Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.02.2024, Az. VIa ZR 1678/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 975

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 23. Zivilsenats des [X.] vom 30. November 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Berufungsantrag zu I in Höhe von 59.014,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. April 2021 Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des erworbenen Fahrzeugs sowie der Berufungsantrag zu IV betreffend die deliktische Schädigung der Klägerin durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs zurückgewiesen worden sind.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Die Klägerin kaufte am 22. Juli 2016 von der Beklagten einen von dieser hergestellten neuen [X.] 250 D "[X.]", der mit einem Dieselmotor der [X.] (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. Das Fahrzeug verfügt über ein sogenanntes "Thermofenster", eine [X.] und ein SCR-System.

3

Die Klägerin finanzierte den Kaufpreis teilweise über ein Darlehen der [X.] (im [X.]). Dem Darlehensvertrag lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank zugrunde, die folgende Regelungen enthielten:

"II. Sicherheiten

Der Darlehensnehmer räumt der [X.] aller gegenwärtigen und bis zur Rückzahlung des Darlehens noch entstehenden sowie bedingten und befristeten Ansprüche der Bank aus der Geschäftsverbindung einschließlich einer etwaigen Rückabwicklung, gleich aus welchem Rechtsgrund, Sicherheiten gemäß nachstehender Ziffern 1 und 2 ein.

  […]

2. Abtretung von sonstigen Ansprüchen

  Der Darlehensnehmer tritt ferner hiermit folgende - gegenwärtige und zukünftige - Ansprüche an die Bank ab, die diese Abtretung annimmt:

-      […]

-      […]

-      […]

-      gegen die [Beklagte] […], gleich aus welchem Rechtsgrund. Ausgenommen von der Abtretung sind Gewährleistungsansprüche aus Kaufvertrag des Darlehensnehmers gegen die [Beklagte] oder einen Vertreter der [Beklagten]. […].

[…]

5. Rückgabe der Sicherheiten

[X.] verpflichtet sich, nach Wegfall des Sicherungszweckes (alle Zahlungen unanfechtbar erfolgt) sämtliche Sicherungsrechte (Abschnitt II. Ziff. 1, 2) zurückzuübertragen […]. […]"

4

Die Klägerin hat die Beklagte unter den Gesichtspunkten des gewährleistungsrechtlich gerechtfertigten Rücktritts vom Kaufvertrag und ihrer deliktischen Schädigung durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs in Anspruch genommen. Sie hat die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs (Berufungsantrag zu I), die Zahlung von [X.] (Berufungsantrag zu II), die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Berufungsantrag zu III) und die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten (Berufungsantrag zu IV) begehrt.

5

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre [X.] zu I und zu IV weiter, soweit sie diese auf ihre deliktische Schädigung durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs stützt. Hinsichtlich der zunächst ebenfalls weiterverfolgten [X.] zu II und zu III hat sie die Revision zurückgenommen.

Entscheidungsgründe

6

Die - entsprechend der eingeschränkten Zulassung durch das Berufungsgericht - wirksam auf deliktische Schadensersatzansprüche beschränkte Revision (vgl. [X.], Urteil vom 24. April 2023 - [X.], [X.], 854 Rn. 4 ff., insoweit nicht abgedruckt in [X.]Z 237, 59) hat im Umfang des nachträglich weiter eingegrenzten Rechtsmittelangriffs weitgehend Erfolg.

I.

7

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

8

Die Klägerin sei hinsichtlich etwaiger deliktischer Ansprüche nicht aktivlegitimiert, weil sie diese sicherungshalber an die Bank abgetreten habe. Die in den Darlehensvertrag einbezogene [X.] in Ziffer II 2 vierter Spiegelstrich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen erfasse auch deliktische Ansprüche der Klägerin und halte einer Kontrolle nach den §§ 305 ff. [X.] stand. Weder sei sie - weil bankenüblich - überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 [X.], noch benachteilige sie die Klägerin unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Die Klausel sei auch nicht als unklar anzusehen. Aufgrund der Offenlegung der Sicherungsabtretung sei die Klägerin nicht berechtigt, eine Zahlung an sich zu verlangen. Eine Rückübertragung der abgetretenen eventuellen Ansprüche an sie sei nicht erfolgt.

II.

9

Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können die von der Klägerin mit den Berufungsanträgen zu I und zu IV geltend gemachten Ansprüche nicht abgelehnt werden. Die Klägerin ist als Käuferin des Fahrzeugs Inhaberin möglicher deliktischer Ansprüche gegen die Beklagte, weil die in der [X.] zwischen ihr und der Bank enthaltene [X.] nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung gemäß § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1, §§ 134, 400 [X.], § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO unwirksam ist (vgl. [X.], Urteile vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 1141/22, juris Rn. 11 ff.; - VIa ZR 1619/22, juris Rn.   10 ff.; - VIa ZR 1657/22, [X.]Z 237, 281 Rn. 10 ff.; Urteile vom 3. Juli 2023 - VIa ZR 1498/22, juris Rn. 10 ff.; - VIa ZR 155/23, NJW-RR 2023, 1583 Rn. 10 ff.; Urteile vom 10. Juli 2023 - VIa ZR 1620/22, juris Rn. 11; - VIa ZR 1632/22, juris Rn. 7; - VIa ZR 318/23, juris Rn. 7; Urteile vom 11. September 2023 - VIa ZR 1693/22, juris Rn. 7; - VIa ZR 1707/22, juris Rn. 9).

III.

Das Berufungsurteil hat gleichwohl Bestand, soweit die Klägerin mit dem Berufungsantrag zu I vom 17. März 2020 bis zur Zustellung der Klageschrift am 29. April 2021 Zinsen begehrt hat. Die Beklagte ist durch die vorgerichtliche Mahnung der Klägerin nicht in Verzug geraten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin den Ersatz des gesamten Kaufpreises ohne die Berücksichtigung von Nutzungsvorteilen zuzüglich Deliktszinsen verlangt und hiervon die Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs abhängig gemacht. Sie hat daher - selbst wenn ihr ein Anspruch aus §§ 826, 31 [X.] auf großen Schadensersatz zustünde - einen weit übersetzten Betrag begehrt (vgl. [X.], Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 64 ff.; Urteil vom 30. Juli 2023 - VI ZR 354/19, [X.]Z 226, 322 Rn. 17 ff.). Unter diesen Umständen scheidet ein Schuldnerverzug aus (vgl. [X.], Urteil vom 25. Mai 2020, aaO, Rn. 86; Urteil vom 9. Oktober 2023 - VIa ZR 26/21, [X.], 2190 Rn. 12; Urteil vom 24. Oktober 2023 - VI ZR 131/20, [X.], 218 Rn. 34). Die Beklagte hat daher allenfalls Prozesszinsen seit dem 30. April 2021 zu entrichten (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 [X.]).

IV.

Im Übrigen ist das angefochtene Urteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil es sich insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Das Berufungsgericht hat keine tragfähigen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten wegen einer deliktischen Schädigung der Klägerin durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs getroffen. Der [X.] kann im Umfang der Aufhebung nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

C. Fischer                                 [X.]                                 [X.]

                         Wille                                        [X.]

Meta

VIa ZR 1678/22

27.02.2024

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Stuttgart, 30. November 2022, Az: 23 U 4167/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.02.2024, Az. VIa ZR 1678/22 (REWIS RS 2024, 975)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 975

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.