Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.01.2018, Az. 1 StR 535/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 15315

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:220118B1STR535.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

1
StR 535/17
vom
22. Januar
2018
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen
Steuerhinterziehung

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts
und nach Anhörung der
Beschwerdeführer
am 22.
Januar
2018
gemäß §
349 Abs.
2 und 4, §
354 Abs.
1 analog
StPO beschlossen:

1.
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14.
Juni 2017
a)
im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass
aa)
die Angeklagte U.

Ko.

der Steuerhinter-
ziehung in 13 Fällen und der versuchten Steuerhinter-
ziehung in vier Fällen schuldig ist,
bb)
der Angeklagte W.

Ko.

der Steuerhinter-
ziehung in 19 Fällen und der versuchten Steuerhinter-
ziehung in vier Fällen schuldig ist;
b)
im Strafausspruch aufgehoben hinsichtlich der
die Taten [X.]), [X.]), [X.]) und B.IV.1. der Urteils-gründe betreffenden Einzelstrafen sowie der
Gesamtstrafen.
2.
Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden als unbegründet verworfen.
3.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel beider Angeklagter, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des [X.]s zurückverwiesen.

-
3
-

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten Ko.

wegen Steuerhinter-
ziehung in neun Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sowie die Angeklagte Ko.

wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer
solchen von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Die Vollstreckung dieser Strafe ist zur Bewährung ausgesetzt worden. Gegen das Urteil wenden sich die Angeklagten mit Verfahrensrügen sowie mit [X.]. Die Rechtsmittel haben lediglich in dem aus der Entscheidungsformel
ersichtlichen Umfang Erfolg (§
349 Abs.
4 StPO). Im Übrigen erweisen sie sich als unbegründet im Sinne von §
349 Abs.
2 StPO.

I.
1.
Der Verurteilung beider Angeklagten liegt die Hinterziehung von
verschiedenen Unternehmenssteuern zu Gunsten von zwei Gesellschaften
sowie diejenige von Einkommensteuer der Angeklagten bezogen auf jeweils mehrere Veranlagungszeiträume zugrunde. Wie das [X.] festgestellt hat, war der Angeklagte, ein früherer Rechtsanwalt, in wirtschaftliche
Schwierigkeiten geraten und hatte die Eidesstattliche Versicherung abgeben müssen. Nach dem Verlust seiner Rechtsanwaltszulassung war er als freier Berater für Unternehmen in Krisensituationen tätig. Um die dadurch erzielten Einkünfte dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen, bediente er sich zweier Gesellschaften, der A.

GmbH (nachfolgend: A.

) und der K.

C.

GmbH (nachfolgend: [X.]). Alleinige Gesellschafterin der A.

war
formal die Angeklagte U.

Ko.

. Die Geschäftsanteile an der [X.]
1
2
-
4
-
befanden sich formal in den Händen der gemeinsamen Kinder der Angeklagten. Tatsächlich hielten die Gesellschafter beider Gesellschaften die Anteile lediglich treuhänderisch für den Angeklagten, der jeweils auch faktischer Geschäftsfüh-rer war. Er sorgte auf durch das [X.] näher festgestellte Weise dafür, dass die durch seine Beratertätigkeit unter Einbindung der Gesellschaften
erzielten Einkünfte dem Lebensunterhalt der Familie zur Verfügung standen.
Das [X.] hat die entsprechende Verwendung der
über die
Gesellschaften generierten Einkünfte jeweils als verdeckte Gewinnausschüt-tungen gewertet. Auf diesen Ausschüttungen beruhen die Verurteilungen
wegen Steuerhinterziehungen ganz überwiegend.
2.
Im Einzelnen gründen sich die Schuldsprüche auf die Hinterziehung von Körperschaftsteuer (einschließlich Solidaritätszuschlag) und Gewerbe-
steuer zu Gunsten der A.

