Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.06.2007, Az. XI ZR 201/06

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 3233

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[X.] BESCHLUSS [X.] ZR 201/06 vom 26. Juni 2007 in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] und [X.] [X.], [X.], Prof. Dr. [X.] und [X.] am 26. Juni 2007 beschlossen: Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 11. Mai 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht [X.]. Gegenstandswert: 935.094,55 •
Gründe: [X.] Die Klägerin nimmt den Beklagten aus abgetretenem Recht der [X.]

(im Folgenden: [X.]) aus einer Bürg-schaft in Anspruch. 1 - 3 - Die P.

GmbH, deren Gesellschafter-Geschäftsführer der Beklagte ist, und die inzwischen insolvente E.

GmbH, deren Gesellschafter-Geschäftsführer der [X.] des Beklagten ist, waren Gesellschafter der E.

-P. GbR (im Folgenden: Hauptschuldnerin). Die [X.] gewährte der Haupt-schuldnerin im Mai 1998 für den Erwerb und die Errichtung einer Eigen-tumswohnungsanlage zunächst einen Vorfinanzierungskredit über 7 Mio. DM, der im weiteren Verlauf zunächst reduziert und sodann am 17. August 2000 wieder auf 5,37 Mio. DM erhöht und bis zum 31. Mai 2001 prolongiert wurde. Zugleich übernahm der Beklagte - wie auch sein Streithelfer - gegenüber der [X.] zur Sicherung dieser Kreditzusage und unter formularmäßiger Abbedingung des § 769 BGB eine selbstschuldne-rische Bürgschaft über 5,41 Mio. DM. 2 Nachdem die [X.] das Darlehen am 29. Mai/11. Juni 2001 erneut um ein Jahr prolongiert hatte, geriet die E.

