Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.11.2000, Az. XI ZR 336/99

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 529

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:14. November 2000Weber,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]: ja[X.]Z: nein_____________________BGB §§ 123 Abs. 2, 278Übernimmt ein Vermittler, gleichgültig ob selbständig oder nicht, [X.] und Wollen einer der späteren Vertragsparteien Aufgaben, dietypischerweise ihr obliegen, so wird er in ihrem Pflichtenkreis tätig undist zugleich als ihre Hilfsperson zu betrachten.[X.], Urteil vom 14. November 2000 - [X.] - [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündlicheVerhandlung vom 14. November 2000 durch den Vorsitzenden RichterNobbe und [X.] Siol, [X.], Dr. Müller undDr. [X.] Recht erkannt:Auf die Rechtsmittel der Kläger werden das Urteil des23. Zivilsenats des [X.] vom2. November 1999 aufgehoben und das Urteil [X.] des [X.] vom 30. [X.] abgeändert.Die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus der Ur-kunde des Notars [X.] vom 17. September 1997- [X.]. ... - wird für unzulässig erklärt.Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tra-gen.Von Rechts [X.]:Die klagenden Eheleute wenden sich mit der [X.] gegen die Zwangsvollstreckung der beklagten [X.] einer notariellen Grundschuldbestellungsurkunde. Dem liegt im [X.] folgender Sachverhalt [X.] 4 -Die hoch verschuldeten Kläger - von Beruf Kraftfahrer und Buch-halterin - wandten sich im Juni 1997 an die [X.] (im folgenden: [X.]), weil sie einen Kleinkredit von6.000 DM benötigten. Diese teilte ihnen mit, eine Finanzierung sei "[X.] Fall in der üblichen Form nicht mehr durchführbar", es gebe abereventuell noch eine andere Finanzierungsmöglichkeit. In den [X.] werde sich ein Mitarbeiter ihres Geschäftspartners, [X.], melden und ein konkretes Angebot unterbreiten. Kurz daraufmeldete sich als deren Mitarbeiter der Zeuge [X.] telefonisch bei [X.] und suchte sie zweimal zu Hause auf. Er schlug ihnen vor, vonder I. Vertriebs- und Bauträger GmbH (im folgenden: [X.]) zweivermietete Eigentumswohnungen in [X.] für insgesamt 336.578 DM zukaufen und die Kaufpreise durch einen Kredit der Beklagten im Rahmenihres sogenannten "[X.]" - [X.] in [X.] einem Bausparvertrag - zu finanzieren. Nach Durchführung [X.] würden sie durch die kapitalgebende Bank 26.000 DM zurfreien Verfügung erhalten. Die Kläger, die später von der [X.]26.000 DM erhielten, erklärten sich damit einverstanden. [X.] mit [X.] geführten Gespräche sind streitig.Die Beklagte gewährte den Klägern zur Finanzierung der [X.] ein sogenanntes [X.] in Höhe von302.000 DM, das mit Bausparmitteln abgelöst werden sollte. Zu diesemZweck schlossen die Parteien einen Bausparvertrag in gleicher Höhe.Die monatliche Belastung der Kläger aus Darlehen und Bausparvertragbetrug 1.741,54 DM. Zur Sicherung des Darlehens, das von der [X.] an die [X.] ausgezahlt wurde, bestellten die Kläger [X.] in Höhe von 302.000 DM und unterwarfen sich in der Ur-kunde des Notars [X.] vom 17. September 1997 der sofortigen [X.] 5 -vollstreckung in das Wohnungseigentum. Sie traten die [X.] den Eigentumswohnungen an die Beklagte ab und stellten ihr alsverlangte zusätzliche Sicherheit eine Bankausfallbürgschaft über60.400 [X.] Kontakte zwischen den Parteien hatten vor [X.] nicht stattgefunden. Zur Vorbereitung des [X.] die Beklagte von der [X.] (im