Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.07.2008, Az. 2 StR 150/08

2. Strafsenat | REWIS RS 2008, 2656

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 150/08 vom 23. Juli 2008 Nachschlagewerk: ja [X.]St: ja [X.]: ja StPO § 267 Abs. 5 Satz 1 Feststellungen zur Persönlichkeit und zum Werdegang des Angeklagten sind auch bei einem freisprechenden Urteil erforderlich, wenn sie für die Beurteilung des [X.] von Bedeutung sein können. [X.], Urteil vom 23. Juli 2008 - 2 StR 150/08 - [X.] in der Strafsache gegen wegen Mordes - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 23. Juli 2008, an der teilgenommen haben: Vorsitzende [X.]in am [X.] Dr. [X.], [X.] am [X.] [X.], [X.]in am [X.] Roggenbuck, [X.] am [X.] [X.], Prof. Dr. [X.], Staatsanwältin/GL als Vertreterin der [X.], Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 16. November 2007 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Jugendkammer des [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat die Angeklagte vom Vorwurf des Mordes aus niedri-gen Beweggründen in zwei Fällen und der gefährlichen Körperverletzung frei-gesprochen. Die hiergegen von der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision hat mit der Sachrüge Erfolg. 1 I. 1. Die Staatsanwaltschaft hatte der Angeklagten folgende Taten zur Last gelegt: 2 a) In den Morgenstunden des 18. November 1993 habe die zu diesem Zeitpunkt 16 Jahre alte Angeklagte ihrem vierzehn Monate alten [X.], den sie als Einschränkung ihrer gewohnten Le-- 4 - [X.] und damit als Belastung empfunden habe, ein Kissen auf das Gesicht gelegt und solange zugedrückt, bis der Tod des Kleinkindes eingetreten sei. b) Am Nachmittag des 14. November 1996 habe die nunmehr 19 [X.] alte Angeklagte ihren acht Monate alten [X.] , den sie ebenfalls als Belastung empfunden habe, getötet. Sie habe ihm ei-nen Finger derart in den Rachenraum eingeführt, dass es zu einer Unterbrechung der Sauerstoffversorgung und Erbrechen bei dem Kind gekommen sei, welches das Erbrochene noch zusätzlich ein-geatmet habe. c) Am 10. März 1999 habe die nunmehr 21 Jahre alte Angeklagte ih-rem knapp zwei Monate alten [X.]einen Finger dergestalt in den Rachenraum eingeführt, dass es zu einer Unterbrechung der Sauerstoffversorgung und heftigem Erbrechen bei dem Säugling kam. In diesem Fall habe die Angeklagte ihren Entschluss, das Kind zu töten aufgegeben und eine notärztliche Versorgung veranlasst, durch die es gerettet werden konnte. 2. Die Strafkammer hat festgestellt: 3 [X.] der Angeklagten, der am [X.] geborene [X.], wurde im Alter von einem Jahr im Krankenhaus [X.]behandelt, weil er nach Angaben der Angeklagten auf den Kopf gestürzt war, was zu Erbrechen bei dem Kind geführt hatte. Am 18.11.1993 verstarb [X.] im Alter von 14 Mona-ten in der Wohnung, die die Angeklagte zusammen mit ihrer Mutter und ihrer 4 - 5 - Schwester bewohnte. Die von der Angeklagten herbeigerufene Notärztin diag-nostizierte einen plötzlichen Kindstod. Eine Obduktion fand nicht statt. Der zweite [X.] , geboren am 2.3.1996, wurde im Alter von fünf, sechs und acht Monaten stationär in das Krankenhaus [X.]aufgenommen, weil er nach Angaben der Angeklagten nicht mehr geatmet hatte und reanimiert werden musste. Während der Krankenhausaufenthalte war das Kind unauffällig. Die durchgeführten umfangreichen Untersuchungen ergaben Normalbefunde. Am 14.11.1996 kam es zu einem vierten und letzten stationären Aufenthalt, in dessen Verlauf [X.] um 21.30 Uhr nach Beendigung von Reanimationsmaß-nahmen verstarb. Das [X.] enthält die Angabe, dass das Kind um ca. 19.55 Uhr erbrochen und dann nicht mehr geatmet habe. Aus der Anamneseerhebung ergibt sich, dass der Notarzt um 20.16 Uhr in der Wohnung eintraf, das Kind bereits leblos vorfand und aus dem Rachen Erbrochenes ab-saugte. Röntgenaufnahmen des Körpers und des Schädels ergaben keine Hin-weise auf knöcherne Verletzungen. Die auf Veranlassung der Angeklagten durchgeführte Obduktion ergab keine wegweisenden Befunde für eine todesur-sächliche Erkrankung. Die Aspiration von Mageninhalt wurde bestätigt. Es [X.] die [X.] gestellt. 5 Folgende, das am 25.11.1997 geborene Kind [X.], betreffenden [X.] sind nicht Gegenstand der Anklage: [X.] wurde im Alter von drei Wochen und von 2 ½ Monaten jeweils auf Veranlassung der Angeklagten stationär im Krankenhaus [X.]behandelt. Im ersten Fall entdeckte die Angeklagte nach ihren Angaben plötzlich Blut im Mund des Kindes, im zweiten Fall habe sie das Kind [X.] im Gesicht vorgefunden, und die Hände seien rot gewesen. In beiden Fällen verhielt sich das Kind während der Krankenhausaufenthalte, bei denen ein —reduzierterfi bzw. —[X.] festgestellt wurde, [X.] - 6 - fällig. Sämtliche angewandten Untersuchungen ergaben keine Hinweise auf die mögliche Ursache. Das vierte Kind der Angeklagten [X.]

