Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.12.2012, Az. III B 89/12

3. Senat | REWIS RS 2012, 553

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Gegenstand

Ablehnung der Änderung der Lohnsteuerklasse eingetragener Lebenspartner und vorläufiger Rechtschutz


Leitsatz

1. NV: Gegen die Ablehnung der Änderung der Steuerklasse ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Antrag auf AdV statthaft .  

2. NV: Für das Lohnsteuerabzugsverfahren ist in den streitigen Fällen der Steuerklasseneinteilung von eingetragenen Lebenspartnern die vorläufige Eintragung der Steuerklasse III aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes geboten .

Tatbestand

1

Die Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) begründeten Ende September 2011 eine eingetragene Lebenspartnerschaft. Sie leben nicht dauernd getrennt und sind beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Die Antragsteller beziehen beide Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, wobei der Antragsteller zu 2. erst seit dem 1. April 2012 als Arbeitnehmer beschäftigt und im Rahmen eines geringfügig entlohnten Beschäftigungsverhältnisses tätig ist. Ihm wurde daraufhin am 18. April 2012 eine Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug 2012 erteilt, wonach für diesen die Steuerklasse I gilt.

2

Die Antragsteller beantragten unter dem 1. November 2011 bei dem Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt --[X.]--), die für den Antragsteller zu 1. eingetragene Steuerklasse I ab dem [X.] in die [X.] zu ändern sowie dem Antragsteller zu 2. die Steuerklasse [X.] zu bescheinigen. Nachdem das [X.] den Antrag auf Änderung der Lohnsteuerklasse abgelehnt hatte, legten die Antragsteller Einspruch ein und beantragten zudem Aussetzung der [X.]ollziehung ([X.]) wegen ernstlicher Zweifel. Auch diesen Antrag lehnte das [X.] unter dem 28. November 2011 durch einen an den Antragsteller zu 1. als Inhaltsadressaten gerichteten Bescheid ab. Über den Einspruch hat das [X.] noch nicht entschieden. Daraufhin beantragten die Antragsteller nun beim Finanzgericht ([X.]), im Wege der [X.] anzuordnen, dass ab dem [X.] die Steuerklasse des Antragstellers zu 1. von I in III sowie die des Antragstellers zu 2. von I in [X.] zu ändern sei. Eine Lohnsteuerbescheinigung hatte das [X.] dem Antragsteller zu 2. zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgestellt.

3

Das [X.] gab dem Antrag dergestalt statt, dass die [X.]ollziehung bis einen Monat nach Abschluss des [X.] derart aufgehoben und ausgesetzt werde, dass ab dem 1. Januar 2012 bei dem Antragsteller zu 1. vorläufig die [X.] und bei dem Antragsteller zu 2. vorläufig die Steuerklasse [X.] beim [X.] berücksichtigt werde. Zur Begründung führte es aus, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der [X.]erweigerung der Eintragung der begehrten Steuerklassen III und [X.] für eine vorläufige Bestimmung der Lohnsteuerpflicht. Die Abgeltungswirkung der [X.] für die Einkommensteuer nach § 46 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) könne auch nicht zu einer [X.]orwegnahme der Hauptsache führen.

4

Zur Begründung seiner vom [X.] zugelassenen Beschwerde trägt das [X.] vor, die Ablehnung der Änderung der Lohnsteuerklassen entspreche der geltenden einfachgesetzlichen Regelung. Eine [X.] sei nicht geboten, um eine erhebliche [X.]erletzung von Grundrechten zu vermeiden, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten. Den Antragstellern drohten durch die [X.]ersagung der [X.] zudem keine irreparablen Nachteile.

5

Das [X.] beantragt, die [X.]orentscheidung aufzuheben und den Antrag auf [X.] abzulehnen.

6

Die Antragsteller beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

[X.]. Antragsteller zu 1.
[X.] ist --soweit sie den Antragsteller zu 1. betrifft-- unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat insoweit zu Recht ab Januar 2012 [X.] durch vorläufige Eintragung der [X.] gewährt.

8

1. Das [X.] ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass gegen die Ablehnung der Änderung der Steuerklasse vorläufiger Rechtsschutz im Wege der [X.] nach § 69 Abs. 3 [X.]O zu gewähren ist.

