Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.02.2013, Az. I ZB 79/11

I. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8383

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I
ZB
79/11
vom
6.
Februar 2013
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 567 Abs. 3, § 890
a)
Eine [X.] kann auch nach Vorlage der Beschwerde an das Beschwerdegericht beim erstinstanzlichen Gericht eingelegt werden.
b)
Ein ausschließlich die konkrete Verletzungshandlung aufgreifendes Verbot ist nicht zwangsläufig auf identische oder nahezu identische Handlungen be-schränkt, sondern kann auch kerngleiche Verletzungsformen erfassen. Die Zuordnung einer Handlung zum Kernbereich des Verbots scheidet allerdings aus, wenn sie nicht Gegenstand der Prüfung im Erkenntnisverfahren gewe-sen ist.
[X.], Beschluss vom 6. Februar 2013 -
I [X.]/11 -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat am 6. Februar 2013
durch [X.] [X.] und die Richter Pokrant, Prof. Dr.
Büscher, [X.] und Dr. Löffler
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin werden der Beschluss des 2.
Zivilsenats des [X.] vom 23.
Sep-tember 2011 und die Kostenentscheidung des Beschlusses vom 26.
August 2011 aufgehoben.
Die [X.] der Gläubigerin gegen den Beschluss der 39.
Kammer für Handelssachen des [X.] vom 3.
Juni 2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Gläubigerin zu 1/4 und der Schuldnerin zu 3/4 zur Last.
Die Kosten der Rechtsbeschwerde trägt die Gläubigerin.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 7.000

Gründe:
[X.] Das [X.] (Urteil vom 26.
März 2009
-
2
U
87/08) hat der Schuldnerin unter Androhung von [X.] verboten, im Zuge einer geschäftlichen Handlung wie folgt zu werben:
1.
a)

b)
Seit 1980 Fachkompetenz in einem führenden internationalen Unterneh-men.
c)
In den ersten zehn Jahren mit einem Gesamtumsatz von 129
Millio-nen
DM.
1
-
3
-
Die Gläubigerin hat beantragt, gegen die Schuldnerin Ordnungsmittel zu verhängen. Ihren Antrag hat sie darauf gestützt, dass die
Schuldnerin durch drei Werbeaussagen gegen das Unterlassungsgebot nach Ziffer
1
b des Urteils verstoßen habe. Einen Verstoß gegen das Verbot nach Ziffer
1
c der Urteils-formel hat die Gläubigerin in der Werbung der Beklagten im [X.] mit folgen-der Angabe gesehen:
129.000.000,00
DM Umsatz wurden von der vormaligen Gewerbegruppe G.

M.

unter gleicher Geschäftsführung wie heute in den Jahren 1981 bis 1991 erzielt.
Das [X.] hat wegen Verstoßes gegen das Unterlassungsgebot nach Ziffer
1
b der Urteilsformel gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld von 21.000

e-gen Ziffer
1
c der Urteilsformel) zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat die Schuldnerin Beschwerde eingelegt. Das [X.] hat der [X.] am 9.
August 2011 nicht abgeholfen und sie dem [X.] [X.], das die Beschwerde am 26.
August 2011 zurückgewiesen hat. Zuvor,
und zwar am 23.
August 2011,
hat die Gläubigerin beim [X.] Anschlussbe-schwerde eingelegt, die am 30.
August 2011 beim [X.] einge-gangen ist. Dieses hat der [X.] stattgegeben und gegen die Schuldnerin mit Beschluss vom 23.
September 2011 ein weiteres Ordnungsgeld von 7.000