wurde nach einem Nikotinabusus während der Schwangerschaft von 25 Zigaretten pro Tag am 18.1.1999 in der 39. Schwangerschaftswoche geboren. Am 10.3.1999 wurde [X.] als Notfall in die [X.]eingewiesen, weil er nach Angaben der Angeklagten plötzlich geröchelt habe, blass geworden sei und - wenig - bräunliches Sekret und Blut aus dem Mund gekommen sei. Im [X.] wurde ein redu-zierter Allgemeinzustand festgestellt. Das Kind erbrach bräunliches Sekret mit frischem Blut. Im [X.] der Lunge befand sich im rechten [X.] eine Verdichtung, die ausweislich der Krankenakten am ehesten als Folge einer Aspiration - dem Eindringen von Nahrung oder ähnlichem in die [X.] - gedeutet werden könne. 7 Der Angeklagten wurde die elterliche Sorge über [X.] ebenso wie die über [X.] sowie ihre später geborenen Kinder [X.]und [X.]entzogen. Bei keinem der überlebenden Kinder kam es in der Obhut ihrer Pflegeeltern zu le-bensbedrohlichen Vorfällen oder auch nur Zuständen mit Atemnot oder Blutun-gen im Mund- oder Rachenbereich. 8 3. Das [X.] hat sich von der Täterschaft der Angeklagten nicht zu überzeugen vermocht. 9 Zwar spreche die Häufung von Vorfällen, in denen Kinder der Angeklag-ten ohne erkennbare Ursachen in lebensbedrohliche Zustände gekommen [X.] verstorben seien, der Umstand, dass bei den Kindern [X.], [X.] , [X.]und [X.]nach der Inobhutnahme durch Pflegeeltern keine ver-10 - 7 - gleichbaren Ereignisse aufgetreten seien, genetische Ursachen sowie ein [X.] hinsichtlich plötzlichen Kindstodes nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. P. sehr unwahrscheinlich seien, dass die Angeklagte bei allen in Rede stehenden Ereignissen die Möglichkeit der [X.] hatte und dass ihre Angaben in den Fällen des [X.] , der E. und des [X.] aus medizinischer Sicht nicht plausibel seien, in höchstem Maße für die Unfähigkeit der Angeklagten, Kinder vor Schaden zu bewahren und für den Verdacht, sie habe die Vorkommnisse zumindest mit verursacht. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. [X.]. erscheine aller-dings im Fall des [X.] ein natürlicher Tod - auch wegen der nur begrenzt vorliegenden Befunde - noch möglich. In den drei Fällen des [X.] , in denen es zu einer notfallmedizinischen Behandlung, nicht aber zum Tod gekommen sei, komme jeweils ein nicht lebensbedrohliches Ereignis in Frage, welches von der Angeklagten aufgrund ihrer Persönlichkeit und nach der traumatischen Erfah-rung mit ihrem ersten Kind fälschlicherweise als lebensbedrohlich eingestuft worden sei. Auch gebe es nur im Fall des [X.] aus medizinischer Sicht Hin-weise auf den möglichen Ablauf - mechanisches Ersticken mit Fremdeinwirkung -, wobei auch in diesem Fall die Sachverständigen keine Hinweise auf eine konkrete Tathandlung hätten geben können. Die Gesamtschau liefere daher nur hinsichtlich der Unfähigkeit der Angeklagten, ihre Kinder am Leben zu erhalten bzw. vor lebensbedrohlichen Situationen zu schützen, ein klares Bild, nicht [X.] hinsichtlich der Feststellung konkreter Tathergänge und -umstände als Voraussetzung für einen Schuldspruch. [X.] Der Freispruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. 11 - 8 - 1. Die Ausführungen des [X.]s werden schon den Anforderungen nicht gerecht, die gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Ur-teil zu stellen sind. Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss der Tatrichter zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen feststellen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden können. Die Begründung muss so [X.] sein, dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind (st. Rspr., vgl. [X.]St 37, 21, 22; [X.] wistra 2004, 105, 109; NStZ-RR 2008, 206). Dem genügt das ange-fochtene Urteil nicht. 12 Die Urteilsgründe enthalten bereits keine ausreichenden Feststellungen zum Werdegang und zur Persönlichkeit der Angeklagten. Solche Feststellungen sind zwar in erster Linie bei [X.] Erkenntnissen notwendig, um nach-vollziehen zu können, dass der Tatrichter die wesentlichen Anknüpfungstatsa-chen für die Strafzumessung ermittelt und berücksichtigt hat. Aber auch bei freisprechenden Urteilen ist er aus sachlich-rechtlichen Gründen zumindest dann zu solchen Feststellungen verpflichtet, wenn diese für die Beurteilung des [X.] eine Rolle spielen können und deshalb zur Überprüfung des [X.] durch das Revisionsgericht auf Rechtsfehler hin notwendig sind (vgl. [X.] NStZ-RR 2008, 206, 207). So liegt es hier. 13 Die Urteilsgründe teilen zur Person der Angeklagten nur mit, dass sie sechs Kinder von sechs verschiedenen [X.] geboren hat. Dies reicht mit Rücksicht auf die Besonderheiten des Falles nicht aus. Der Angeklagten wird vorgewor-fen, ihre Kleinkinder getötet bzw. verletzt zu haben, weil sie sie als Belastung empfand. Mehrere Sachverständige haben bei der Angeklagten Hinweise auf eine seelische Störung im Sinne eines sog. [X.] - 9 - festgestellt, bei dem es sich um mehr oder weniger reflektierte Tötungsversu-che von [X.] handele, die selbst meistens eine belastete Kindheit gehabt hätten. Bei den Kindern [X.] und [X.]