in den [X.] 2007 bis 2012
sowie zugunsten der [X.] für die Veranlagungszeiträume 2013 und 2014, bezüg-lich der letztgenannten Zeiträume zudem derjenigen von Umsatzsteuer eben-falls zum Vorteil der [X.]. Die Verurteilungen wegen Einkommensteuerhinter-
ziehung betreffen für beide Angeklagten die Veranlagungszeiträume 2008 bis 2012 sowie allein für den Angeklagten die Jahre 2013 und 2014. Insgesamt sind Unternehmenssteuern in Höhe von mehr als 400.000 Euro verkürzt und eine weitere Verkürzung von knapp 190.000 Euro angestrebt worden. Die
Angeklagten haben zudem gut 141.000 Euro Einkommensteuer verkürzt sowie dies in Bezug auf weitere 290.000 Euro beabsichtigt. Zudem hat der Angeklagte für die Zeiträume 2013 und 2014 gut 120.000 Euro Einkommensteuer hinter-
zogen.

3
4
-
5
-
II.
Die Revisionen der Angeklagten führen lediglich zu den aus der
Entscheidungsformel ersichtlichen Schuldspruchänderungen, die zugleich
Teilaufhebungen der Strafaussprüche bedingen. Im Übrigen enthält das Urteil keine den Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler.
1.
Die durch beide Angeklagten identisch erhobenen und ausgeführten Verfahrensbeanstandungen dringen nicht durch; sie genügen mit einer
Ausnahme bereits nicht den sich aus §
344 Abs.
2 Satz
2 StPO ergebenden gesetzlichen Anforderungen.
a)

gemacht), dass die Kammer von Urkunden, insbesondere einem umfangrei-chen Betriebsprüfungsbericht, bei der Urteilsfindung Gebrauch gemacht hat

ausgeführten damit verbundenen Angriffsrichtungen zulässig erhoben.
aa)
Die Revisionen haben dazu u.a. vorgetragen, das angeordnete Selbstleseverfahren habe insgesamt 1972 Seiten umfasst und diesbezüglich Zweifel daran angemeldet, dass den [X.] ausreichend Zeit für die Lektüre zur Verfügung stand. Damit wird eindeutig insoweit die Art und Weise der Durchführung des [X.] beanstandet (vgl. dazu [X.],
Beschluss vom 9.
November 2017

1 [X.], [X.], 230 mwN). Wie sich bereits aus den [X.] selbst ergibt, ist in der [X.] gegen die entsprechende Anordnung des Vorsitzenden keine gericht-liche Entscheidung gemäß §
238 Abs.
2 StPO beantragt worden (siehe nur [X.] Rechtsanwalt Dr.
M.

S.
8). Das wäre aber erforderlich gewesen, um
die Art
und Weise der Durchführung des [X.] noch mit der Revision 5
6
7
8
-
6
-
beanstanden zu können ([X.] aaO sowie [X.], Beschluss vom 14.
September 2010

1 [X.], [X.], 300, 301).
bb)
Soweit die Angeklagten hinsichtlich der Durchführung und des

-

e-

344 Abs.
2 Satz
2 StPO resultierenden Anforderungen in sich widersprüchlich (zur Widerspruchsfreiheit des [X.] [X.], Beschluss vom 22.
Januar 2008

1 [X.], [X.], 353; [X.]/[X.] NStZ-RR 2018, 97). Die Begründungen der auf einen näher bezeichneten Haftungsbescheid eines
Finanzamtes, einen Betriebsprüfungsbericht sowie einen Aktenvermerk eines [X.] bezogenen [X.] zeigen selbst auf, dass das angefochtene Urteil sich mit den vorgenannten Schriftstücken inhaltlich befasst. Das setzt notwendigerweise eine vorherige Kenntnisnahme von diesen Schriftstücken und damit deren Lesen seitens der beteiligten Richter voraus.
cc)
Als verfahrensfehlerhafte Durchführung und Umsetzung des Selbst-leseverfahrens kann zudem von vornherein nicht beanstandet werden, dass das [X.] Zahlungen der betroffenen Gesellschaften an den Angeklagten

anders als vom [X.] und im Haftungsbescheid zugrunde gelegt

nicht als Lohn, sondern als verdeckte Gewinnausschüttungen gewertet hat.
b)
Der an das Vorgenannte anknüpfenden Rüge der Verletzung von §
244 Abs.
2 StPO wegen unterbliebener Anhörung des Betriebsprüfers Koc.

zu den Gründen, die ihn zur Einordnung als Lohn und nicht als verdeckte
Gewinnausschüttung veranlasst haben, mangelt es an einer konkreten
Beweis-behauptung. Sie ist deshalb unzulässig.