9

a) Der Antrag auf [X.] ist statthaft.

aa) [X.]m finanzgerichtlichen Verfahren ist vorläufiger Rechtsschutz entweder durch die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes nach § 69 [X.]O oder durch eine einstweilige Anordnung nach § 114 [X.]O zu gewähren. Die Abgrenzung der beiden Rechtsschutzmöglichkeiten richtet sich danach, welche Klage in einem Hauptsacheverfahren zu erheben wäre. [X.]st die zutreffende Klageart die Anfechtungsklage, wird vorläufiger Rechtsschutz durch die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung gewährt (§ 69 [X.]O), bei [X.] ist grundsätzlich eine einstweilige Anordnung (§ 114 [X.]O) zu beantragen (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.]sbeschluss vom 23. April 2012 [X.][X.][X.] B 183/11, [X.], 1173, m.w.N.).

bb) Vorliegend begehrt der Antragsteller zu 1. die Änderung der für ihn auf seiner Lohnsteuerkarte eingetragenen Steuerklasse [X.] in die [X.]. Aus seiner Sicht ist die Eintragung der Steuerklasse [X.] fehlerhaft, weil er als eingetragener Lebenspartner --entgegen § 38b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a [X.] nicht ledig sei. [X.] ist nach herrschender Meinung die Anfechtungsklage ([X.]/[X.], § 39 EStG Rz 22; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 39 EStG Rz 5; [X.]/[X.], EStG, 31. Aufl., § 39 Rz 10; [X.] in [X.], EStG, [X.] 2011, § 39 Rz 28; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], Kommentar, § 39 Rz 58; Trzaskalik, in: [X.][X.], EStG, § 39 Rz A 39; [X.], [X.], 435; a.A. noch Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 21. Januar 1983 V[X.] B 98/82, juris; [X.] Düsseldorf, Urteile vom 27. Oktober 2011  14 K 1890/11 E, Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2012, 746, und 14 K 2269/11 L, E[X.] 2012, 1401).

Dementsprechend ist vorläufiger Rechtsschutz grundsätzlich im Wege der [X.] zu gewähren. [X.]nsbesondere ist die Lohnsteuerkarte --bzw. eine bis zur erstmaligen Anwendung der elektronischen [X.]smerkmale ([X.]) ausgestellte Bescheinigung für den [X.] (§ 52b Abs. 3 EStG)-- ein vollziehbarer Verwaltungsakt, da die auf ihr vorgenommenen Eintragungen die Grundlage für den [X.] bilden. Durch den vorläufigen Rechtsschutz im Wege der [X.] wird deshalb ein --möglicherweise-- überhöhter [X.] unterbunden (vgl. hierzu Trzaskalik, in: [X.][X.], a.a.[X.], § 39 Rz A 39 und A 43).

b) Durch die Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes darf das Ergebnis des schwebenden Verfahrens in der Hauptsache nicht vorweggenommen werden, d.h. es dürfen keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden ([X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 69 [X.]O Rz 354). Soweit es um die Eintragung von Freibeträgen auf der Lohnsteuerkarte geht, ist die Rechtsprechung bislang der Auffassung, durch eine nur vorläufige Eintragung werde keine Entscheidung in der Sache selbst getroffen ([X.] vom 8. Dezember 1972 V[X.] B 39/72, [X.], 492, [X.] 1973, 245) und das Ergebnis der Hauptsache deshalb rechtlich nicht vorweggenommen ([X.] vom 24. Februar 1987 [X.]X B 106/86, [X.], 533, [X.] 1987, 344; vom 29. April 1992 V[X.] B 152/91, [X.], 152, [X.] 1992, 752).

