Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.05.2016, Az. 1 StR 571/15

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 11668

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:BGH:2016:100516B1STR571.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 571/15

vom
10. Mai
2016
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen
zu 1.: gewerbs-
und bandenmäßigen Betrugs u.a.

zu 2.: Beihilfe zum gewerbs-
und bandenmäßigen Betrug u.a.

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat
nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführer
am 10. Mai
2016
gemäß §
154 Abs. 2, §
349 Abs.

2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten [X.]

gegen das Urteil des [X.] vom 15. Dezember 2014 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte [X.]

hin-sichtlich Ziffer III.8. der Urteilsgründe wegen Steuerhinterzie-hung in vier Fällen (Gewerbesteuer 2003 bis 2006) und ver-suchter Steuerhinterziehung (Gewerbesteuer 2007) verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen dieses Angeklag-ten der Staatskasse zur Last;
b) das Urteil, soweit es den Angeklagten [X.]

betrifft,
aa) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Ange-klagte [X.]

wegen Steuerhinterziehung in neun Fäl-len, wegen versuchter Steuerhinterziehung, wegen Bei-hilfe zum gewerbs-
und bandenmäßigen Betrug und we-gen Beihilfe zur gewerbs-
und bandenmäßigen Urkun-denfälschung in Tateinheit mit Beihilfe zur unrichtigen Darstellung, zum Kreditbetrug und zum Kapitalanlagebe-trug verurteilt ist;
bb) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgeho-ben.
-
3
-
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten [X.]

sowie die Revision der Angeklagten [X.]

werden verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten [X.]

, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.
4.
Die Beschwerdeführerin [X.]

hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagte [X.]

wegen gewerbs-
und ban-denmäßigen Betrugs sowie gewerbs-
und bandenmäßiger Urkundenfälschung in Tateinheit mit unrichtiger Darstellung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren mit Bewährung und wegen Kredit-
und Kapitalanlagebetrugs zu einer Gesamtgeldstrafe von 300 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt. Den Ange-klagten [X.]

hat es wegen Steuerhinterziehung in 13 Fällen, wegen versuch-ter Steuerhinterziehung in zwei Fällen, wegen Beihilfe zu einem gewerbs-
und bandenmäßigen Betrug und wegen Beihilfe zu einer gewerbs-
und bandenmä-ßigen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Beihilfe zu einer unrichtigen [X.], mit Beihilfe zu einem Kreditbetrug und mit Beihilfe zu einem Kapitalanla-gebetrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
Die vom Angeklagten [X.]

eingelegte Revision hat mit der Sachrüge den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg (§
349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen sind die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung 1
2
-
4
-
formellen und materiellen Rechts rügen, aus den vom [X.] angeführten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.
1. Aus prozessökonomischen Gründen stellt der Senat das Verfahren auf Antrag des [X.]s gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, soweit der Angeklagte [X.]

wegen Steuerhinterziehung (Gewerbesteuer 2003 bis 2006) in vier Fällen und versuchter Steuerhinterziehung in einem Fall (Gewer-besteuer 2007) verurteilt worden ist. Die in jeder Lage des Verfahrens mögliche Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO ist vorliegend angezeigt, weil
das [X.]
in den genannten Fällen zur Bestimmung der hinterzoge-nen Gewerbesteuer rechtsfehlerhaft sämtliche Einkünfte des Angeklagten
[X.]

herangezogen hat und es dem Revisionsgericht nicht möglich ist, den Urteilsgründen zu entnehmen, wie hoch die hinterzogene Gewerbesteuer tat-sächlich ist. Der Angeklagte [X.]

hatte nicht nur Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit im Rahmen seines stehenden Gewerbes (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz
2 GewStG [X.]. § 15 Abs. 2 EStG), sondern auch solche aus [X.] Tätigkeit (§ 19 EStG) beim T.

-Konzern. Nichtselbständige [X.] unterliegen jedoch nicht der Gewerbesteuerpflicht, da es insoweit am Merkmal der Selbständigkeit [X.]. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG [X.]. § 15 Abs. 2 EStG fehlt. Allein die Tatsache, dass der Angeklagte [X.]

auch seine [X.] aus nichtselbständiger Tätigkeit zum Schein über die Firma W.

