Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2016, Az. 4 StR 252/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2016, 17560

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:190116B4STR252.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 252/15

vom
19. Januar
2016
in der Strafsache
gegen

wegen bewaffneten
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.]s hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19.
Januar
2016
ge-mäß §
349 Abs.
2
StPO beschlossen:

1.
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 19.
Februar 2015 wird verworfen.
2.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Verfall von [X.] angeordnet.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit einer Verfahrensbeanstandung und der Sachrüge. Das Rechtsmittel
ist unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
1.
Eine das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren (Art.
2 Abs.
1 i.V.m. Art.
20 Abs.
3 GG, Art.
6 Abs.
1 [X.]) verletzende
Tatprovokation liegt nicht vor.
a)
Der [X.] nimmt eine Verletzung von Art.
6 Abs.
1 [X.] aufgrund polizeilicher Tatprovokation an, wenn eine unverdächtige und zu-1
2
3
-
3
-
nächst nicht tatgeneigte Person durch eine von einem Amtsträger geführte [X.] in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verlei-tet wird und dies zu einem Strafverfahren führt (vgl. [X.], Urteil vom 10.
Juni 2015

2
StR
97/14, [X.], 52, 54
f., Rn.
24; Beschluss vom 19.
Mai 2015

1
StR
128/15, [X.], 541, 544,
Rn.
24
f.; Urteil vom 30.
Mai 2001

1
StR 42/01, [X.]St 47, 44, 47; Urteil vom 18.
November 1999

1
StR
221/99, [X.]St 45, 321, 335).
Ein in diesem Sinne tatprovozierendes Verhalten
ist gegeben, wenn eine polizeiliche Vertrauensperson in Richtung auf das We-cken der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen, soweit die Einwirkung im unvertret-

ist (vgl. [X.], Urteil vom 10.
Juni 2015

2
StR
97/14, [X.], 52, 54
f., Rn.
24; Beschluss vom 19.
Mai 2015

1
StR
128/15, [X.], 541,
544,
Rn.
24
f., Urteil vom 11.
Dezember 2013

5
StR
240/13, [X.], 277, 279
Rn.
34
[X.]).
Spricht eine polizeiliche Vertrauensperson eine betroffene Person lediglich ohne sonstige Einwirkung darauf an, ob diese Be-täubungsmittel beschaffen könne, handelt es sich nicht um eine Tatprovokation. Ebenso fehlt es an einer Provokation, wenn die Vertrauensperson nur die offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung oder Fortsetzung von Straftaten aus-nutzt ([X.], Beschluss vom 19.
Mai 2015

1
StR
128/15, [X.], 541,
544,
Rn.
24
f., Urteil vom 30. Mai 2001

1
StR
42/01, [X.]St 47, 44, 47; Urteil vom 18.
November 1999

1
StR
221/99, [X.]St 45, 321, 338). In der Judikatur des [X.]es sind die Kriterien, die der [X.] an eine Art.
6 Abs.
1 [X.] verletzende Tatprovokation stellt, berücksichtigt (vgl. [X.], Beschluss vom 19.
Mai 2015

1
StR
128/15, [X.], 541, 544, Rn.
29). Danach liegt eine Art.
6 Abs.
1 [X.] verletzende
polizeiliche Provokation vor, wenn sich die [X.] nicht mehr auf -
4
-

Gerichtshof
prüft dabei, ob es objektive Anhaltspunkte für den Verdacht gab, dass der Täter an kriminellen Aktivitäten beteiligt oder tatgeneigt war. Dabei können nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die erwiesene Vertrautheit mit aktuellen Preisen von Betäubungsmitteln, die Fähigkeit zu deren kurzfristiger [X.] und eine Gewinnbeteiligung des Täters von Bedeutung sein (vgl. [X.], Urteil vom 23.
Oktober 2014

54648/09,
[X.], 412, 414,
Rn.
49
ff. [X.]). Bei der Differenzierung zwischen einer rechtmäßigen Infiltrierung durch eine [X.] und der (konventionswidrigen) Provokation einer Straftat
be-fasst sich der Gerichtshof mit der Frage, ob Druck ausgeübt wurde, die Straftat zu begehen. Dabei hat der Gerichtshof unter anderem darauf abgestellt, ob die [X.] von sich aus Kontakt zu dem Täter aufgenommen, ihr Ange-bot trotz anfänglicher Ablehnung erneuert oder den Täter mit den Marktwert übersteigenden Preisen geködert hat
(vgl. [X.], Urteil vom 23.
Oktober 2014

