Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.09.2011, Az. 8 AZR 781/10 (F)

8. Senat | REWIS RS 2011, 3317

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Gegenstand

(Urteilsergänzungsantrag gemäß § 321 ZPO)


Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Ergänzung des Urteils des [X.] vom 22. Juli 2010 - 8 [X.] - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien haben in der Revisionsinstanz darüber gestritten, ob der Klägerin für die Vergangenheit und die Zukunft ein Schadensersatzanspruch wegen geschlechtsspezifischer Benachteiligung bei einer Beförderungsentscheidung und zu dessen künftiger Bezifferung Auskunftsansprüche gegen den Beklagten zustehen. Nachdem das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hatte, hat das [X.] auf die Berufung der Klägerin folgendes Schlussurteil verkündet:

        

„[X.]     

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 30.01.2008 - 35 [X.]/07 - teilweise abgeändert:

                 

1.    

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin [X.] [X.] brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 2.911,56 [X.] ab dem 14.05.2007, auf 727,89 [X.] ab dem 01.06.2007, auf 1.419,39 [X.] seit dem 01.07.2007, auf jeweils 459,76 [X.] seit dem 01.08.2007, 01.09.2007, 01.10.2007, 01.11.2007, auf 896,53 [X.] seit dem [X.], auf 459,76 [X.] seit dem 01.01.2008, auf jeweils 1.467,86 [X.] seit dem 01.02.2008, 01.03.2008, 01.04.2008, 01.05.2008, 01.06.2008, auf 2.862,33 [X.] seit dem 01.07.2008 und auf 1.467,86 [X.] seit dem 01.08.2008 zu zahlen.

                 

2.    

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin in Zukunft über das bezogene Gehalt hinaus monatlich weitere 1.467,86 [X.] brutto zu zahlen.

                 

3.    

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 20.000,00 [X.] zu zahlen.

                 

4.    

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin über die Höhe des [X.] gezahlten variablen Entgelts für das laufende Jahr, jeweils bis zum Ablauf des [X.] Quartals im Folgejahr, beginnend mit dem [X.], Auskunft zu erteilen.

                 

5.    

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

        

I[X.]     

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

        

II[X.]   

Die Kosten des Rechtsstreits der ersten Instanz haben die Klägerin zu 86 % und der Beklagte zu 14 % zu tragen. Von den Kosten der zweiten Instanz tragen die Klägerin 62 % und der Beklagte 38 %.

        

IV.     

Für den Beklagten wird die Revision zugelassen, bezüglich der Entschädigungszahlung in [X.] 3 aber nur, soweit der Betrag 16.000,00 [X.] übersteigt. Für die Klägerin wird die Revision insoweit zugelassen, wie in [X.] 3 trotz der nicht erfolgten Beförderung keine höhere Entschädigung als 4.000,00 [X.] zugesprochen wurde. Im Übrigen wird für die Klägerin die Revision nicht zugelassen.“

2

Auf die [X.] beider Parteien hat der [X.] sowohl für die Klägerin als auch für den Beklagten die Revision im vollen Umfange zugelassen.

3

Die Klägerin hat mit ihrer Revision ihr Klagebegehren weiter verfolgt, während der Beklagte die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückweisung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts beantragt hat.

4

Die Klägerin hat mit [X.] vom 2. November 2009 „für den Fall, dass die Revision des Beklagten insoweit ganz oder teilweise insoweit zu einer Aufhebung des Berufungsurteils des [X.]: 15 [X.]/08 - vom 26. November 2008 führt, als dieses der Berufung stattgegeben und den Beklagten unter Ziffer [X.] 3. zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 16.000,00 € verurteilt hat“, hilfsweise [X.] eingelegt und folgenden Antrag angekündigt:

        

„1.     

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.]s Berlin vom 26. November 2008 - 15 [X.]/08 - insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Klägerin auf Zahlung einer Entschädigung wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts, ihrer Gesundheit und des Maßregelungsverbotes wegen der insbesondere nach dem 09. Dezember 2006 einsetzenden, sie benachteiligenden Handlungen des Beklagten (‚Mobbing’-Handlungen) insbesondere als Reaktion auf die Rechtewahrnehmung durch die Klägerin nach dem [X.] in der Folge ihrer Nichtbeförderung auf die Stelle einer Leiterin der bundesweit tätigen Personalabteilung des Beklagten wegen des 16.000 € übersteigenden Betrages zurückgewiesen hat (Urteil LAG zu [X.]5. sowie S. 35 und 45 des Schlussurteils).

        

2.    

