Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2018, Az. VII ZR 170/17

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 11908

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:210318BVIIZR170.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR 170/17
vom

21.
März 2018

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am 21.
März 2018 durch den Richter Dr.
Kartzke und die Richterinnen [X.], [X.], [X.] und Dr.
Brenneisen
beschlossen:
Der Beschwerde der [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision wird stattgegeben.
Der Beschluss des 28.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts
[X.] vom 4.
Juli 2017 wird gemäß §
544 Abs.
7 ZPO aufge-hoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Streitwert: 41.469,30

Gründe:
I.
Die Klägerin, eine Gesellschaft mit Sitz in der [X.], macht
gegen die Beklagte, eine Stiftung mit Sitz im Inland, einen Werklohnan-spruch für Umzugs-
und Renovierungsarbeiten geltend.

1
-
3
-
Zunächst beauftragte die Beklagte die Klägerin mit Arbeiten am Objekt S.straße
17 in M. Diese Arbeiten wurden von der Klägerin erbracht. Die diesbe-zügliche Schlussrechnung wurde von der [X.] vollständig bezahlt.
Im [X.] daran erbrachte die Klägerin für das verfahrensgegen-ständliche Objekt B.straße
89 in G. Umzugs-
und Renovierungsarbeiten. Zu dieser Zeit hatte die Beklagte
dort
ihren Sitz. Mit Rechnung vom 14.
April 2014 stellte die Klägerin für ihre Leistungen der [X.] einen Betrag in Höhe von 22.521,03

Juni 2014 einen weiteren Betrag in Höhe von 18.948,27

Die Beklagte hat geltend gemacht, der Auftrag für die verfahrensgegen-ständlichen Arbeiten sei nicht von ihr, sondern von Prof.
R. U.

dem Vorstand der [X.]

und seiner Ehefrau im eigenen
Namen erteilt worden. [X.] auf Seiten der Klägerin sei immer die Zeugin S. gewesen, da der Zeuge D.

der frühere Geschäftsführer der Klägerin

nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt habe. Für die Eheleute U. habe es sich so darge-stellt, dass die Zeugin S. entsprechende Geldempfangsvollmacht für die Klägerin
gehabt habe.
Ferner hat die Beklagte geltend gemacht, für die verfahrensgegenständ-lichen Arbeiten seien durch die Eheleute U. diverse Barzahlungen erbracht worden, die jeweils von der Zeugin S. erbeten
worden waren.
Die Werklohnfor-derung der Klägerin sei daher insgesamt erfüllt.
Das [X.] hat der Klage nach Beweisaufnahme (Vernehmung von Zeugen) überwiegend stattgegeben. Es hat die Beklagte verurteilt, an die Klä-gerin 41.469,30

Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 1.434,40

s-kosten) zu zahlen.
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5
6
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4
-
Die Berufung der [X.] hat das Berufungsgericht nach vorausge-gangener Hinweisverfügung mit Beschluss gemäß §
522 Abs.
2 ZPO zurück-gewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde der [X.], die ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.