und eine auf seine Ehefrau eingetragene Firma abwickelte, führt nicht zu einer Um-qualifizierung dieser Einkünfte in solche aus selbständiger Tätigkeit. Da sich den Urteilsgründen nicht zweifelsfrei entnehmen lässt, welche Einkünfte solche 3
-
5
-
aus nichtselbständiger Tätigkeit darstellen, stellt der Senat das Verfahren inso-weit nach § 154 Abs. 2 StPO ein.
2. Diese Verfahrenseinstellung hat die Änderung des Schuldspruchs so-wie den Wegfall der für die Taten festgesetzten [X.] von [X.] sechs und einmal acht Monaten zur Folge. Sie zieht zudem die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs
für den Angeklagten [X.]

nach sich.
Das Ver-fahren gegen den Angeklagten [X.]

wird daher insoweit zur erneuten [X.] und Entscheidung an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

II.
Die Revisionen im Übrigen bleiben ohne Erfolg.
1. Die von den Revisionen erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
Insbesondere liegt kein durchgreifender Verstoß gegen § 243 Abs. 4 StPO darin, dass der [X.] ein Telefonat vom 13. Oktober 2011 mit dem Verteidiger der Angeklagten [X.]

, in dem sich der Verteidiger unter anderem erkundigte, ob eine Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO in [X.] käme, nicht in der am 10. April 2013 begonnenen Hauptverhandlung mit-teilte. Bei dem Angeklagten [X.]

ist bereits fraglich, ob die Rüge zulässig erhoben wurde, da das Telefonat explizit nur die Angeklagte [X.]

und den anderweitig Verfolgten T.

betraf. Zwar sind auch Gespräche über eine vollständige Verfahrenseinstellung gemäß § 153a StPO mitteilungsbedürftig nach § 243 Abs. 4 StPO ([X.], Beschluss vom 21. April 2016

2 BvR 1422/15, Rn. 20, [X.], 409; a.A. noch KG, Beschluss vom 10. Januar 4
5
6
7
-
6
-
2014

[2]
161 Ss 132/13 [47/13], [X.], 293), jedoch kann vorliegend ausnahmsweise das Beruhen der Verurteilung auf dem [X.] ausgeschlossen werden. Das im Vorfeld der Hauptverhandlung geführte Tele-fonat hatte einen organisatorischen Hintergrund. Die eher vage gehaltene An-frage, ob eine Verfahrenseinstellung in Betracht komme, stellte eine sondieren-de Äußerung der Verteidigung ohne verbindliche Zusage des Gerichts dar, so dass der Informationsgehalt des Gespräches bereits als gering einzustufen ist. Die erst drei Jahre später erfolgten Unterredungen zwischen Gericht, Staats-anwaltschaft und Verteidigung, die schließlich Grundlage der Verfahrensab-sprache wurden und das Telefonat vom 13. Oktober 2011 damit überholt [X.] lassen, sind umfassend mitgeteilt worden.
Vor diesem Hintergrund kann hier
eine informelle Verfahrensabsprache schon im Ansatz
ausgeschlos-sen werden. Die Rechtsstellung und die Verteidigungsmöglichkeit der Ange-klagten werden gleichfalls nicht berührt. Selbst wenn in der Nichtmitteilung der allenfalls vagen Andeutung eine Verletzung des § 243 Abs. 4 StPO zu sehen wäre, beruht
das Urteil daher nicht auf dem [X.].
2. Auch die Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrügen hat im verbleibenden Umfang keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklag-ten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Die missverständliche Verwendung des Be-

8
-
7
-
III.
Die Kosten-
und Auslagenentscheidung bezüglich der Angeklagten [X.]

beruht auf § 473 Abs. 1 StPO. Die Entscheidung über die verbleiben-den Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten [X.]

ist der neuen [X.] vorbehalten.
Raum

Jäger Cirener

Mosbacher Bär
9

Meta

1 StR 571/15

10.05.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.05.2016, Az. 1 StR 571/15 (REWIS RS 2016, 11668)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 11668

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 571/15 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung: Gewerbesteuerpflichtige Einkünfte bei Abwicklung der nicht selbstständigen Einkünfte über eine Scheinfirma; Mitteilungspflicht …


5 StR 155/22 (Bundesgerichtshof)


1 StR 399/20 (Bundesgerichtshof)

Steuerhinterziehung: Berücksichtigung von für Scheinrechnungen entrichteten „Provisionen“ bei Berechnung des Verkürzungsumfangs der hinterzogenen Einkommensteuer; Einziehung …


5 StR 418/23 (Bundesgerichtshof)


3 StR 96/13 (Bundesgerichtshof)

Abgrenzung von Computerbetrug und Untreue: Eröffnung von Bankkonten für nicht existente Personen durch den Mitarbeiter …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 StR 571/15

2 BvR 1422/15

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.