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihr Be-gehren weiter, den [X.] wegen eines Verstoßes gegen Zif-fer
1
c des [X.] zurückzuweisen.
I[X.] Die vom Beschwerdegericht
zugelassene Rechtsbeschwerde ist [X.] (§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2, Abs.
3 Satz
2 [X.]) und auch sonst zulässig (§
575 [X.]). In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg.
2
3
4
5
-
4
-
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Die [X.] sei zulässig. Sie habe auch noch nach Vorla-ge der Beschwerde am 9.
August 2011 an das Beschwerdegericht bis zu des-sen Entscheidung beim [X.] eingelegt werden können. Über die [X.] sei durch gesonderten Beschluss zu entscheiden, weil zum Zeitpunkt des Eingangs der [X.] beim [X.] be-reits über die Beschwerde entschieden worden sei. Die [X.] sei begründet. Der [X.] betreffe einen im Verhältnis zu Zif-fer
1
c der Urteilsformel kerngleichen Verstoß.
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Beschwerdegericht ist
zwar
zu Recht von der Zulässigkeit der Anschlussbe-schwerde ausgegangen (dazu
II
2
a). In der Sache ist die Anschlussbesch[X.] allerdings unbegründet (dazu
II
2
b).
a) Die Gläubigerin hat die [X.] trotz Vorlage der Be-schwerde der Schuldnerin an das Beschwerdegericht am 9.
August 2011 wirk-sam am 23.
August 2011 beim [X.] eingelegt.
aa) In Rechtsprechung und Literatur ist die Frage umstritten, ob eine [X.] nach §
567 Abs.
3 Satz
1 [X.] noch wirksam beim Gericht, dessen Entscheidung mit der Beschwerde angefochten worden ist, eingelegt werden kann, wenn es die Beschwerde bereits dem Beschwerdegericht [X.] hat (§
572 Abs.
1 Satz
1 Halbs.
2 [X.]).
Teilweise wird angenommen, nach Abgabe der Beschwerde an das Beschwerdegericht könne eine Anschlussbe-schwerde wirksam nur beim Beschwerdegericht eingelegt werden (vgl. [X.], [X.], 1027; [X.]/Lauterbach/[X.], [X.], 71.
Aufl., 6
7
8
9
10
-
5
-
§
567 Rn.
22; [X.] [X.]/[X.], §
567
Rn.
36; [X.], [X.], 21.
Aufl., §
577a Rn.
6; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 33.
Aufl., §
567 Rn.
21). Nach der Gegenansicht, der sich auch das Beschwerdegericht angeschlossen hat, kann die [X.] noch nach Vorlage der Beschwerde an das Beschwerdegericht beim erstinstanzlichen Gericht eingelegt werden. Das erst-instanzliche Gericht soll in einem derartigen Fall nur gehindert sein, eine [X.] zu treffen (vgl. [X.].[X.]/[X.], 4.
Aufl., §
567 Rn.
44; Prütting/Gehrlein/[X.], [X.], 4.
Aufl., §
567 Rn.
16; [X.]/Schütze/Jänich, [X.], 3.
Aufl., §
567 Rn.
28; so wohl auch [X.]/[X.], [X.], 29.
Aufl., §
567 Rn.
59). Dem ist zuzustimmen.
bb) Anders als
bei der Anschlussberufung und evision (§
524 Abs.
1, §
554 Abs.
1 [X.]) enthalten die [X.] keine Bestimmung, bei
welchem Gericht
die [X.] einzulegen ist. Ohne eine [X.] gesetzliche Regelung ist für die Beurteilung dieser Frage die für die Beschwerde geltende Bestimmung des §
569 Abs.
1 Satz
1 [X.] heranzuzie-hen. Danach kann die [X.] bis zur Entscheidung über die Beschwerde sowohl beim Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, als auch beim Beschwerdegericht eingelegt werden. Für die gegenteilige Ansicht findet sich kein Anhalt im
Gesetz. Er
ergibt sich auch nicht aus der Akzessorie-tät der Anschließung. Zwar verliert die [X.] ihre Wirkung, wenn die Beschwerde zurückgenommen oder als
unzulässig verworfen wird (§
567 Abs.
3 Satz
2 [X.]). Das betrifft aber ausschließlich die Abhängigkeit der [X.] vom Rechtsmittel des Gegners und nicht die Frage, nach welchen Verfahrensvorschriften sich die Einlegung der Anschlussbe-schwerde
richtet. Gründe der Verfahrensökonomie rechtfertigen es ebenfalls nicht, nach der [X.] gemäß §
572 Abs.
1 Satz
1 Halbs.
2 [X.] die Einlegung der [X.] beim Beschwerdegericht zu verlan-gen. Dem steht das Interesse des Rechtsmittelgegners entgegen, klar und [X.]
-
6
-
deutig erkennen zu können, bei welchem Gericht er die [X.] einlegen kann. Das wäre aber regelmäßig nicht gewährleistet, wenn die [X.] nach Abgabe der Sache an das Beschwerdegericht nur noch bei diesem Gericht eingelegt werden könnte, weil die [X.] nicht weiß, wann das erstinstanzliche Gericht über die Abhilfe entscheidet. Sie müsste deshalb die [X.] grundsätzlich beim Beschwerdegericht ein-legen, das das erstinstanzliche Gericht unverzüglich über die eingegangene [X.] unterrichten und die Sache dorthin abgeben müsste, damit das erstinstanzliche Gericht die [X.] bei seiner [X.] berücksichtigen könnte, wenn die Sache dort noch anhängig ist.
Eine Verfahrensvereinfachung wäre damit nicht erreicht.
b) Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Beschwerdegericht wegen Verstoßes gegen Ziffer
1
c des [X.] ein Ordnungsgeld festgesetzt hat.
aa) Das
