Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.10.2022, Az. 1 StR 346/22

1. Strafsenat | REWIS RS 2022, 7520

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Gegenstand

Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim Betäubungsmittelhandel


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. Juni 2022 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

2

Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil die Feststellungen des [X.]s ein täterschaftliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nicht belegen.

3

a) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne der § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ist jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit, wobei verschiedene Betätigungen, die auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielen, eine tatbestandliche Bewertungseinheit bilden (st. Rspr.; [X.], Beschlüsse vom 8. Juni 2022 – 5 [X.] Rn. 5; vom 17. Juni 2020 – 1 [X.]/20 Rn. 3; vom 18. Dezember 2019 – 1 [X.] Rn. 4 und vom 10. Juli 2017 – [X.], [X.]St 63, 1 Rn. 20 mwN). [X.] ist eine Tätigkeit, wenn [X.] des [X.] vom Streben nach Gewinn geleitet wird oder er sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil davon verspricht, durch den er materiell oder – objektiv messbar – immateriell bessergestellt wird; eine Entlohnung in Geld ist daher für die Annahme von [X.]keit nicht zwingend (st. Rspr.; [X.], Beschlüsse vom 18. Dezember 2019 – 1 [X.] Rn. 9; vom 16. Oktober 2019 – 2 StR 384/19 Rn. 8 f.; vom 10. Oktober 2018 – 4 [X.] Rn. 4 und vom 16. März 2016 – 4 StR 42/16 Rn. 6).

4

Beim Betäubungsmittelhandel gelten für die Abgrenzung von (Mit-)[X.]chaft und Beihilfe die allgemeinen Grundsätze über die Abgrenzung zwischen diesen Beteiligungsformen. Beschränkt sich – wie regelmäßig bei einem Kurier – die Beteiligung am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des [X.], kommt es maßgeblich darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des [X.] zukommt. [X.] sich die Tätigkeit im bloßen Transport von Betäubungsmitteln, ist regelmäßig von einer untergeordneten Bedeutung auszugehen. Eine andere Bewertung kommt nur in Betracht, wenn der Kurier erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des [X.] hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder zu erzielenden Gewinn erhalten soll (st. Rspr.; [X.], Beschlüsse vom 29. Juni 2022 – 3 [X.] Rn. 6 und vom 18. Mai 2021 – 1 [X.], [X.]R BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Handeltreiben 9 Rn. 4 mwN).

5

b) Diesen Anforderungen entsprechende Feststellungen zu einem täterschaftlichen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) durch den Angeklagten hat das [X.] bisher nicht getroffen. Solche ergeben sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe.

6

aa) Das [X.] hat nur festgestellt, dass sich bei einer polizeilichen Kontrolle am 16. Januar 2022 auf der [X.] im Fahrzeug des Angeklagten, dessen Halter er war, in einem professionellen Schmugglerversteck im Bereich des Armaturenbretts hinter der Mittelkonsole insgesamt 6.989,83 Gramm Kokain in sieben Paketen mit unterschiedlichen Wirkstoffgehalten befanden. Konkrete weitere Feststellungen zur Herkunft der Drogen, zu etwaigen Lieferanten oder Abnehmern und zur Stellung des Angeklagten hat es aber nicht getroffen.

7

bb) Im Übrigen wird die Stellung des Angeklagten als Händler auch nicht von der Beweiswürdigung getragen. [X.] begegnet bereits, dass das [X.] aus dem Schweigen des Angeklagten, der sich nicht zur Sache eingelassen hat, den diesem nachteiligen Schluss gezogen hat, er habe nicht geltend gemacht, im Auftrag Dritter tätig geworden zu sein ([X.] f.). Seine Fingerspuren an den Paketen lassen sich ohne Weiteres mit einer Kuriertätigkeit vereinbaren, ebenso der Umstand, dass das Fahrzeug in seinem Eigentum stand.

8

c) Zwar tragen die bisherigen Feststellungen des [X.]s eine Verurteilung des Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 StGB). Doch kann der [X.] nicht ausschließen, dass in einer neuen Verhandlung weitere Feststellungen zum täterschaftlichen Handeltreiben oder sogar zur – vom [X.] bisher nicht angenommenen – Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge getroffenen werden können. Die dem Schuldspruch zu Grunde liegenden Feststellungen des [X.]s hebt der [X.] ebenfalls vorsorglich auf (§ 353 Abs. 2 StPO), um dem neuen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.

Jäger     

  

Bär     

  

Leplow

  

Pernice     

  

Munk     

  

Meta

1 StR 346/22

18.10.2022

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Traunstein, 23. Juni 2022, Az: 7 KLs 140 Js 2187/22

§ 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 25 Abs 2 StGB, § 27 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.10.2022, Az. 1 StR 346/22 (REWIS RS 2022, 7520)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7520

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Zitiert

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2 StR 384/19

4 StR 247/18

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1 StR 72/21

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