Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.11.2020, Az. 9 A 6/20

9. Senat | REWIS RS 2020, 4260

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Tenor

Der Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 27. September 2016 für den Neubau der [X.]/[X.], Zubringer [X.], in der Fassung der in der mündlichen Verhandlung vom 17./18. April 2018 zu Protokoll erklärten Änderungen und Ergänzungen ist rechtswidrig und nicht vollziehbar. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 27. September 2016 für den Neubau der [X.]/[X.], Zubringer [X.]. Der planfestgestellte Abschnitt umfasst eine Länge von rund 3,7 km. Er beginnt bei [X.] 1+480 auf der Südseite der vorhandenen, autobahnkreuzähnlich ausgebauten Anschlussstelle der [X.] - Anschlussstelle [X.] - und endet bei [X.] 5+200, wo die Trasse an die nach [X.] weiterführende [X.] angeschlossen werden soll. Die geplante Trasse ersetzt die bisherige Ortsdurchfahrt [X.] und dient so auch als Ortsumgehung. Das Projekt ist in der Anlage zu § 1 Abs. 1 Satz 2 FStrAbG in die Dringlichkeitsstufe "Laufend und fest disponiert" eingeordnet.

2

Die Planunterlagen lagen in der [X.] vom 30. August bis zum 29. September 2010 bei der [X.] sowohl im [X.] als auch im [X.] öffentlich aus. Am 10. und 11. April 2013 fand ein Erörterungstermin statt. Nach Auswertung der Ergebnisse des [X.] nahm der Vorhabenträger diverse Planänderungen vor und brachte diese im April 2014 über das Deckblatt 1 in das Verfahren ein. Dabei ging es unter anderem um die Errichtung einer Versickerungsanlage unter Verzicht auf ein [X.] und Klärbecken im Anschlussstellenohr [X.], vergrößerte [X.], einen neuen landschaftspflegerischen Begleitplan sowie ein neues Verkehrsgutachten, eine neue lärmtechnische Unterlage und ein neues Luftschadstoffgutachten.

3

Aufgrund dieser Planänderungen erfolgte eine Neuauslegung in der [X.] vom 19. Mai bis zum 18. Juni 2014. Dabei wurden die Unterlagen des Deckblatts ausgelegt, in das unter Kenntlichmachung bzw. Beschreibung der Planänderungen nochmals alle Planunterlagen - d.h. auch die unverändert gebliebenen - und Gutachten aufgenommen wurden. Die Unterlagen wurden darüber hinaus auf der Homepage der [X.] für den [X.]raum der Auslegung auch im [X.] zur Einsichtnahme bereitgestellt.

4

Der über 80-jährige Kläger hat seinen Wohnsitz an der [X.] ... in [X.] Das 1 742 m² große Wohngrundstück (Flurstück ... der Flur ... der Gemarkung U.) steht nicht in seinem Eigentum; ihm steht dort aber ein lebenslanges dinglich gesichertes Wohnrecht zu. Der Kläger betreibt zudem auf dem Grundstück nach eigenen Angaben seit fast 50 Jahren ein Unternehmen. Das genannte Flurstück ist zur vollständigen Übernahme durch den Vorhabenträger vorgesehen; das Wohngebäude soll abgerissen werden.

5

Der Kläger ist außerdem Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebs ([X.] ...) mit einer Gesamtgröße von ca. 48,50 ha. Den Betrieb bewirtschaftet er nicht mehr selbst, sondern er hat die Flächen verpachtet. Auf der Hofstelle befinden sich vier Mietwohnungen; eine der Mietparteien betreibt in Teilen der Wirtschaftsgebäude eine Hundeschule. Insgesamt geht es um acht Flurstücke, deren Bezeichnungen sich zwischenzeitlich nach Neuvermessung und Teilung geändert haben (neue Bezeichnungen: [X.]. ..., ... und ... der Flur ...; [X.]. ..., ..., ... und ... der Flur ... sowie Flurstück ... der Flur ..., sämtlich Gemarkung U.). Diese Flurstücke sollen in unterschiedlichem Umfang für das Vorhaben selbst bzw. für naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen in Anspruch genommen werden. Dabei soll u.a. die bisherige nördliche Zufahrt zur Hofstelle von der [X.]/[X.] entsiegelt und rekultiviert werden. Die neue Zufahrt soll über den R. erfolgen.

6

Der Kläger hat fristgerecht am 12. Dezember 2016 Klage erhoben.