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 30. Januar 2008 - 35 [X.]/07 - auch insoweit abgeändert, als es die Klage der Klägerin auf Zahlung einer Entschädigung wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts, ihrer Gesundheit und des Maßregelungsverbotes insbesondere wegen der nach dem 09. Dezember 2006 einsetzenden, sie benachteiligenden Handlungen des Beklagten (‚Mobbing’-Handlungen) insbesondere als Reaktion auf die Rechtewahrnehmung durch die Klägerin nach dem [X.] in der Folge ihrer Nichtbeförderung auf die Stelle einer Leiterin der bundesweit tätigen Personalabteilung des Beklagten abgewiesen hat:

                 

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über die bereits ausgeurteilten 16.000 € (LAG zu [X.]3. sowie S. 45 des Schlussurteils) hinaus eine weitere Entschädigung nach dem Ermessen des Gerichts zu zahlen, mindestens jedoch weitere 14.000 €.“

5

Der [X.] hat mit Urteil vom 22. Juli 2010 - 8 [X.] - (EzA AGG § 22 Nr. 2) auf die Revision des Beklagten, die [X.] und die Revision der Klägerin das Schlussurteil des [X.]s aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen. Dieses Urteil ist der Klägerin am 17. Dezember 2010 zugestellt worden. Sie hat mit [X.] vom 20. Dezember 2010, beim [X.] am selben Tage eingegangen, beantragt, dieses Urteil gem. § 319 ZPO wegen fehlender Begründung „des Erfolgs der (Hilfs-)[X.]“ zu berichtigen. Hilfsweise für den Fall der Ablehnung einer Berichtigung hat sie beantragt, das Urteil „gemäß § 321 ZPO um eine Begründung zur Begründetheit der (Hilfs-)[X.] der Klägerin in Bezug auf alle von ihr erhobenen Verfahrens- und materiellrechtlichen [X.] zu ergänzen“.

6

Für den Fall der Ablehnung des Berichtigungs- und des [X.] hat die Klägerin hilfsweise beantragt, „das Revisionsverfahren gem. § 78a ArbGG fortzuführen und … das Urteil des erkennenden [X.]s vom 22. Juli 2010 - 8 [X.] - um eine Begründung zur Begründetheit der (Hilfs-)[X.] der Klägerin in Bezug auf alle von ihr erhobenen Verfahrens- und materiellrechtlichen [X.] zu ergänzen.“

7

Die Beklagte hat die Zurückweisung aller Anträge beantragt.

8

Die Klägerin macht ua. geltend, das Revisionsurteil gehe auf 15 der 17 Vorfälle, welche sie als vom Berufungsgericht übersehen gerügt habe, ebenso wenig ein wie auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Sie hat die angeblich übergangenen Vorfälle (Angriffsmittel) unter Ziff. II[X.] 1. - 17. ihres [X.]es vom 20. Dezember 2010 im Einzelnen dargelegt.

Entscheidungsgründe

9

I. Der Ergänzungsantrag ist zulässig.

1. Nach § 321 Abs. 1 ZPO ist der Antrag statthaft.

2. Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass ihn die Klägerin unter der Bedingung gestellt hat, dass der [X.] „einen Fall des § 319 ZPO verneint“. Regelmäßig dürfen nämlich Anträge oder Gesuche an das Gericht mit der Bedingung verknüpft werden, das Gericht möge nur bei Eintritt eines bestimmten innerprozessualen Vorgangs entscheiden (st. Rspr., vgl. [X.] 14. November 1994 - II [X.] - NJW 1995, 1353). Da der [X.] die beantragte Urteilsberichtigung nach § 319 ZPO durch Beschluss zurückgewiesen hat, ist die Bedingung für den Urteilsergänzungsantrag eingetreten.

3. Der mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2010 gestellte Ergänzungsantrag ist am selben Tage beim [X.] eingegangen und damit innerhalb von zwei Wochen nach der am 17. Dezember 2010 an die Klägerin erfolgten Zustellung des [X.] vom 22. Juli 2010. Er ist damit frist- und formgerecht (§ 321 Abs. 2 ZPO) gestellt.

4. Der Ergänzungsantrag kann sich zulässigerweise auch darauf beziehen, dass das Gericht nach Meinung des Antragstellers einen Rechtsmittelantrag (hier: die ([X.]) übergangen hat (vgl. zum Übergehen eines Berufungsantrags: [X.] 16. Februar 2005 - [X.]/04 - NJW-RR 2005, 790).