II.
Das Berufungsgericht führt, soweit für das [X.] von Bedeutung, im Wesentlichen Folgendes aus:
Die Beweiswürdigung des [X.]s sei nicht zu beanstanden.
Gemäß §
529 Abs.
1 Nr.
1 ZPO habe das Berufungsgericht seiner [X.] und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestell-ten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen [X.] begründeten und deshalb eine erneute Feststellung geböten. Derartige konkrete Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der erstin-stanzlichen Feststellungen seien für das Berufungsgericht nicht erkennbar.
Das [X.] sei nach Auswertung des [X.] und der durch-geführten Beweisaufnahme zutreffend zu der Überzeugung gelangt, dass die Beklagte Auftraggeberin der verfahrensgegenständlichen Arbeiten sei.
Die Beklagte sei für die behauptete Erfüllung der [X.] der Klägerin darlegungs-
und beweispflichtig. Ergebe die Beweisaufnahme ein
non liquet, so gehe dies zu Lasten der [X.]. Das [X.] sei nach aus-führlicher Vernehmung der von beiden Seiten benannten Zeugen und Würdi-gung der durch die [X.]en vorgelegten Anlagen in nicht zu beanstandender 7
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-
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Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass der [X.] der Nachweis der Erfül-lung der [X.] unter Berücksichtigung des Vorliegens einer non-liquet-Konstellation nicht gelungen sei. Soweit die Beklagte die Glaubwürdigkeit des [X.], des früheren Geschäftsführers der Klägerin, und die Glaubhaf-tigkeit dessen Aussage, soweit dieser den Erhalt von Zahlungen bestritten [X.], in Zweifel ziehe, sei die durch das [X.] durchgeführte Beweiswürdi-gung auch insoweit nicht zu beanstanden. Ergänzend zu den Ausführungen des [X.]s sei auszuführen, dass die Beklagte keine tatsächlichen Umstände vorgebracht habe, welche die Annahme einer Rechtsscheinvollmacht der Zeu-gin S. für die schuldbefreiende Entgegennahme von [X.] für die Klägerin begründen würde. Aus dem Umstand, dass die Zeugin S. auf Schriftstücken der Klägerin als "Niederlassung [X.]"
bezeichnet worden sei, könne nicht gefolgert werden, dass diese Geldempfangsvollmacht für die Klägerin gehabt habe. Eine erneute Anhörung der von beiden Seiten benannten Zeugen durch das Berufungsgericht sei nicht veranlasst.

III.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision führt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, wobei der Senat
von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch macht.
1.
Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt
zu Recht, dass das Berufungs-gericht den Anspruch der [X.] auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat, indem es das Vorbringen der [X.] in der Berufungsbegrün-dung, mit dem die Beweiswürdigung des [X.]s insbesondere bezüglich des [X.] angegriffen und die Glaubwürdigkeit des klägerischen 13
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-
6
-
Zeugen
D. in Abrede gestellt wird und das unter anderem mit den Anlagen BK
19 und BK
16 unterlegt wurde, unzureichend berücksichtigt hat.
a) Nach §
529 Abs.
1 Nr.
1 ZPO ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des ersten [X.] gebunden. Diese [X.] entfällt aber, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen begründen und des-halb eine erneute Feststellung gebieten (§
529 Abs.
1 Nr.
1 Halbsatz 2 ZPO). Dieses Gebot kann sich auch auf die erneute Vernehmung von Zeugen erstre-cken (vgl. [X.], Beschluss vom 10.
Oktober 2013

VII ZR 269/12, [X.], 141 Rn. 8 m.w.N.). Konkrete Anhaltspunkte in diesem Sinn sind alle objektivier-baren rechtlichen oder tatsächlichen Einwände gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (vgl. [X.], Urteil vom 16. August 2016

X [X.]/14,
GRUR 2016, 1260 Rn.
17

Yttrium-Aluminium-Granat; Urteil vom 8.
Juni
2004

VI
ZR
230/03, [X.]Z 159, 254, 258
f., juris Rn. 16 m.w.N.). Derartige konkrete Anhaltspunkte können sich unter anderem aus Vortrag der
[X.]en (vgl. [X.], Urteil vom 16.
August
2016

X
ZR
96/14,
aaO; Urteil vom 8.
Juni
2004

VI
ZR
230/03, aaO), vorbehaltlich der Anwendung von Präklusionsvorschriften auch aus Vortrag der [X.]en in der Berufungsinstanz (vgl. [X.], Urteil vom 8.
Juni 2004

[X.], [X.]Z 159, 245, 249 ff., juris Rn.
13
ff.; [X.], Beschluss vom 15. Dezember 2008

1 BvR 1404/04, juris Rn. 33) ergeben. Zweifel im Sinne der Regelung in §
529 Abs.
1 Nr.
1 ZPO liegen schon dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht
gebotenen Sicht eine gewisse

nicht notwendig überwiegende

Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. [X.], Urteil vom 3.
Juni
2014
-
VI
ZR 394/13, NJW 2014, 2797 Rn. 10).