wurde im Krankenhaus ein —reduzierterfi bzw. —[X.] Allgemein- bzw. Pflegezustand festgestellt. [X.] wurde der Angeklagten mittlerweile die elterliche Sorge für alle vier überle-benden Kinder entzogen. Vor diesem Hintergrund drängte es sich auf, dass der bisherige Lebensweg der Angeklagten, insbesondere mögliche Risikofaktoren in ihrer Entwicklung sowie ihre persönliche und familiäre Lebenssituation zu den jeweiligen [X.], von Bedeutung für den Tatvorwurf sein konnte. Die [X.] war daher gehalten, die entsprechenden Feststellungen zu den persönli-chen Lebensverhältnissen der Angeklagten zu treffen und im Urteil mitzuteilen. 2. Auch die Beweiswürdigung als solche hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das durch das [X.]sgericht in der Regel hinzunehmen. Ein Urteil kann indes keinen Bestand haben, wenn die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft ist. Das ist etwa der Fall, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht berück-sichtigt oder nahe liegende Schlussfolgerungen nicht erörtert, wenn sie wider-sprüchlich oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anfor-derungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. [X.] NJW 2005, 1727; NStZ-RR 2005, 147; 2004, 238 jeweils m.w.[X.]). Dabei ist der Tatrichter gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinander zu setzen, wenn sie geeignet sind, das [X.] zu beeinflussen. Eine Beweiswürdigung, die über schwer wiegende Verdachtsmomente hinweggeht, ist rechtsfehlerhaft ([X.] NStZ 2002, 656, 657; NStZ-RR 2004, 238, 239). Aus den Urteilsgründen muss sich auch ergeben, 14 - 10 - dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. [X.]R StPO § 261 Beweiswürdigung, 2, 11; Beweiswürdigung, unzureichende 1; [X.] NStZ 2002, 48; NStZ-RR 2004, 238, 239). Diesen Anforderungen genügt das ange-fochtene Urteil in mehrfacher Hinsicht nicht. a) Im Fall des Todes des Kindes [X.] begegnet die Würdigung einzelner Beweisergebnisse sowie die notwendige Gesamtschau der erhobe-nen Beweise rechtlichen Bedenken. 15 [X.]. , von dem nicht mitgeteilt wird, in welchem Verhältnis er zur Angeklagten und deren Kindern stand, hat in der Hauptverhandlung angege-ben, die Angeklagte habe ihm in der Nacht nach dem Tode des [X.] unter Tränen gesagt, sie habe den [X.] mit einem Kissen erstickt, er könne sich an den Wortlaut der Äußerung erinnern. Auf Vorhalt hat der Zeuge [X.]. seine polizeilichen Vernehmungen bestätigt, wonach die Angeklagte ihm gesagt habe, sie habe dem [X.] ein Kissen auf das Gesicht gelegt. Die Kammer sieht hierin durchgreifende —innere [X.] Sie erörtert dabei nicht die sich aufdrängende Möglichkeit, ob der Zeuge [X.]. subjektiv das Legen eines Kissens auf das Gesicht eines Säuglings, das auch nach laienhaftem [X.] zwangsläufig zu einem Unterbrechen oder zumindest zu einer Einschrän-kung der Luftzufuhr führt, mit dessen Ersticken gleich setzte. Zu dieser Erwä-gung bestand auch deshalb Anlass, weil der Zeuge sich ausweislich seiner poli-zeilichen Vernehmungen - deren Richtigkeit von ihm in der Hauptverhandlung auch insoweit bestätigt wurde - nach dem Gespräch mit der Angeklagten sicher war, dass diese mit dem Tode des [X.] etwas zu tun hatte. - 11 - Des Weiteren hat das [X.] in seine Würdigung der Aussage des Zeugen [X.]. nicht eingestellt, dass der von ihm geschilderte Geschehensab-lauf objektiv geeignet war, das Fehlen medizinischer Verletzungsbefunde bei [X.] zu erklären. Denn nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Dr. D. war ein Ersticken durch weiche Bedeckung spurenlos möglich, ohne dass es Hinweise auf eindeutige Verletzungsmuster gab. Dies konnte Rückschlüsse auf die Glaubhaftigkeit des Zeugen [X.]