9
10
11
-
7
-
2.
Den Rechtsmittelbegründungen lässt sich im Hinblick auf die Angriffs-richtung noch hinreichend eindeutig entnehmen, eine Verletzung von §
261 StPO (Inbegriffsrüge) darin sehen zu wollen, dass das [X.] die bereits angesprochenen Geldflüsse nicht als Lohnzahlungen an den Angeklagten,
sondern als verdeckte Gewinnausschüttungen behandelt hat. Diese [X.] haben in der Sache keinen Erfolg. Das [X.] hat den Inhalt der fraglichen, im Selbstleseverfahren eingeführten Urkunden dem Urteil zutreffend zugrunde gelegt. An die in den fraglichen Urkunden ausgedrückte steuerliche Bewertung der maßgeblichen tatsächlichen Vorgänge durch die [X.] bzw. deren Bedienstete war es aber gerade nicht gebunden. Vielmehr
obliegt es dem zuständigen Strafgericht im Rahmen seiner [X.] (§
262 Abs.
1 StPO), eigenständig die steuerrechtliche Beurteilung eines steuerstrafrechtlich bedeutsamen [X.] vorzunehmen (zur
Vorfragenkompetenz in [X.] etwa [X.]/[X.], in Festschrift für [X.], 2011, 429, 431). Steuerbescheiden kommt grundsätzlich keine konsti-tutive Wirkung für die Entstehung eines staatlichen Steueranspruchs und
dessen Höhe im einzelnen Fall zu (vgl. [X.] in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23.
Aufl., §
21 Rn.
114 mwN).
Soweit die Revisionen zudem einen Verstoß gegen §
261 StPO in einer vermeintlich unterbliebenen Berücksichtigung des Vermerks der [X.] vom 9.
August 2016 sehen wollen, hat der [X.] zutreffend die Erfolglosigkeit dieser Rüge aufge-zeigt. Dass das [X.] aus dem fraglichen Vermerk nicht die von den [X.] als richtig erachteten Schlüsse gezogen hat, belegt weder das Zugrundelegen eines unzutreffenden [X.] noch eine unterblie-bene Kenntnisnahme des fraglichen Vermerks seitens des Tatgerichts.

12
13
-
8
-
3.
Den getroffenen Feststellungen zu den Schuld-
und Strafaussprüchen gegen beide Angeklagten liegt eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung zugrun-de.
4.
Dagegen hält die konkurrenzrechtliche Einordnung der Taten durch das [X.] bezüglich beider Angeklagter lediglich teilweise rechtlicher Überprüfung stand. Das [X.] hat mehrfach ohne rechtlich tragfähigen Grund
hinsichtlich verschiedener Steuerarten und vor allem bezüglich verschie-dener Veranlagungszeiträume Tateinheit angenommen.
a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des [X.] gilt im Hinblick auf die Konkurrenz das Folgende:
(1)
Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung (§
370 Abs.
1 Nr.
1 [X.]) ist grundsätzlich als selbstständige Tat i.S.v.
§
53 StGB zu
werten. Von [X.] ist also auszugehen, wenn die abgegebenen Steuer-erklärungen verschiedene Steuerarten, verschiedene Besteuerungszeiträume oder verschiedene Steuerpflichtige betreffen. Ausnahmsweise kann (dennoch) Tateinheit vorliegen, wenn die Hinterziehungen durch die dieselbe Erklärung bewirkt werden oder wenn mehrere Steuererklärungen im äußeren Vorgang zusammenfallen und überdies in den Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen enthalten sind (etwa [X.], Urteil vom 28.
Oktober 2004

