Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.12.2007, Az. 4 StR 306/07

4. Strafsenat | REWIS RS 2007, 55

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 [X.] vom 20. Dezember 2007 in der Strafsache gegen wegen versuchter [X.] 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 20. Dezember 2007, an der teilgenommen haben: Vorsitzende [X.]in am [X.] [X.], [X.] am [X.] Prof. Dr. [X.], [X.], [X.], [X.]in am [X.] [X.]als beisitzende [X.], Staatsanwalt als Vertreter der [X.], Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - 1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 20. Januar 2007, so-weit es den Angeklagten B. betrifft, mit den [X.] aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine [X.] des [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe: [X.] Das [X.] hat den Angeklagten B. wegen versuchter Straf-vereitelung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt. Nach der Anklage lag [X.]zur Last, am frühen Morgen des 8. Mai 2006 gemeinsam mit den früheren Mitangeklagten [X.]und [X.]den [X.] [X.] entführt und von dessen Ehefrau mit der Drohung, anderenfalls werde ihr Ehemann getötet, einen Betrag von 200.000 Euro er-presst zu haben. Von einer Mitwirkung des Angeklagten [X.]an dem [X.] und [X.] vermochte sich das [X.] nicht zu überzeugen. Es ist vielmehr seiner Einlassung, erst nach Beendigung der Tat von dem Tatgeschehen erfahren und sich gegenüber [X.] und [X.] zu haben, die bei der Entführung verwendete Stofftasche —[X.] - 4 - denfi zu lassen, gefolgt und hat ihn daher lediglich der versuchten Strafvereite-lung für schuldig befunden. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten [X.] eingelegten Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt, beanstandet die Staatsan-waltschaft die Beweiswürdigung der [X.]. Sie vertritt die Auffassung, dass der Angeklagte - wie die beiden Mitangeklagten [X.]und [X.]auch - wegen erpresserischen [X.] hätte verurteilt werden müssen. Das Rechtsmittel hat Erfolg, da die Beweiswürdigung des [X.]s, mit der es eine Mitwirkung des Angeklagten [X.] an der [X.] verneint hat, rechtlicher Nachprüfung nicht standhält. 2 I[X.] 1. Nach den Urteilsfeststellungen überwältigte am 8. Mai 2006 gegen 5.30 Uhr der frühere Mitangeklagte [X.] gemeinsam mit zwei weiteren un-bekannten Mittätern den Geschädigten [X.] vor dessen Haus-anwesen. Die maskierten Täter bedrohten [X.]

mit einer Pistole, fesselten ihn an den Händen und nahmen ihm die Schlüssel seines Pkw ab. [X.] zogen sie ihm einen roten Leinenbeutel über den Kopf und zwangen ihn, in seinen Pkw einzusteigen. Dabei schlug einer der Täter [X.] mit einem harten Gegenstand auf den Hinterkopf, so dass dieser eine Platzwunde [X.]. Danach fuhren die Täter das Fahrzeug in ein nahe gelegenes Waldgebiet. Spätestens während der Fahrt dorthin kam der frühere weitere Mitangeklagte [X.]mit einem anderen Pkw dazu. In dem Waldgelände wurde [X.] an einen Baum gefesselt. Sodann verlangten die Täter von ihm die Zahlung von 200.000 Euro. Anderenfalls werde er getötet. Gegen 6.45 Uhr übermittelte der Geschädigte auf Befehl der Täter mit seinem Mobiltelefon die [X.] an seine Ehefrau Maria [X.] . In einem weiteren Gespräch - ebenfalls mit dem Mobiltelefon des Geschädigten - teilte einer der unbekannt gebliebe-nen Mittäter der Zeugin [X.] die gewünschte Stückelung des Lösegeldes mit. Er drohte, ihr Ehemann werde getötet, wenn nicht das Lösegeld bis 8.45 Uhr gezahlt würde. Gegen 9.30 Uhr hinterlegte die Zeugin [X.] das Geld an einer von den [X.] bezeichneten Stelle. Unmittelbar nachdem die Täter in den Besitz des Geldes gelangt waren, ließen sie [X.] wieder frei und begaben sich in die Wohnung ihres Bekannten [X.]. 2. Das [X.] hat sich von der Mittäterschaft des Angeklagten [X.] an dem erpresserischen Menschenraub zum Nachteil des [X.]