7

Er hält den Planfeststellungsbeschluss für formell und materiell rechtswidrig. So sei schon das Anhörungsverfahren rechtswidrig gewesen. Auch fehle die Planrechtfertigung und der Planfeststellungsbeschluss sei abwägungsfehlerhaft, da seine klägerischen Belange nicht ordnungsgemäß abgewogen worden seien. Schließlich genüge die nun geplante Versickerung nicht den wasserrechtlichen Anforderungen; das Oberflächenwasser der Fahrbahnen müsse geklärt werden.

8

Der Kläger beantragt,

1. den Planfeststellungsbeschluss der [X.] für den Neubau der [X.]/[X.], Zubringer [X.], vom 27. September 2016 in der Fassung der in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Protokollerklärungen des Beklagten aufzuheben,

2. hilfsweise: festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar ist.

9

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist dem Vorbringen des [X.] entgegengetreten.

Das Verfahren des [X.] wurde - unter dem damaligen Aktenzeichen [X.] 15.16 - gemeinsam mit der Parallelsache [X.] 16.16 verhandelt. Jenes Verfahren hat der Senat mit Beschluss vom 25. April 2018 ausgesetzt und den [X.] um die Klärung mehrerer Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2011/92/[X.] des [X.] und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten sowie der Richtlinie 2000/60/EG des [X.] und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der [X.] im Bereich der Wasserpolitik, zuletzt geändert durch Art. 1 der Richtlinie 2014/101/[X.] des [X.] und des Rates vom 30. Oktober 2014 ([X.]. Nr. L 311 S. 32) gebeten. Mit weiterem Beschluss desselben Datums hat der Senat seine vorläufige Einschätzung aufgrund der mündlichen Verhandlung festgehalten (im Folgenden: Hinweisbeschluss im Verfahren [X.] 16.16).

Ebenfalls mit Beschluss vom 25. April 2018 hat der Senat das Verfahren des [X.] bis zur Entscheidung des [X.] ausgesetzt und zugleich seine vorläufige Einschätzung aufgrund der mündlichen Verhandlung festgehalten (im Folgenden: Aussetzungsbeschluss).

Der [X.] hat mit Urteil vom 28. Mai 2020 - [X.]/18 [[X.]:[X.]:[X.]] - über die Vorlage entschieden. Einen Antrag des Beklagten vom 26. Juni 2020 auf weitere Aussetzung des Verfahrens bis zur Beendigung des vor der Einleitung stehenden Planänderungsverfahrens hat der Senat nach Anhörung des [X.] mit Beschluss vom 15. Juli 2020 abgelehnt.

Entscheidungsgründe

Mit Einverständnis der [X.]eteiligten kann der Senat ohne erneute mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage (A) ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Planfeststellungsbeschluss des [X.]eklagten vom 27. September 2016 in Gestalt der in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärten Änderungen und Ergänzungen enthält in [X.]ezug auf die Alternativenprüfung einen Fehler, auf den sich der Kläger auch berufen kann; im Übrigen hält er der klägerischen Kritik stand ([X.]). Der Fehler hat nicht die mit dem Hauptantrag begehrte Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, sondern lediglich die hilfsweise beantragte Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit zur Folge (C).

A. Die Klage ist zulässig. Dem Planfeststellungsbeschluss kommt, da er Grundlage der nachfolgenden Enteignung ist (§ 19 Abs. 1 [X.]), enteignungsrechtliche Vorwirkung zu. Daher hat der Kläger als Eigentümer von Grundstücken, die für die Planung in Anspruch genommen werden sollen, nach Art. 14 Abs. 1 GG Anspruch auf gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses auf seine objektive Rechtmäßigkeit (sog. Vollüberprüfungsanspruch), soweit der geltend gemachte Fehler für die Inanspruchnahme seiner Grundstücke kausal ist (stRspr, vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - [X.]VerwGE 134, 308 Rn. 24). Seine Klagebefugnis ergibt sich zudem daraus, dass auch sein lebenslang dinglich gesichertes Wohnrecht durch die Planung gefährdet ist. Denn auch dieses Wohngrundstück wird für die Planung benötigt; das Haus soll sogar abgerissen werden.

[X.]. Der Planfeststellungsbeschluss hält im Wesentlichen der Kritik des [X.] stand (dazu 1. bis 3. und 5. bis 7.); er leidet allerdings an einem erheblichen Fehler der Abwägung zwischen der Variante 3 und 3.1, auf den sich der Kläger auch berufen kann (dazu 4.).

