Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.08.2007, Az. 2 StR 284/07

2. Strafsenat | REWIS RS 2007, 2253

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 284/07 vom 29. August 2007 in der Strafsache gegen 1. 2.

3.

wegen Mordes u. a. - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 29. August 2007, an der teilgenommen haben: [X.], [X.] als Vertreter der [X.]schaft, Rechtsanwalt und Rechtsanwalt als Verteidiger der Angeklagten zu 1., Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten zu 2., Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten zu 3., Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 27. Oktober 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichts-kammer des [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat die Angeklagten [X.]und [X.]vom Vorwurf des gemeinschaftlichen Mordes und den Angeklagten [X.] vom Vorwurf der ver-suchten Strafvereitelung freigesprochen. Dagegen wendet sich die Staatsan-waltschaft mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben Erfolg. [X.] 1. Die Staatsanwaltschaft hatte den Angeklagten [X.]und [X.]vorge-worfen, am 16. April 2005 nach 11.59 Uhr entsprechend einem gemeinsamen [X.] den Ehemann der Angeklagten [X.] , E.

[X.] , mit dem in ei-nem alkoholischen Getränk aufgelösten Schlafmittel Diazepam sediert und in der Folgezeit durch massive Gewalteinwirkung gegen den Schildknorpel am Hals getötet zu haben. Am Nachmittag des 17. April 2005 sei der Leichnam dann in einer Lagerhalle der vom Opfer betriebenen Firma zerteilt, in [X.] - 4 - cke und Folie verpackt und mit mindestens drei weiteren Personen, darunter dem gesondert verfolgten [X.]. , in der Nacht vom 17. auf den 18. April 2005 in den [X.] geworfen worden. Der Angeklagte [X.] habe dem Angeklagten [X.]in der Folgezeit ein falsches Alibi für den Abend und die Nacht vom 17. auf den 18. April 2005 gegeben, um ihn vor Strafverfolgung zu schützen. 2. Die Strafkammer hat Folgendes festgestellt: Das Tatopfer, E. [X.] , befasste sich mit dem Vertrieb [X.] Waren. Es kam regel-mäßig zu Konflikten mit Geschäftspartnern und Konkurrenten. In seiner Ehe kriselte es, weil er eine intime Dauerbeziehung mit seiner Bürokraft unterhielt und weitere außereheliche sexuelle Kontakte gehabt hatte. Die finanzielle [X.] der vom Opfer geleiteten Firma war angespannt. E. [X.]beauftragte den Angeklagten [X.]gelegentlich mit Tätigkeiten im Vertrieb seiner Firma und beschäftigte dessen langjährigen Freund, den gesondert Verfolgten [X.]. , als Lageristen. 3 Am Morgen des 15. April 2005 wurde auf dem Geschäftscomputer des E. [X.] ein Schreiben an zwei Rechtsanwälte erstellt, wonach er —in den letzten Tagen von meiner Frau [X.] mit dem Mord oder körperli-cher Gewalt von ihren angeblichen und unbekannten `Freunden` bedrohtfi [X.] sei. Der Verbleib dieses Schreibens konnte nicht geklärt werden. Am [X.] des 16. April 2005 kam es zwischen den Eheleuten [X.]zum Streit. Wo das Opfer die Nacht verbrachte, ließ sich nicht feststellen. Am Sonntag, dem 17. April 2005, telefonierte E. [X.] um 12.31 Uhr von den Lagerräu-men seiner Firma in der [X.] aus mit einer Frau B.. Bis 15.58 Uhr versuchte er von dort aus mehrfach, [X.]. telefonisch zu erreichen. Um 14.42 Uhr und um 15.18 Uhr war auch das Handy des Angeklagten [X.]in der dortigen Funkzelle eingeloggt. [X.]. war um 17.20 Uhr von einer Reise in die [X.] zurückgekehrt. Der Angeklagte [X.]holte [X.]