Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.10.2019, Az. AK 55/19

3. Strafsenat | REWIS RS 2019, 2538

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[X.]:[X.]:[X.]:2019:171019BAK55.19.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 55/19

vom
17. Oktober
2019
in dem Strafverfahren
gegen

wegen
Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für eine ausländische
terroristische Vereinigung u.a.

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des Angeklagten und seiner Verteidiger am 17.
Oktober 2019 gemäß §§
121, 122 StPO be-schlossen:

Die Untersuchungshaft hat [X.].
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den [X.] findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem [X.] übertragen.

Gründe:
I.
Der Angeklagte ist aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters
des [X.] vom 20.
März
2019 (ErmRi
Gs
20/19) am 21.
März 2019 vorläufig festgenommen worden und befindet sich seither unun-terbrochen in Untersuchungshaft. Am 28.
August 2019 hat der befasste Straf-senat des [X.], zu dem zwischenzeitlich Anklage gegen den Angeklagten erhoben worden ist, einen an die Anklageschrift ange-passten Haftbefehl erlassen. Dieser ist ihm
am 4.
September 2019 eröffnet worden. Mit Beschluss vom 10.
September 2019 hat das [X.] das Hauptverfahren eröffnet.
1
-
3
-
Gegenstand des aktuellen Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeklagte habe als strafrechtlich verantwortlicher Jugendlicher im Januar und Februar 2019 in fünf Fällen um Mitglieder oder Unterstützer für die ausländische terroris-tische Vereinigung "[X.]"
([X.]) geworben, davon in einem Fall (Fall
2) in Tateinheit mit versuchter Bestimmung eines anderen, einen Mord zu begehen,
und in weiterer Tateinheit mit Terrorismusfinanzierung, in einem an-deren Fall (Fall
5) tateinheitlich mit Gewaltdarstellung. In zwölf weiteren Fällen soll er sich eine Anleitung zur Begehung einer schweren st[X.]tsgefährdenden Gewalttat verschafft und schließlich in zwei weiteren Fällen tateinheitlich ge-waltdarstellende Schriften verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und zu diesen Zwecken vorrätig gehalten zu haben.
Wegen dieser
Tatvorwürfe hat die Generalst[X.]tsanwaltschaft [X.] gegen den Angeklagten
unter dem Datum des 16.
Juli 2019 Anklage vor dem [X.] [X.] erhoben. Der befasste Strafsenat hält die Fort-dauer der Untersuchungshaft
für erforderlich.
II.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1.
Der Angeklagte ist der ihm im Haftbefehl des [X.]s
[X.] vom 28.
August 2019 vorgeworfenen Straftaten dringend verdächtig.
a)
Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Geschehen auszugehen:
2
3
4
5
6
-
4
-
[X.])
Der [X.] ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islami-scher Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen [X.] und die historische Region "ash-Sham"
-
die heutigen [X.] [X.], [X.] und [X.] sowie Palästina
-
umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesst[X.]t"
unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im [X.] sowie das Regime des [X.] Präsidenten [X.] zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind
des Islam"
begreift; die Tötung solcher "Feinde"
oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.
Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des "Kalifats"
am 29.
Juni 2014 aus "[X.] im [X.] und in Großsyrien"
([X.]IG) in "[X.]"
([X.]) umbenannte -
wodurch sie von der territorialen Selbst-beschränkung Abstand nahm
-, hat seit 2010 [X.] inne. [X.] erklärte sein Sprecher bei der Ausrufung des Kalifats zum "Kalifen", dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Dem "Kalifen"
unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister"
als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "[X.]"
und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehö-ren außerdem beratende "[X.]". Veröffentlichungen werden in der [X.]"
produziert und über die Medienstelle "al-I'tisam"
ver-breitet, die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein [X.] nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem "Prophetensiegel", einem weißen Oval mit der Inschrift "Allah -
Rasul -
Muhammad", auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem [X.] Glau-bensbekenntnis. Die -
zeitweilig mehreren tausend
-
Kämpfer sind dem "Kriegs-7
8
-
5
-
minister"
unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Komman-deur gegliedert.
Die Vereinigung teilte von ihr besetzte Gebiete in [X.] ein und richtete einen [X.] ein; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer st[X.]tlicher Strukturen. Angehörige der [X.] und [X.], aber auch in Gegnerschaft zum [X.] stehender Oppositionsgrup-pen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von [X.] sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des [X.] in Frage stellten, sa-hen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom [X.] zu Zwecken der Ein-schüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht der [X.] immer wieder [X.] an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs [X.]. So hat er auch für Anschläge in [X.], etwa in [X.], [X.], [X.] und [X.], die Verantwortung übernommen.
bb)
Der aus [X.] stammende, seit 2015 in [X.] lebende [X.] sympathisierte jedenfalls ab Januar 2019 mit der Ideologie des [X.] und legte mehrfach in Chats den Treueid auf den Anführer des [X.], Abu Bakr
al-Baghdadi,
ab. In diesem Zusammenhang kam es zu den folgenden Taten, die der Angeklagte überwiegend aus seiner Wohnung heraus mit seinem Smartphone beging:
(1)
Im Zeitraum zwischen dem 13.
Januar
und dem 5.
Februar 2019 [X.] der Angeklagte im Rahmen einer Chat-Kommunikation auf eine weibliche Person, vermutlich seine in [X.] lebende Verlobte, ein, mit ihm in den [X.] zu ziehen und im "Kalifenst[X.]t"
zu leben. Des
Weiteren übersandte er ihr Pro-9
10
11
-
6
-
pagandamaterial des [X.] und brachte sie dazu, den Treueid auf den Anführer der Vereinigung abzulegen (Fall
1).
(2)
Am 14.
Januar 2019 veranlasste der Angeklagte
eine sich in [X.]
([X.])
aufhaltende Person, die sich

