Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.10.2014, Az. 2 StR 92/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 1926

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
2 StR 92/14
vom
22. Oktober 2014
in der Strafsache
gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.

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2
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Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 22.
Oktober 2014, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Prof. Dr. Fischer,

[X.] am [X.]
Prof. [X.],
[X.],
[X.]in am [X.]
Dr. [X.],
[X.] am [X.]
Zeng,

Oberstaatsanwalt beim [X.]

als Vertreter der [X.],

der Angeklagte in Person,

Rechtsanwalt

als Verteidiger
des Angeklagten,

Rechtsanwalt

als Vertreter der Nebenklägerin,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
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-
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 11. September 2013 mit den zugehörigen [X.] aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.
Auf die Revision der Nebenklägerin wird das genannte Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte im Fall [X.] der Anklage freigesprochen wurde.
Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer
des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Mit Urteil vom 24. Januar 2012 hatte das [X.] den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Der Senat hob das Urteil auf die Revision des Angeklagten mit Beschluss vom 12. September 2012 (2 [X.]) wegen der Verletzung formellen Rechts auf.
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Das [X.] hat den Angeklagten nunmehr wegen schweren sexuel-len Missbrauchs von Kindern sowie sexuellen Missbrauchs von Kindern zu [X.] verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Die gegen die Verurteilung gerichtete und auf die Verletzung formellen und ma-teriellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge [X.]; ebenso die gegen den Freispruch im Fall Ziffer 4 der Anklage gerichtete Revision der Nebenklägerin.
I.
1.
Nach den Feststellungen verbrachte die zur Tatzeit 10jährige [X.] die Herbstferien 2001 mit dem Angeklagten in dessen Wohnung, nach-dem ihre Mutter, die sie zunächst begleitet hatte, eines Morgens unerwartet abreisen musste. Den [X.] verbrachte die Geschädigte sodann mit dem Angeklagten und dessen 11jährigem [X.], der gegen Abend ebenfalls die Wohnung verließ. Der Angeklagte sah sich mit der Geschädigten zunächst ei-nen
Videofilm an, bevor er ihr einen Zungenkuss gab, sie anschließend auszog und mit ihr den Vaginalverkehr vollzog (Fall II. 1.
der Urteilsgründe -
Ziff. 1 der Anklage). Einige Wochen später übernachtete die Geschädigte zusammen mit ihrer Mutter erneut in der Wohnung des Angeklagten. Am frühen Morgen betrat der Angeklagte [X.], in dem die Geschädigte alleine schlief. Er strei-chelte sie an der unbedeckten Brust. Als er Geräusche der Mutter aus dem Ne-benzimmer hörte, hielt er inne und verließ [X.] (Fall II. 2. der Urteils-gründe -
Ziff. 3 der Anklage).
2. Der Angeklagte hat die Taten bestritten. Das [X.] hat seine Überzeugung im Wesentlichen auf die Aussage der Geschädigten gestützt und 2
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sich dabei unter anderem
auf die [X.] ihrer Angaben im Hinblick auf den der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt gestützt.
Von dem Tatvorwurf, während des [X.] im Oktober 2001 mit der Geschädigten einen weiteren Vaginalverkehr vollzogen (Ziff. 2 der [X.]) sowie dem weiteren Vorwurf, an einem Nachmittag Anfang 2002 [X.] zu haben, die Geschädigte in seinem Ladengeschäft zu küssen (Ziff.
4 der Anklage), hat das [X.] den Angeklagten freigesprochen. Die Ge-schädigte konnte sich -
anders als bei früheren Vernehmungen
-
