Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.12.2012, Az. I R 27/12

1. Senat | REWIS RS 2012, 448

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Auch nach Einführung der Abgeltungsteuer keine Kapitalertragsteuer bei obligationsähnlichen Genussrechten - Anfechtung einer Kapitalertragsteueranmeldung durch den Vergütungsgläubiger (Die Entscheidung wurde nachträglich zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt. Sie war seit dem 24.4.2013 als NV-Entscheidung abrufbar.)


Leitsatz

Gewinne aus der Veräußerung von vor dem 1. Januar 2009 erworbenen obligationsähnlichen Genussrechten unterliegen auch nach Einführung der Abgeltungsteuer nicht dem Kapitalertragsteuerabzug.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) unterhielt bei der Beigeladenen, einer Bank, ein Direkt-Depot, auf das im Jahre 2006 [X.] der [X.] zum Nominalwert von 5.160 € von der Sparkasse übertragen worden waren. Die [X.]e gewährten ihrem Inhaber einen gegenüber dem Gewinnanteil der Aktionäre vorrangigen Anspruch auf Gewinnausschüttung sowie auf Rückzahlung nach Beendigung der [X.]e (§ 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 15 der [X.]bedingungen --GB--). Dem Inhaber standen keinerlei Teilnahme-, Mitwirkungs- oder Stimmrechte in der Hauptversammlung der [X.] zu (§ 3 Abs. 2 GB). Sein Gewinnanteil betrug vorbehaltlich eines ausreichenden Konzernjahresüberschusses für jedes volle Geschäftsjahr 15 % des [X.] von 10 € je [X.] (§ 4 Abs. 1 Satz 1 GB); der auf den Grundbetrag entfallende und aus der sog. negativen Gesamtkapitalrendite abgeleitete [X.] war gesondert auszuweisen und durch Gewinnanteile der Folgejahre auszugleichen (§ 5 GB). Nach § 15 Abs. 6 GB nahm das Genusskapital im Falle der Auflösung der [X.] nicht am Liquidationserlös teil. Der --gegebenenfalls um noch nicht ausgeglichene Verluste gekürzte-- Rückzahlungsanspruch war gegenüber den Forderungen der anderen Gläubiger nachrangig.

2

Nachdem die [X.] die [X.]inhaber am 2. Februar 2010 zur Abgabe von Verkaufsangeboten zum [X.] von 180 % aufgefordert hatte, veräußerte der Kläger seine Anteilsscheine am 1. März 2010 zu einem Preis ([X.]wert) von 9.228 €. Hiervon behielt die Beigeladene Kapitalertragsteuer in Höhe von 696,60 € sowie Solidaritätszuschlag in Höhe von 38,31 € ein. Beide Beträge wurden bei der Kapitalertragsteueranmeldung vom 1. April 2010 (betreffend März 2010) berücksichtigt.

3

Hiergegen legte der Kläger am 13. April 2010 Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass die [X.]e lange vor 2006 angeschafft worden seien und den Bestandsschutzregeln zur Einführung der Abgeltungssteuer unterlägen (hier: § 52a Abs. 10 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes 2009 --EStG 2009--). Der Rechtsbehelf blieb, nachdem der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) die Beigeladene zum Einspruchsverfahren hinzugezogen hatte (§ 360 Abs. 3 der Abgabenordnung --AO--), ohne Erfolg.

4

Der Klage hat das Finanzgericht ([X.]) stattgegeben und die angemeldeten Steuerbeträge (Kapitalertragsteuer, Solidaritätszuschlag) in dem beantragten Umfang herabgesetzt (Hessisches [X.], Urteil vom 16. Februar 2012  4 K 639/11, Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1163).