5 [X.], [X.], 374, 375; Beschlüsse vom 21.
März 1985

1
StR 583/84, [X.]St 33, 163, 165 f.; vom 23.
Juli 2014

1
StR 207/14, [X.], 443 f. und vom 24.
Mai 2017

1
[X.], [X.] 2017, 473 mit Anmerkung [X.]; siehe zudem ders./Steinhart [X.] 2015, 71 ff. mwN).
14
15
16
17
-
9
-
Dabei wird das Zusammenfallen der Abgabe von mehreren [X.] (regelmäßig für unterschiedliche Steuerarten und verschiedene Veran-h-tige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen in den betroffenen Erklärungen ersichtlich als kumulativ erforderliche Voraussetzungen der tateinheitlichen Verwirklichung der Steuerhinterziehung verstanden. [X.] unrich-tige Angaben im Sinne der vorstehend dargestellten Rechtsprechung sollen beispielsweise im Verhältnis von [X.], Gewerbesteuer-
und Umsatzsteuerhinterziehung sowie im Verhältnis von Einkommensteuer-,
Gewerbesteuer-
und Umsatzsteuerhinterziehung in Betracht kommen ([X.], Beschluss vom 24.
Mai 2017

1 [X.], [X.] 2017, 473 mwN).
(2)
Auch bei der Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß §
370 Abs.
1 Nr.
2 [X.] ist im Grundsatz im Hinblick auf jede Steuerart, jeden Besteue-rungszeitraum und jeden Steuerpflichtigen von selbständigen Taten i.S.v.
§
53 StGB auszugehen. Allein ein einheitlicher Tatentschluss, seinen steuerlichen Pflichten für mehrere Steuerarten und mehrere Besteuerungszeiträume künftig nicht nachzukommen, begründet noch keine Tateinheit zwischen den einzelnen Steuerhinterziehungen durch Unterlassen. Tateinheit ist nur dann ausnahms-weise anzunehmen, wenn die erforderlichen Angaben, die der Täter pflichtwid-rig unterlassen hat, durch ein und dieselbe Handlung zu erbringen gewesen wären (siehe nur [X.], Urteil vom 28.
Oktober 2004

5 [X.], [X.], 374, 375 mwN).
b)
Bereits bei Anlegung dieser Maßstäbe bestehen auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen tat-einheitlicher Begehung der Steuerhinterziehung in den Fällen [X.]), [X.]), [X.]) und B.IV.1. der Urteilsgründe. Ob die vom [X.] herangezoge-nen Erwägungen zum Vorliegen übereinstimmender unrichtiger Angaben über 18
19
20
-
10
-
die Besteuerungsgrundlagen (UA S.
65) diese Voraussetzung tateinheitlicher Begehung zu tragen vermögen, bedarf jedoch keiner Vertiefung. Denn der
Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der Tateinheit bei der Steuerhinterziehung gemäß §
370 Abs.
1 Nr.
1 [X.] insoweit
he Zusammenfallen der Abgabe von mehreren Steuererklärungen, die rechtlich nicht miteinander verknüpft sind, in einem äußeren Akt kann Tateinheit i.S.v.
§
52 StGB nicht
begründen.
aa)
Nach §
52 Abs.
1 StGB liegt materiellrechtlich Tateinheit vor, wenn dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrfach verletzt. Tateinheit in diesem Sinne ist gegeben, wenn die tatbestandlichen, mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrfach verletzenden [X.] in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen not-wendigen Teil zumindest teilweise identisch sind ([X.], Beschluss vom 21.
März 1985

1 StR 583/84, [X.]St 33, 163, 165 mit Bezugnahme u.a. auf [X.], Urteil vom 28. April 1899

[X.]. 1158/99, [X.]St 32, 137, 138 f.; [X.],
Beschluss vom 11.
November 1976

4 StR 266/76, [X.]St 27, 66, 67).
Dagegen begründen eine einheitliche Zielsetzung des [X.], ein übereinstim-mender Beweggrund oder die Verfolgung eines Endzwecks Tateinheit ebenso wenig ([X.], Beschluss vom 21.
März 1985

1 StR 583/84, [X.]St 33, 163, 165 mwN) wie das bloße Zusammenfallen von zwei Tatbeständen, bei denen der Täter den einen Tatbestand lediglich gelegentlich der anderen Tat verwirk-licht (vgl. [X.], Urteil vom 5. August 2010