54648/09, [X.], 412, 414,
Rn.
52
[X.]).
b)
Daran gemessen
hielt sich der Einsatz der polizeilichen [X.] in den durch den Grundsatz des fairen Verfahrens und das Rechts-staatsprinzip gezogenen Grenzen.
Denn nach den Feststellungen bestand im Zeitpunkt des ersten Ein-satzes der Vertrauensperson der Polizei aufgrund von Hinweisen aus der
[X.] der Verdacht, dass der Angeklagte in der von ihm mitbetriebenen Gaststätte Betäubungsmittel verkauft. Beim zweiten Treffen kamen der Ange-klagte und die Vertrauensperson über das Thema Betäubungsmittel ins [X.]. Dabei fragte der Angeklagte, ob die Vertrauensperson ihm eine Koka-inprobe besorgen könne. Als die Vertrauensperson verneinte, rief dies das Misstrauen des Angeklagten hervor.
Nachdem
die Vertrauensperson bei einem 4
5
-
5
-
weiteren Treffen bei dem Angeklagten angefragt
hatte, ob nicht er etwas besor-gen könn
r-trauensperson hin zu, in einer Woche abzuklären, ob er Amphetamin in größe-ren Mengen besorgen könne. Er nahm hierauf
Kontakt zu dem gesondert ver-folgten P.

auf, bei dem er in der Vergangenheit Amphetamin gekauft hatte
und entfaltete in der Folge eine erhebliche Eigeninitiative,
um das angestoßene Geschäft zum Abschluss zu bringen (Ankauf und Weitergabe von 100
Gramm Amphetamin als von der Vertrauensperson zunächst erbetene Probe, [X.] weiterer fünf
Kilogramm Amphetamin von P.

). Auch nahm er auf die
Ausgestaltung des Geschäftes einen bestimmenden Einfluss (Festlegung
der Verkaufsmenge auf einmal fünf
Kilogramm statt zweier Geschäfte über jeweils zweieinhalb Kilogramm).
Zudem
gab der Angeklagte vor, bei [X.],

Mit Rücksicht auf
die bestehende Verdachtslage
beim Erstkontakt, der von dem Angeklagten ausgehenden Anfrage nach dem noch gefährlicheren Betäubungsmittel Kokain und der bei ihm durchgehend handlungsleitenden Gewinnorientierung kommt den weiteren Beiträgen der Vertrauensperson der der Vertrauensperson war ersichtlich nicht auf das Geschäft als solches, son-dern lediglich auf dessen beschleunigte Abwicklung gerichtet. Aus den [X.], die der Senat mit Rücksicht auf das mögliche Vorliegen eines [X.] herangezogen hat, ergeben sich keine weiter
gehenden Anhaltspunkte für eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation.

6
-
6
-
2.
Die Verfahrensrüge ist nicht zulässig erhoben (§
344 Abs.
2 StPO), weil in Bezug genommene Schriftstücke, die für das Verständnis des Rügevor-bringens notwendig sind (Protokolle der Vernehmungen der Vertrauensperson, Durchsuchungsbericht vom 15.
April 2014),
und der Beschluss der [X.], mit dem die gestellten Anträge abgelehnt worden sind, weder vorgelegt noch ihrem wesentlichen Inhalt nach mitgeteilt werden (vgl. [X.], Urteil vom 4.
September 2014

1
StR
314/14,
Rn.
14; insoweit in [X.], 98 nicht ab-gedruckt, Urteil vom 8.
Dezember 1993

3
StR
446/93, [X.]St 40, 3, 5). Auch ist die Angriffsrichtung der Rüge nicht hinreichend erkennbar.
Sost-Scheible
Cierniak
Franke

Bender
Quentin
7

Meta

4 StR 252/15

19.01.2016

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2016, Az. 4 StR 252/15 (REWIS RS 2016, 17560)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17560

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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