1. Die formellen [X.]edenken des [X.] greifen nicht durch. Das Verkehrsgutachten hat nach den Angaben des [X.]eklagten sowohl 2010 als auch in der [X.] 2014 [X.], wenngleich nicht als [X.]estandteil der drei Mappen, sondern als separates Dokument. Dass es [X.] habe, zeige sich auch daran, dass es in vielen Einwendungen konkret in [X.]ezug genommen worden sei. Zusätzlich weist der [X.]eklagte darauf hin, dass dem Prozessbevollmächtigten des [X.] die Verkehrsuntersuchung als [X.] Dokument per E-Mail vom 5. Oktober 2010 und damit noch vor dem Ende der Einwendungsfrist (13. Oktober 2010) übersandt worden sei. Dem ist der Kläger nicht mehr entgegengetreten.

2. Die Planrechtfertigung folgt aus der gesetzlichen [X.]edarfsfeststellung, die für die Planfeststellung und das gerichtliche Verfahren verbindlich ist (§ 1 Abs. 2 Satz 2 FStrAbG, stRspr; vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 3. Mai 2013 - 9 A 16.12 - ([X.]VerwGE 146, 254 Rn. 18 m.w.[X.]). Zwar weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass dennoch eine Verpflichtung der Planfeststellungsbehörde besteht, bei der vorzunehmenden Abwägung der einzustellenden [X.]elange rechtsmindernde Eingriffe nach Möglichkeit zu vermeiden und in diesem Rahmen alternative Planungen auf ihre jeweilige Eingriffsintensität bei gleicher planerischer Zielsetzung zu prüfen und gegebenenfalls auch offen zu sein für eine "Null-Variante" ([X.]VerwG, Urteil vom 3. Mai 2013 a.a.[X.] Rn. 20 m.w.[X.]). Damit wird indes nicht die Planrechtfertigung infrage gestellt.

3. Der Kläger hat die technische Entwässerungsplanung nicht hinreichend substantiiert beanstandet. Die Klage beschränkt sich insoweit auf die [X.]ehauptung, das Regenrückhaltebecken hätte nicht gestrichen werden dürfen; die vorgesehene Versickerung genüge nicht den Anforderungen; das Oberflächenwasser der Fahrbahnen sei "einer entsprechenden [X.]ehandlung zuzuführen" (vgl. Klagebegründung S. 9).

4. Der Planfeststellungsbeschluss leidet aber an einem erheblichen Fehler der Abwägung zwischen der Variante 3 und 3.1. Insoweit hat der Senat im Hinweisbeschluss im Verfahren [X.]VerwG 9 A 16.16 (dort Rn. 57 - 62) ausgeführt:

a) Die Auswahl unter verschiedenen in Frage kommenden Trassenvarianten ist gerichtlicher Kontrolle nur begrenzt auf [X.] hin zugänglich. [X.]ei der Zusammenstellung des [X.] müssen einerseits alle ernsthaft in [X.]etracht kommenden Alternativlösungen berücksichtigt und mit der ihnen zukommenden [X.]edeutung in die vergleichende Prüfung der jeweils berührten öffentlichen und privaten [X.]elange eingestellt werden. Eine Planfeststellungsbehörde handelt andererseits nicht schon dann abwägungsfehlerhaft, wenn eine von ihr verworfene Trassenführung ebenfalls mit guten Gründen vertretbar gewesen wäre. Vielmehr sind die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit erst dann überschritten, wenn sich eine andere als die gewählte Trassenführung unter [X.]erücksichtigung aller abwägungserheblichen [X.]elange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private [X.]elange insgesamt schonendere, hätte aufdrängen müssen oder wenn der Planfeststellungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, [X.]ewertung oder Gewichtung einzelner [X.]elange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (stRspr, vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 3. März 2011 - 9 A 8.10 - [X.]VerwGE 139, 150 Rn. 66 und vom 10. Februar 2016 - 9 A 1.15 - [X.]VerwGE 154, 153 Rn. 14, jeweils m.w.[X.]).

Der Planfeststellungsbeschluss ist der Sache nach von dem zutreffenden Maßstab ausgegangen (vgl. S. 292 f.). Die von den Klägern kritisierte ergänzende Erwähnung des gerichtlichen Kontrollmaßstabes (S. 293, 322) hält der Senat für unschädlich. Den unter [X.]ezugnahme auf die frühere [X.] vorgenommenen Vergleich der Hauptvarianten 1 bis 3 (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 300 ff.) beanstanden die Kläger ausdrücklich nicht, so dass kein Anlass für eine gerichtliche Kontrolle besteht. Demgegenüber machen sie aber zu Recht geltend, dass der Planfeststellungsbeschluss es versäumt hat, einen Vergleich der Trassenvarianten 3 und 3.1 vorzunehmen. Insoweit war ihm eine [X.]ezugnahme auf die [X.] des [X.] nicht möglich, denn diese hatte lediglich mit dem Vorschlag geendet, eine "aus städtebaulicher Sicht durch ein weiteres Abrücken von der Wohnbebauung 'Auf der [X.]' optimierte Variante 3.1 zugrunde" zu legen (vgl. Kurzfassung der [X.] S. 8 f.).