. vom [X.] - 5 - bahnhof in [X.]ab und fuhr in den Bereich der Funkzelle A. -S. Straße/A. d. [X.], in dem sich sowohl die Privaträume des Opfers und als auch weitere Lagerräume seiner Firma befanden. Um 18.19 Uhr war auch das Handy des Opfers hier eingeloggt. Um 20.20 Uhr wurde mit dem Handy des Opfers ein 23-minütiges Gespräch mit den Eltern der Angeklagten [X.]geführt, wobei es in einer Funkzelle im Bereich [X.]eingeloggt war. Das leicht alkoholisierte Opfer wurde mit ca. 4 bis 6 Tabletten Diazepam sediert und sodann durch Gewalteinwirkung gegen den Hals getötet. Der To-deszeitpunkt lag höchstens 24 Stunden vor Beginn der Obduktion am 18. April 2005 um 16.45 Uhr. Nach der Tötung wurde der Leichnam in mindestens fünf Stücke zerteilt, die einzeln in Folien verpackt und in der Nacht zwischen ca. 23 Uhr und 8.30 Uhr morgens von der [X.]in den [X.] geworfen wurden. Am 18. April 2005 wurde der Unterkörper mit den Beinen gefunden; die weiteren Leichenteile bis auf den rechten Arm des Opfers wurden bis zum 3. Mai 2005 geborgen. An diesem Tag wurde das Opfer anhand seiner Fingerabdrücke identifiziert. 5 Die Angeklagte [X.]hatte keine Vermisstenanzeige erstattet. Sie [X.] am 20. April 2005 auf dem Geschäftscomputer ein Schreiben an die Post-bank gefertigt, in dem sie um Zuteilung neuer PINs für das Geschäftskonto und ihre Privatkonten bat. Im Schlüsselkasten in der Ehewohnung befand sich der Schlüsselbund des Opfers mit Auto-, Wohnungs- und Büroschlüsseln. Bei Durchsuchungen der Wohnung des Opfers, der Büro- und Lagerräume und der Wohnung des Angeklagten [X.] wurden keine Hinweise auf die Tat gefun-den. In den Lagerräumen in der [X.] wurde eine vermutlich dem [X.]. gehörende Sporttasche gefunden, in der sich [X.] be-fanden, desgleichen waren [X.] in der Wohnung des Angeklag-ten [X.] . An der angebrochenen Packung aus der Sporttasche wurden [X.] - 6 - Spuren vom Angeklagten [X.]und von [X.]. gesichert. An der Außenseite des Sackes, in dem der Oberkörper des Opfers verpackt war, befand sich an zwei kurzen Klebestreifen DNA-Material der Angeklagten [X.]. Auffällige Kunststofffasern wurden sowohl an der Verpackung des Unterkörpers des [X.], am Unterkörper selbst, in dessen [X.] und in der Lagerhalle in der [X.] gefunden. Die Angeklagten wurden am 14. Juni 2005 festge-nommen; [X.]. hat sich in die [X.] abgesetzt. Der Angeklagte [X.]bat den Angeklagten [X.] , ihm für den Abend des 17. April 2005 ein falsches Alibi zu geben, wobei er ihm zusicherte, nichts mit der Tat zu tun zu haben. 3. Das [X.] hat zwar gewisse, die Angeklagten [X.]und [X.]belastende Indizien gesehen. Insgesamt hat es fünfzehn Indizien im Einzelnen geprüft. Diese reichten aber nach Ansicht des Tatrichters weder allein noch zu-sammen aus, die Angeklagten der Tat zu überführen, insbesondere habe keine geschlossene Indizienkette festgestellt werden können. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass die Angeklagten im Ermittlungsverfahren unzureichende oder widerlegte Angaben gemacht hätten. Es sei nicht möglich festzustellen, wer das Opfer wo, wann genau und warum getötet habe. Indizien für einen ge-meinsamen [X.] fehlten. Sowohl die Angeklagten [X.]und [X.]als auch [X.]. hätten Motiv und Gelegenheit gehabt, das Opfer allein oder gemeinsam mit anderen zu töten, auch eine Tatbegehung durch Dritte sei nicht [X.]. Da der Täter unbekannt geblieben sei, könne auch zu Lasten des Angeklagten [X.] nicht angenommen werden, dass er versucht habe, zu [X.] [X.]als (Mit-)Täter eines Mordes zu ver-hindern. 7 - 7 - [X.] Die Freisprüche halten sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. 8 1. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei oder sieht er von einer weiterreichenden Verurteilung ab, weil er Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der [X.]. Dieses hat insoweit nur zu beurteilen, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkge-setze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur [X.] erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. [X.], 147; 2004, 238). Aus den Urteilsgründen muss sich auch ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 11; Beweiswürdigung, unzu-reichende 1; [X.], 133; 2002, 48; [X.], 45; 2004, 238). 