Der [X.] lässt dahinstehen, ob es allein durch die nur vorläufige Eintragung --vorliegend einer günstigeren Lohnsteuerklasse-- nicht zur Vorwegnahme der Hauptsache kommen kann (eine solche Vorwegnahme der Hauptsache bejahend [X.] in [X.], § 69 [X.]O Rz 357). [X.]nsoweit bestehen deshalb Bedenken, weil eine Entscheidung in der Hauptsache im Sinne einer "endgültig" geänderten Eintragung in einem [X.] regelmäßig nicht getroffen wird. Da eine Änderung des [X.]s nach der Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung für den im März des Folgejahres endenden Lohnzahlungszeitraum nicht mehr zulässig ist, kann ein etwaiger --z.B. durch eine unzutreffende vorläufige Eintragung ausgelöster-- Fehler in diesem Verfahren dann nicht mehr berichtigt werden (vgl. hierzu z.B. [X.]sbeschluss vom 25. Mai 2012 [X.][X.][X.] B 166/11, [X.], 1605). Dementsprechend tritt in der Hauptsache regelmäßig eine Erledigung ein und es kommt allenfalls zur Feststellung, ob die Ablehnung der begehrten Eintragung rechtmäßig oder rechtswidrig war (hierzu z.B. [X.] vom 2. November 2000 X R 156/97, [X.] 2001, 476).

Aus Gründen der Effektivität des einstweiligen Rechtsschutzes erachtet der [X.] in den streitigen Fällen der Steuerklasseneinteilung von eingetragenen Lebenspartnern eine vorläufige Eintragung im Wege der [X.] gleichwohl grundsätzlich für geboten. [X.]nsbesondere wird eine [X.] erst des Einkommensteuerbescheids oftmals an der gesetzlichen Vorschrift des § 69 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 8 [X.]O scheitern (vgl. [X.]sbeschlüsse in [X.], 1173, und vom 23. April 2012 [X.][X.][X.] B 187/11, [X.], 1328). Danach sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung grundsätzlich auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden [X.], um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen beschränkt, wenn die [X.] nicht ausnahmsweise zur Abwendung wesentlicher Nachteile geboten erscheint.

Es ist auch nicht zu befürchten, dass der mit einer "vorläufigen" Eintragung der [X.] erlangte Vorteil im Falle einer Entscheidung des [X.] ([X.]) zu Lasten von eingetragenen Lebenspartnern endgültig nicht mehr korrigiert werden könnte. Denn kommt es nicht zu einer Einkommensteuerveranlagung, weil kein Fall des § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG vorliegt und auch kein Antrag auf Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG gestellt wird, wäre die zu wenig einbehaltene Lohnsteuer von der Finanzbehörde vom Arbeitnehmer nachzufordern (§ 41c Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 2 EStG; vgl. [X.]-Urteil vom 24. September 1982 V[X.] R 64/79, [X.], 484, [X.] 1983, 60).

2. Das [X.] hat zutreffend auch ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Ablehnung auf Änderung der Steuerklasse von [X.] ab dem [X.] i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 [X.]O bejaht.

a) Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 [X.]O soll die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche [X.]nteressen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.] vom 11. Juni 2003 [X.]X B 16/03, [X.], 53, [X.] 2003, 663, m.w.N.).

b) Zwar hält der [X.] an seiner Auffassung fest, dass die Beschränkung des Rechts auf Wahl der Zusammenveranlagung auf Ehegatten verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. ausführlich [X.]sbeschluss vom 5. März 2012 [X.][X.][X.] B 6/12, [X.], 1144, unter [X.]). Da eingetragene Lebenspartner demzufolge mangels eines entsprechenden Veranlagungswahlrechts gemäß der Gesetzessystematik nach der [X.] versteuert werden, sind sie --solange die für das [X.]sverfahren notwendige Zuordnung zu einer Lohnsteuerklasse in § 38b Abs. 1 EStG nicht durch eine Regelung des Gesetzgebers erfolgt-- in entsprechender Anwendung des § 38b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG wie [X.] in die [X.] einzureihen (vgl. [X.]surteil vom 19. Oktober 2006 [X.][X.][X.] R 29/06, [X.] 2007, 663).

An der Richtigkeit der Rechtsauffassung des [X.]s bestehen jedoch wegen des offenen Ausgangs der beim [X.] anhängigen Verfassungsbeschwerden 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06 und 2 BvR 288/07 ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 [X.]O (vgl. [X.]sbeschluss in [X.], 1144, unter [X.][X.].2.c). Dementsprechend hat der [X.] bereits in einem Verfahren gegen einen Einkommensteuerbescheid, durch den ein Steuerpflichtiger entgegen seinem Antrag nicht zusammen mit seinem gleichgeschlechtlichen Lebenspartner, sondern einzeln zur Einkommensteuer veranlagt worden ist, vorläufigen Rechtsschutz gewährt ([X.]sbeschluss in [X.], 1144). Für ein Verfahren betreffend die Ablehnung der Änderung der Steuerklasse eines eingetragenen Lebenspartners von [X.] --wie vorliegend im Fall des Antragstellers zu 1.-- bedeutet dies, dass gleichfalls vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren ist.

