Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.12.2015, Az. VII ZR 77/15

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 1297

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[X.]:[X.]:[X.]:2015:031215VIIZR77.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR 77/15

vom

3. Dezember 2015

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am
3.
Dezember 2015
durch [X.]
Eick, [X.], Dr.
Kartzke, Prof.
Dr.
Jurgeleit und die Richterin Sacher
beschlossen:
Der Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revi-sion wird stattgegeben.
Der Beschluss des 9.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts
[X.]
vom 19.
Januar 2015 wird gemäß §
544 Abs.
7 ZPO aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Streitwert: 50.003,80

Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die
Zahlung von Werklohn für die Durchführung von Renovierungsarbeiten vor der Eröffnung des Lokals "L.
S.".

Die Beklagte betrieb ursprünglich dieses Lokal
in der F.straße
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in M. Im Juni 2012 entschloss sie sich, ihr Lokal von der F.-Straße in das Gebäude

K.-Straße
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in M.
zu verlegen.
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-
Vor der Neueröffnung am 3.
August 2012 waren in den Gasträumen um-fangreiche Renovierungsarbeiten erforderlich.
An der Durchführung der Renovierungsarbeiten waren sowohl Arbeiter, die von der Klägerin gestellt wurden, als auch Arbeiter aus dem Umfeld der [X.] beteiligt.
Am 10.
August
2012 wurde von der Klägerin nach Fertigstellung der [X.] der Beklagten eine abschließende, auf den 15.
Juli
2012 datierte Rech-nung übergeben, die einen Gesamtrechnungsbetrag in Höhe von 50.003,80

brutto ausweist. Diese Rechnung wurde von der Beklagten nicht bezahlt.
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, 50.003,80

Zinsen an die Klägerin zu zahlen.
Das [X.] hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht nach vorangegangenem [X.] durch Beschluss gemäß §
522 Abs.
2 ZPO zurückgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die ihren [X.] weiterverfolgt.

II.
1. Das Berufungsgericht führt im Wesentlichen Folgendes aus:
Der Klägerin gelinge es nicht, Fehler des landgerichtlichen Urteils
aufzu-zeigen. Sie beschränke sich darauf, die Beweiswürdigung des [X.]s anzugreifen. Dieser Angriff wäre nur dann erfolgreich, wenn die entscheidungs-3
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erheblichen Feststellungen fehlerhaft, lückenhaft, unter Verstoß gegen Denkge-setze
oder widersprüchlich getroffen worden wären. Das sei nicht der Fall.
Es könne
nach der Beweisaufnahme nicht ausgeschlossen werden, dass der Vertrag mit der Zeugin L.
abgeschlossen
worden sei.
Dem Umstand, dass die Klägerin Rechnung gestellt habe, komme keine Bedeutung zu. Das belege nur, dass die Klägerin von einem Vertragsschluss ausgegangen sei, nicht aber,
dass die Beklagte davon habe ausgehen müssen.
2.
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur [X.] an das Berufungsgericht, wobei der Senat von der Möglichkeit des §
563 Abs.
1 Satz
2 ZPO Gebrauch macht.
Das Berufungsgericht hat den [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, Art. 103 Abs. 1 GG.
a) Ein Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegt vor, wenn das Gericht entscheidungserhebliches [X.]vorbringen nicht zur Kenntnis nimmt.
Da eine [X.] sich regelmäßig ein für sie günstiges Beweiser-gebnis zu Eigen macht, verletzt das Übergehen eines solchen Beweisergebnis-ses deren Anspruch auf rechtliches Gehör, sofern es entscheidungserheblich ist (vgl. [X.], Beschluss vom 11.
Oktober
2011 -
VIII
ZR 88/11 Rn. 9; Beschluss vom 10. November 2009 -
VI [X.], NJW-RR 2010, 495 Rn. 6; Beschluss vom 7. Dezember 2010 -
VIII ZR 96/10, NJW-RR 2011,
704 Rn.13). Die Nicht-berücksichtigung eines solchen für eine [X.] günstigen Beweisergebnisses bedeutet, dass das Berufungsgericht erhebliches Vorbringen dieser [X.] übergangen und damit deren verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung
rechtlichen
Gehörs
verletzt hat (vgl. [X.], Beschluss vom 10.
November 2009 -
VI [X.], NJW-RR 2010, 495 Rn. 6). Diese Voraus-11
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-
5
-
setzungen können auch dann erfüllt sein, wenn die Begründung der angefoch-tenen Entscheidung nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, nicht aber den Sinn des betreffenden Vorbringens erfassen-den Wahrnehmung beruht (vgl. [X.], Beschluss vom 4.
November
2015

