Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.07.2010, Az. IX ZB 269/09

9. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 4777

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Gegenstand

Restschuldbefreiungsverfahren: Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Rücknahme eines Versagungsantrages; Antrag auf Feststellung der Wirkungslosigkeit eines die Restschuldbefreiung versagenden Beschlusses


Leitsatz

1. Der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung kann bis zum Eintritt der Rechtskraft der über ihn ergangenen Entscheidung zurückgenommen werden .

2. Die Rücknahme des Versagungsantrags ist gegenüber demjenigen Gericht zu erklären, bei dem das durch ihn eingeleitete Verfahren anhängig ist .

3. Mit Rücknahme des Versagungsantrags werden die über ihn ergangenen Entscheidungen wirkungslos .

4. Die Feststellung, dass ein die Restschuldbefreiung versagender Beschluss durch die Rücknahme des Versagungsantrags wirkungslos geworden ist, ist bei demjenigen Gericht zu beantragen, dem gegenüber die Antragsrücknahme zu erklären war .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des [X.] vom 23. November 2009 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Über das Vermögen des Schuldners wurde am 18. März 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Schlusstermin am 2. April 2009 beantragte die weitere Beteiligte zu 2 (fortan: Gläubigerin) unter Bezugnahme auf Berichte des weiteren Beteiligten zu 1 (fortan: Verwalter) die Versagung der Restschuldbefreiung, weil der Schuldner Vermögensgegenstände (Bargeld in Höhe von 27.100 € sowie eine Sammlung von Rundfunk- und Fernsehgeräten) verschwiegen habe. Mit [X.]uss vom 15. September 2009 hat das Insolvenzgericht antragsgemäß entschieden. Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist mit [X.]uss des [X.] vom 23. November 2009 zurückgewiesen worden. Der [X.]uss ist dem Schuldner am 26. November 2009 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2009, das an das Amts- und an das [X.] gerichtet war und am 5. Dezember 2009 in der gemeinsamen [X.] beider Gerichte eingegangen ist, hat die Gläubigerin den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung zurückgenommen. Am 8. Dezember 2009 hat der Schuldner Rechtsbeschwerde mit dem Ziel der Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen eingelegt. Hilfsweise hat er beantragt festzustellen, dass der amtsgerichtliche [X.]uss über die Versagung der Restschuldbefreiung wirkungslos geworden ist und das Restschuldbefreiungsversagungsverfahren erledigt ist. Am 28. Dezember 2009 hat er beim [X.] beantragt festzustellen, dass diese Entscheidungen gegenstandslos geworden seien und das Verfahren sich erledigt habe. Dieser Antrag ist noch nicht beschieden worden.

II.

2

1. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Nachdem die Gläubigerin ihren Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung zurückgenommen hatte, gab es keine Entscheidung mehr, die im Rechtsmittelwege angefochten werden konnte.

3

a) Das auf eine Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 [X.] gerichtete Verfahren findet, wie sich aus § 290 Abs. 1 [X.] ergibt, nur auf Antrag eines Insolvenzgläubigers statt. Ohne einen solchen Antrag darf das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung auch dann nicht von Amts wegen versagen, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen eines [X.] offensichtlich vorliegen (vgl. [X.], [X.]. v. 20. März 2003 - [X.], [X.], 389, 391). Der Antrag stellt damit eine Verfahrensvoraussetzung dar.

