Bundessozialgericht, Beschluss vom 19.12.2012, Az. B 11 AL 92/12 B

11. Senat | REWIS RS 2012, 180

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage - keine ausreichende Begründung der Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit - Teilhabe am Arbeitsleben - behinderter Mensch - keine Aufnahme in eine WfbM - Verletzung des UNBehRÜbk


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 23. Mai 2012 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Mit Urteil vom 23.5.2012 hat das [X.] ([X.]) einen Anspruch des [X.] auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen ([X.]) in [X.] verneint. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde eingelegt. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.] ) geltend.

2

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Der vorgebrachte [X.] - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - ist nicht in der nach § 160a Abs 2 [X.] SGG gebotenen Weise dargelegt.

3

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese Fragen noch nicht geklärt sind, weshalb deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfragen erwarten lässt. Insbesondere ist der Schritt darzustellen, der die Entscheidung der aufgezeigten Rechtsfrage erforderlich macht ([X.] § 160a [X.]; stRspr). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine konkrete Rechtsfrage aufwerfen, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) [X.] (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl nur [X.]-1500 § 160a [X.] mwN). Diesen Anforderungen genügt die Begründung vom 12.10.2012 nicht.

4

Der Kläger wirft folgende Rechtsfragen auf:
"Hat auch ein Mensch mit einer so schweren Behinderung wie der Kläger Anspruch auf Teilhabe am Arbeitsleben dergestalt, dass ihm die Beklagte den für seinen konkreten Fall erforderlichen höheren Personalschlüssel (1 Fachkraft für 2 Betreute) zur Verfügung stellen muss, wenn es ihm nicht möglich ist, unter der üblicherweise und auch im konkreten Fall gegebenen Personalausstattung einer Werkstatt von 1 Fachkraft für 6 Betreute eine wirtschaftlich verwertbare Leistung zu erbringen und die zuständige Werkstatt ihn bei Erstattung der zusätzlichen Personalkosten aufnehmen würde?
Stellt die Verweigerung des erforderlichen Personalschlüssels eine rechtswidrige Diskriminierung im Sinne des Art. 5 der [X.] durch das Unterlassen angemessener Vorkehrungen dar?"

5

Dahinstehen kann, inwieweit der Kläger wegen des [X.] auf den "konkreten Fall" abstrakt klärungsfähige Rechtsfragen aufwirft. Jedenfalls hat er sich nicht damit auseinandergesetzt, inwieweit sich die Beantwortung seiner Fragen bereits aus dem Gesetz (§§ 136, 137 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch <[X.]> iVm §§ 3 bis 5, § 9 Werkstättenverordnung <[X.]>) ergibt, und er hat somit die Klärungsbedürftigkeit dieser beiden Rechtsfragen nicht hinreichend dargelegt. Sein Vorbringen, die vom [X.] in Bezug genommenen Urteile des [X.] (7 [X.] - [X.]-4100 § 58 [X.]) und vom 29.6.1995 (11 [X.]/94 - [X.], 178 = [X.]-4100 § 58 [X.]) stünden im Widerspruch zu der [X.] ([X.]) und seien zeitlich und inhaltlich überholt, lässt eine substanziierte Darlegung und eine nähere inhaltliche Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des [X.]. Insbesondere der Widerspruch zur [X.] wird lediglich behauptet. Eine substanziierte Darlegung, weshalb in der Ablehnung einer Kostenübernahme für eine (erforderliche) 1:2-Betreuung eine "Diskriminierung" des behinderten Menschen iS der [X.] zu sehen sein soll, erfolgt nicht. Insoweit fehlt es schon an einer Auseinandersetzung mit der in Art 2 [X.] enthaltenen Begriffsbestimmung der "Diskriminierung aufgrund von Behinderung".

