Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.04.2024, Az. 5 StR 444/23

5. Strafsenat | REWIS RS 2024, 2062

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Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 11. Mai 2023 im Strafausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Entscheidungsgründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Verbringen einer verbotenen Waffe zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die mit der Sachrüge geführte, vom [X.] vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie den Angeklagten begünstigende Fehler bei der Strafzumessung geltend macht. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s brachte der Angeklagte am 20. November 2022 als Beifahrer eines Pkw annähernd drei Kilogramm [X.] mit 286,26 Gramm [X.], verpackt in fünf Vakuumbeuteln in seinem Koffer und Rucksack, von [X.] nach [X.], um dieses gewinnbringend an Abnehmer im Raum [X.]      zu verkaufen. In seiner Hosentasche führte er hierbei griffbereit ein Faustmesser mit einer Klingenlänge von etwa fünf und einer Gesamtlänge von etwa 10,5 Zentimetern mit sich. Dass es sich um eine verbotene Waffe handelte, nahm er zumindest billigend in Kauf, ebenso einen Wirkstoffgehalt des [X.] deutlich über dem Grenzwert der nicht geringen Menge. Das Messer und die Betäubungsmittel wurden bei einer verdachtsunabhängigen Kontrolle [X.] Ermittlungsbehörden gefunden und sichergestellt. Der Angeklagte wollte sich durch den gewinnbringenden Handel mit Amphetamin eine Einnahmequelle von erheblicher Dauer und erheblichem Umfang verschaffen und hierdurch zumindest teilweise seinen Lebensunterhalt bestreiten, namentlich Schulden aus der Finanzierung seines Hauses in [X.] tilgen.

3

2. Das [X.] hat die Tat rechtlich als bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Verbringen einer verbotenen Waffe gewertet (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, § 52 Abs. 3 Nr. 1 [X.] 2 Abschnitt 1 Nr. 1.4.2, Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 2.1.3 [X.]) und die Strafe dem Strafrahmen des minder schweren Falls des § 30a Abs. 3 BtMG entnommen, wobei es zugunsten berücksichtigt hat, dass es sich „bei Amphetamin um eine ‚weiche Droge‘“ handele. Hinsichtlich der Strafrahmenuntergrenze hat es eine Sperrwirkung des § 29a Abs. 1 BtMG angenommen. Bei der konkreten Strafzumessung hat es dem Angeklagten [X.] die annähernd sechs Monate dauernde Untersuchungshaft und den Verzicht auf die Rückgabe der sichergestellten Betäubungsmittel und des Faustmessers zugutegehalten.

II.

4

Die Revision der Staatsanwaltschaft ist – entgegen des umfassenden, auf Aufhebung des Urteils samt den zugrundeliegenden Feststellungen gerichteten Antrags – ausweislich ihrer Begründung wirksam auf den Strafausspruch beschränkt (vgl. [X.], Urteil vom 14. April 2022 – 5 StR 313/21, NStZ-RR 2022, 201). Sie hat Erfolg.

5

1. Die Strafzumessung weist – auch eingedenk des eingeschränkten revisionsgerichtlichen [X.] (vgl. nur [X.], Urteil vom 24. April 2021 – 5 StR 545/20 mwN) – durchgreifende Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten auf.

6

a) Das [X.] hat bei der [X.] schon übersehen, dass auch § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG eine Sperrwirkung entfalten könnte ([X.], Beschluss vom 23. August 2022 – 1 [X.] Rn. 3). Zudem erweist sich die Einordnung des [X.] als „weiche Droge“ und die darauf fußende strafmildernde Berücksichtigung dieses Umstandes als rechtsfehlerhaft, da Amphetamin ein Betäubungsmittel von mittlerer Gefährlichkeit ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 26. Juli 2022 – 3 [X.]; vom 19. Mai 2022 – 1 StR 83/22 mwN). Der [X.] kann nicht ausschließen, dass eine zutreffende Einordnung der Gefährlichkeit durch das [X.] zu einem anderen Ergebnis bei der [X.] geführt hätte.

7

b) Auch die Strafzumessung im engeren Sinne weist den Angeklagten begünstigende Rechtsfehler auf. Zu Unrecht hat das [X.] strafmildernd gewertet, dass der Angeklagte freiwillig auf die Rückgabe sichergestellter Betäubungsmittel und des mitgeführten Faustmessers verzichtet hat. Der Verzicht auf Gegenstände, die der Angeklagte ohnehin nicht behalten darf – wie hier die verbotene Waffe (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) und die Betäubungsmittel (vgl. [X.], Urteil vom 28. September 2022 – 2 [X.], [X.], 340) –, rechtfertigt eine Strafmilderung nicht. Weiterhin hat das [X.] rechtsfehlerhaft die Verbüßung von Untersuchungshaft in dieser Sache als bestimmenden Strafmilderungsgrund angesehen, ohne dass es über die üblichen Beschwernisse einer Untersuchungshaft hinausgehende Belastungen konkret festgestellt hätte. Der – auch erstmalige – Vollzug von Untersuchungshaft ist für sich genommen für die Strafzumessung ohne Bedeutung, weil diese nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird (vgl. [X.], Urteile vom 2. März 2023 – 4 StR 298/22 Rn. 28; vom 28. September 2022 – 2 [X.], [X.], 340).

8

c) Auf den [X.] beruht der Strafausspruch (§ 337 Abs. 1 StPO). Der [X.] kann nicht ausschließen, dass die [X.] ohne die aufgezeigten Rechtsfehler eine höhere Strafe verhängt hätte.

9

2. Die auf die Revision der Staatsanwaltschaft veranlasste Überprüfung des Urteils hat im [X.] keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt (§ 301 StPO). Insbesondere ist das [X.] bei der Bestimmung des Schuldumfangs rechtsfehlerfrei von der vom Angeklagten ausdrücklich eingeräumten Gesamtmenge des sichergestellten [X.] ausgegangen. Es hat sich auf tragfähiger Grundlage davon überzeugt, dass dieses sämtlich dem gewinnbringenden Handel diente. Die Einlassung des Angeklagten, die Gesamtmenge habe dem sukzessiven Eigenkonsum gedient, hat das [X.] nicht geglaubt. Soweit es unzutreffend eine Überschreitung des Grenzwertes der nicht geringen Menge um „mehr als das 28-fache“ angenommen hat, statt – rechnerisch richtig – nur um das knapp 28-fache, kann der [X.] ausschließen, dass das Urteil auf dieser geringfügigen Rechenungenauigkeit beruht.

[X.]     

      

[X.]     

      

Köhler

      

Resch     

      

[X.]     

      

Meta

5 StR 444/23

10.04.2024

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Görlitz, 11. Mai 2023, Az: 2 KLs 400 Js 32790/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.04.2024, Az. 5 StR 444/23 (REWIS RS 2024, 2062)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 2062

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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