Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2008, Az. I ZR 128/06

I. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 87

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 128/06 Verkündet am: 18. Dezember 2008 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 18. Dezember 2008 durch [X.] [X.] und [X.], Dr. Bergmann und [X.] für Recht erkannt:
Die Revision gegen das [X.]eil des [X.], [X.] 15 für Handelssachen, vom 3. Juli 2006 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Die Klägerin ist [X.] der Transportversicherer der [X.] in [X.] (im Weiteren: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt die [X.], die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, aus übergegangenem Recht der Versicherungsnehmerin wegen Verlusts von Transportgut auf Scha-densersatz in Anspruch. 1 - 3 - Die Versicherungsnehmerin beauftragte die Beklagte im Juni 2005 zu fi-xen Kosten mit der Beförderung einer aus vier Paketen bestehenden Waren-sendung von [X.] nach [X.]/[X.]. Die Sendung kam bei der Empfängerin nicht an. Mit Schreiben vom 18. Juni 2005 teilte die Beklagte der Versicherungsnehmerin mit, dass die Sendung beschädigt und der gesamte Inhalt vernichtet worden sei. Die Beklagte hat für den Verlust der Ware an die Versicherungsnehmerin 510,81 • gezahlt. 2 Die Klägerin hat behauptet, in den vier bei der Empfängerin nicht abge-lieferten Paketen hätten sich Waren im Gesamtwert von 1.705,26 • befunden. Die Transportversicherer der Versicherungsnehmerin hätten für den Verlust der Pakete an die Versicherungsnehmerin unter Berücksichtigung der Ersatzleis-tung der Beklagten 1.194,45 • gezahlt. Die Klägerin ist der Ansicht, die [X.] hafte für den Verlust der Sendung unbeschränkt, da sie sich zur Ursache des Abhandenkommens unzureichend und widersprüchlich eingelassen habe. Sie hat die Beklagte auf Zahlung von 1.194,45 • nebst Zinsen in Anspruch genom-men. 3 Die Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, sie hafte nicht wegen qualifizierten Verschuldens. Die vorprozessuale Mitteilung an die Versi-cherungsnehmerin sei eine Standarderklärung gewesen, die aufgrund der [X.] in ungeklärten Fällen an den Geschädigten her-ausgeschickt werde. Tatsächlich sei die Sendung dadurch in Verlust geraten, dass der Frachtcontainer, in dem sich die Sendung befunden habe, in der Nacht vom 13. auf den 14. Juni 2005 von einem U. -Gelände am [X.] von Dritten entwendet worden sei. Dieses Gelände sei gegen [X.] gesichert. 4 - 4 - Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. 5 Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die [X.] ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen. 6 Entscheidungsgründe: [X.] Die Vorinstanzen haben den geltend gemachten Schadensersatzan-spruch aus Art. 17 Abs. 1, Art. 29 [X.] i.V. mit § 67 Abs. 1 [X.] a.F. für [X.] erachtet. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt: 7 Die von der Klägerin vertretenen Transportversicherer der Versiche-rungsnehmerin seien aktivlegitimiert. Die Beklagte hafte für den der Versiche-rungsnehmerin entstandenen Schaden gemäß Art. 17 Abs. 1, Art. 29 [X.] un-beschränkt, weil sie oder der [X.] Lagerhalter, für den die Beklagte einzustehen habe, den Schaden leichtfertig und im Bewusstsein des [X.] Schadenseintritts verursacht hätten. Die Beklagte treffe in Bezug auf die näheren Umstände des [X.] eine sekundäre Einlassungsob-liegenheit, der sie nicht nachgekommen sei. Ihr Vortrag zu den gegen einen Diebstahl ergriffenen Sicherheitsmaßnahmen sei lückenhaft. Das rechtfertige den Vorwurf eines qualifizierten Verschuldens. 8 I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. 9 - 5 - 1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der Beklagten für den hier in Rede stehenden Verlust von Transportgut nach Art. 17 Abs. 1 [X.] bejaht. Es ist dabei zutreffend und von der Revision auch unbeanstandet davon ausgegangen, dass die Beklagte von der Versicherungsnehmerin als Fixkostenspediteurin [X.] von § 459 HGB beauf-tragt worden ist und sich ihre Haftung demgemäß grundsätzlich nach den [X.] über die Haftung des Frachtführers (Art. 17 ff. [X.]) und - auf-grund vertraglicher Einbeziehung - nach ihren Allgemeinen Beförderungsbedin-gungen richtet. 