9 a) Den Urteilsfeststellungen ist nicht zu entnehmen, dass das [X.] im vorliegenden Fall tatsächlich eine Gesamtwürdigung aller Indizien vor-genommen hat. Auf [X.] wird nur als Ergebnis mitgeteilt, dass auch eine Gesamtwürdigung der Indizien nicht zur Überführung der Angeklagten ausrei-che. Inwieweit das [X.] alle oder mehrere Indizien im Zusammenhang gewürdigt hat, wird daraus nicht ersichtlich. Auf [X.] hat das [X.] zwar die Gesamtwürdigung der Indizien als gesonderten Punkt 16 nach der Würdigung von 15 Einzelindizien in die Urteilsgründe eingestellt. Auch hier wird jedoch nur das Ergebnis der Gesamtwürdigung praktisch wortgleich mit den Ausführungen [X.] wiedergegeben, anschließend setzen sich die [X.] - 8 - gründe mit möglichen Motiven der Täter auseinander. Angesichts der Fülle der Indizien und ihrem zum Teil durchaus gewichtigen belastenden Charakter lässt die zusammenfassende [X.]rtung hier nicht erkennen, ob wirklich alle einzelnen belastenden Indizien im Zusammenhang mit den anderen gesehen worden sind. Hinzu kommt, dass das [X.] zahlreichen Indizien wegen möglicher unverfänglicher Erklärungen allein keinen Beweiswert beigemessen hat. Es steht daher zu besorgen, dass es diese Indizien bei der Gesamtwürdigung nicht berücksichtigt hat, obwohl ihnen im Zusammenhang mit anderen belastenden Indizien durchaus ein belastender Beweiswert zukommen kann. b) Es ist weiter zu besorgen, dass das [X.] bei der Beurteilung des [X.] der Gesamtheit der Indizien von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist und zu hohe Anforderungen gestellt hat, indem es zur Über-führung der Angeklagten eine —geschlossene [X.] verlangt hat. Auch Indizien, die einzeln nebeneinander stehen, aber jeweils für sich einen Hinweis auf die Täterschaft des Angeklagten enthalten, können in ihrer Gesamtheit die Überzeugung des Tatrichters von dessen Schuld begründen. 11 c) Die [X.] hat nur eine Täterschaft der Angeklagten [X.] und [X.]geprüft und sich dadurch möglicherweise den Blick dafür verstellt, dass die festgestellten belastenden Indizien unter Zugrundelegung des [X.] jedenfalls Beihilfehandlungen belegen könnten. Eine [X.] wegen Beihilfe kann auch dann erfolgen, wenn der eigentliche Täter unbekannt bleibt. Ausreichend ist, dass die Tat als solche und die [X.] feststehen. Das [X.] hätte sich deshalb auch unter diesem Ge-sichtspunkt mit den festgestellten Indizien auseinandersetzen müssen. 12 d) Auf die von der Revisionsführerin gerügte fehlerhafte bzw. unvollstän-dige Würdigung von Einzelindizien kommt es danach nicht mehr an. 13 - 9 - 2. Der Freispruch des Angeklagten [X.] hat schon deshalb keinen [X.], weil das [X.], worauf die Revisionsführerin zutreffend hingewie-sen hat, die Möglichkeit nicht erörtert hat, dass der Angeklagte einen untaugli-chen Versuch unternommen haben könnte, den Angeklagten [X.]vor Strafe zu bewahren, wenn er bei seiner Aussage die Täterschaft des [X.] oder des-sen Beteiligung an der Tat für möglich hielt und eine Strafvereitelung billigend in Kauf nahm. Das [X.] hat im Übrigen auch im Zusammenhang mit dem Vorwurf der versuchten Strafvereitelung andere Varianten als eine (mit-)täterschaftliche Beteiligung des [X.]an der Tat nicht geprüft. 14 [X.] [X.] ist Ri'inBGH [X.] [X.] wegen [X.]ist wegen Krankheit heit an der [X.]an der Unterschrifts- leistung verhindert. leistung verhindert. [X.]

Meta

2 StR 284/07

29.08.2007

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.08.2007, Az. 2 StR 284/07 (REWIS RS 2007, 2253)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 2253

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen
Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.