VII
ZR
282/14 Rn.
18; Beschluss vom 8.
Juli
2010
VII
ZR
195/08, [X.], 1792 Rn.
8; Beschluss vom 9.
Februar
2009
II
ZR
77/08, [X.], 1003 Rn.
3).
b) Nach diesen Maßstäben ist Art. 103 Abs. 1 GG im Streitfall verletzt. Die Klägerin hat in der Berufungsbegründung vom 18. September 2014, Seite 7 ausdrücklich auf die Ausübung des -
vom Geschäftsführer der Beklagten [X.] bei seiner Anhörung im Termin vom 9. Mai 2014 vor dem [X.] (Protokoll Seite 4) eingeräumten -
Vorsteuerabzugs unter Verwendung der von der Kläge-rin erstellten, auf den 15. Juli 2012 datierten Rechnung
gegenüber dem Finanz-amt als Indiz für einen Vertragsschluss zwischen den [X.]en abgestellt.
Das Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt, es sei nicht bedeutsam, dass der Geschäftsführer der Beklagten die Rechnung nicht zurückgeschickt, sondern verbucht habe; die Erklärung des Geschäftsführers hierzu, dass er [X.] Rechnung verbuche, auch wenn er sie nicht anerkenne, sei glaubhaft und plausibel. Selbst wenn das Verhalten der Beklagten unter steuerrechtlichen As-pekten als fragwürdig einzustufen sei, blieben
der Vortrag und die Beweisfüh-rung der Klägerin in der ersten Instanz den Beweis für einen Vertragsschluss schuldig.
Das Berufungsgericht hat damit den Inhalt des klägerischen Vortrags nicht ausgeschöpft. Es hat nicht hinreichend erwogen, dass die Verwendung der genannten Rechnung für Zwecke des Vorsteuerabzugs seitens der [X.] ein Indiz (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
Oktober
2011
VII
ZR
222/10, [X.] 15
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2012, 138
f., juris Rn.
9) für einen Vertragsabschluss zwischen den [X.]en darstellt, weil die Berechtigung zum Vorsteuerabzug voraussetzt, dass die Um-satzsteuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen geschuldet ist, die vom Rechnungsaussteller für das Unternehmen des den Vorsteuerabzug Ausüben-den ausgeführt worden sind, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG.
Mit seiner jedenfalls den Sinn des klägerischen Vorbringens verfehlen-den Wahrnehmung hat sich das Berufungsgericht in nicht mehr nachvollziehba-rer Weise [X.] dieses Vorbringens verschlossen und damit gegen Art.
103 Abs.
1 GG verstoßen.
Der Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausge-schlossen werden, dass das Berufungsgericht, wenn es das betreffende [X.] hinreichend berücksichtigt hätte, einen Vertragsschluss zwischen der Klägerin und der Beklagten angenommen hätte und zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gelangt wäre.
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3.
Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich
gegebenenfalls mit den weiteren [X.] der Klägerin in der Nichtzulassungsbe-schwerdebegründung auseinanderzusetzen.

Eick
[X.]
Kartzke

Jurgeleit

Sacher

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.06.2014 -
18 [X.]/12 -

OLG [X.], Entscheidung vom 19.01.2015 -
9 [X.] -

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Meta

VII ZR 77/15

03.12.2015

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.12.2015, Az. VII ZR 77/15 (REWIS RS 2015, 1297)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1297

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

VII ZR 126/13

Zitiert

VII ZR 77/15

VIII ZR 96/10

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