. und den Wahrheitsgehalt der - angeblichen - Selbstbezichtigung der Angeklagten zulassen, zumal auch der [X.]bei seiner polizeilichen Vernehmung ausgesagt hatte, die Angeklagte habe ihm erzählt, sie habe ein Kissen auf das Gesicht des Kindes gedrückt und dann so lange gewartet, bis das Kind leblos dagelegen habe. 16 Darüber hinaus ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, dass das [X.] in diesem Fall tatsächlich die erforderliche Gesamtwürdigung aller Indizien vorgenommen hat. Auf [X.] wird lediglich floskelhaft das (Teil-)Ergebnis mitgeteilt, dass —auch eine Gesamtschau der sonstigen zu [X.] und erhobenen Beweismittel – die Über-zeugung der Kammer von der vorwerfbaren Verursachung des Todes durch die Angeklagte nicht zu [X.] vermag. Inwieweit das [X.] alle oder mehrere Indizien im Zusammenhang gewürdigt hat, wird daraus nicht ersicht-lich. Vielmehr lassen einzelne Formulierungen besorgen, dass die Kammer die betreffenden Beweisanzeichen nur isoliert bewertet und nicht in die erforderli-che Gesamtwürdigung eingestellt hat. Dies gilt etwa für Erwägungen wie, es sei —schon nicht möglich, mittels [X.] auch nur eine [X.] Todesursache nachzuweisenfi, die Widersprüche zwischen den verschie-denen Einlassungen der Angeklagten und den Angaben ihrer Mutter ließen —nicht den sicheren Schluss zu, die Angeklagte habe zuvor in vorwerfbarer [X.] auf das Kind eingewirktfi sowie, wenn die Angeklagte dem Zeugen [X.]. 17 - 12 - unter Tränen gesagt habe, sie habe den [X.] mit einem Kissen erstickt, —läge mit einer solchen Äußerung ein Indiz für die Täterschaft der Angeklagten vor, das jedoch allein noch nicht zur Überzeugungsbildung der Kammer aus-reichtefi. Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich alleine zum Nachweis der [X.] ausreichen würde, besteht aber die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtheit sowie mit den nachfolgenden Geschehnissen dem [X.] die entsprechende Überzeugung vermitteln können (vgl. [X.] NStZ-RR 2000, 45). Dies hat das [X.] unberücksichtigt gelassen. b) Im Todesfall des Kindes [X.] hat das [X.] zwar erörtert, dass die Angeklagte im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung zwei von-einander abweichende Darstellungen der Auffindesituation des Kindes, der an-wesenden Personen, ihrer Wahrnehmungen und ihres Verhaltens abgegeben hat. Es hat aber gemeint, die Angeklagte habe diese Widersprüche in der Hauptverhandlung —unwiderlegbar dadurch erklärtfi, dass sie sich in ihrer polizei-lichen Vernehmung wohl fälschlich an eines der nichttödlichen Ereignisse bei [X.] erinnert habe. 18 Diese Erwägung erscheint bereits angesichts der Einprägsamkeit des [X.] des eigenen Kindes als nicht bedenkenfrei. Außerdem widerspricht sie den Ausführungen in der Gesamtwürdigung des [X.]s, wo die Angaben der Angeklagten zu den einzelnen Vorfällen pauschal als —aus medizinischer Sicht nicht plausibelfi bezeichnet werden. Durch eine mit medizinischen Er-kenntnissen nicht vereinbare Aussage können Widersprüche mit anderen An-gaben nicht —unwiderlegbarfi erklärt werden. Darüber hinaus hat die Kammer dabei nicht in die Beweiswürdigung einbezo-gen, dass die Angeklagte sich auch bei der Einlieferung des Kindes ins [X.] in einer mit ihren verschiedenen Angaben im Strafverfahren unverein- - 13 - baren Weise zum Geschehensablauf geäußert hat. Dieser Umstand war mit einem —Verwechselnfi der Vorfälle nicht mehr erklärbar. Zu einer Erörterung musste sich die Kammer auch deshalb veranlasst sehen, weil es sich um die zeitlich früheste Darstellung der Ereignisse durch die Angeklagte noch vor dem Ableben des Kindes handelte, die zudem nach dem Gutachten des Sachver-ständigen Prof. Dr. [X.]