nicht zu überzeugen vermocht. Es hat hierbei im Ansatz nicht verkannt, dass gewichtige Indizien für seine Beteiligung an dem Entführungsgeschehen sprechen: 4 - In der Nacht vor und während der Tat wurde von einem der [X.] mehrmals ein Mobilfunktelefon mit der SIM-Karte des [X.] mit der Rufnummer benutzt. - Bei einer Durchsuchung wurde in einem Abstellraum der dama-ligen Lebensgefährtin des Angeklagten, der Zeugin [X.] , eine teilweise mit [X.]´s gefüllte rote Stofftasche sichergestellt, an der sich [X.] des [X.] befinden. Die Zeugin M. hat hierzu - nach Einschätzung des [X.]s glaubhaft - angegeben, die Tasche gehöre dem Angeklagten. - In dem Speicher des Mobiltelefons des Mitangeklagten [X.] wurde eine in der Wohnung des L.

aufgezeichnete Videodatei vorgefunden, die den Angeklagten beim Zählen eines großen Geldbetrages zeigt. - 6 - Gleichwohl ist das [X.] zu dem Ergebnis gelangt, dass diese [X.] nicht —Glieder einer geschlossenen Indizienkette [seien], die die Mittäter-schaft des Angeklagten [X.] an dem erpresserischen Menschenraub [X.] würdefi. Vielmehr könnten die genannten Umstände ebenso plausibel mit den Angaben des die Tat bestreitenden Angeklagten in Einklang gebracht werden. 5 Der Angeklagte hatte sich zuletzt wie folgt eingelassen: Er habe sein Mobiltelefon, für das ein [X.] bestanden habe, am Abend des 7. Mai 2006 an den Mitangeklagten [X.]verliehen. Die Nacht vom 7. auf den 8. Mai 2006 habe er bei seiner Freundin [X.]
verbracht. Am nächsten Vormittag sei er von [X.] angerufen und in die Wohnung des [X.] bestellt worden. Dort hätte sich neben [X.]und [X.] noch ein gewisser Dimitrius Le. , der in [X.] lebe, aufgehalten. Er [X.] der Angeklagte [X.] habe das Lösegeld ge-sehen und davon erfahren, dass sein Handy bei der Entführung benutzt worden sei. Man habe ihm Geld angeboten, wenn er schweige und die bei der [X.] verwendete [X.] verschwinden lasse. Aus Freundschaft zu [X.] habe er zugestimmt, um zu verhindern, dass [X.]und [X.] für ihre Tat bestraft würden. Auch habe er geholfen, das Lösegeld zu zählen. 6 Das [X.] hat diese Angaben, die - soweit eigener Wahrnehmung zugänglich - von den beiden Mitangeklagten bestätigt worden sind, als [X.] gewertet. Soweit der Angeklagte zum Verleihen seines Mobiltelefons im Ermittlungsverfahren mehrfach abweichende Angaben gemacht habe, sei dies plausibel damit zu erklären, dass er [X.] und [X.] und auch sich selbst —als Mitwisserfi habe schützen wollen. Dass der Angeklagte für die Tatzeit kein —eindeutiges Alibifi habe, sei kein Beweisanzeichen für seine Mittäterschaft. 7 - 7 - 3. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn eine Verurteilung deshalb nicht er-folgt, weil das Tatgericht Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten nicht zu überwinden vermag. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht ange-fallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Der re-visionsrechtlichen Beurteilung unterliegt vielmehr nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lü-ckenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur [X.]R StPO § 261 Beweiswürdigung 16; [X.], 92, 94 jeweils m.w.[X.]). Insbesondere muss die Beweiswürdigung erschöpfend sein: Der Tatrichter muss sich mit allen festgestellten Umständen auseinander-setzen, die den Angeklagten be- oder entlasten ([X.]R StPO § 261 Beweis-würdigung 2). Rechtlich zu beanstanden sind tatrichterliche Beweiserwägungen ferner dann, wenn sie erkennen lassen, dass das Gericht überspannte Anforde-rungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat (vgl. nur [X.]R StPO § 261 Überzeugungsbildung 22). 8 4. Hieran gemessen zeigen sich in der Beweiswürdigung des Landge-richts durchgreifende Mängel: 9 a) Das [X.] hat die Einlassung des Angeklagten zum [X.] als glaubhaft bewertet, ohne sich erschöpfend mit den Umständen, die den Angeklagten belasten, auseinanderzusetzen. 