Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.10.2015, Az. IV ZR 171/14

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 3957

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR
171/14

Verkündet am:

14. Oktober 2015

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat
des Bundesgerichtshofs hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin [X.] im schriftli-chen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 25.
September 2015

für Recht erkannt:

Auf die Revision der
Klägerseite wird das Urteil des
20.
Zivilsenats des [X.] vom 11. Ap-ril
2014
aufgehoben und die Sache zur neuen Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an
das Berufungsgericht zurückverwie-sen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 8.963,68

festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d.
[X.]) be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rück-zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Le-bensversicherung.
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Diese wurde aufgrund eines Antrags d.
[X.] mit [X.] zum 1.
Oktober 1996
nach dem so genannten Policenmodell des §
5a [X.] in der seinerzeit
gültigen Fassung (im Folgenden §
5a [X.] a.F.) abgeschlossen.

D. [X.] zahlte von Oktober 1996 bis Mai 2009
Prämien in Höhe von insgesamt 7.771,76

22.
Mai 2009
ließ d.
[X.] u.a. den Widerspruch nach §
5a [X.] a.F. und hilfsweise die Kündigung des Vertrages erklären. Der Versicherer akzeptierte die Kündigung und [X.] den Rückkaufswert aus.

Mit der Klage verlangt d.
[X.]
Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten [X.], insgesamt 8.963,68

Nach Auffassung d.
[X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil d. [X.] nicht ordnungsgemäß über das
Wider-spruchsrecht belehrt wurde
und das Policenmodell mit den Lebensversi-cherungsrichtlinien der [X.] nicht vereinbar
sei.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision ver-folgt d. [X.] das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.
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I. Dieses
hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus unge-rechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe zwar nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt. Der Vertrag sei aber gemäß §
5a Abs.
2 Satz 4
[X.] a.F. ein Jahr nach Zahlung der [X.] Prämie endgültig wirksam geworden.

[X.] Die Revision ist begründet.

1. Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung aus §
812 Abs.
1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann d. [X.] nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung versagt werden.

a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft nach dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sachverhalt keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Wider-spruchs d. [X.] nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch war -
ungeachtet des Ablaufs der in §
5a Abs.
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Satz 4 [X.] a.F. normierten Jahresfrist
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rechtzeitig.

aa) Zwar ist die Widerrufsbelehrung in der maßgeblichen Verbrau-cherinformation nach §
10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes ([X.]) entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und der Revision in formaler Hinsicht nicht zu beanstanden. Sie ist drucktechnisch fett hervorgehoben und befindet sich in der Verbraucherinformation an auffälliger Stelle di-rekt unter der Überschrift zu Beginn des Textes. Auch wenn sie innerhalb der Verbraucherinformation nicht der einzig fett gedruckte Bestandteil ist, 8
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wird sie ein verständiger Versicherungsnehmer aufgrund ihrer hervorge-hobenen Lage und Gestaltung nicht überlesen.

[X.]) Das Berufungsgericht hat bisher jedoch nicht festgestellt, ob d.
[X.] die Verbraucherinformation überhaupt
erhalten hat, sondern es hat dahinstehen lassen, ob d.
[X.] mit der Übersendung des [X.] sämtliche notwendigen Vertragsunterlagen übersandt worden sind. Für das Revisionsverfahren ist deshalb zu unterstellen, dass dies nicht geschehen ist.

Für einen solchen Fall bestimmte §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des [X.] der [X.] vom 19.
Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7.
Mai 2014 (IV
ZR 76/11, [X.], 101 Rn.
17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon er-fasste Lebens-
und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. [X.] -
wie hier
für das Revisionsverfahren zu unterstellen
-
nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingun-gen nicht erhalten hat.
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cc) Die hilfsweise Kündigung des
Versicherungsvertrages
steht dem
Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
37 m.w.N.).

b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechts-widrigkeit des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei-ne Rückwirkung entspricht dem [X.] (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
42-44).

2. Der Höhe nach umfasst der [X.] nach §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. [X.] bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-lung den jedenfalls bis zur Kündigung des
Vertrages
genossenen Versi-cherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung [X.] (Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
45 m.w.N.; vgl. auch Senatsurteile vom 29.
Juli 2015 -
IV ZR 384/14, [X.], 1101 Rn.
35
ff. und IV
ZR 448/14, [X.], 1104 Rn. 33
ff.).

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Da es auch hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück-zuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
46).

[X.] [X.]

Dr.
Karczewski

[X.] [X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.02.2012 -
9 [X.]/11 -

OLG [X.], Entscheidung vom 11.04.2014 -
20 U 57/12 -

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Meta

IV ZR 171/14

14.10.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.10.2015, Az. IV ZR 171/14 (REWIS RS 2015, 3957)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3957

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IV ZR 384/14

20 U 57/12

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