15
-
7
-
Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausfüh-rungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dieses Gebot verpflichtet das Gericht unter anderem
dazu, [X.] des Vorbringens der [X.] zu erfassen und -
soweit er eine zentra-le Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft -
in den Gründen zu bescheiden (vgl. [X.], Beschluss vom 29. Oktober 2015

V ZR 61/15, NJW-RR 2016, 78 Rn. 7 m.w.N.).
Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die [X.] der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der [X.] erfassenden Wahrnehmung beruht (vgl. [X.], Beschluss vom 29.
Oktober
2015
-
V
ZR
61/15,
aaO; Beschluss vom 31.
März
2016

I
ZB
76/15, WM
2016, 1706
Rn. 9; Beschluss vom 28.
September 2017

V
ZR
29/17 Rn. 6).
b) Ein solcher Fall liegt
hier vor. Die Begründung des Berufungsgerichts, warum es keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entschei-dungserheblichen Feststellungen des [X.]s hegt,
lässt nur den Schluss zu, dass das Berufungsgericht [X.] des Vorbringens der [X.] nicht erfasst hat.
Insbesondere hat das Berufungsgericht das mit der Anlage [X.] unter-legte Vorbringen der [X.] in der Berufungsbegründung, die Zeugin
S. werde in einem von der Klägerin geschlossenen Bauvertrag vom 24.
März 2014 als klägerische "Niederlassung [X.]" bezeichnet, lediglich unter dem Gesichtspunkt gewürdigt, dass aus einer solchen Bezeichnung keine Geldemp-fangsvollmacht für die Klägerin gefolgert werden könne. Es hat hingegen dieses Vorbringen nicht unter dem ausweislich der Berufungsbegründung zentralen Gesichtspunkt gewürdigt, dass damit konkrete Anhaltspunkte vorgebracht wer-den, die die Glaubwürdigkeit des [X.], des früheren Geschäftsführers der Klägerin, in Zweifel ziehen; dieser hat bei seiner Vernehmung vor dem Landge-16
17
18
-
8
-
richt ausgesagt, er habe der Zeugin S. weder Vollmacht zum Geldempfang noch sonstige Vertretungsmacht erteilt. Entsprechende konkrete Anhaltspunkte ergeben sich auch aus dem von der [X.] mit der Anlage BK
16, Seite 2 unterlegten Vorbringen in der Berufungsbegründung. In dieser Anlage, die von der [X.] bereits in erster Instanz als Anlage [X.], Seite 2 vorgelegt [X.] war, wird die Zeugin
S. in einer klägerischen Präsentation als "Handelsver-tretung M." bezeichnet. Dieses mit der Anlage [X.] unterlegte Vorbringen
hat
das Berufungsgericht nicht verbeschieden.
c) Auf dieser Verletzung des Anspruchs der [X.] auf rechtliches Gehör beruht der angefochtene Beschluss auch. Denn es kann nicht ausge-schlossen werden, dass das Berufungsgericht bei der nach §
529 Abs.
1 Nr.
1 Halbsatz
2 ZPO gebotenen erneuten
Vernehmung des [X.] und gegebe-nenfalls der anderen vom [X.] vernommenen Zeugen
zu einem für die Beklagte günstigeren Ergebnis gelangt wäre.
19
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9
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2. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich mit den weiteren [X.] der [X.] in der [X.] auseinanderzusetzen.

Kartzke

[X.]

[X.]

[X.]

Brenneisen
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 31.01.2017 -
8 O 20112/14 -

OLG [X.], Entscheidung vom 04.07.2017 -
28 U 635/17 Bau -

20

Meta

VII ZR 170/17

21.03.2018

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2018, Az. VII ZR 170/17 (REWIS RS 2018, 11908)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 11908

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VII ZR 170/17

VII ZR 269/12

X ZR 96/14

V ZR 61/15

8 O 20112/14

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