II. Der Antrag ist jedoch unbegründet.

1. Ob sich die Entscheidung des [X.]s, deren Ergänzung die Klägerin beantragt, als vollständig oder unvollständig darstellt, ist im Rahmen der Begründetheit des [X.] zu prüfen ([X.] 16. Dezember 2005 - V ZR 230/04 - NJW 2006, 1351).

2. [X.] hat den mittels der Hilfsanschlussrevision vom 2. November 2009 gestellten Antrag nicht übergangen, sondern inhaltlich verbeschieden.

a) Zunächst folgt dies schon formal aus dem Wortlaut des Urteils. So lautet der Tenor:

        

„Auf die Revision des Beklagten, die [X.] und die Revision der Klägerin wird das Schlussurteil des [X.] Berlin-Brandenburg … aufgehoben.“

Weiter heißt es unter [X.] der Entscheidungsgründe (Rn. 86):

        

„Begründet sind die Revisionen der Klägerin und des Beklagten …“

b) Auch inhaltlich hat der [X.] eine abschließende Entscheidung über Ziff. 1 des hilfsweise gestellten [X.]santrags getroffen, indem er - wie beantragt - das Urteil des [X.] insgesamt - und damit auch im von der Klägerin beantragten Umfange - aufgehoben hat. Der [X.] hat entschieden, dass das Urteil des [X.] bezüglich der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung an die Klägerin iHv. 20.000,00 Euro an einem Rechtsfehler leidet, weil es gegen die erforderliche „Gesamtschau“ verstößt. Zu einer abschließenden Entscheidung nach § 563 Abs. 3 ZPO über einen Anspruch der Klägerin auf Entschädigung bzw. Schadensersatz und über dessen etwaige Höhe hat sich der [X.] nicht im Stande gesehen, weil die dafür erforderlichen Tatsachenfeststellungen und Tatsachenbewertungen dem Berufungsgericht als Tatsacheninstanz vorbehalten sind. Aus diesem Grunde ist der [X.] auch nicht konkret auf jeden der von der Klägerin in ihrem Ergänzungsantrag aufgeführten Vorfälle eingegangen, aus denen sie den Anspruch herleitet, den sie mit ihrer ([X.] geltend gemacht hat. So führt der [X.] unter [X.] 4 der Gründe (Rn. 95) aus:

        

„Eine abschließende Entscheidung in der Sache ist dem [X.] verwehrt, weil das [X.] weder eine zutreffende Gesamtbetrachtung der vorgetragenen Tatsachen/Geschehnisse vorgenommen noch alle anderen von der Klägerin vorgetragenen Tatsachen, die als einzelne Handlungen oder in der Gesamtschau rechtsverletzenden Charakter haben könnten, berücksichtigt hat.“

Weiter heißt es unter [X.] 3 (Rn. 94) des [X.]:

        

„… Alle von der Klägerin vorgetragenen Verletzungen stehen in einem Zusammenhang und wären deshalb - soweit das [X.] in ihnen Bestandteile einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin sieht - im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau zu berücksichtigen gewesen…“

Damit hat der [X.] auch aufgrund der für begründet erachteten ([X.] der Klägerin das angefochtene Berufungsurteil gem. § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Zurückverweisung aufgehoben und von einer eigenen Sachentscheidung nach § 563 Abs. 3 ZPO wegen mangelnder Entscheidungsreife abgesehen.

III. [X.] des [X.] hatte durch Urteil zu erfolgen ([X.] 8. Februar 1982 - II ZB 1/82 - WM 1982, 491; so bereits zu § 292 ZPO idF vom 30. Januar 1877: [X.] November 1892 - [X.]. VI. 125/92 - [X.] 30, 342). Bei diesem Ergänzungsurteil durften auch [X.] mitentscheiden, die an der Hauptentscheidung des [X.]s vom 22. Juli 2010 nicht mitgewirkt hatten (allgemeine Meinung: vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.] ZPO 69. Aufl. § 321 Rn. 9; [X.] in [X.]/[X.] ZPO 32. Aufl. § 321 Rn. 4; [X.]/Vollkommer ZPO 28. Aufl. § 321 Rn. 10; [X.] November 1892 - [X.]. [X.]/92 - aaO).

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Bloesinger    

        

    Wankel    

                 

Meta

8 AZR 781/10 (F)

15.09.2011

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Berlin, 30. Januar 2008, Az: 35 Ca 7441/07, Urteil

§ 319 ZPO, § 321 Abs 1 ZPO, § 321 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.09.2011, Az. 8 AZR 781/10 (F) (REWIS RS 2011, 3317)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3317

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