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PDF anzeigenNachschlagewerk: ja[X.]St: jaVeröffentlichung: ja______________________[X.] §§ 413, 416;StGB §§ 71, 63Ergibt sich im Laufe einer Hauptverhandlung die dauernde Verhandlungsunfähigkeitdes Angeklagten, ist das Verfahren einzustellen. Ein Übergang entsprechend § 416[X.] in ein Sicherungsverfahren mit dem Ziel der Anordnung einer Maßregel nach §71 StGB ist nicht zulässig.[X.], Urteil vom 23. März 2001 - 2 StR 498/00 - LG KölnBUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESURTEIL2 StR 498/00vom23. März 2001in der [X.] -- 3 -Der 2. Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Verhandlung [X.] in der Sitzung am 23. März 2001, an denen teilgenommen ha-ben:Vizepräsident des BundesgerichtshofesDr. [X.]als Vorsitzender,und die [X.] am [X.],Dr. [X.],[X.],Prof. Dr. [X.] als beisitzende [X.],[X.]als Vertreter der [X.],Rechtsanwalt als Verteidiger in der Verhandlung,Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 4 -1. Auf die Revision der Beschuldigten wird das Urteil des [X.] vom 6. September 2000 mit den Feststellungen auf-gehoben.Das Verfahren wird eingestellt.2. Die Kosten des Verfahrens und die der Beschuldigten entstan-denen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.Von Rechts wegenGründe:Die Staatsanwaltschaft hatte der Beschuldigten im Strafverfahren vor-geworfen, vier Straftaten im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeitbegangen zu haben, nämlich Sachbeschädigung, versuchte schwere Brand-stiftung in zwei Fällen sowie versuchte gefährliche Körperverletzung. Amersten Tag der Hauptverhandlung ergab sich auf Grund einer Sachverständi-genbegutachtung die (dauernde) Verhandlungsunfähigkeit der Beschuldigten.Die Strafkammer leitete das Strafverfahren in ein Sicherungsverfahren nach§§ 413 ff. [X.] über und ordnete in diesem Verfahren die Unterbringung [X.] in einem psychiatrischen Krankenhaus an.Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschuldigte mit ihrer Revi-sion. Das Rechtsmittel führt zur Einstellung des Verfahrens wegen dauernder- 5 -Verhandlungsunfähigkeit der Beschuldigten; die Überleitung in ein Sicherungs-verfahren war rechtlich nicht zulässig.1. Der Fortführung des Strafverfahrens stand, wie dem [X.] vom 4. September 2000 entnommenwerden kann, die durch die Sachverständige diagnostizierte dauernde [X.] der Beschuldigten, ein Verfahrenshindernis, das regel-mäßig (vgl. aber § 231 a [X.]) zur Einstellung des Verfahrens (§§ 206 a, 260Abs. 3 [X.]) führt, entgegen. Diesem Grundsatz wird die in der Literatur ver-tretene Meinung nicht gerecht, aus prozeßökonomischen Gründen sei [X.] eine Fortführung des Strafverfahrens mit demZiel der Anordnung einer Maßregel im Rahmen von § 71 StGB zulässig ([X.]/[X.], [X.]. [X.]. 1; [X.] in Löwe/[X.],[X.]. [X.]. 7 jeweils zu § 416 [X.], anders 25. [X.] Gegen einen dauernd Verhandlungsunfähigen ist nur ein Sicherungs-verfahren nach §§ 413 ff. [X.] mit dem Ziel der selbständigen Anordnung derin § 71 StGB genannten Maßregeln der Besserung und Sicherung möglich. [X.] vom Strafverfahren in ein solches Verfahren ist aber entgegen [X.] des [X.] nicht zulässig. Dafür fehlt es an einer Rechtsgrund-lage und Folgeregelungen für das [X.]) Die Zulässigkeit der Überleitung des Strafverfahrens in ein Siche-rungsverfahren ist in § 416 [X.] nicht geregelt (vgl. [X.]R [X.] § 396 An-schlußbefugnis 1). Diese