5

Mit der Revision beantragt das [X.] sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

7

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist nicht begründet. Sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

9

1. Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger anfechtungsbefugt und die Klage damit zulässig ist. Die von der Beigeladenen angemeldete Kapitalertragsteuer (§ 45a EStG 2009) steht nach § 168 [X.] --ebenso wie der angemeldete Solidaritätszuschlag (vgl. § 1 Abs. 2 und 3 sowie § 3 Abs. 1 Nr. 5 des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 --[X.] 1995--; [X.]/ [X.], § 1 [X.] 1995 Rz 5)-- einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Zwar ist deren Regelungsgehalt darauf beschränkt, dass die Beigeladene die angemeldeten Beträge abzuführen hat (Senatsbeschluss vom 13. August 1997 I B 30/97, [X.], 92, [X.] 1997, 700). Da jedoch der Kläger als Gläubiger der Kapitalerträge nach § 44 Abs. 1 Satz 1 EStG 2009 ([X.]. § 1 Abs. 2 [X.] 1995) die Kapitalertragsteuer sowie den im Abzugsverfahren erhobenen Solidaritätszuschlag schuldet und demgemäß die Beigeladene die Steuerabzüge für Rechnung des [X.] vorgenommen hat (§ 44 Abs. 1 Satz 3 EStG 2009 [X.]. § 1 Abs. 2 [X.] 1995), werden im Fall der Rechtswidrigkeit der nach § 168 [X.] fingierten Steuerbescheide rechtlich geschützte Interessen des [X.] berührt (§ 40 Abs. 2 [X.]O; vgl. Senatsurteil vom 10. März 1971 I R 73/67, [X.], 242, [X.] 1971, 589; [X.] in [X.], [X.] § 168 Rz 24; [X.]/Rüsken, [X.], 11. Aufl., § 168 Rz 16, jeweils m.w.N.).

2. Nach ständiger Rechtsprechung ist hierbei allerdings zu beachten, dass sich die mit der Steueranmeldung verbundene Steuerfestsetzung gegen den Vergütungsschuldner richtet (hier: die Beigeladene) und deshalb im Rahmen einer hiergegen vom [X.] (hier: dem Kläger) im Wege der sog. Drittanfechtung erhobenen Klage die Steuerfestsetzung nur darauf überprüft werden kann, ob der Vergütungsschuldner die Steueranmeldung vornehmen durfte. Zwar ist dies bereits dann zu bejahen, wenn die Voraussetzungen für den Steuereinbehalt zweifelhaft sind (Senatsbeschluss vom 25. November 2002 I B 69/02, [X.], 114, [X.] 2003, 189; Senatsurteil vom 28. Januar 2004 I R 73/02, [X.], 174, [X.] 2005, 550; Senatsbeschluss vom 7. November 2007 I R 19/04, [X.], 300, [X.] 2008, 228; [X.] in [X.], [X.] § 168 Rz 25, m.w.N.). Auch ist im Rahmen dieses eingeschränkten Prüfungsumfangs im Grundsatz davon auszugehen, dass der Vergütungsschuldner zum Kapitalertragsteuerabzug dann berechtigt ist, wenn er sich hierbei --wie vorliegend-- auf ein Schreiben des [X.] ([X.]) stützen kann (vgl. zur Veräußerung obligationsähnlicher Genussrechte [X.]-Schreiben vom 22. Dezember 2009, [X.], 94, Rz 319; ebenso [X.]-Schreiben vom 9. Oktober 2012, [X.], 953, Rz 319). Gleichwohl gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos. Er ist jedenfalls dann zu durchbrechen, wenn die Ansicht des [X.]s dem eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen entspricht und auch aus deren Entstehungsgeschichte und Zweck kein Anhalt für ein abweichendes Regelungsverständnis besteht. Von Letzterem ist im Streitfall auszugehen.

a) Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 EStG 2009 wird bei [X.] von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG 2009 die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag (Kapitalertragsteuer) erhoben; gleiches gilt für den hierauf entfallenden Solidaritätszuschlag (§ 1 Abs. 2 und 3 und § 3 Abs. 1 Nr. 5 [X.] 1995).

Zwischen den Beteiligten besteht Einvernehmen darüber, dass es sich bei den vom Kläger gehaltenen Genussscheinen um [X.] [X.] von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG 2009 gehandelt hat und ein aus ihrer Veräußerung erzielter Gewinn die tatbestandlichen Merkmale für den Ansatz von Kapitaleinkünften nach dem --im Zuge der Einführung der Abgeltungsteuer durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14. August 2007 ([X.], 1912, [X.], 630)-- neu geschaffenen § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG erfüllt hat.