S.

nannte, im Rahmen eines
Chatverkehrs dazu, den Treueid auf [X.] abzulegen. In Ab-stimmung mit einer dem [X.] zumindest nahestehenden Person, mit der er über einen Messenger-Dienst kommunizierte, versuchte der Angeklagte in der Folge,
"

S.

"
dazu zu veranlassen, mit einem Kopfschuss einen "Apostaten",
also eine dem "wahren Glauben"
abtrünnige Person, zu töten. Damit könne er das Vertrauen des [X.] gewinnen. In diesem Zusammenhang gab er ihm die nä-here Anweisung, die Tat auf Video aufzunehmen. Auch solle er vor Beginn der "[X.]"
ihm den Standort des Hauses des "Apostaten"
mitteilen und [X.] ein Foto fertigen, um die Kontaktleute des [X.] über die Tatbegehung zu un-terrichten. "

S.

"
begab sich in der Folge zu einem bestimmten Ort in
[X.], wo er beim Fotografieren des Standorts festgenommen wurde. Die
Tötung des "Apostaten"
wollte "

S.

"
zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor-
nehmen.
In der Folgezeit transferierte der Angeklagte, der bereits zuvor dem sich in einer prekären finanziellen Situation befindlichen "

S.

"
Geld zum
Kauf von Munition überweisen wollte, 142

Festnahme des "

S.