nur noch an einen mit dem Angeklagten vollzogenen Geschlechtsverkehr erinnern. Darüber hinaus schilderte sie einen Besuch im Ladengeschäft des Angeklagten, bei dem er sie geküsst, an der Brust gestreichelt und ihr den Finger in die Scheide ein-geführt habe, wobei sie einräumte, dass dieser erstmals von ihr geschilderte Vorfall auch zu einem anderem Zeitpunkt passiert sein könne.
II.
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die erhobenen Verfahrensrügen, denen aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] in der Sache kein Erfolg beschieden wäre, nicht ankommt.
Die den Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung hält rechtli-cher Überprüfung nicht stand.
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, dem es
obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Der
revisionsge-richtlichen
Überprüfung unterliegt nur, ob ihm dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdi-gung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder 5
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gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 30. März 2004 -
1 StR 354/03,
NStZ-RR 2004, 238
f.; Urteil vom 2. Dezember 2005
-
5
StR 119/05,
NJW 2006, 925, 928).
2. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Die Beweiswürdigung ist lückenhaft, weil es jedenfalls an einer geschlossenen [X.] der früheren Aussagen der Nebenklägerin fehlt, so dass die vom [X.] erfolgte [X.]analyse revisionsgerichtlich nicht überprüft werden kann.
Zwar ist der Tatrichter grundsätzlich nicht gehalten, im Urteil Zeugenaus-sagen in allen Einzelheiten wiederzugeben. In Fällen, in denen -
wie hier
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die Verurteilung im Wesentlichen auf der Aussage einer Belastungszeugin beruht und diese sich entgegen früheren Vernehmungen teilweise abweichend erin-nert, müssen aber jedenfalls die entscheidenden Teile ihrer bisherigen [X.] in das Urteil aufgenommen werden, da dem Revisionsgericht ohne Kennt-nis des wesentlichen [X.] ansonsten die sachlich-rechtliche Über-prüfung der Beweiswürdigung nach den oben aufgezeigten Maßstäben ver-wehrt ist (vgl. [X.], Urteil vom 10.
August 2011 -
1 [X.], [X.], 110, 111).
Zwar hat das [X.] die von der Nebenklägerin in der [X.] erfolgte Aussage ausführlich geschildert. Es fehlt jedoch an einer zu-sammenhängenden Darstellung ihrer davon abweichenden früheren Angaben bei der Polizei. In den Urteilsgründen wird insoweit lediglich mitgeteilt, dass der Nebenklägerin Teile ihrer früheren Aussage vorgehalten wurden und dass sich die beiden Vernehmungsbeamtinnen auch auf Vorhalt nicht an
Einzelheiten erinnern konnten. [X.] nicht dargestellt wird, was die Geschädigte im Rahmen 9
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der vorangegangenen Hauptverhandlung, aufgrund derer der Angeklagte voll-umfänglich verurteilt worden war, ausgesagt hat.
Auf dieser Grundlage kann der Senat schon nicht hinreichend überprü-fen, ob das [X.] eine fachgerechte Analyse der Aussage der Nebenklä-gerin zum Kerngeschehen vorgenommen und die dabei aufgezeigten [X.] Erinnerungen zutreffend gewichtet hat (zur Gewichtung von [X.] und Widerspruchsfreiheit vgl. [X.], Urteil vom 23.
Januar 1997
-
4 StR 526/96, [X.], 172).
III.
Die Revision der Nebenklägerin, die sich allein gegen den Freispruch des Angeklagten im Fall Ziff. 4 der Anklage richtet, hat ebenfalls Erfolg.
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Die Beweiswürdigung des [X.] wird den Anforderungen an ein freisprechendes Urteil nicht gerecht, denn auch insoweit fehlt es an einer ge-schlossenen Darstellung der früheren Aussagen der Nebenklägerin.
[X.] Ri[X.] [X.]

ist aus tatsächlichen Gründen

an
der Unterschriftsleistung

gehindert.

Fischer

[X.] Zeng
14

Meta

2 StR 92/14

22.10.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.10.2014, Az. 2 StR 92/14 (REWIS RS 2014, 1926)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1926

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2 StR 92/14

2 StR 219/12

1 StR 114/11

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