Der Senat teilt diese Beurteilung. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 2009 erfasst Erträge aus sonstigen [X.] jeder Art unter der Voraussetzung, dass die Rückzahlung des [X.] oder ein Entgelt für die Überlassung des [X.] zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Hierzu gehörten auch die Genussrechte des [X.]; da sie keine Beteiligung an einem Liquidationserlös der Y-AG und damit keine [X.] von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2009 gesellschafterähnliche Rechtsstellung vermittelten (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 18. Mai 2005 VIII R 34/01, [X.], 247, [X.] 2005, 857; Senatsurteil vom 19. Januar 1994 I R 67/92, [X.], 399, [X.] 1996, 77; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 20 EStG Rz 56), waren sie angesichts ihres "obligationsähnlichen" Charakters (vgl. Urteil des [X.] vom 9. November 1992 II ZR 230/91, [X.], 141) den sonstigen [X.] nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 2009 zugeordnet.

b) Kein Einvernehmen besteht zwischen den Beteiligten jedoch darüber, ob die hierdurch ausgelöste Pflicht zur Anmeldung und Abführung von Kapitalertragsteuer auch im Streitfall greift, der dadurch gekennzeichnet ist, dass die Genussscheine vor dem Jahre 2006 und damit vor Einführung der Abgeltungsteuer zum 1. Januar 2009 durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 erworben worden sind.

aa) Die Übergangsbestimmung des § 52a Abs. 10 Satz 6 EStG 2009 sieht vor, dass § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG in der Fassung des Art. 1 des [X.] erstmals auf nach dem 31. Dezember 2008 zufließende Kapitalerträge aus der Veräußerung sonstiger [X.] anzuwenden ist. Nach § 52a Abs. 10 Satz 7 Halbsatz 1 EStG 2009 ist jedoch für Kapitalerträge aus [X.], die zum Zeitpunkt des vor dem 1. Januar 2009 erfolgten Erwerbs zwar [X.] [X.] des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der am 31. Dezember 2008 anzuwendenden Fassung (im Folgenden: EStG 2002), aber nicht [X.] [X.] des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG 2002 waren, § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG 2009 nicht anzuwenden. Durch das Jahressteuergesetz 2009 vom 19. Dezember 2008 ([X.], 2794, [X.], 74) wurde § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG 2009 um einen weiteren Halbsatz ergänzt, nach dem [X.] [X.] des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG 2002 auch dann vorliegen, wenn die Rückzahlung nur teilweise garantiert ist oder wenn eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich erscheint. Letztere Regelung ist --nach Inkrafttreten einer weiteren, für das vorliegende Verfahren jedoch nicht einschlägigen Änderung des § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG 2009 durch das Jahressteuergesetz 2010 vom 8. Dezember 2010, [X.], 1768, [X.], 1394 (betreffend Stückzinsen)-- heute Gegenstand des letzten Halbsatzes der Vorschrift.

bb) Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass nach der Übergangsbestimmung des § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG 2009 die Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG 2009 auf die vom Kläger erzielten Veräußerungsgewinne keine Anwendung findet und deshalb auch ein Steuerabzug vom Kapitalertrag nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 EStG 2009 ([X.]. § 1 Abs. 2 und 3 sowie § 3 Nr. 5 [X.] 1995) nicht vorzunehmen war.

aaa) Auszugehen ist hierbei davon, dass die --nach den Feststellungen der Vorinstanz vor dem Jahre 2006 erworbenen-- Genussscheine zwar zu [X.] im Sinne der vor dem 1. Januar 2009 maßgeblichen Fassung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 2002, nicht jedoch zu den [X.] [X.] des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG 2002 gehört haben. Diese, durch das Gesetz zur Bekämpfung des Mißbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts ([X.]) vom 21. Dezember 1993 ([X.] 1993, 2310, [X.], 50) in das Einkommensteuergesetz eingefügte Bestimmung stand im Zusammenhang damit, dass nach der gleichfalls neu gefassten Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 1990 der Begriff der steuerbaren Kapitalerträge auf Erträge aus sog. Finanzinnovationen ausgedehnt wurde und solche Einkünfte nicht nur bei Einlösung der Wertpapiere, sondern auch im Falle ihrer Veräußerung erfasst werden sollten (BTDrucks 12/6078, S. 122 f.). Demgemäß war u.a. in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 [X.]. c EStG 1990/1997/2002 vorgesehen, dass zu den Kapitaleinkünften auch Einnahmen aus der Veräußerung von sonstigen [X.] mit Zinsforderungen gehörten, wenn die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhing.