"
dessen Familie zu unterstützen (Fall
2).
(3)
Am 1.
Februar 2019 und im Zeitraum zwischen dem 3.
Februar und dem 5.
Februar 2019 verherrlichte der Angeklagte in drei Chats, die jeweils für eine unbeschränkte Anzahl von Personen zugänglich waren, den [X.]. Er ver-suchte damit, die [X.] dazu zu bewegen, sich dem Kampf des [X.] an-zuschließen. In einem der Chats (mit neun Teilnehmern) verschickte er einen Screenshot eines auf ihn ausgestellten [X.]-Mitgliederausweises, der unter ande-12
13
-
7
-
rem die Anmerkung enthielt: "Arbeitsbereich: Zum Aufbau des [X.] Kali-fats". Er fragte an, wer bereit sei, in [X.] etwas gegen "[X.]"
unter-nehmen zu wollen,
und bot an, Waffen für allfällige [X.]en zu besorgen (Fall
3). In einer weiteren Chatgruppe mit 42
Teilnehmern rief der Angeklagte wiederum zum [X.] auf, wobei in dem Profilbild ein maskierter Kämpfer
eine [X.]-Fahne aufstellte (Fall
4). Schließlich rief der Angeklagte in einer weiteren Chatgruppe mit 97
Teilnehmern, die ebenfalls Profilbilder mit eindeutigem [X.]-Bezug hatte, zur medialen Unterstützung des [X.] auf. Einen Teilnehmer forderte er konkret auf, die reguläre Armee zu verlassen, Reue zu zeigen und sich dem [X.] anzuschließen. Zudem äußerte er, dass es am besten sei, sich dem [X.] an-zuschließen, wobei man die Ausführung eines [X.] anbieten solle, um zu beweisen, dass man kein Spion sei (Fall
5). In diesem [X.] verschickte er zudem am 2.
Februar 2019 zwischen 14.18
Uhr und 23.57
Uhr sechs [X.], die u.a. die äußerst grausame Tötung meist [X.] Menschen zeigten. Diese [X.] waren bei der Festnahme des Beschuldigten noch auf seinem Handy gespeichert.
(4)
Bereits ab Mitte 2018 lud sich der Angeklagte aus dem [X.] Hand-lungsanweisungen eines dem [X.] nahestehenden [X.] herunter. Diese enthielten Ratschläge u.a. zu "erfolgreichen Messerangriffsoperationen", zur Herstellung eines Zünders auf der Grundlage von [X.] und zur Herstellung von Rizin. Diese waren geeignet, als Anleitung für eine schwere st[X.]tsgefähr-dende Gewalttat zu dienen (Fall
6).
(5)
Zwischen dem 15.
Januar und dem 5.
Februar 2019 lud sich der An-geklagte über einen Chat mit dem Namen "

"
in zehn
Fällen Anleitungen insbesondere zum Bau von Bomben herunter (Fälle
7
bis
16).
Dabei handelte es sich in Fall
7 und in Fall
15 um [X.], die den Bau 14
15
-
8
-
eines Zünders bzw. das Aufkochen chemischer Substanzen zur Herstellung von Sprengstoff zum Inhalt hatten. In Fall
8 lud er sechs Seiten mit Hinweisen zum Bau einer Bombe mittels einer Gasflasche herunter. Fälle
9 und 14 betrafen Bilddateien von Unterrichtseinheiten einer Schulung für "[X.]istenanfänger". In den Fällen
10, 11, 12 und 16 verschaffte er sich PDF-Dateien und in Fall
13 eine doc-Datei, die Titel wie "

", "

",
"

"
usw. trugen und entsprechende Anlei-
tungen enthielten.
(6)
Schließlich ließ sich der Angeklagte von einem Chat-Partner eine
Videodatei über die Herstellung einer Bombe übermitteln (Fall
17).
(7)
In einem einer unbestimmten Anzahl von Personen offenstehenden Chat postete der Angeklagte zwei Videofilme, die wiederum die grausame
Tötung von Menschen zum Gegenstand hatten. Auch diese [X.] befanden sich bei der Festnahme auf dem Smartphone des Angeklagten, wo er sie vorrä-tig hielt, um sie bei Gelegenheit wieder zu versenden (Fälle
18 bis 19).
b)
Der dringende Verdacht, die
vorstehenden Taten begangen zu haben, ergibt sich insbesondere aus den Angaben des Angeklagten und der [X.] des bei ihm sichergestellten Smartphones.
[X.])
Der Angeklagte, der in seiner ermittlungsrichterlichen Vernehmung von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat, hat sich in seinen polizei-lichen Vernehmungen zu seiner jihadistischen Einstellung und zu seinem Nähe-verhältnis zum [X.], der für ihn den "richtigen"
Islam verkörpere, bekannt. Im Rahmen der Teilnahme an dem
WhatsApp-Chat mit der Bezeichnung "