Beschwerdegericht ist im rechtlichen Ansatz allerdings zutref-fend davon ausgegangen, dass die Verhängung eines Ordnungsgelds wegen eines Verstoßes gegen das gerichtliche Unterlassungsgebot eine identische Handlung oder eine kerngleiche Abwandlung voraussetzt.
Nach der Rechtsprechung des [X.] können bereits bei der Fassung eines Unterlassungsantrags und der darauf beruhenden Urteils-formel im Interesse eines hinreichenden Rechtsschutzes gewisse Verallgemei-nerungen zulässig sein, sofern darin das Charakteristische der [X.] zum Ausdruck kommt. Denn der dem Gläubiger aufgrund einer in der Vergangenheit liegenden Verletzungshandlung und der sich daraus ergeben-den Wiederholungsgefahr zustehende Unterlassungsanspruch ist nicht auf ein der
Verletzungshandlung in jeder Hinsicht entsprechendes
Verhalten be-12
13
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-
7
-
schränkt, sondern erstreckt sich auch auf kerngleiche Verletzungshandlungen. Begehrt der Gläubiger einen Titel, der auch kerngleiche Verletzungshandlungen
erfassen soll, ist er aber nicht gehalten, einen von der konkreten [X.]
losgelösten abstrakten Antrag zu stellen. Vielmehr kann er sich -
und vielfach wird sich dies auch empfehlen
(vgl. [X.], [X.]rechtliche Ansprüche und Verfahren, 10.
Aufl., Kap.
51 Rn.
4
ff.)
-
die konkrete Verlet-zungshandlung in seinen Antrag aufnehmen; mit einem solchen Antrag ist im Allgemeinen kein Verzicht auf die Unterlassung kerngleicher Verletzungshand-lungen
verbunden, in denen das Charakteristische der ursprünglichen Verlet-zungshandlung
zum Ausdruck kommt. Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Auslegung des Klageantrags ergibt, dass in der Wahl der konkreten Verlet-zungshandlung als Unterlassungsbegehren eine bewusste Beschränkung liegt. Ob ein beanstandetes Verhalten danach unter den [X.] fällt, hat das für die Vollstreckung nach §
890 [X.] zuständige Prozessgericht als Vollstre-ckungsorgan durch Auslegung der Urteilsformel und der Gründe der Entschei-dung, gegebenenfalls auch unter Heranziehung der Klagebegründung, zu beur-teilen.
bb) Nach diesen Maßstäben ist die Annahme des [X.], das beanstandete Verhalten verstoße gegen das Verbot nach Ziffer
1
c der Ur-teilsformel, nicht frei von [X.].
Der Schuldnerin ist verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des [X.] mit der Angabe: "In den ersten zehn Jahren mit einem Gesamt-umsatz von 129.000.000,00
DM" zu werben. Die Verurteilung ist auf einen [X.] gegen das [X.] gestützt. Die [X.] im [X.] hat das Prozessgericht als falsch angesehen, weil die Schuldnerin zum Zeitpunkt der Werbung noch keine zehn Jahre exis-tierte.
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-
Gegen das Unterlassungsgebot verstößt die nunmehr beanstandete Werbeaussage der Schuldnerin nicht. Die Schuldnerin hat dort die Umsatzan-gabe auf eine vormalige Gewerbegruppe des Geschäftsführers der Schuldnerin bezogen. Angaben zu dieser Unternehmensgruppe
werden von Ziffer
1
c des Unterlassungstenors nicht erfasst. Sie sind keine kerngleichen Abwandlungen dieses [X.]. Dessen Reichweite ist auf [X.]n der Schuldnerin selbst beschränkt. Das folgt
aus der Begründung des Verbots, die allein auf das Bestehen der Schuldnerin für einen kürzeren als einen zehnjähri-gen Zeitraum abstellt.
An diesem Ergebnis ändert auch die Annahme des [X.] nichts, durch die Angabe, die Gegenstand des [X.]s ist, [X.] der Eindruck
einer Unternehmenskontinuität vermittelt und die Leistung der früheren Unternehmensgruppe für die Schuldnerin
vereinnahmt. Auch bei ei-nem solchen
-
naheliegenden
-
Verständnis der Werbeangabe erkennt der [X.], dass es sich nicht um Umsätze der Schuldnerin, sondern einer anderen Unternehmensgruppe handelt, mag die Schuldnerin deren Erfolg aufgrund einer Kontinuität in der Führungsebene oder einer Rechtsnachfolge auch für sich vereinnahmen. Die Zuordnung einer derartigen Angabe zum Kernbereich des Verbots
scheidet
-
entgegen der Annahme des [X.]
-
schon deshalb aus, weil die Frage, ob die vormalige Unternehmensgruppe im Zeit-raum von 1981 bis 1991 die angegebenen Umsätze erzielt und die Schuldnerin diesen Unternehmenserfolg für sich vereinnahmen kann, nicht Gegenstand der Prüfung im Erkenntnisverfahren
gewesen ist.
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9
-
II[X.] Die Kostenentscheidung
beruht auf §
91 Abs.
1, §
92 Abs.
1 [X.].

Bornkamm
Pokrant
Büscher

Koch
Löffler
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 03.06.2011 -
39 [X.]/07
KfH -

O[X.], Entscheidung vom 23.09.2011 -
2 W 40/11 -

19

Meta

I ZB 79/11

06.02.2013

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.02.2013, Az. I ZB 79/11 (REWIS RS 2013, 8383)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8383

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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I ZB 79/11

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