Der Senat lässt unbeantwortet, ob hierunter tatbestandlich auch Genussscheine fielen, die wie vorliegend sowohl im Hinblick auf ihre Verzinsung als auch bezüglich der Kapitalrückzahlung dem Risiko der Verlustbeteiligung ausgesetzt waren (vgl. zum Erfordernis der Rückzahlungsgarantie z.B. [X.]-Urteil vom 13. Dezember 2006 VIII R 79/03, [X.], 187, [X.] 2007, 562; v. [X.] in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 20 Rz 405). Jedenfalls war die Neuregelung nach dem unmissverständlichen Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 5 EStG 2002 insgesamt nicht auf Genussrechte [X.] von § 43 Abs. 1 Nr. 2 EStG 2002 und damit auch nicht auf die vom Kläger gehaltenen Anteilsscheine anzuwenden. In den Materialen zum [X.] wird hierzu erläutert, dass "bei [X.] ... im Sinne von § 43 Abs. 1 Nr. 2 EStG ... wie bisher nur die Erträge aus der Einlösung der Wertpapiere der Einkommensteuer" unterliegen (BTDrucks 12/6078, S. 123).

Demnach waren die Genussrechte auch im Sinne der Übergangsvorschrift des § 52a Abs. 10 Satz 7 Halbsatz 1 EStG 2009 nicht zu den [X.] [X.] des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG 2002 zu rechnen. Letzteres ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Überleitungsbestimmung, der nicht nur auf die in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 (hier: [X.]. c) EStG 2002 genannten Kapitalanlageformen, sondern auf die Gesamtregelung jener Vorschrift und damit auch auf deren Satz 5 mit der Folge verweist, dass die --nicht § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002 unterstehenden-- Genussrechte insgesamt dem Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Sätze 1 bis 4 EStG 2002 entzogen waren; sie konnten deshalb nicht zu den in Satz 1 dieser Bestimmung genannten Kapitalanlagen gerechnet werden. Darüber hinaus entspricht nur dieses Gesetzesverständnis dem aus den Materialien zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008 abzuleitenden Zweck des § 52a Abs. 10 Satz 7 Halbsatz 1 EStG 2009. Hiernach soll die mit der Einführung der Abgeltungsteuer verbundene Steuerbarkeit von Veräußerungsgewinnen für solche "[X.] (keine Anwendung finden), die noch vor 2009 erworben wurden und nicht unter die bis Ende 2008 geltende Fassung von § 20 fielen" (BTDrucks 16/4841, S. 73); die "bislang steuerfreie(n) Kursgewinne aus vor dem 1. Januar 2009 erworbenen zinstragenden Forderungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 (sollten) auch weiterhin steuerfrei bleiben" (BTDrucks 16/5491, S. 21).

bbb) Anderes ist nicht aus § 52a Abs. 10 Satz 7, letzter Halbsatz EStG 2009 abzuleiten, nach dem [X.] [X.] des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG 2002 auch dann vorliegen, wenn die Rückzahlung nur teilweise garantiert ist oder wenn eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich erscheint.