", der sich mit der Information zu Sprengsätzen usw. befasst,
16
17
18
19
-
9
-
hat er auf Aufforderung des unbekannten Administrators mehrfach einen Treu-eid auf den Anführer des [X.] abgelegt. Auch haben mehrere Zeugen bestätigt, dass der Angeklagte radikal-islamistische Ideen vertrete, die der Ideologie des [X.] zuzuordnen sind. Dies wird schließlich von Äußerungen des Angeklagten in diversen Chats sowie durch auf seinem Smartphone sichergestellte Fotos und [X.] belegt, die nach islamwissenschaftlicher Auswertung einen deutlichen Bezug zum [X.] ausweisen.
bb)
Die Anwerbeversuche für den [X.] in den Fällen
1 bis 5 ergeben sich aus den Angaben des Angeklagten
sowie aus der Auswertung seines Smart-phones.
(1)
Mehrere sichergestellte Chats belegen, dass der Angeklagte sich bemühte, eine weibliche Person, wahrscheinlich seine Verlobte, für den [X.] zu gewinnen (Fall
1). Er gab ihr nicht nur zu verstehen, mit ihr ins "Kalifat"
ausrei-sen zu wollen, sondern forderte sie auch auf, selbst zur Kämpferin ("Mudjahi-da") zu werden und den Treueid auf den Anführer des [X.] abzulegen.
(2)
Die Anwerbung des "

S.

"
(Fall
2) hat der Angeklagte in seiner
polizeilichen Vernehmung eingeräumt. Auch habe er von diesem als Vertrau-ensbeweis verlangt, eine bestimmte, dem [X.] feindlich gegenüberstehende Per-son ausfindig zu machen und sein Haus zu fotografieren. Dies wird durch den gesichteten Chat-Verkehr auf dem Smartphone des Angeklagten belegt, dem auch zu entnehmen ist, dass "

S.

"
von ihm nicht nur dazu angehalten
wurde, den "Apostaten", dessen Identität zwar vermutet, aber nicht eindeutig festgestellt werden kann, ausfindig zu machen, sondern auch, diesen zu töten. Dem sollte das Fotografieren des von diesem
bewohnten Hauses, mit dem gleichzeitig der Standort des "

S.

"
übermittelt werden sollte, lediglich
20
21
22
-
10
-
vorausgehen. Dass "

S.

"
bei dem Versuch, das Haus zu fotografieren,
offensichtlich festgenommen wurde, ergibt sich aus einem Chat, den der [X.] von einer unbekannten Person erhalten hat. Bereits zuvor hatte der An-geklagte ausweislich des Chat-Verkehrs "

S.

", der geklagt hatte, kein
Geld zur Beschaffung von Munition zu haben, zugesagt, ihm Mittel hierfür zur Verfügung zu stellen. Nach dessen Festnahme sagte er der Frau des "

S.

"
eine Unterstützung zu
und ließ schließlich einen Betrag von über 100

nach [X.] transferieren. Auch forderte er seinen Ansprechpartner in [X.], mit dem er das Vorgehen des "

S.