4

b) Der Antrag muss bis zum rechtskräftigen Abschluss des durch ihn eingeleiteten Verfahrens aufrecht erhalten bleiben (vgl. etwa [X.] Z[X.] 2007, 557, 558; [X.]/[X.], [X.] 13. Aufl. § 290 Rn. 4; Graf-Schlicker/[X.], [X.] 2. Aufl. § 290 Rn. 6; HmbKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl. § 290 Rn. 5a; [X.], in [X.]/[X.], [X.] § 290 Rn. 5; vgl. auch [X.] ZVI 2008, 86 zur Rücknahme eines [X.] nach § 298 [X.]). Aus der Kommentierung von [X.] (MünchKomm-[X.], 2. Aufl. § 290 Rn. 15, in der es heißt, der Antrag könne "bis zu dem [X.]uss über die Ankündigung oder Versagung der Restschuldbefreiung" zurückgenommen werden, ergibt sich nicht ohne Weiteres das Gegenteil. Sollte hier gemeint sein, dass bereits der Erlass, nicht erst die Rechtskraft des betreffenden [X.]usses eine Rücknahme ausschließe, fehlt dafür jede Begründung. Eine § 13 Abs. 2 [X.] entsprechende Regelung, welche die Rücknahme eines [X.] nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbietet, enthalten die §§ 286 ff [X.] nicht. Auch systematische Gründe stehen einer Antragsrücknahme bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den [X.] nicht entgegen. § 13 Abs. 2 [X.] enthält, soweit er eine Rücknahme des [X.] bereits mit Erlass des [X.] ausschließt, eine Ausnahmebestimmung, welche die amtliche Begründung des [X.] aus Gründen der Rechtssicherheit wegen der Wirkungen der Eröffnung auch gegenüber Dritten für erforderlich hielt (vgl. BT-Drucks. 12/2443, [X.]). Das Versagungsverfahren ist insoweit nicht vergleichbar. Der [X.]uss über die Ankündigung oder die Versagung der Restschuldbefreiung wird erst veröffentlicht, wenn er rechtskräftig geworden ist (§ 289 Abs. 2 Satz 3 [X.]).

5

c) Die Rücknahme des [X.] war auch im Übrigen wirksam. Sie ist insbesondere gegenüber dem [X.] als demjenigen Gericht erklärt worden, bei dem das Verfahren bis zur Einlegung der Rechtsbeschwerde - die erst nach Zugang der Rücknahme bei Gericht erfolgt ist - anhängig war. [X.] Vertretung bedurfte es nicht.

6

d) Mit der Rücknahme des [X.] sind die Entscheidungen der Vorinstanzen wirkungslos geworden, ohne dass es einer ausdrücklichen Aufhebung bedarf (vgl. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Ein Rechtsmittel, das mit dem Ziel der Aufhebung der wirkungslosen Entscheidungen eingelegt wird, ist unzulässig (vgl. [X.], ZPO 22. Aufl. § 269 Rn. 45; [X.]/[X.], 3. Aufl. § 269 Rn. 37; [X.]/[X.], ZPO 3. Aufl. § 269 Rn. 22; jeweils zur Klagerücknahme nach § 269 ZPO). Jedenfalls dann, wenn - wie hier - zwischen den Beteiligten (der Gläubigerin und dem Schuldner) kein Streit über die Wirksamkeit der Antragsrücknahme besteht, ist ein rechtlich schützenswertes Interesse an einer Entscheidung des Rechtsmittelgerichts nicht ersichtlich.

7

2. Der Hilfsantrag auf Feststellung, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen infolge der Rücknahme gegenstandslos geworden sind, ist im hier gegebenen Fall der Einlegung der Rechtsbeschwerde erst nach Rücknahme des [X.] gleichfalls unzulässig. Der Antrag entsprechend § 269 Abs. 4 ZPO ist bei demjenigen Gericht zu stellen, dem gegenüber die Rücknahme zu erklären war (vgl. [X.], aaO Rn. 60).

Ganter                                  Raebel                            Vill

                  Lohmann                                  Pape

Meta

IX ZB 269/09

15.07.2010

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Wuppertal, 23. November 2009, Az: 6 T 705/09, Beschluss

§ 290 InsO, § 269 Abs 3 ZPO, § 269 Abs 4 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.07.2010, Az. IX ZB 269/09 (REWIS RS 2010, 4777)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4777

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