Ob letztere Voraussetzung auf die vom Kläger gehaltenen Genussrechte zugetroffen hat, kann offenbleiben. Zum einen deshalb, weil § 52a Abs. 10 Satz 7, letzter Halbsatz EStG 2009 nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut unberührt lässt, dass Genussrechte nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 5 EStG 2002 insgesamt nicht den im Falle der Veräußerung oder Abtretung sog. Finanzinnovationen geltenden Besteuerungsgrundsätzen unterworfen waren; unberührt bleibt damit auch die Grundregel des § 52a Abs. 10 Satz 7 Halbsatz 1 EStG 2009, nach welcher im Falle der Veräußerung der vor dem 1. Januar 2009 erworbenen Genussrechte § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG 2009 nicht anwendbar und infolgedessen ein Kapitalertragsteuerabzug nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 EStG 2009 nicht vorzunehmen ist. Zum anderen wird dieses Verständnis durch die Entstehungsgeschichte des § 52a Abs. 10 Satz 7, letzter Halbsatz EStG 2009 gestützt. Mit der durch das Jahressteuergesetz 2009 (zunächst als zweiter Halbsatz) eingefügten Bestimmung sollte auf die Rechtsprechung des [X.] reagiert werden, der zufolge eine Versteuerung von Veräußerungs- und Einlösungsgewinnen nach der sog. [X.] (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Sätze 2 und 3 EStG 2002) für solche Finanzanlagen ausgeschlossen war, bei denen die [X.] ohne weiteres rechnerisch von einer die Vermögensebene betreffenden [X.] getrennt werden konnte (z.B. [X.]-Urteile vom 13. Dezember 2006 VIII R 6/05, [X.], 206, [X.] 2007, 571; VIII R 62/04, [X.], 199, [X.] 2007, 568). Darüber hinaus war nach der Rechtsprechung die Steuerbarkeit in dem Sinne beschränkt, dass § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG 2002 nur den auf die garantierte [X.] einer Finanzanlage entfallenden Teil des [X.] erfasste (z.B. [X.]-Urteil vom 4. Dezember 2007 VIII R 53/05, [X.]E 219, 339, [X.] 2008, 563). Der Gesetzgeber wollte beide (einzelfallbezogenen) Differenzierungen im Interesse der Handhabbarkeit des [X.] nach Einführung der Abgeltungsteuer nicht fortführen. Er hat hierzu erläutert, dass der mit der Neuregelung verbundenen sog. unechten Rückwirkung kein überwiegend schutzwürdiges Vertrauen der Anleger gegenüberstehe, da sich vor Bekanntwerden der einschränkenden Rechtsprechung des [X.] die Steuerbarkeit bei Veräußerung aller Finanzprodukte aus dem Gesetzeswortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG (2002) ergeben habe (BTDrucks 16/10189, S. 66 f.; [X.]/[X.], [X.], 1724, 1728; [X.]/Treiber, § 52a EStG Rz 20). In Anbetracht dessen ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund die darauf ausgerichtete, in dem beschriebenen Umfang rechtsprechungskorrigierende Übergangsbestimmung des § 52a Abs. 10 Satz 7, letzter Halbsatz EStG 2009 über ihren Wortlaut hinaus Anlass geben könnte, den Kapitalertragsteuerabzug auf vor dem 1. Januar 2009 erworbene Genussrechte und damit auf Kapitalanlagen zu erstrecken, die nach der unmissverständlichen und von der Rechtsprechung auch nicht in Frage gestellten Fassung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 5 EStG 2002 unabhängig davon nicht der [X.] für Finanzinnovationen unterlagen, ob nach den Genussrechtsbedingungen die Rückzahlung des [X.] garantiert oder eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich war (gl.[X.]/[X.], [X.] 2008, 392, 397; [X.]/[X.], [X.] 2010, 360, 367).

Meta

I R 27/12

12.12.2012

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 16. Februar 2012, Az: 4 K 639/11, Urteil

§ 168 AO, § 20 Abs 2 S 1 Nr 7 EStG 2009, § 43 Abs 1 S 1 Nr 10 EStG 2009, § 52a Abs 10 S 7 EStG 2009, § 20 Abs 1 Nr 7 EStG 2002, § 20 Abs 2 S 1 Nr 4 S 5 EStG 2002, § 40 Abs 2 FGO, § 1 Abs 2 SolZG 1995, § 1 Abs 3 SolZG 1995, § 3 Abs 1 Nr 5 SolZG 1995, § 45a EStG 2009, § 44 Abs 1 EStG 2009

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.12.2012, Az. I R 27/12 (REWIS RS 2012, 448)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 448

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIII R 23/20 (Bundesfinanzhof)

(Verfassungsmäßigkeit des Übergangsrechts zur Einführung der Veräußerungsgewinnbesteuerung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. …


VIII R 22/15 (Bundesfinanzhof)

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 7.5.2019, VIII R 31/15 - Besteuerung von Stückzinsen nach …


VIII R 31/15 (Bundesfinanzhof)

Besteuerung von Stückzinsen nach Einführung der Abgeltungsteuer


VIII R 16/16 (Bundesfinanzhof)

Zur Berücksichtigung von Verlusten aus sog. Vollrisikozertifikaten


VIII R 13/15 (Bundesfinanzhof)

Insolvenzbedingter Ausfall einer privaten Darlehensforderung als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.