Diese Optimierung hätte auf [X.] der Planfeststellung vorgenommen werden müssen. Denn eine Enteignung verlangt nach Art. 14 Abs. 3 GG eine Gesamtabwägung der für das Vorhaben sprechenden Gemeinwohlbelange mit den durch seine Verwirklichung beeinträchtigten öffentlichen und privaten [X.]elangen; erforderlich ist eine Gewichtung der in der Summe betroffenen privaten [X.]elange ([X.]VerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 1 [X.]vR 3139/08 u.a. - [X.]VerfGE 134, 242 Rn. 211, 229). Dies bedeutet, dass insbesondere die Zahl und das Ausmaß der mit den beiden Varianten verbundenen [X.] bzw. [X.] hätte ermittelt und mit den übrigen [X.]elangen (etwa städtebauliche Argumente, Schutz des Landschaftsbildes, Kosten für Lärmschutz, naturschutzfachliche Gründe) abgewogen werden müssen. Hieran fehlt es. Soweit dies in der Klageerwiderung (Kosten für Lärmschutz) bzw. in der mündlichen Verhandlung (Erläuterung der [X.] sowie städtebauliche Erwägungen) nachträglich geschehen ist, handelt es sich nach Auffassung des Senats nicht um eine bloße Vertiefung einer bereits im Planfeststellungsbeschluss vorgenommenen Abwägungsentscheidung, sondern um eine erstmals vorgenommene Abwägung. Dies zeigt sich schon daran, dass die Planfeststellungsbehörde auf Nachfrage keinerlei Unterlagen aus dem Verwaltungsverfahren (etwa Karten, Aktenvermerke, tabellarische Übersichten o.Ä.) zu diesen Fragen vorlegen konnte. Die in der mündlichen Verhandlung gezeigten Karten zum "[X.]/3.1" (Anlagen 1a und 1b zum Protokoll vom 17. April 2018) wurden erst für das gerichtliche Verfahren erstellt.

b) Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass der vorgenannte offensichtliche Abwägungsmangel auf das [X.] von Einfluss gewesen und damit gemäß § 17c [X.] i.V.m. § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG erheblich ist.

Eine Erheblichkeit kann nur verneint werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür nachweisbar sind, dass die Planfeststellungsbehörde auch im Falle einer ordnungsgemäßen Abwägung die gleiche Entscheidung getroffen hätte. Solche Anhaltspunkte können sich etwa aus dem Planfeststellungsbeschluss ergeben. Das Gericht darf keine eigene hypothetische Abwägungsentscheidung an die Stelle der Entscheidung durch die Planfeststellungsbehörde setzen ([X.]VerwG, Urteil vom 10. Februar 2016 - 9 A 1.15 - [X.]VerwGE 154, 153 Rn. 30 unter Hinweis auf [X.]VerfG, [X.] vom 16. Dezember 2015 - 1 [X.]vR 685/12 - [X.], 184 <186>). An derartigen konkreten Anhaltspunkten fehlt es hier.

Sollte die Variantenprüfung in einem ergänzenden Verfahren nachgeholt werden, weist der Senat mit [X.]lick auf die Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss zu den erforderlichen [X.]n (S. 310) vorsorglich darauf hin, dass der Erhalt von Wohnungseigentum und landwirtschaftlichen [X.]etrieben über Art. 14 GG einen hohen Schutz genießt und daher mit einem entsprechend hohen Gewicht in die Abwägung eingestellt werden muss. Dies ist nicht dadurch gemindert, dass die abzureißenden Gebäude keine kulturhistorische [X.]edeutung haben. Allenfalls umgekehrt kann dem Erhalt kulturhistorisch wertvoller Gebäude ein besonderes Gewicht zukommen.

Daran hält der Senat weiterhin fest. Auf diesen Abwägungsfehler kann sich der Kläger auch berufen, denn er stünde im Falle der Variante 3 besser da, als bei der planfestgestellten Variante 3.1 (vgl. hierzu bereits Aussetzungsbeschluss Rn. 5).