folgenden: [X.] für sie Darlehens- und Bausparverträge vermittelte, als "Selbstaus-kunft" der Kläger den unteren Teil ihres früher an die [X.] gerich-teten Kleinkreditantrages sowie eine von der [X.] erstellte [X.], die eine monatliche Belastung der Kläger von1.693 DM auswies. Die von der Beklagten vorbereiteten Anträge [X.] des [X.]s und auf Abschluß eines Bausparver-trages wurden den Klägern ebenfalls über die [X.] vom Zeugen [X.] zurUnterschrift vorgelegt.Mit Schreiben vom 5. Februar 1998 erklärten die Kläger [X.] "für nichtig" und forderten die Beklagte auf, auf et-waige Ansprüche daraus zu verzichten. Die Beklagte ihrerseits [X.] mit Schreiben vom 24. Juni 1998 den Darlehensvertrag und ver-langte von den Klägern die Rückzahlung der Schuldsumme. Dem ka-men die Kläger nicht nach. Die Beklagte betreibt aus der vollstreckba-ren Urkunde vom 17. September 1997 die Zwangsvollstreckung in [X.] der Kläger.Die Kläger haben geltend gemacht: Nachdem die von ihnen an-gestrebte Aufnahme eines Anschaffungskleinkredits bei der [X.]gescheitert sei, habe ihnen der Zeuge [X.] eine "andere Art von Darle-hensaufnahme" vorgeschlagen. [X.], den sie auf ihre bereits vorhande-- 6 -nen Schulden hingewiesen hätten, habe ihre Bedenken zerstreut undihnen mehrere Schriftstücke blanko zur Unterschrift vorgelegt. Die Klä-ger fühlen sich getäuscht und meinen, die Beklagte müsse sich [X.] der [X.] und des Zeugen [X.] zurechnen lassen.Die Beklagte hat demgegenüber vorgetragen, sie habe den [X.] das Darlehen aufgrund der ihr über die [X.] gewährt, insbesondere aufgrund der Angabe in der Prognose-berechnung, daß keine anderweitigen Verpflichtungen der [X.] und ein Eigenkapital von 57.000 DM vorhanden sei. Das [X.] des Mitarbeiters der [X.] [X.] sei ihr nicht zuzurechnen.Landgericht und [X.] haben die Klage abgewiesen.Mit der Revision verfolgen die Kläger ihren Klageantrag weiter.Entscheidungsgründe:Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur [X.] angefochtenen Urteils und zur antragsgemäßen Verurteilung [X.].[X.] Berufungsgericht hat zur Begründung der [X.] wesentlichen ausgeführt:Die Kläger könnten den Darlehensvertrag nicht wegen arglistigerTäuschung anfechten. Ihnen sei der Beweis einer vorsätzlichen- 7 -Falschberatung durch [X.] nicht gelungen. Zwar habe dieser aufgrund ei-ner von der [X.] erstellten Prognoseberechnung den Klägern mit-geteilt, sie würden unter Berücksichtigung von Mieteinnahmen undsteuerlichen Vergünstigungen durch den Kauf der Eigentumswohnun-gen nur mit monatlich 259 DM belastet. Ob dies realistisch gewesensei, könne dahinstehen. Denn [X.] habe sich auf dieses Zahlenwerk [X.]. Jedenfalls habe er weder über die Belastung noch über diesonstigen erheblichen Umstände des Kreditvertrages wissentlich un-wahre Angaben gemacht.Selbst wenn man eine Täuschung durch [X.] unterstelle, könnediese der Beklagten nicht zugerechnet werden. [X.] oder die [X.]seien Dritte im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB; denn sie seien nicht vonder Beklagten mit der Führung von Vertragsverhandlungen [X.] und hätten solche auch nicht für die Beklagte geführt.Auch ein Schadensersatzanspruch der Kläger aus [X.] bestehe nicht. Einwendungen aus dem Kaufvertragkönnten die Kläger der Beklagten nicht entgegenhalten, da das Grund-schulddarlehen zu den für grundpfandrechtlich abgesicherte Rechteüblichen Bedingungen gewährt worden sei.