"
gegen den "Apostaten"
abgestimmt
hatte, dazu auf, die Familie zu unterstützen.
(3)
Ebenso werden die Anwerbeversuche in den Fällen
3 bis 5 durch
einen entsprechenden Chatverkehr belegt, wobei der Angeklagte sich insoweit zudem erbot, Waffen zu besorgen. Die Auswertung der Daten des bei ihm
sichergestellten Smartphones hat
zudem ergeben, dass er in
Fall
5 im [X.] beschriebene Gewaltvideos im Chatverkehr versandt hat. Der Angeklagte hat bei seiner polizeilichen Vernehmung überdies eingeräumt, auf seinem Smartphone über Gewaltvideos zu verfügen.
cc) Der Angeklagte hat eingestanden, sich Anleitungen zur Herstellung von Sprengsätzen und Gift aus dem [X.] verschafft zu haben. Dies wird im Einzelnen bestätigt durch die in den Fällen
6 bis 16 von der [X.]seite eines dem [X.] nahestehenden [X.] und aus dem Chat "

"
sowie einem Einzelchat (Fall
17) heruntergeladenen Dateien, auf
denen Anleitungen zur Herstellung von Bomben und Rizin, aber auch zu [X.] versandt wurden. Die Ermittlungen haben indes letztlich nicht erge-ben, dass sich etwaige Anschlagspläne des Angeklagten, der ausweislich einer Vielzahl von Äußerungen in dem gesichteten Chatverkehr in erster Linie nach 23
24
-
11
-
[X.] ausreisen und dort kämpfen oder möglicherweise Anschläge begehen wollte, schon konkretisiert hatten.
dd)
Ebenso konnten in den Fällen
18 und 19 die inkriminierten [X.] auf dem Smartphone des Angeklagten festgestellt und die entsprechenden Chat-Nachrichten gesichtet werden.
ee)
Hinsichtlich der ausländischen terroristischen Vereinigung [X.] ergibt sich der dringende Tatverdacht aus mehreren Gutachten des Sachverständigen Dr.
S.

sowie einem Auswertebericht des [X.] vom
6.
März 2014.
Wegen weiterer Einzelheiten der den dringenden Tatverdacht gegen den Angeklagten begründenden Beweismittel und Indizien wird auf die Darlegungen im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] und insbesondere im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklageschrift der
Generalst[X.]tsanwaltschaft
Bezug genommen.
c)
Der Angeklagte hat sich damit wie folgt strafbar gemacht:
[X.])
In den Fällen
1 bis 5 stellt sich das dem Angeklagten angelastete Verhalten rechtlich gesehen als Werben um Mitglieder oder Unterstützer für eine terroristische Vereinigung im Ausland dar (§
129b Abs.
1 Sätze
1 und 2, §
129a Abs.
5 Satz
2 StGB).
(1)
Der [X.] ist nach dem derzeitigen Erkenntnisstand eine ausländische terroristische Vereinigung.
25
26
27
28
29
30
-
12
-
(2)
Im Einzelchatverkehr mit seiner mutmaßlichen Verlobten und mit
"

S.

"
warb der Angeklagte darum, dass diese sich jeweils dem [X.] an-
schließen und/oder für diesen kämpfen sollten. Damit warb er im Sinne des §
129a Abs.
5 Satz
2 StGB um Mitglieder oder Unterstützer für die Vereinigung. Tateinheitlich hierzu ist der Angeklagte
im Fall
2 dringend verdächtig, versucht zu haben, "

S.

"
zu einem Mord anzustiften. Er wollte ihn dazu bewegen,
einen bestimmt benannten "Apostaten"
zu töten, um den Verantwortlichen des [X.] gegenüber seine Vertrauenswürdigkeit unter Beweis zu stellen. Damit sollte diese Person allein um ihrer politischen oder religiösen Überzeugung wegen getötet werden, weshalb es sich bei dem angestrebten Tötungsdelikt jedenfalls durch die Verwirklichung des [X.] der niedrigen Beweggründe um einen Mord gehandelt hätte (vgl.
[X.], Beschluss vom 6.
April 2017
-
AK
14/17, juris Rn.
29). Da "

S.

"
mit dem Fotografieren des Hauses des potentiel-
len Opfers ein späteres Tötungsdelikt nur vorbereiten wollte, er bei seiner Fest-nahme also zum Versuch noch nicht angesetzt hatte, ist der Tatbestand der versuchten Anstiftung zum Mord nach §
30 Abs.
1 Satz
1, §
211 StGB erfüllt. Ob sich der Angeklagte darüber hinaus im Fall
2 auch der
Terrorismusfinan-zierung nach §
89c Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 StGB schuldig gemacht hat, lässt der Senat offen. Denn das nach [X.] überwiesene Geld diente möglicherweise nicht der Finanzierung der Tat des "

S.