10 - 8 - aa) So hätte es näherer Erörterung bedurft, aus welchen Gründen der Mitangeklagte [X.]den Angeklagten nach der Tat angerufen und in die Woh-nung des [X.] —bestelltfi hat. Es versteht sich jedenfalls nicht von selbst, dass Mittäter einer schwerwiegenden Straftat unmittelbar nach deren Begehung ei-nen unbeteiligten Dritten herbeirufen, ihn in die [X.] einweihen und sodann für seine Bereitschaft, sie nicht zu verraten, einen Teil des Lösegeldes versprechen. [X.] wäre auch gewesen, warum der Angeklagte als Tatunbeteiligter die Zählung des Lösegeldes übernahm und sich hierbei von einem der Täter mit einem Fotohandy filmen ließ. 11 bb) Auch zu der aufgefundenen roten Leinentasche, bei der es sich nach der Überzeugung des [X.]s um die Tasche handelt, die die Täter dem Geschädigten [X.] bei seiner Entführung über den Kopf gezogen hatten, ist die Beweiswürdigung des [X.]s nicht erschöpfend. Insoweit bleibt [X.] offen, warum der Angeklagte mit der Beseitigung eines bei der Tat ver-wendeten Gegenstandes beauftragt wurde, der ersichtlich ohne Schwierigkeit und ohne erkennbares Risiko von jedem der Täter selbst hätte beseitigt werden können. [X.] Erörterung hätte in diesem Zusammenhang auch bedurft, dass der Angeklagte bei seiner Vernehmung vom 23. August 2006 eingeräumt hatte, vor der Tat derartige Stofftaschen besessen zu haben. Das [X.] hätte daher in seinen Überlegungen die Möglichkeit einbeziehen müssen, dass der Angeklagte eine dieser Taschen für die Begehung der Tat zur Verfügung gestellt hat. 12 b) Die Beweiswürdigung des [X.]s ist zudem [X.] worauf der Gene-ralbundesanwalt zu Recht hingewiesen hat - in einem maßgeblichen Punkt lü-ckenhaft. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass ein mit einem Mo-biltelefon aufgenommener Videoclip mit Datum und Uhrzeit abgespeichert wird. 13 - 9 - Das Urteil verhält sich zum [X.]punkt der Aufnahme nicht. Hierbei handelt es sich indes um einen für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Einlassung des Angeklagten wesentlichen Gesichtspunkt; denn es könnte bei einer [X.] zeitlichen Nähe zwischen der Hinterlegung des Lösegeldes (gegen 9.30 Uhr) und der Aufnahme des [X.] durchaus zweifelhaft sein, ob es dem Angeklagten innerhalb der ihm zur Verfügung stehenden [X.] überhaupt mög-lich war, nach Erhalt des Anrufes des Mitangeklagten [X.]von der Wohnung der [X.] in [X.] zu der Wohnung des [X.] in [X.] zu fahren. c) Schließlich ist zu besorgen, dass die [X.] bei der Beurteilung der Gesamtheit der Indizien von einem falschen Ansatz ausgegangen ist und zu hohe Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung gestellt hat, in-dem es zur Überführung des Angeklagten eine —geschlossene [X.] gefordert hat. Auch Indizien, die einzeln nebeneinander stehen, aber jeweils für sich einen Hinweis auf die Täterschaft des Angeklagten enthalten, können in ihrer Gesamtheit die Überzeugung des Tatrichters von dessen Schuld [X.] ([X.], Urteil vom 29. August 2007 [X.] 2 StR 284/07 unter Rdn. 11). 14 5. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das [X.] ohne die aufgezeigten [X.] eine Strafbarkeit des Angeklagten als (Mit-) Täter oder jedenfalls als Teilnehmer des erpresserischen [X.] bejaht hätte. Er hebt daher das angefochtene Urteil, soweit es den Ange-klagten betrifft, mit den zugrunde liegenden Feststellungen auf. Einer Einstel-lung des Verfahrens, soweit der Angeklagte wegen versuchter Strafvereitelung verurteilt worden ist, bedarf es nicht. Das vom [X.] als versuchte Straf-vereitelung bewertete Geschehen steht hier mit dem angeklagte Tatgeschehen in einem derartig engen örtlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang, 15 - 10 - dass die Annahme eines einheitlichen geschichtlichen Lebensvorganges und damit einer Tat nicht zu beanstanden ist (vgl. hierzu [X.] NStZ 1989, 266; 1999, 206). 6. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO Gebrauch gemacht. 16 Tepperwien [X.] [X.] Ernemann Sost-Scheible

Meta

4 StR 306/07

20.12.2007

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.12.2007, Az. 4 StR 306/07 (REWIS RS 2007, 55)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 55

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