3. Eine [X.] ist auch nicht aus Gründen des öffentlichen [X.]nteresses abzulehnen.

a) Nach der Rechtsprechung des [X.] ist ein Antrag auf [X.], der mit ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer dem angefochtenen Steuerbescheid zugrunde liegenden [X.] begründet wird, abzulehnen, wenn nach den Umständen des Einzelfalles dem [X.]nteresse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht der Vorrang vor dem öffentlichen [X.]nteresse am Vollzug des Gesetzes zukommt (vgl. [X.] vom 1. April 2010 [X.][X.] B 168/09, [X.]E 228, 149, [X.] 2010, 558, m.w.N.). Es ist eine [X.]nteressenabwägung zwischen den individuellen [X.]nteressen des Steuerpflichtigen und dem öffentlichen [X.]nteresse erforderlich (vgl. [X.] vom 25. August 2009 V[X.] B 69/09, [X.]E 226, 85, [X.] 2009, 826, m.w.N.). Das Gewicht der ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der betroffenen Vorschrift ist bei dieser Abwägung nicht von ausschlaggebender Bedeutung (vgl. [X.] in [X.]E 228, 149, [X.] 2010, 558).

b) [X.]n seiner Entscheidung betreffend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Hinblick auf die abgelehnte Zusammenveranlagung eingetragener Lebenspartner im Rahmen ihrer Einkommensteuerveranlagung hat sich der [X.] insoweit davon leiten lassen, dass das [X.] in seinem zum Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht ergangenen Beschluss vom 21. Juli 2010  1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 ([X.]E 126, 400, [X.], 1295) die als verfassungswidrig beurteilten Regelungen mangels Gefährdung der geordneten Finanz- und Haushaltsplanung durch die rückwirkende Besserstellung eingetragener Lebenspartner in allen offenen Fällen --ohne dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist zur Nachbesserung mit befristeter Fortgeltung einzuräumen-- für nicht mehr anwendbar erklärt hat und eine hiervon abweichende Beurteilung der haushaltsrechtlichen Auswirkungen der Ungleichbehandlung im Bereich der Einkommensteuer nicht ersichtlich war (vgl. [X.]sbeschluss in [X.], 1144, unter [X.][X.].3.b).

c) Da Gegenstand der anhängigen Verfassungsbeschwerden ausschließlich die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnern und Ehegatten im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung im Hinblick auf das Veranlagungswahlrecht der §§ 26, 26b EStG ist, hat eine Entscheidung des [X.] für die hier relevante Frage der Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnern und Ehegatten im Rahmen des [X.]sverfahrens durch die unterschiedliche Steuerklasseneinreihung in § 38b EStG zunächst keine unmittelbare Auswirkung. [X.]m Falle einer Entscheidung zu Gunsten von eingetragenen Lebenspartnern durch das [X.] wäre der Gesetzgeber aus Gründen der Folgerichtigkeit freilich gehalten, für die gesetzlich geregelte Steuerklasseneinteilung im Rahmen des [X.]sverfahrens als besonderes Vorauszahlungsverfahren ([X.]-Urteil vom 13. Januar 2011 V[X.] R 64/09, [X.] 2011, 753) die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen.

Auch wenn im [X.] der beim [X.] anhängigen Verfassungsbeschwerden eine Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartner im [X.]sverfahren durch Änderung des § 38b EStG allenfalls mit Wirkung für den dann laufenden Lohnzahlungszeitraum möglich ist, weil sich eine Änderung für bereits vergangene Lohnzahlungszeiträume tatsächlich nicht mehr auswirken kann, besteht gleichwohl kein Grund, die [X.] für das [X.] aus Gründen des öffentlichen [X.]nteresses abzulehnen. [X.]nsoweit kommt es entscheidend darauf an, dass es sich bei dem [X.]sverfahren zwar um ein rechtlich selbständiges Verfahren handelt, dieses jedoch gegenüber dem Veranlagungsverfahren nur ein vorläufiges Verfahren darstellt. Eine im [X.]sverfahren zu viel erhobene und deshalb zu erstattende Lohnsteuer kann spätestens im Rahmen des Veranlagungsverfahrens angerechnet und ggf. ausgezahlt werden. Dass unter haushälterischen Gesichtspunkten der Durchführung des [X.]s unter Zugrundelegung der Steuerklasse [X.] der Vorrang vor dem [X.]nteresse des Antragstellers zu 1. an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes einzuräumen wäre, ist nicht ersichtlich.