", sondern der Unterstützung
von
dessen Familie.
(3)
Eine Werbung um Mitglieder oder Unterstützer der terroristischen Vereinigung [X.] ergibt sich nach vorläufiger Bewertung auch aus den [X.] in den [X.]s in den Fällen
3 bis 5. Mit dem Screenshot eines
[X.]-Mitgliederausweises in
Fall
3 und den jeweiligen Profilbildern in den Fällen
4 und 5 hat er jeweils einen eindeutigen Zusammenhang mit dem [X.] hergestellt, so dass es sich aus dem Gesamtzusammenhang erschließt, dass es sich bei 31
32
-
13
-
den Aufforderungen zum Kampf nicht etwa um einen allgemeinen Aufruf zur Teilnahme am [X.]
handelte, sondern es dem Angeklagten
darum ging, Kämpfer für den [X.] zu gewinnen, wobei er sich in
Fall
3 sogar erbot, die dafür erforderlichen Waffen zu besorgen. Die Werbung in diesen Fällen stellt mithin eine solche dar, die zugunsten einer bestimmten terroristischen Vereinigung, nämlich des [X.], wirken soll, und geht über eine von §
129a Abs.
5 Satz
2
StGB
nicht erfasste Sympathiewerbung hinaus (vgl. [X.], Urteil vom 2.
April 2015
-
3
StR
197/14, [X.], 636, 637). Zudem hat sich der Angeklagte
in
Fall
5 durch die Einstellung der sechs [X.] in den [X.], die grausame
Tötung
von Gefangenen sowie Folterungen zum Gegenstand hatten, wegen Verbreitung von Gewaltdarstellungen in Tateinheit mit Vorrätighalten solcher
Darstellungen zum Zwecke der Verbreitung nach §
131 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1
Buchst.
a, Nr.
3 StGB strafbar gemacht. Die im Haftbefehl und in der Anklage im Einzelnen dargestellten [X.] erfüllen die Voraussetzungen
an eine Schrift im Sinne des §
131 Abs.
1 Satz
1
Nr.
1 StGB. Diese verbreitete der Angeklagte in dem in
Fall
5 genutzten [X.]. Da er die [X.] bis zu seiner Fest-nahme auf seinem Smartphone gespeichert hatte, um es -
jedenfalls im Sinne eines dringenden Tatverdachts
-
bei sich bietender Gelegenheit erneut zu ver-breiten, hat er aufgrund des den Gebrauch in
Fall
5 überdauernden
Vorrätighal-tens
tateinheitlich auch §
131 Abs.
1 Satz
1 Nr.
3 StGB erfüllt (zum Konkurrenz-verhältnis bei §
184b StGB vgl. [X.], Beschluss vom 3.
Mai 2019 -
3
StR 86/19, NStZ-RR 2019, 210).
(4)
Ob nach dem derzeitigen
Ermittlungsstand in den Fällen
6 bis 17 der Tatbestand des §
91 Abs.
1 Nr.
2 StGB erfüllt ist, kann im [X.] dahinstehen. Das Sich-Verschaffen von
Anleitungen im Sinne des
§
91 Abs.
1 Nr.
1 StGB ist nach §
91 Abs.
1 Nr.
2 StGB nur strafbar, wenn der Täter handelt, um eine schwere st[X.]tsgefährdende Gewalttat zu begehen. Inwieweit 33
-
14
-
sich eine solche Tat in der Vorstellung des [X.] bereits konkretisiert haben muss und ob er, wie zur Erfüllung des Tatbestandes des §
89a Abs.
1 und Abs.
2 StGB,
schon fest entschlossen sein muss (vgl. [X.], Urteil vom 8.
Mai 2014 -
3
StR
243/13, [X.]St 59, 218 Rn.
46),
ist bisher in der Rechtsprechung noch nicht geklärt.
(5)
In den Fällen
18 und 19 hat der Angeklagte sich wegen des [X.] und Vorrätighaltens der Videofilme wiederum nach §
131 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1
Buchst.
a, Nr.
3 StGB strafbar gemacht.
bb)
Das [X.] hat am 6.
