 2201/05, juris Rn. 13; [X.], 83) die Haft-situation nicht ändern kann, notfalls die Strafvollstreckung unterbrochen wer-den. Die Aufrechterhaltung eines gegen Art.
1 Abs.
1 GG verstoßenden [X.] ist verboten. Eine Abwägung der unantastbaren Menschenwürde mit anderen -
selbst verfassungsrechtlichen
-
Belangen ist nicht möglich (vgl. [X.], [X.], 1580, 1581 Rn.
18). Die [X.]ugsanstalt hat deshalb in letz-ter Konsequenz den Strafvollzug zu unterbrechen, wenn und solange eine wei-tere Unterbringung nur unter menschenunwürdigen Bedingungen in Betracht kommt (vgl. auch [X.], NJW-RR 2011, 1043 Rn. 49). Auch in einem solchen Fall -
für dessen Vorliegen
hier allerdings nichts ersichtlich ist -
wird jedoch der Anwendungsbereich des Art. 5 [X.] nicht berührt. Denn nach der Systematik der Konvention und der Rechtsprechung des [X.] werden unzumutbare Haftbedingungen ausschließlich von Art. 3 [X.] erfasst.

Da mithin bereits dem Grunde nach kein Anspruch aus Art.
5 Abs.
5 [X.] gegeben ist, kann dahinstehen, ob §
839 Abs.
3 [X.] oder §
254 [X.]
-
der ebenfalls gebieten kann, einen belastenden hoheitlichen Akt durch geeig-nete Rechtsbehelfe abzuwehren (vgl. nur Senat, Urteil
vom 26. Januar 1984 -
III
ZR 216/82, [X.]Z 90, 17, 31 ff) -
auf einen Anspruch aus Art.
5 [X.] an-wendbar sind (bejahend etwa [X.], NJW 2005, 514, 515; Beschluss vom 30. Januar 2006, aaO Rn.
11; [X.],
[X.], 1986, 1987; [X.] aaO; [X.] in [X.]/[X.], Internationaler Kommentar zur [X.], Art.
5 Rn.
330; offen gelassen im Senatsurteil vom 29. April 1993 aaO [X.]; verneinend für unterlassene Rechtsbehelfe nach §
2 Abs.
2

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14

-

des [X.] Amtshaftungsgesetzes: [X.], Urteil vom 15. November 1989 -
1
Ob 43/89, S.
4).

[X.]
[X.]

[X.]

[X.]
Seiters
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.11.2011 -
86 O 334/10 -

KG Berlin, Entscheidung vom 21.09.2012 -
9 U
123/11 -

Meta

III ZR 338/12

04.07.2013

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.07.2013, Az. III ZR 338/12 (REWIS RS 2013, 4449)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4449

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