3
StR 210/10, juris Rn.
16).
bb)
Eine für die Begründung von Tateinheit erforderliche Teilidentität der Ausführungshandlungen ist bei Abgabe mehrerer Steuererklärungen für ver-schiedene Steuerarten und verschiedene Veranlagungszeiträume durch einen 21
22
-
11
-
äußeren Akt, etwa des [X.] per Post in einem Brief, hinsichtlich der Steuerhinterziehung gemäß §
370 Abs. 1 Nr.
1 [X.] grundsätzlich nicht gegeben. Die Tathandlung besteht in diesen Fällen darin, dass der Täter gegenüber
Finanz-
oder anderen Behörden steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige
oder unvollständige Angaben macht. Die steuerliche Erheblichkeit wird ange-sichts des notwendig steuerrechtsakzessorischen Charakters der [X.] (§
370 [X.]) durch die jeweils maßgeblichen steuerrechtlichen Bestim-mungen geprägt (vgl. [X.]/[X.], [X.], 13.
Aufl., §
370 Rn.
5). Regelmäßig aber auch für die hier verfahrensgegenständlichen Steuerarten beziehen sich die steuerlich erheblichen Tatsachen allein auf einen bestimmten Veranla-gungszeitraum und auf eine Steuerart, soweit nicht

wie etwa beim [X.] bezüglich der Einkommen-
oder Körperschaftsteuer

eine
Erklärung und Festsetzung zusammen mit den vorgenannten Hauptsteuern er-folgt ([X.]/Steinhart [X.] 2015, 71). Dem äußeren Vorgang des [X.] bzw. der sonstigen Übermittlung der Erklärung und deren Eingang bei der Behörde kommt für die tatbestandliche Handlung als solche keine Bedeu-tung zu. Es mangelt daher an einer Teilidentität der Ausführungshandlungen selbst bei Übermittlung mehrerer Erklärungen durch einen
einheitlichen äuße-ren Akt. Das Geschehen erschöpft sich insoweit in einem bloßen zeitlichen Zu-sammenfallen, das nicht anders als die Tatbegehung gelegentlich der Ausfüh-rung einer anderen Tat die Voraussetzungen des §
52 StGB nicht begründet.
cc)
Der bisherigen Rechtsprechung ist zudem nicht zu Unrecht vorgewor-fen worden, zufällig anmutende Ergebnisse hervorzubringen (etwa [X.]/
Steinhart [X.] 2015, 71). So wäre materiell-rechtlich bei Versendung von drei verschiedenen Steuererklärungen über unterschiedliche Steuerarten und Veranlagungszeiträume in einem Briefumschlag unter den sonstigen Voraus-setzungen (übereinstimmende unrichtige Angaben über Besteuerungsgrund-
lagen) von Tateinheit auszugehen, bei Übermittlung in jeweils einem [X.]
-
12
-
ten Brief dagegen an sich von [X.]. Für die Steuerhinterziehung als auf Steuerarten und Veranlagungszeiträume bezogenes [X.] ist die einheitliche oder getrennte Versendung aber ohne jede Bedeutung. Wäre
prozessual nicht mehr aufklärbar, ob die verschiedenen Erklärungen getrennt übersandt worden sind, steht aber ihr taggleicher Eingang bei der Behörde fest, müsste nach der [X.] in dubio pro reo beurteilt werden, ob die Annahme einer Tat oder mehrerer Taten die für den Angeklagten günstigere Sachverhaltsvariante wäre. Für derartige Zweifelsfragen bleibt kein Raum, wenn bei mehreren Steuererklärungen über mehrere Steuerarten und unter-schiedliche Veranlagungszeiträume grundsätzlich von [X.] auszugehen ist.
dd)
Der Senat gibt die bisherige Rechtsprechung zur Tateinheit bei der Steuerhinterziehung gemäß §
370 Abs.
1 Nr.
1 [X.] daher insoweit auf, als eine Tat i.S.v.
von §
52 StGB bei mehreren Steuererklärungen über verschiedene Steuerarten und unterschiedliche Veranlagungszeiträume
(und verschiedene Steuerpflichtige) angenommen worden ist, wenn die Abgabe der Erklärungen im äußeren Vorgang zusammenfällt. In diesen Konstellationen liegen vielmehr im Grundsatz mehrere Taten (§
53 StGB) vor. Diese Änderung kann der Senat ohne eine vorherige Anfrage bei den anderen Strafsenaten des [X.] vornehmen, weil er für [X.] ausschließlich zuständig ist und es sich allein um die Beurteilung der [X.] zwischen mehreren Steuerhinterziehungen gemäß §
370 Abs.
1 Nr.
1 [X.] handelt.
c)
Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen
ergeben sich nach Maßgabe des Vorgenannten für die Fälle [X.]), [X.]), [X.])