Januar 2014 die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von [X.] oder Unterstützern einer ausländischen terroristischen Vereinigung erteilt
und am 13.
Oktober 2015 neu gefasst (§
129b Abs.
1 Satz
3 StGB).
2.
Es ist der Haftgrund der Fluchtgefahr (§
112 Abs.
2 Nr.
2 StPO) gege-ben. Der Angeklagte hat
-
auch wenn eine Strafbarkeit wegen tateinheitlicher Terrorismusgefährdung in Fall
5 und wegen (elffacher) Anleitung zur Begehung einer schweren st[X.]tsgefährdenden Gewalttat in den Fällen
6 bis 17 außer [X.] bleibt
-
im Falle seiner Verurteilung mit einer erheblichen Jugendstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände entgegen. Zwar lebt der zur Tatzeit Jugendliche und nun gerade 18jährige Angeklagte im mütterlichen Haushalt. Auch wird ihm subsidiärer Schutz als Flüchtling in [X.] gewährt, so dass er über eine befristete Aufenthaltsgenehmigung verfügt. Doch ist er hier offensichtlich weder privat noch schulisch integriert. So hat er seit [X.] 2018 die Schule kaum mehr besucht. Insbesondere hat er im Rahmen des sichergestellten [X.] immer wieder darauf hingewiesen, dass er eine Ausreise nach [X.] 34
35
36
-
15
-
anstrebe. Dort hält sich auch sein Vater noch auf. Zudem lebt die Verlobte des Angeklagten in [X.]. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass er sich, sollte er in Freiheit gelangen, dem weiteren Strafverfahren durch Flucht entzie-hen wird. Eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§
116 Abs.
1 StPO) ist unter den gegebenen Umständen nicht erfolgversprechend.
3.
Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersu-chungshaft über sechs Monate hinaus (§
121 Abs.
1 StPO) liegen vor. Allein die Auswertung des Smartphones des Angeklagten, auf dem sich eine sehr große Zahl von Chats und Dateien befand, nahm erhebliche Zeit in Anspruch, zumal deren Inhalt übersetzt werden musste. Zudem wurde eine Reihe von Zeugen, insbesondere aus dem Umfeld des Angeklagten,
vernommen. Dennoch hat die Generalst[X.]tsanwaltschaft
bereits unter dem Datum des 16.
Juli 2019 eine
An-klage zum [X.] [X.]
erhoben. Mit Verfügung vom 25.
Juli 2019 hat der Vorsitzende die Zustellung der Anklageschrift an die Verteidiger sowie eine Übersetzung der Anklage veranlasst. Unmittelbar nach Eingang der Übersetzung hat der Vorsitzende am 21.
August 2019 deren Zustellung an den Angeklagten und die damals noch erziehungsberechtigte Mutter verfügt. Die damit in Gang gesetzte vierwöchige Erklärungsfrist nach §
201 StPO ist [X.] abgelaufen. Inzwischen ist das Hauptverfahren eröffnet und der Beginn der Hauptverhandlung
auf den 11.
November 2019 bestimmt worden. In [X.] dessen ist das Verfahren bislang mit der in Haftsachen gebotenen Be-schleunigung geführt worden.
37
-
16
-
4.
Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht derzeit nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§
120 Abs.
1 Satz
1 StPO).
Schäfer
Spaniol
Anstötz
38

Meta

AK 55/19

17.10.2019

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.10.2019, Az. AK 55/19 (REWIS RS 2019, 2538)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2538

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