[X.][X.]. Antragsteller zu 2.
[X.] ist insoweit begründet. Sie führt betreffend den Antragsteller zu 2. zur Aufhebung des [X.]-Beschlusses und zur Ablehnung des [X.]-Antrags.

1. Der Antrag des Antragstellers zu 2. ist bereits deshalb unzulässig, weil die Finanzbehörde weder zuvor einen bei ihr gestellten Aussetzungsantrag abgelehnt hat (§ 69 Abs. 4 Satz 1 [X.]O) noch die Voraussetzungen des § 69 Abs. 4 Satz 2 [X.]O erfüllt sind.

a) Nach § 69 Abs. 4 Satz 1 [X.]O ist ein Antrag auf [X.] an das Gericht nur zulässig, wenn die Finanzbehörde einen zuvor bei ihr gestellten Aussetzungsantrag abgelehnt hat. Bei dieser Zugangsvoraussetzung ist eine nachträgliche Heilung nicht möglich (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.] vom 28. Mai 2008 [X.]X S 4/08 (PKH), [X.] 2008, 1489, m.w.N.).

b) Einen entsprechenden vorherigen Antrag bei dem [X.] hat der Antragsteller zu 2. jedoch nicht gestellt. Jedenfalls hat das [X.] einen solchen Antrag nicht vor Anrufung des [X.] abgelehnt.

Zwar haben die --zu dieser Zeit nicht durch einen steuerlichen Berater vertretenen-- Antragsteller den --mit ihrem Einspruch verbundenen-- [X.]-Antrag an das [X.] beide unterschrieben. Zu diesem Zeitpunkt verfügte aber nur der Antragsteller zu 1. über eine Lohnsteuerkarte, deren Eintragungen (wie die Steuerklasse) hätten geändert werden können. Wie aus der Ablehnung des [X.]-Antrags ersichtlich, ist das [X.] deshalb davon ausgegangen, dieser betreffe nur den --bereits über eine Lohnsteuerkarte verfügenden-- Antragsteller zu 1.

Der Antragsteller zu 2. hat nach Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung Anfang April 2012 (nochmals) die Ausstellung einer Bescheinigung für den [X.] beantragt, die ihm vom [X.] am 18. April 2012 ausgestellt wurde. Die dort eingetragene Steuerklasse [X.] konnte somit nicht Gegenstand des Verfahrens auf [X.] durch das [X.] sein. Auch ein Fall des § 69 Abs. 4 Satz 2 [X.]O ist insoweit nicht ersichtlich.

2. Da der Antrag des Antragstellers zu 2. bereits im Hinblick auf § 69 Abs. 4 [X.]O unzulässig ist, braucht der [X.] nicht zu entscheiden, ob eine [X.] auch deshalb nicht in Betracht kommt, weil der Antragsteller zu 2. die Änderung seiner Steuerklasse von [X.] in V und damit eine Änderung zu seinen Ungunsten begehrt bzw. sich eine Änderung in seinem Fall möglicherweise gar nicht auswirkt, weil er nur einer geringfügigen Beschäftigung nachgeht, bei der der Arbeitgeber die Lohnsteuer unter Verzicht auf die Vorlage der Bescheinigung für den [X.] pauschalieren kann (§ 40a Abs. 2 und 2a EStG).

Meta

III B 89/12

11.12.2012

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 9. Mai 2012, Az: 3 V 1829/11, Beschluss

§ 69 Abs 2 S 2 FGO, § 69 Abs 3 FGO, § 38b EStG 2009, LPartG, § 52b Abs 3 EStG 2009

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.12.2012, Az. III B 89/12 (REWIS RS 2012, 553)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 553

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