insoweit lediglich den Angeklagten
W.

Ko.

betref-
fend

und B.IV.1. der Urteilsgründe folgende Schuldsprüche für die Angeklag-ten:
24
25
-
13
-
aa)
Im Fall [X.]) haben sich beide Angeklagten ungeachtet des gleichzeitigen Eingangs der auf die Veranlagungszeiträume 2007 und 2008
bezogenen, am selben Tag bei dem Finanzamt eingegangenen Unternehmens-steuererklärungen wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen schuldig gemacht. Es handelt sich um die Hinterziehung von Körperschaftsteuer (einschließlich Solidaritätszuschlag, weil aufgrund derselben Erklärung festzusetzen) sowie um diejenige von Gewerbesteuer jeweils für die genannten Zeiträume.
bb)
Im Fall [X.]) liegen wiederum trotz des Eingangs aller Erklärungen über Unternehmenssteuern am selben Tag jeweils sechs vollendete Steuer-
hinterziehungen (jeweils Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer für die [X.]

2012) und zwei versuchte Steuerhinterziehungen (bezüglich des Veranlagungszeitraums 2009) vor.
cc)
Der Angeklagte W.

Ko.

hat zudem für die Veran-
lagungszeiträume 2013 und 2014
jeweils sowohl Körperschaft-
als auch
Gewerbesteuer zugunsten der [X.] hinterzogen. Damit hat er im Fall [X.]) insgesamt vier Steuerhinterziehungen gemäß §
370 Abs.
1 Nr.
1 [X.] verwirk-licht.
dd)
Betreffend ihre Einkommensteuer (Fall B.IV.1.) haben sich die
Angeklagten bezüglich der Veranlagungszeiträume 2008, 2009 und 2012
jeweils wegen vollendeter Steuerhinterziehungen und bezüglich der Veran-
lagungszeiträume 2010 und 2011 wegen versuchten Steuerhinterziehungen strafbar gemacht.
26
27
28
29
-
14
-
ee)
Unter Berücksichtigung der [X.] Schuldsprüche in den Fällen [X.]) und B.IV.2. ändert der Senat in entsprechender Anwendung von §
354 Abs.
1 StPO den den Angeklagten W.

Ko.

betreffen-
den Schuldspruch dahingehend ab, dass dieser wegen Steuerhinterziehung in 19 Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung in vier Fällen schuldig ist
sowie den die Angeklagte U.

Ko.

betreffenden Schuldspruch
dahingehend, dass diese der Steuerhinterziehung in 13 Fällen und der versuch-ten Steuerhinterziehung ebenfalls in vier Fällen schuldig ist. §
265 StPO steht nicht entgegen, weil die Angeklagten sich gegen die Vorwürfe nicht [X.] als geschehen hätten verteidigen können.
5.
Die Schuldspruchänderungen bedingen die Aufhebung der jeweiligen Einzelstrafen in den Fällen [X.]), [X.]), [X.])

insoweit lediglich W.

Ko.

betreffend

und B.IV.1. der Urteilsgründe sowie der Gesamt-
strafe hinsichtlich beider Angeklagter.
Die übrigen Einzelstrafen sind nicht zu beanstanden. Insbesondere die Berechnung des für die Strafzumessung relevanten Hinterziehungsumfangs enthält keine Rechtsfehler.