. ebenfalls mit medizinisch bekannten Abläufen kaum in Deckung zu bringen war. c) Das [X.] erörtert rechtsfehlerhaft nicht, inwieweit die einzelnen Befunde bei dem Kind [X.] aus sachverständiger Sicht für einen mechani-schen Erstickungsvorgang sprechen konnten. Dies drängte sich aber ange-sichts der Parallelen zu den Fällen [X.] und [X.] auf und konnte gegebenenfalls Rückschlüsse auf die angeklagten Tatvorwürfe zulassen. 19 d) Die Ausführungen des [X.]s zum fehlenden Motiv der Ange-klagten sind ebenfalls lückenhaft. Das [X.] hat gemeint, dass die der Anklage zugrunde liegende Annahme, die Angeklagte habe die Taten began-gen, weil die Kinder für sie eine Last darstellten, die ihrem ungehemmten [X.] entgegenstand, in der Beweisaufnahme keine Stütze gefunden habe. Es hat dabei aber tatsächlich vorhandene Anhaltspunkte, die in die ent-gegengesetzte Richtung weisen, unbeachtet gelassen und nicht gewürdigt. Die Kammer hat zwar erörtert, dass aus den Angaben der Zeugin [X.]und des Zeugen K. eine gewisse Vernachlässigung der Kinder entnommen werden könnte. Sie hat jedoch erkennbar nicht in die Beweiswürdigung [X.], dass zumindest in den Fällen der Kinder E. und [X.] aus den [X.], in denen ein reduzierter Pflege- bzw. Allgemeinzustand dokumentiert ist, auch deutliche objektive Hinweise auf eine Vernachlässigung der Kinder zu entnehmen waren. 20 - 14 - e) Schließlich lassen die Ausführungen des [X.]s, fehlende [X.] Anhaltspunkte für Handlungen oder Unterlassungen der Angeklagten, die jeweils zum Tod beziehungsweise zum Eintritt lebensbedrohlicher Situationen bei diesen Kindern führten, könnten "im Rahmen einer Feststellung strafbaren Verhaltens nicht durch bloße Rückschlüsse aus der Gesamtheit der Ereignisse ersetzt werden" ([X.]), besorgen, das [X.] habe es für unzulässig gehalten, aus objektiven und zumindest mittelbar relevanten Indizien auf die Täterschaft der Angeklagten zu schließen. Dann würde das [X.] in die Gesamtwürdigung einzustellende Indizien außer Betracht lassen und an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugung zu hohe Anforderungen stellen. 21 f) Im Übrigen wird hinsichtlich der weiteren Beanstandungen der [X.] auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des [X.] hingewiesen. 22 g) Der Senat hat von § 354 Abs. 2 StPO Gebrauch gemacht und die Sa-che an eine Jugendkammer des [X.] zurückverwiesen. 23 [X.] [X.] Roggenbuck [X.] [X.]

Meta

2 StR 150/08

23.07.2008

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.07.2008, Az. 2 StR 150/08 (REWIS RS 2008, 2656)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 2656

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 170/12 (Bundesgerichtshof)


3 StR 159/08 (Bundesgerichtshof)


4 StR 170/12 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Anforderungen an die Gründe eines freisprechenden Urteils


5 StR 565/10 (Bundesgerichtshof)

Rücktritt vom gemeinschaftlichen Versuch des Totschlags durch Unterlassen: Sinnlose Rettungsbemühungen nach einem Todeseintritt durch ein …


2 StR 138/22 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.