5. Hiervon abgesehen ist die Inanspruchnahme des Grundeigentums des [X.] bzw. die [X.]eeinträchtigung seiner sonstigen Rechte nicht zu beanstanden.

Der Planfeststellungsbeschluss (S. 519 f.) hält die Grundstücksinanspruchnahmen einschließlich des [X.]s für unverzichtbar. Auswirkungen auf das Handelsunternehmen - gemeint ist offenbar das Unternehmen [X.] ... - seien im Rahmen der Grunderwerbsverhandlungen bzw. des separaten [X.] und [X.] zu prüfen und ggf. zu entschädigen. Hinsichtlich der geltend gemachten Existenzgefährdung in [X.]ezug auf den landwirtschaftlichen [X.]etrieb [X.] ... wird darauf hingewiesen, dass nur rd. 2,6 % der 48,5 ha in Anspruch genommen würden. Diese Erwägungen sind fehlerfrei.

Nicht zu beanstanden ist ferner, dass die bisherige (kürzere) Zufahrt zum Wohnhaus [X.] entfallen soll. Denn eine weitere Zufahrt ist bereits über den [X.] vorhanden. Eine gesetzliche Vorschrift, aus der der Kläger einen Anspruch auf [X.]eibehaltung der bisherigen günstigen Zufahrt herleiten könnte, existiert nicht. Vielmehr ergibt sich aus der Regelung des § 8a Abs. 4 [X.], dass lediglich ein Anspruch auf eine Verbindung zum Wegenetz besteht, die eine angemessene Nutzung des Grundeigentums ermöglicht ([X.]VerwG, Urteil vom 9. Juli 2003 - 9 [X.] - [X.]uchholz 407.4 § 8a [X.] Nr. 14 = juris Rn. 20). Dass die bestehende Anfahrt über den [X.] für LKW, Müllfahrzeuge etc. nicht ausreicht, also keine angemessene Nutzung im vorgenannten Sinne ermöglicht, ist nicht ersichtlich, zumal die Wirtschaftsgebäude schon jetzt auf diese Weise erschlossen werden. Im Übrigen hat der Vorhabenträger zugesichert, dass er die Ersatzzufahrt auf seine Kosten so herrichten wird, dass sie von der [X.] her der bisherigen Zufahrt entspricht; hinsichtlich der Einzelheiten verweist der Planfeststellungsbeschluss in zulässiger Weise auf das [X.] bzw. Entschädigungsverfahren (S. 519).

6. Soweit der Kläger rügt, die Auswirkungen auf das Wirtschaftswegenetz seien nicht ordnungsgemäß abgewogen worden, geht es ihm offensichtlich um die aus mehreren Flurstücken bestehende wirtschaftliche Grundstückseinheit, die von seinem Pächter als Gartenbaubetrieb genutzt wird. Zwar wird diese Einheit künftig [X.] durchschnitten; auf eine mangelnde Erschließung hat sich der Kläger aber im [X.] nicht berufen. Zwar hat der Pächter, [X.], seinerseits eine Einwendung erhoben, die auch erörtert wurde (vgl. Verwaltungsvorgang [X.]l. 000749 ff.). Die zunächst zugesagte Prüfung der Existenzgefährdung unterblieb allerdings später mangels Einreichung von Unterlagen. Im Übrigen hat der [X.]eklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass der Planfeststellungsbeschluss auch für den Fall ausreichend Vorkehrungen trifft, dass später doch noch Zufahrten erforderlich werden sollten (vgl. N[X.] 5.6.4 und 5.14.3 ).

7. Ebenso wenig ist die Klage wegen einer Verkennung der Lärmbelange des [X.] begründet. Die [X.] werden für die [X.] ... (Mischgebiet), betrachtet man allein das [X.] mit dem vorgesehenen Lärmschutz, unterschritten (vgl. planfestgestellte Unterlage 11.2 S. 21, dort Nr. 131). Der - mit [X.] - errechnete [X.] weist maximal Werte von 57 d[X.](A) tags und 50 d[X.](A) nachts aus (VV [X.]l. 001164), so dass ausreichend Abstand zu grundrechtsrelevanten Werten besteht.

C. Die festgestellten Fehler führen nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, sondern lediglich zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit. Denn sie betreffen kein zwingendes Planungshindernis; es besteht die konkrete Möglichkeit, dass sie in einem ergänzenden Verfahren behoben werden können, ohne die Gesamtplanung infrage zu stellen (§ 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG).

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

9 A 6/20

26.11.2020

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: A

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.11.2020, Az. 9 A 6/20 (REWIS RS 2020, 4260)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 4260

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1 BvR 685/12

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