III.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf
hin, dass es im Fall B.IV.1. der Urteilsgründe hinsichtlich der Einkommensteuer (einschließlich Solidaritätszuschlag) beider Angeklagter für den Veranlagungszeitraum 2008 keine Notwendigkeit für eine Reduktion des sich unter Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens (§
3 Nr.
40 EStG a.F.; vgl. [X.], Beschluss vom 20.
Dezember 2017

1
StR 464/17, [X.], 345
f.) steuerrechtlich
30
31
32
33
-
15
-
ergebenden [X.] für die Strafzumessung gibt. Da der
Gesetzgeber mit der für den hier fraglichen Veranlagungszeitraum maßgebli-chen Absenkung des [X.] bei der Gesellschaft einerseits sowie der Berücksichtigung lediglich des hälftigen Zuflusses verdeckter
Gewinnausschüttungen bei dem Gesellschafter andererseits ohnehin eine
Angleichung der Belastung an andere Einkunftsarten angestrebt hat ([X.] aaO) und vorliegend
das [X.] bereits bei den Besteuerungsgrundlagen von den Angeklagten günstigen Annahmen ausgegangen ist, ergibt sich kein Bedarf einer Absenkung des sich steuerrechtlich ergebenden Hinterziehungsumfangs für die Strafzumessung.
Bezüglich der Veranlagungszeiträume ab 2009 vermag der Senat ange-sichts der nochmals geänderten Steuerrechtslage (vgl. dazu Madauß,
[X.] 2013, 207, 210 f.) schon grundsätzlich keine Notwendigkeit einer solchen
Reduktion bei der Strafzumessung zu erkennen. Wird

wie vorliegend

eine verdeckte Gewinnausschüttung nicht der Kapitalertragssteuer unterworfen (vgl. §
32d Abs.
1 Satz
1, §
43 Abs.
5 Satz
1 EStG), sind die Zuflüsse als Einkom-men des Gesellschafters zu werten und mit dem Steuersatz von 25% zu 34
-
16
-
besteuern (siehe [X.]/[X.],
[X.] 2012, 2248, 2250 mwN). Eine mit ver-fassungsrechtlichen oder strafrechtlichen Grundprinzipien unvereinbare [X.] ist bei einer an dem sich auf dieser Grundlage festgestellten [X.] ausgerichteten Strafzumessung nicht gegeben.

[X.]

[X.]

Radtke

Bär

Hohoff[X.]:[X.]:[X.]:2018:191218B1STR535.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

1 StR 535/17
vom
19. Dezember 2018
in der Strafsache
gegen

wegen Steuerhinterziehung
hier:
Berichtigung
-
2 -
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat am
19.
Dezember 2018
beschlossen:

Der Beschluss des Senats vom 22.
Januar 2018 wird dahin
berichtigt, dass der Angeklagte W.

Ko.

der Steuer-
hinterziehung in 21
Fällen und der versuchten Steuerhinterziehung in vier Fällen schuldig ist.
Die
Berichtigung ist zulässig (vgl. [X.], Beschluss vom 5.
Januar 1999

1 StR 577/98, NStZ-RR 2000,39), da ein offensichtlicher Fehler bei der Zählung der rechtskräftigen Schuldsprüche in den Fällen [X.].) und B.IV.2. (Randnummer
30 des [X.]) vorliegt. In beiden Fällen wurde der Angeklagte durch das [X.] rechtskräftig jeweils nicht nur wegen einer Tat, sondern wegen zwei in [X.] stehender Taten der [X.] verurteilt. Damit ist der Angeklagte wegen 21 und nicht wegen
19 vollendeten Steuerhinterziehungen verurteilt.
[X.] Prof. Dr. Radtke ist aufgrund seines Wechsels an das [X.] gehindert, an der Berichtigung des
Senatsbeschlusses mitzuwirken. Die Berichtigung ist daher von den verbleibenden vier Richtern vorzunehmen (vgl. [X.],
Beschluss vom 3. September 2018

1 [X.] m.w.N.).
[X.]

[X.]

Bär

Hohoff

Meta

1 StR 535/17

22.01.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.01.2018, Az. 1 StR 535/17 (REWIS RS 2018, 15315)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15315

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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x

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