6

Ähnliches gilt für die weiteren, vom Kläger herangezogenen Bestimmungen der [X.] (zB Art 5 und Art 27 Abs 2 Buchst i [X.] - Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung bzw Sicherstellung angemessener Vorkehrungen am Arbeitsplatz für Menschen mit Behinderungen). Inwieweit Bestimmungen der [X.] geeignet sind, unmittelbare innerstaatliche Rechtsansprüche zu begründen, legt der Kläger ebenso wenig dar wie die Ableitung der Begründung eines subjektiv-öffentlichen Rechts des Einzelnen aus den Regelungen der [X.], eine 1:2-Betreuung in einer "zuständigen" [X.] zu verlangen, etwa im Wege einer entsprechenden Gesetzesumsetzung bzw Gesetzesauslegung (vgl insoweit auch [X.] vom [X.] KR 10/10 R - [X.] 4-2500 § 33 [X.], Rd[X.] 19, und vom 6.3.2012 - B 1 KR 10/11 R - [X.] 4-1100 Art 3 [X.]9, Rd[X.] 16 ff, 29, zur Veröffentlichung auch in [X.] vorgesehen). Schließlich setzt sich die Beschwerdebegründung - abgesehen davon, dass es sich bei der fraglichen Leistung um eine Ermessensleistung (vgl § 97 Abs 1 [X.] <[X.]II>) handelt - nicht mit dem Wortlaut des § 136 Abs 2 [X.] und dem benannten Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten nach § 9 [X.] auseinander. Dies hätte aber insbesondere im Hinblick darauf, dass § 9 Abs 1 [X.] iVm § 33 Sozialgesetzbuch [X.] ([X.]) auf "angemessene" Wünsche abstellt, nahe gelegen. Selbst wenn in § 9 Abs 1 [X.] nicht lediglich ein Programmsatz zu sehen sein sollte, hätte sich der Kläger jedenfalls auch mit den - in der vom [X.] zitierten Rechtsprechung des [X.] angesprochenen - Mindestvoraussetzungen für eine Tätigkeit in einer Werkstatt und den Grenzen einer Betreuung (vgl dazu auch § 9 Abs 3 [X.]; Vater in [X.], Handkommentar zum [X.], 3. Aufl 2010, § 136 Rd[X.] 29) auseinandersetzen müssen.

7

Darüber hinaus hat der Kläger auch den Anforderungen an die Darlegung der [X.] nicht Rechnung getragen. [X.] im Sinne von Entscheidungserheblichkeit bedeutet, dass es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits auf die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ankommt und die Entscheidung bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers in seinem Sinne hätte ausfallen müssen (vgl [X.] [X.] 4-1500 § 160a [X.] mwN; stRspr). Daran mangelt es zB, wenn die Entscheidung der Berufungsinstanz auf verschiedene Begründungen gestützt wird, die nicht alle von der aufgeworfenen Rechtsfrage betroffen sind (vgl [X.] aaO Rd[X.] 3; [X.]-1500 § 160a [X.]). Dies ist hier der Fall.

8

Das [X.] hat die fragliche [X.] des [X.] nicht allein von dem der [X.] zur Verfügung stehenden Personalschlüssel abhängig gemacht. Vielmehr hat das [X.] die Verneinung der [X.] des [X.] auch auf die Entscheidung des [X.] (7 [X.] - [X.]-4100 § 58 [X.]) gestützt, wonach die Eignung eines behinderten Menschen zur Teilnahme an Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich einer [X.] voraussetzt, dass er werkstattfähig, dh gemeinschaftsfähig und nicht außerordentlich pflegebedürftig ist. Außerordentliche Pflegebedürftigkeit ist danach gegeben, wenn der behinderte Mensch so weitgehend von Pflege abhängig ist, dass - auch nach Teilnahme am Eingangsverfahren und Arbeitstraining - die Voraussetzungen für eine Aufnahme in den Arbeitsbereich nicht gegeben sind. Hiervon ausgehend hat das [X.] bei dem Kläger die [X.] bei der gebotenen prognostischen Betrachtungsweise verneint. Zu dieser weiteren Begründung des [X.] enthält die Beschwerdebegründung keine Ausführungen.

9

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 [X.] SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Meta

B 11 AL 92/12 B

19.12.2012

Bundessozialgericht 11. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Nürnberg, 25. November 2010, Az: S 17 AL 507/09, Urteil

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 97 Abs 1 SGB 3, § 9 Abs 1 SGB 9, § 33 SGB 9, § 136 SGB 9, § 137 SGB 9, SchwbWV, Art 5 UNBehRÜbk, Art 27 Abs 2 UNBehRÜbk

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 19.12.2012, Az. B 11 AL 92/12 B (REWIS RS 2012, 180)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 180

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