Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.11.2023, Az. VIa ZR 119/21

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 8526

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 7. Juli 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die [X.] zu 1 und zu 2 betreffend eine deliktische Schädigung des [X.] durch das Inverkehrbringen des erworbenen Fahrzeugs zurückgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger erwarb im September 2016 von der [X.] einen [X.] d zu einem Kaufpreis von 74.500 €. Das Fahrzeug verfügt nach dem Vortrag des [X.] über diverse Abschalteinrichtungen, unter anderem ein [X.] sowie eine Steuerung des [X.] in Form des Wechsels zwischen zwei Betriebsarten.

3

Der Kläger hat die Beklagte wegen der behaupteten fehlerhaften Übereinstimmungsbescheinigung unter dem Gesichtspunkt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung, einer kaufrechtlichen Garantie sowie einer deliktischen Schädigung in Anspruch genommen. Er hat zuletzt die Erstattung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs sowie Zug um Zug gegen Zahlung einer Nutzungsentschädigung (Berufungsantrag zu 1), die Feststellung der Pflicht der [X.] zum Ersatz über den Antrag zu 1 hinausgehender Schäden aufgrund der Manipulation des Fahrzeugs (Berufungsantrag zu 2) sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Berufungsantrag zu 3) begehrt.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit seiner vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge zu 1 und zu 2 weiter, soweit er sie auf eine deliktische Schädigung durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs stützt.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision des Klägers hat Erfolg.

I.

6

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:

7

Es fehlten Anhaltspunkte für ein [X.] vorsätzliches Verhalten der Beklagten im Sinne der §§ 826, 31 BGB. Dabei könne dahinstehen, ob es sich beim [X.] und der Steuerung des [X.] mittels zweier Betriebsarten um unzulässige Abschalteinrichtungen handele, weil sie im Grundsatz im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise arbeiteten wie auf dem Prüfstand. Hinsichtlich der weiteren genannten Abschalteinrichtungen bestünden schon keine Anhaltspunkte für ihr Vorhandensein in dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] scheitere daran, dass es sich bei den Vorschriften der [X.] nicht um Gesetze zum Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts von [X.] handele.

II.

8

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

9

1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der [X.] nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 29 bis 32, zur [X.] bestimmt in [X.]Z).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023  III ZR 267/20, [X.], 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - [X.]/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Das Berufungsurteil ist daher im tenorierten Umfang aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Das Berufungsgericht hat keine tragfähigen Feststellungen getroffen, auf deren Grundlage eine deliktische Haftung der Beklagten wegen einer jedenfalls fahrlässigen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verneint werden könnte. Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. die erforderlichen

Menges                       Möhring                             Götz

                  Rensen                       [X.]

Meta

VIa ZR 119/21

20.11.2023

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 31. Juli 2023, Az: VIa ZR 119/21, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.11.2023, Az. VIa ZR 119/21 (REWIS RS 2023, 8526)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8526

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VII ZR 412/21

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