GmbH in eine finanzielle Schieflage, weshalb die [X.] im Februar 2002 für eine Liquiditätshilfe die Einbringung weiteren Eigenkapitals und die Stellung weiterer Sicherheiten forderte. Am 20. März 2002 kündigte die [X.] ge-genüber der Hauptschuldnerin unter Hinweis auf die unterbliebene Nach-besicherung und die Verschlechterung der Vermögensverhältnisse die Geschäftsverbindung mit sofortiger Wirkung. Mit Schreiben vom 3. April 2002 teilte der Beklagte der [X.] mit, "das Darlehen/Bürgschaftskonto (werde) in den nächsten zwei bis drei Jahren zu 100% getilgt". Am 8. [X.] 2002 zahlte er auf die Bürgschaft 100.000 •. Wenig später trat die [X.] ihre Forderungen gegen die Hauptschuldnerin und die beiden Bürg-schaften an die Klägerin ab. 3 - 4 - In der Folgezeit kam es zwischen der Klägerin und dem Streithel-fer des Beklagten zu einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit der [X.], der am 20. Oktober 2004 durch Abschluss einer sog. Global-vereinbarung beigelegt wurde. An der Globalvereinbarung war außer der Klägerin und dem Streithelfer noch eine dritte Person beteiligt. In die Vereinbarung wurden u.a. die Kreditforderungen der Klägerin gegen den Streithelfer und den [X.] sowie gegen Unternehmen, an denen beide beteiligt waren, einbezogen, außerdem auch Schadensersatzforderungen des Streithelfers und des [X.] gegen die Klägerin. Nach der Global-vereinbarung sollte die Klägerin verschiedene Zahlungen u.a. aus der Verwertung von Sicherheiten erhalten. Ferner enthielt die Vereinbarung folgende Regelungen: 4 "6. Die [X.]erklärt gegenüber [X.]nach Vollzug der – Vereinbarungen einen Einforderungsverzicht hinsichtlich der die oben genannten Beträge über-steigenden Kreditforderungen der [X.]nebst persönlicher von [X.] ge-stellter Sicherheiten (persönliche Bürgschaften) gegenüber [X.]. Hiervon ausgenommen sind von einem Unternehmen der sog. [X.]-Gruppe bestellten Sicherheiten respektive bestellter Drittsicherheiten. – 9. Mit Erfüllung dieser Globalvereinbarung sind alle gegenwärtigen Ansprüche und Forderungen zwischen den Parteien erledigt und vollständig abgegolten. 10. Die Parteien verpflichten sich, über den Inhalt der Vergleichsgespräche und über den Inhalt dieser Globalvereinbarung stillschweigen zu bewahren."
Nach der Abrechnung der Klägerin beträgt die [X.] noch 935.094,55 • nebst Zinsen. Insoweit nimmt die Klägerin den Beklagten aus der Bürgschaft in Anspruch. 5 Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das [X.] hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet: Es könne offen blei-ben, ob die Kündigung des Darlehensvertrages und die Abtretung des Rückzahlungsanspruchs an die Klägerin wirksam seien. Vielmehr sei be-6 - 5 - reits davon auszugehen, dass die Hauptforderung weitgehend, wenn nicht gar vollständig dadurch erloschen sei, dass der Streithelfer des [X.] Leistungen an die Klägerin erbracht habe, die zum Erlöschen der Hauptforderung geführt hätten. Zwar sei der Beklagte für die Erfüllung der Hauptschuld an sich beweispflichtig. Er könne jedoch nicht wissen, ob und in welchem Umfang die Klägerin Leistungen aufgrund der Global-vereinbarung erlangt habe. Daher treffe die Klägerin hinsichtlich des [X.] ihres fortbestehenden Hauptanspruchs eine sekundäre Behaup-tungslast, der sie nicht genügt habe.
I[X.] Das angefochtene Urteil ist gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen mündlichen Verhandlung und Entschei-dung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. 7 1. Das angegriffene Urteil verletzt den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG. 8 a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwä-gung zu ziehen ([X.] 60, 247, 249; 65, 293, 295 f.; 70, 288, 293; 83, 24, 35; [X.] NJW-RR 2001, 1006, 1007). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt dabei eine gewisse Evidenz der Gehörsverletzung [X.], das heißt, im Einzelfall müssen besondere Umstände vorliegen, die deutlich ergeben, dass das Vorbringen der Beteiligten entweder über-haupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung [X.] - 6 - lich nicht erwogen worden ist ([X.] 22, 267, 274; 79, 51, 61; 86, 133, 146; 96, 205, 216 f.; [X.] NJW 2000, 131). Eine dem verfas-sungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt außerdem voraus, dass der Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Es kommt deshalb im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags gleich, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte ([X.] 84, 188, 190; 86, 133, 144; 98, 218, 263).
b) Nach diesen Maßstäben ist Art. 103 Abs. 1 GG hier verletzt. Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom 17. Januar 2006 der Kläge-rin und dem Streithelfer des Beklagten aufgegeben, darzulegen, ob die Globalvereinbarung vom 20. Oktober 2004 vollzogen und der "Einforde-rungsverzicht" gemäß Nr. 6 wirksam geworden sei. Zugleich hat es die Parteien darauf hingewiesen, dass es von einer umfassenden Entlastung des Streithelfers gegenüber der Klägerin ausgehe, die auch Rechtswir-kungen zu Gunsten des Beklagten habe, weil ansonsten der Streithelfer des Beklagten dessen Rückgriffsanspruch ausgesetzt sei. Auf diesen Hinweis hat die Klägerin u.a. mit Schriftsätzen vom 3. Februar und 13. April 2006 mitgeteilt, dass die Globalvereinbarung nicht "vollständig" vollzogen sei, und unter Beweisantritt behauptet, den Streithelfer mit Schreiben vom 14. Februar 2006 zur Umsetzung der Regelung zu Ziff. 2 der Globalvereinbarung betreffend die freihändige Verwertung bestimm-ter Immobilien aufgefordert und im Falle der Nichterfüllung die [X.] angedroht zu haben. Der Streithelfer des 10 - 7 - Beklagten hat mit [X.] vom 19. April 2006 eingeräumt, dass die Globalvereinbarung noch nicht vollständig vollzogen worden sei. Der [X.] hat sich hierzu nicht geäußert. 