Vorschrift betrifft nur den Wechsel vom Sicherungs-verfahren in ein Strafverfahren, wenn sich nach Eröffnung des [X.] Schuldfähigkeit des Beschuldigten [X.] 6 -Für den Übergang vom Strafverfahren in ein Sicherungsverfahren be-steht grundsätzlich auch kein prozessuales Bedürfnis. Wenn in der [X.] die Schuldunfähigkeit des Angeklagten im Zeitpunkt der Tat [X.] wird oder nicht auszuschließen ist, ist dieser freizusprechen und gegebe-nenfalls über eine Maßregel zu entscheiden. Nur in Fällen, in denen sich [X.] der Hauptverhandlung die dauernde Verhandlungsunfähigkeit des Ange-klagten ergibt, wäre die Fortführung des Strafverfahrens wegen eines Prozeß-hindernisses nicht mehr möglich.Ob der Gesetzgeber bei der Erweiterung des Sicherungsverfahren durchdas Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 ([X.] 1974BGBl. I 469) auf Fälle der Verhandlungsunfähigkeit als weitere [X.], bei der Maßregeln ohne gleichzeitige Verurteilung zu Strafe angeord-net werden können, die Möglichkeit einer sich nach Eröffnung der [X.] ergebenden Verhandlungsunfähigkeit übersehen oder absichtlichnicht geregelt hat, ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien nicht (vgl. Neufas-sung des § 416 Abs. 3 [X.]; [X.]. 7/550 S. 306, 307; vgl. auch Sonder-ausschuß für die Strafrechtsreform, 4. Wahlperiode, Protokoll der 56. [X.]: [X.].Dir. Dr. Schafheutle).b) Die Überleitungsvorschrift des § 416 [X.] aus prozeßökonomischenGründen für den Fall einer sich in der Hauptverhandlung ergebenden dauern-den Verhandlungsunfähigkeit des [X.] entsprechend anzuwenden (vgl.[X.], Strafprozeß 4. Aufl. § 64 II 5 S. 572), ist nach Ansicht des Senats nichtmöglich (so auch KG OLGSt [X.] § 416 Nr. 1; [X.] in [X.] [X.]. 13 vor§ 413; [X.] in [X.]. [X.]. 9; [X.] in HK-[X.] [X.]. 4; [X.] in [X.] 7 -[X.] [X.]. 12; jetzt auch [X.] aaO 25. Aufl. [X.]. 7 jeweils zu § 416 [X.];Eberhard Schmidt, [X.] zur Strafprozeßordnung und zum Gerichts-verfassungsgesetz [X.]. 7 zu § 429 a [X.]).aa) Das Sicherungsverfahren ist eine Art objektives Verfahren ([X.]aaO [X.]. 4 vor § 413; [X.] aaO [X.]. 3 zu § 413 [X.]; [X.]St 22, 185,186), das dazu dient, die Allgemeinheit vor gefährlichen, aber schuldunfähigenoder verhandlungsunfähigen Straftätern zu schützen ([X.]St 22, 1, 2 ff.). [X.] sich von seiner Ausgestaltung her wesentlich vom Strafverfah-ren. § 416 [X.] läßt zwar einen Übergang von Sicherungsverfahren in [X.] zu, weil in diesem Fall wesentliche Rechte des Angeklagten ge-wahrt sind und bleiben. Im umgekehrten Fall ist dies jedoch nicht in [X.] sichergestellt.Das Sicherungsverfahren ist ein Fall der notwendigen Verteidigung(§ 140 Abs. 1 Nr. 7 [X.]). Das Legalitätsprinzip gilt nicht ([X.]/[X.] aaO [X.]. 10; [X.] aaO [X.]. 14 jeweils zu § 413 [X.]). Ein [X.] in das Sicherungsverfahren kann den gesetzlichen [X.] berühren,wenn hierfür nach der Geschäftsverteilung ein anderer Spruchkörper zuständigist. Bei einem Sicherungsverfahren soll ein Sachverständiger bereits im Vor-verfahren eingeschaltet werden, seine Vernehmung in der [X.] zwingend (§ 415 Abs. 5 [X.]). Eine Nebenklage ist nicht zulässig ([X.]R[X.] § 395 Anschlußbefugnis 4).bb) Die Zulassung des Übergangs in ein Sicherungsverfahren bei dau-ernder Verhandlungsunfähigkeit führt auch kaum zu einer [X.] 8 -Findet das Strafverfahren vor dem Amtsgericht statt, ergibt sich häufigerst durch den Übergang in das Sicherungsverfahren die Notwendigkeit