Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2012, Az. V ZB 120/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8127

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

[X.] 120/11

vom

15. März 2012

in der Abschiebungshaftsache

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am
15. März 2012
durch den [X.] [X.] [X.], [X.] Lemke
und
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin [X.] und den
Richter Dr. Czub
beschlossen:
Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Ver-fahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Wasser-mann bewilligt.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des [X.] vom 18. April 2011 auf-gehoben. Es wird festgestellt, dass der Beschluss des [X.] vom 15. Dezember 2010 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Der [X.] hat dem Betroffenen die
zur zweckentsprechenden Rechtsverfol-gung notwendigen Auslagen in allen
Instanzen zu erstatten.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

Gründe:

I.

Der Betroffene ist mit einer [X.] verheiratet und hat mit ihr eine
gemeinsame
Tochter. Er
stellte in [X.] einen Asylantrag und reiste nach 1
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einem legalen Aufenthalt in [X.] am 6. September 2010 erneut, jedoch ohne das erforderliche Visum nach [X.] ein. Die beteiligte Behörde hat am 15. Dezember 2010 die Anordnung von Abschiebungshaft bis zum 11. [X.] 2011 beantragt, die das Amtsgericht mit Beschluss vom gleichen Tag [X.] hat. Die Beschwerde, mit der der Betroffene nach erfolgter [X.] im Januar 2011 beantragt hat, die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung festzustellen, hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt er den Feststellungsantrag weiter. Für das Rechtsbeschwerdeverfahren beantragt er Verfahrenskostenhilfe.

II.

Das Beschwerdegericht hält die Beschwerde mit dem gestellten Feststel-lungsantrag für unbegründet. Die Haftanordnung sei zu Recht ergangen. Der Betroffene sei auf Grund der unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig gewesen. Da er den [X.] Behörden seinen Pass vorenthalten und sich bei der Grenzkontrolle zunächst versteckt habe, habe auch der begründete Verdacht bestanden, er wolle sich der Abschiebung entziehen.

III.

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die auch gegen die Zurückweisung eines Feststellungsantrags nach § 62 FamFG ohne Zulassung statthafte Rechtsbeschwerde (Senat, Beschluss vom 6. Oktober 2011

[X.] 314/10, [X.] 2012, 44, 45) ist begründet. Auf den Antrag ist festzustellen, dass die Anordnung der [X.] den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

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1. Diese Entscheidung verletzt den Betroffenen schon deshalb in seinen Rechten, weil
ihr, wie der Betroffene zu Recht rügt, ein zulässiger Haftantrag der Beteiligten zu 2 nicht zugrunde lag.

a) Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht (Senat, Beschlüsse vom 29. April 2010 -
[X.] 218/09, [X.] 2010, 210, 211 Rn. 14 und vom 22.
Juli 2010 -
[X.] 28/10, NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 8). Fehlt es daran, darf die beantragte [X.] nicht angeordnet werden.

aa) Den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung genügt ein Haftantrag nicht schon dann, wenn darin "die zur Begründung dienenden [X.] und Beweismittel angegeben" werden, was nach § 23 Abs. 1 Satz 2 FamFG bei einem verfahrenseinleitenden Antrag erforderlich, aber auch [X.] wäre.
An die Begründung eines [X.] stellt das Gesetz strengere Anforderungen. Sie muss sich zu den in § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG bestimm-ten Punkten
verhalten. Die danach notwendigen Darlegungen dürfen knapp gehalten sein, müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falls ansprechen
(Senat, Beschluss vom 15. September 2011

[X.] 123/11,
[X.] 2011, 317
f.
Rn. 9).

[X.]) Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§
417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Die Ausführungen zu diesen Punkten müs-sen
auf den konkreten Fall zugeschnitten sein; Leerformeln und Textbausteine genügen nicht. Hinsichtlich der Durchführbarkeit der Abschiebung sind auf das Land bezogene Ausführungen erforderlich, in das der Betroffene abgeschoben 4
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werden soll. Anzugeben ist, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebun-gen in das betreffende Land nach den im konkreten Einzelfall bereits unter-nommenen Schritten sonst üblicherweise möglich sind
(Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011

[X.] 311/10, juris Rn. 13).

b) Diesen Anforderungen genügt der von der Beteiligten zu 2 gestellte Haftantrag nicht. In der Begründung wird zwar ausgeführt, dass der Betroffene nach [X.] abgeschoben werden sollte, weil er dort Asyl beantragt hatte. Er lässt aber nicht erkennen, welcher Zeitraum normalerweise benötigt wird, um Abschiebungen nach [X.] durchzuführen. Er enthält keine Angaben dazu, ob die Beteiligte zu 2 wegen der Abschiebung des Betroffenen bereits Kontakt zu den [X.] Behörden aufgenommen hat und was die Kontaktauf-nahme ergeben hat. Nicht erläutert wird schließlich, weshalb die Abschiebung nach [X.] etwa zwei Monate Zeit in Anspruch nehmen soll. Das war auch deshalb geboten, weil der Betroffene über Dokumente verfügte, die an sich für eine kurzfristige Abschiebung nach [X.] ausreichten.

c) Die erforderlichen Angaben hat der Vertreter der beteiligten Behörde auch nicht, was möglich gewesen wäre (Senat, Beschluss vom 15. September 2011

[X.] 136/11, [X.] 2011, 318
f.
Rn. 8), in der persönlichen Anhörung des Betroffenen durch den Amtsrichter nachgeholt.

2. Offen bleiben können
deshalb
die Frage, ob die Haftanordnung den Betroffenen auch aus anderen Gründen in seinen
Rechten verletzte, etwa [X.], weil der Amtsrichter die Durchführbarkeit der Abschiebung nicht geprüft hat (dazu Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011

[X.] 311/10, juris
Rn. 6),
und die weitere Frage nach der im Hinblick auf § 28 [X.] und die Äuße-rungen des Vertreters der beteiligten Behörde bei der Anhörung des Betroffe-8
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nen nicht zweifelsfreien Ausreisepflicht (dazu: Senat, Beschluss vom 17.
Juni 2010

[X.] 127/10, juris Rn.
21, insoweit nicht in NVwZ
2010, 1318).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2 und § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 [X.] analog und § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Die Festsetzung des [X.] folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. §
30 KostO.

Krüger

Lemke

Schmidt-Räntsch

Stresemann

Czub

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.12.2010 -
1 XIV 877 B -

LG Trier, Entscheidung vom 18.04.2011 -
2 T 16/11 -

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Meta

V ZB 120/11

15.03.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2012, Az. V ZB 120/11 (REWIS RS 2012, 8127)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8127

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V ZB 314/10

V ZB 218/09

V ZB 28/10

V ZB 123/11

V ZB 311/10

V ZB 136/11

V ZB 127/10

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