11 Ohne nähere Begründung und ohne tragfähige Grundlage im Sachvortrag der Parteien hat das Berufungsgericht aus dem Umstand, dass die Globalvereinbarung jedenfalls in Teilen vollzogen sei, geschlos-sen, dass die Klägerin Leistungen empfangen habe, die zu einer ent-sprechenden Reduzierung des offenen Restsaldos der Hauptverbindlich-keit geführt hätten. Hierbei hat das Berufungsgericht - entgegen seinen eigenen Feststellungen - jedoch zum einen übergangen, dass solche Zahlungen weder der Beklagte noch sein Streithelfer substantiiert vorge-tragen haben und die Klägerin dies sogar ausdrücklich bestritten hat. Zum anderen hat das Berufungsgericht hiermit seinen im [X.] vom 17. Januar 2006 dargelegten rechtlichen Ausgangspunkt eines Vertrags zu Gunsten Dritter verlassen und die Klageabweisung mit der - zudem rein spekulativen - Erfüllung der [X.]. Hiermit musste die Klägerin nach dem bisherigen Prozessver-lauf ohne vorherigen Hinweis nicht rechnen, zumal sie eine auch nur teilweise Erfüllung des Restsaldos stets bestritten hatte. 2. Die Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs durch das Berufungsgericht ist auch entscheidungs-erheblich. Da das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft von Leistungen auf die [X.] ausgegangen ist, fehlt für deren Erlöschen eine tragfähige Grundlage. 12 - 8 - Die übrigen Voraussetzungen des geltend gemachten Bürg-schaftsanspruchs sind von der Klägerin schlüssig vorgetragen worden. 13 14 a) Bedenken gegen die Wirksamkeit der Abtretung der Darlehens-forderung und der Bürgschaft bestehen nicht (vgl. Senatsurteil vom 27. Februar 2007 - [X.] ZR 195/05, [X.], 643, 644 ff., für [X.]). b) Die Hauptforderung ist entstanden und der Höhe nach unstrei-tig. Zur Fälligkeit hat die Klägerin unter Beweisantritt vorgetragen, dass ein wichtiger Grund zur Kündigung des Darlehens wegen der [X.] infolge der fehlenden Deckung der Darlehens-restforderung nach Verkauf aller Wohneinheiten des Bauprojekts und der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse eines Gesellschafters der Hauptschuldnerin vorgelegen habe. Abgesehen davon ist der Darlehens-vertrag nur bis zum 30. Mai 2002 prolongiert worden. 15 c) Ein Erlöschen der Darlehensrestforderung durch Zahlung (§ 362 BGB) hat der nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung darlegungs- und beweispflichtige Beklagte (vgl. [X.], Urteile vom 18. Mai 1995 - [X.], [X.], 1229, 1230 und vom 7. Dezember 1995 - [X.], [X.], 192) weder substantiiert behauptet noch unter Beweis gestellt. Dass der Beklagte über etwaige Zahlungen seines Streithelfers keine eigene Kenntnis hat, führt - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - allein noch nicht zu einer sekundären Darle-gungslast der Klägerin. Dies kann nur ausnahmsweise bei Vorliegen [X.] Umstände der Fall sein, die das Berufungsgericht aber nicht festgestellt hat. 16 - 9 - 17 d) Ein Erlöschen der Darlehensrestforderung durch einen in der Globalvereinbarung enthaltenen Erlassvertrag (§ 397 BGB) zu Gunsten der Hauptschuldnerin oder zu Gunsten des Beklagten als Bürgen schei-det aus, weil ein Erlassvertrag zu Gunsten Dritter im Hinblick auf dessen Verfügungscharakter nicht zulässig ist (vgl. [X.]Z 41, 95 f.; 126, 261, 266). e) Der sog. Einforderungsverzicht in Ziff. 6 Abs. 1 der Globalver-einbarung könnte zwar auch als ein unbefristetes Stillhalteabkommen ausgelegt werden, das als Verpflichtungsgeschäft zu Gunsten Dritter keinen rechtlichen Bedenken unterliegen würde. Eine solche Verpflich-tung enthält die Globalvereinbarung jedoch nicht. In Ziff. 6 Abs. 2 ist die Geltendmachung von Drittsicherheiten ausdrücklich ausgenommen [X.]. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Globalver-einbarung das [X.] des Beklagten gegen-über der Klägerin abschließend regeln sollte, dieser aber im Falle einer Inanspruchnahme des Beklagten durch die Klägerin dessen Rückgriffs-anspruch ausgesetzt sein könnte. Ob dies der Fall ist, richtet sich allein nach den zwischen dem Beklagten und dessen Streithelfer getroffenen Vereinbarungen bzw. den für dieses Rechtsverhältnis maßgeblichen Vorschriften. Die in Ziff. 6 Abs. 2 der Globalvereinbarung getroffene Re-gelung legt es nahe, dass auch das Recht des Beklagten, bei dem Streithelfer Rückgriff zu nehmen, nicht berührt werden sollte. Aufgrund dessen würde dem Beklagten gegen die Klägerin auch keine Einwen-dung aus § 776 BGB zustehen. 18 - 10 - 3. Das angefochtene Urteil war danach gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. 19 [X.] [X.] Ellenberger [X.]

Grüneberg Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 05.07.2005 - 6 O 244/04 - [X.], Entscheidung vom 11.05.2006 - 5 U 1140/05 -

Meta

XI ZR 201/06

26.06.2007

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.06.2007, Az. XI ZR 201/06 (REWIS RS 2007, 3233)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 3233

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