einerVerteidigerbestellung. Einer sachgerechten Verteidigung können die bisheri-gen Geschehnisse in der Hauptverhandlung entgegenstehen, häufig müßtenVerfahrensteile wiederholt werden. Im übrigen müßte bei einer beim Amtsge-richt beginnenden Hauptverhandlung in den Fällen des § 74 Abs. 1 [X.] ent-sprechend § 270 [X.] die Sache an das [X.] verwiesen werden.Die Verhandlungsunfähigkeit kann auch Auswirkungen auf die Ge-schäftsfähigkeit im Sinne des bürgerlichen Rechts haben (vgl. [X.] NStZ 1983,280, 281). Der Wahlverteidiger bedarf zur Wirksamkeit seiner Vollmacht mögli-cherweise auch der Bevollmächtigung durch den Betreuer des Beschuldigten(vgl. [X.]R [X.] § 414 Sicherungsverfahren 1), der erforderlichenfalls [X.] bestellt werden muß.Bei einem Übergang während eines laufenden Strafverfahrens in [X.] müßte die Entscheidung der Staatsanwaltschaft über [X.] eines solchen Verfahrens unter zeitlichen Druck erfolgen. Es könnensich erhebliche Verzögerungen ergeben, wenn für die Ermessensentscheidungnoch Nachforschungen über das [X.] erfolgen müßten.In manchen Fällen wird sich das Erfordernis der Zuziehung eines Sach-verständigen unter Umständen erst während der laufenden Hauptverhandlungergeben, weil eine Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen einer Schul-dunfähigkeit oder einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit zunächst nichtin Betracht kam (vgl. § 246 a [X.]).- 9 -Die - vorausgehende zeitweise - Beteiligung eines Nebenklägers unddie Ausübung ihm zustehender Rechte (z. B. Frage- und Beweisantragsrecht)führt möglicherweise zu prozessualen Nachteilen für den Beschuldigten.3. Es kann deshalb offenbleiben, ob die Durchführung eines Siche-rungsverfahrens hier auch schon daran scheitert, daß der nach § 413 [X.]notwendige Antrag der Staatsanwaltschaft (vgl. [X.], 143 ff.) fehlt. DieVertreterin der Staatsanwaltschaft hat nämlich zunächst nur erklärt, sie sei ein-verstanden mit der Fortführung des Strafverfahrens mit dem Ziel der Unter-bringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Einer Überleitung des Straf-verfahrens in ein Sicherungsverfahren stimmte sie nicht zu, weil dies im Gesetznicht vorgesehen sei. Unter Bezugnahme auf eine Kommentarmeinung hat [X.] erklärt, sie sei mit der Fortführung des Verfahrens auch für den Fall [X.] der Beschuldigten mit dem Ziel der Unterbringung [X.] in einem psychiatrischen Krankenhaus einverstanden. [X.] Antrag auf Überleitung in das Sicherungsverfahren oder einenAntrag auf dessen Durchführung hat sie nicht gestellt.4. Auf die Revision der Beschuldigten ist deshalb das Urteil des Landge-richts mit den Feststellungen aufzuheben, weil der Übergang in ein Siche-rungsverfahren unzulässig war; das Verfahren ist wegen dauernder Verhand-lungsunfähigkeit der Beschuldigten einzustellen.Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 [X.]. Der Senat hieltes nicht für angemessen, gemäß § 467 Abs. 3 Nr. 2 [X.] davon abzusehen,die Auslagen der Beschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.- 10 -[X.] Detter [X.] [X.] [X.]
Meta
23.03.2001
Bundesgerichtshof 2. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.03.2001, Az. 2 StR 498/00 (REWIS RS 2001, 3086)
Papierfundstellen: REWIS RS 2001, 3086
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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2 StR 136/01 (Bundesgerichtshof)
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