Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.04.2014, Az. 3 StR 355/13

3. Strafsenat | REWIS RS 2014, 6223

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Gegenstand

Sicherungsverwahrung: Anordnung neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe für bis zum 31. Mai 2013 begangene Straftaten


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 11. Juni 2013 im Ausspruch über die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung aufgehoben; dieser entfällt.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, die besondere Schwere seiner Schuld festgestellt und gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

2

Das Rechtsmittel ist aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] zum Schuld- und zum Strafausspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung kann hingegen keinen Bestand haben.

3

Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung ([X.] I 2012, [X.]) am 1. Juni 2013 sind für [X.], die vor diesem Stichtag begangen wurden, gemäß Art. 316f Abs. 2 Satz 1 [X.] die bis zum 31. Mai 2013 geltenden Vorschriften über die Sicherungsverwahrung anzuwenden, hier - wovon auch das [X.] ausgegangen ist - nach Art. 316e Abs. 1 Satz 1 [X.] mithin § 66 StGB in der Fassung des [X.] und zu begleitenden Gesetzen vom 22. Dezember 2010 ([X.] I 2010, [X.]). Zur Tatzeit war diese Vorschrift indes gemäß der Weitergeltungsanordnung des [X.] im Urteil vom 4. Mai 2011 (2 BvR 2333/08 u.a., [X.] 128, 326) nur nach Maßgabe einer "strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung" anwendbar, die Sicherungsverwahrung mithin nur anzuordnen, wenn der damit verbundene Eingriff gegen den Angeklagten unerlässlich war, um die Ordnung des betroffenen [X.] aufrecht zu erhalten ([X.] aaO, [X.] 128, 326, 406).

4

Nach der Rechtsprechung des [X.] gilt dieser Maßstab aus Gründen des Vertrauensschutzes für Taten fort, die vor dem 31. Mai 2013 begangen wurden, und zwar nicht nur dann, wenn die Neuregelungen zwischen dem tatgerichtlichen Urteil und der Revisionsentscheidung in [X.] getreten sind ([X.], Urteile vom 23. April 2013 - 5 [X.], [X.]R StGB § 66 Verhältnismäßigkeit 2 und 5 [X.], juris Rn. 19; Urteil vom 12. Juni 2013 - 5 [X.], [X.], 524, 525; siehe auch Urteil vom 24. Oktober 2013 - 4 [X.], NJW 2013, 3735), sondern auch dann, wenn bereits das erstinstanzliche Urteil nach Inkrafttreten der Neuregelungen ergangen ist ([X.], Urteil vom 11. März 2014 - 5 StR 563/13, NJW 2014, 1316).

5

Bei Durchführung der vorgenannten strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung erweist sich im Rahmen der nach § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB zu treffenden Ermessensentscheidung die Anordnung von Sicherungsverwahrung neben der Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe nicht als unerlässlich, weil die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Strafe (vgl. § 57a StGB) und der Maßregel (vgl. § 67c StGB) in der Praxis gleich zu handhaben sind und deshalb ein Fall, in dem die Freiheitsstrafe unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, aber gleichwohl die Maßregel wegen fortdauernder Gefährlichkeit des Betroffenen noch vollstreckt werden dürfte, kaum denkbar erscheint ([X.], Urteil vom 10. Januar 2013 - 3 StR 330/12, juris Rn. 6). Dies entspricht der Rechtsprechung des [X.] zur Ermessensentscheidung nach § 66 Abs. 2 StGB ([X.] aaO sowie Urteil vom 25. Juli 2012 - 2 [X.], [X.]R StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 8); für die Entscheidung nach § 66 Abs. 3 StGB gilt nichts anderes ([X.], Urteil vom 12. Juni 2013 - 5 [X.], [X.], 524, 525). Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hat deshalb zu entfallen.

6

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO. Angesichts der aufgezeigten gleichen Handhabung der Voraussetzungen für die Aussetzung von Restfreiheitsstrafe und Maßregel führt der Wegfall der Sicherungsverwahrung nicht zu einer spürbaren Besserstellung des Angeklagten, so dass es nicht unbillig erscheint, ihn mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels, mit dem er sich umfänglich auch gegen den Schuld- und Strafausspruch gewandt hat, zu belasten.

[X.]

               Gericke                      Spaniol

Meta

3 StR 355/13

17.04.2014

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hannover, 11. Juni 2013, Az: 39 Ks 6/13

§ 66 Abs 3 S 1 StGB vom 22.12.2010, Art 316f Abs 2 S 1 StGBEG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.04.2014, Az. 3 StR 355/13 (REWIS RS 2014, 6223)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6223

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