10 2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des [X.], die Beklagte schulde für den Verlust des Transportgutes gemäß Art. 17 Abs. 1, Art. 29 [X.] Schadensersatz, ohne sich auf die im Gesetz und in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen vorgesehenen Haftungsbe-schränkungen berufen zu können, da sie den streitgegenständlichen [X.] leichtfertig und im Bewusstsein verursacht habe, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. 11 a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass es der Beklagten oblegen habe, zu den näheren Umständen des [X.] konkret vorzu-tragen, weil sie vorprozessual eine auch nicht ansatzweise zutreffende Begrün-dung für den eingetretenen Schaden gegeben habe. Dagegen hat die Revision nichts erinnert. Den Vorwurf des qualifizierten Verschuldens hat das [X.] darauf gestützt, dass die Beklagte ihrer sekundären Darlegungs-last betreffend den Ablauf des hier in Rede stehenden [X.] ein-schließlich der zur Schadensverhinderung getroffenen organisatorischen Kon-trollmaßnahmen nicht genügt habe. 12 - 6 - b) Diese Beurteilung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Sie entspricht der ständigen Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.], 275, 284; 129, 345, 350 f.; 145, 170, 183 f.; [X.], [X.]. v. 14.6.2006 - I ZR 136/03, [X.], 273 [X.]. 13). 13 [X.]) Grundsätzlich ist der Anspruchsteller gehalten, die Voraussetzungen für den Wegfall der zugunsten des Frachtführers bestehenden gesetzlichen oder vertraglichen Haftungsbegrenzungen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Danach trägt er die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Frachtführer oder seine Leute vorsätzlich oder leichtfertig und im Bewusstsein gehandelt haben, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde (vgl. [X.] [X.], 273 [X.]. 13; [X.], [X.]. v. [X.], [X.] 2008, 113 [X.]. 30 m.w.N.). Die dem Anspruchsteller obliegende Darle-gungs- und Beweislast kann - wovon auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist - jedoch dadurch gemildert werden, dass der Frachtführer an-gesichts des unterschiedlichen [X.] der Vertragsparteien nach [X.] und Glauben gehalten ist, soweit möglich und zumutbar, zu den näheren Umständen des [X.] eingehend vorzutragen. Eine solche sekundäre Darlegungslast der Beklagten ist zu bejahen, wenn der Klagevortrag nach den Umständen des Falles ein qualifiziertes Verschulden mit gewisser Wahrschein-lichkeit nahelegt oder sich Anhaltspunkte für ein solches Verschulden aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben (vgl. [X.], [X.]. v. 5.6.2003 - I ZR 234/00, [X.] 2003, 467, 469). Insbesondere hat der Frachtführer dann substantiiert darzulegen, welche Sorgfalt er konkret aufgewendet hat. Kommt er dem nicht nach, kann nach den Umständen des Einzelfalls der Schluss auf ein qualifizier-tes Verschulden gerechtfertigt sein ([X.] [X.], 273 [X.]. 13; [X.] 2008, 113 [X.]. 30 m.w.N.). 14 - 7 - Hat der Spediteur/Frachtführer seiner Einlassungsobliegenheit genügt, muss der Anspruchsteller die Voraussetzungen für eine unbeschränkte Haftung des Frachtführers darlegen und gegebenenfalls beweisen ([X.] [X.] 2008, 113 [X.]. 33). 15 bb) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der Vortrag der Klägerin mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf ein qualifiziertes Ver-schulden der Beklagten [X.] von § 435 HGB schließen lässt, das Voraussetzung für eine unbeschränkte Haftung des Frachtführers nach Art. 29 Abs. 1 [X.] ist. Die der Beklagten zum Transport nach [X.] übergebenen vier Pakete sind in Verlust geraten, während sie in ihrer Obhut waren. Mit Schreiben vom 18. Juni 2005 hat die Beklagte der Versicherungsnehmerin lediglich mitgeteilt, dass "die Sendung beschädigt und der gesamte Inhalt vernichtet" worden sei. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin hat die Beklagte der Versiche-rungsnehmerin vorprozessual trotz mehrfacher Nachfrage keinerlei Einzelheiten zur Schadensursache mitgeteilt. Aufgrund der Weigerung der Beklagten, zu den näheren Umständen des [X.] Angaben zu machen, ist der [X.] bis zur Klageerhebung völlig ungeklärt geblieben. Das rechtfertigt grundsätzlich den Schluss auf ein grobes Organisationsverschulden im Be-triebsbereich der Beklagten mit der Folge, dass sie im Prozess detailliert zu den Organisationsabläufen in ihrem Betrieb und zu den von ihr gegen einen Verlust von Transportgut eingerichteten Sicherheitsmaßnahmen vortragen muss (vgl. [X.] [X.] 2003, 467, 469). 16 cc) Die Beklagte ist ihrer sekundären Darlegungslast insoweit nachge-kommen, als sie einen Diebstahl des Frachtcontainers, in dem sich die vier ver-lorengegangenen Pakete nach ihrem unbestrittenen Vortrag befunden haben, 17 - 8 - als Schadensursache dargelegt hat. Ferner hat die Beklagte vorgetragen, dass das Gelände, von dem der Container entwendet worden sei, mit einem hohen Stacheldrahtzaun umgeben, durch ein Gittertor gesichert und videoüberwacht gewesen sei. Das Gelände sei während der [X.] worden; der Fahrer habe seine Schlüssel für den entwendeten LKW im [X.] abgelegt. Damit hat die Beklagte die ihr obliegende Darlegungslast nur un-vollkommen erfüllt. Bei Zugrundelegung des von der Beklagten gehaltenen Vortrags sind entgegen der Auffassung der Revision Organisationsmängel in ihrem Betriebs-bereich denkbar und Geschehensabläufe naheliegend, die auf ein qualifiziertes Verschulden schließen lassen. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenom-men, dass es auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten gut vorstellbar erscheint, dass weder das Gelände, von dem nach dem Vortrag der Beklagten das komplette Transportfahrzeug entwendet wurde, noch das Fahrzeug selbst in ausreichendem Maße gesichert waren. Es ist insbesondere offengeblieben, ob und auf welche Weise (etwa durch eine Wegfahrsperre) das entwendete Transportfahrzeug gegen Diebstahl gesichert war, ob das Gittertor zum [X.], auf dem der beladene LKW abgestellt war, aufgeschlossen oder aufgebro-chen wurde, weshalb gerade die Aufzeichnung der eigentlichen Entwendung durch die Videoanlage unterblieben ist, wie oft und in welchen Zeitabständen das Gelände von Wachpersonal kontrolliert wurde, worauf sich die Bewachung erstreckt und ob der Wachdienst seinerseits in Bezug auf die Einhaltung der Überwachungspflichten kontrolliert wird. Ebenso fehlen Angaben dazu, ob es vor dem streitgegenständlichen Schadensfall bereits zu Diebstählen von bela-denen Transportfahrzeugen gekommen war und was die [X.] zur Erhöhung der Sicherheit unternommen hat. Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, ob die Täter sich die angeblich im Bürogebäude verwahrten [X.] - 9 - [X.] verschafft haben. Mit Recht hat das Berufungsgericht von der Beklagten des Weiteren die Angabe der Namen der beteiligten Personen (Fah-rer, Wachmannschaft, zentrale Kontrolle) verlangt. Obwohl das Berufungsge-richt die Beklagte rechtzeitig vor der mündlichen Berufungsverhandlung darauf hingewiesen hat, in welchen konkreten Punkten ihr Vortrag ergänzt werden müsse, ist die Beklagte dem nicht einmal ansatzweise nachgekommen. Unter diesen Umständen ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstan-den, dass das Berufungsgericht zu der Annahme gelangt ist, dass die Beklagte den Verlust der vier Pakete leichtfertig und im Bewusstsein des wahrscheinli-chen Schadenseintritts verursacht hat. 19 - 10 - II[X.] Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. 20 Bornkamm Pokrant Büscher
Bergmann Koch Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 03.03.2006 - [X.]/05 - LG [X.], Entscheidung vom 03.07.2006 - 415 S 2/06 -

Meta

I ZR 128/06

18.12.2008

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2008, Az. I ZR 128/06 (REWIS RS 2008, 87)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 87

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