[X.] Beurteilung hält rechtlicher Prüfung nicht stand.Die Beklagte kann aus der notariellen Grundschuldbestellungsur-kunde keine Rechte herleiten. Die Kläger haben auch den der Grund-schuldbestellung zugrundeliegenden Darlehensvertrag wirksam wegen- 8 -arglistiger Täuschung durch die [X.] angefochten. Deren Verhal-ten muß sich die Beklagte zurechnen lassen.1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind die Klägerdurch arglistige Täuschung dazu gebracht worden, das [X.] Beklagten für den Kauf der Eigentumswohnung in Anspruch zunehmen und zugleich einen Bausparvertrag abzuschließen. Das [X.] hat den festgestellten Sachverhalt nicht ausgeschöpft undzu Unrecht ausschließlich auf die Erklärungen des Zeugen [X.] gegen-über den Klägern abgestellt.Die arglistige Täuschung ergibt sich aus dem unstreitigen [X.] der [X.]. Diese war durch ihre Geschäftspartnerin, die[X.], darüber informiert, daß die hoch verschuldeten Kläger einenKleinkredit suchten, der ihnen versagt worden war. Mit dem durch denZeugen [X.] gegebenen Versprechen, nach Durchführung des von [X.] finanzierten Kaufvertrages werde ihnen die [X.] DM zur freien Verfügung auszahlen, machte sie die Kläger ge-neigt, mit der [X.] Kaufverträge über zwei Eigentumswohnungenund mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über 302.000 DM undeinen Bausparvertrag in gleicher Höhe abzuschließen. Die schriftlicheZusage, die Beklagte werde 26.000 DM an die Kläger auszahlen, war- wie jedenfalls die Verantwortlichen der [X.] wußten - ebensofalsch wie Teile der von ihr erstellten, den Klägern vorgelegten schwerdurchschaubaren Prognoseberechnung über die monatliche Belastung.Die Prognoseberechnung berücksichtigte die Gebühren für die von [X.] zu stellende Bankbürgschaft nicht und bezifferte die von [X.] zu entrichtenden Zinsen auf 5,72%, während nach dem ge-schlossenen Darlehensvertrag effektive Jahreszinsen von 6,09% an-fielen. Die in der Prognoseberechnung der [X.] mit 1.693 [X.] -gegebene monatliche Belastung der Kläger war [X.] falsch. Tatsächlich betrug sie 1.741,54 DM, wobei die Gebüh-ren für die Bürgschaft von 1.208 DM jährlich noch nicht einmal berück-sichtigt sind. Daß die Kläger von der [X.] später 26.000 DM ohneRückzahlungsverpflichtung erhalten haben, ändert an der arglistigenTäuschung der Kläger durch die [X.], die Beklagte werde ihnendiesen Betrag nach Durchführung des Kaufvertrages zur Verfügungstellen, nichts.2. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen,die Beklagte brauche sich die arglistige Täuschung durch die [X.]nicht zurechnen zu lassen, diese sei vielmehr Dritte im Sinne des § 123Abs. 2 BGB.Übernimmt ein Vermittler, gleichgültig ob selbständig oder nicht,mit Wissen und Wollen einer der späteren Vertragsparteien Aufgaben,die typischerweise ihr obliegen, so wird er in ihrem [X.] ist zugleich als ihre Hilfsperson zu betrachten (Senatsurteil vom24. September 1996 - [X.], [X.], 2105, [X.].Nachw.). Wann eine solche Einschätzung gerechtfertigt ist, läßtsich nach der Rechtsprechung des [X.] nur aufgrundeiner die Interessen beider Parteien wertenden Betrachtung der Ein-zelfallumstände entscheiden ([X.], Urteil vom 24. November 1995- [X.], [X.], 315, 316). Sie ist hier zu bejahen.Die Beklagte hatte mit den Klägern keinen persönlichen Kontakt;vielmehr hatte sie es der für sie ständig als selbständige [X.] überlassen, Kunden für ihr "[X.]" zu werben undmit ihnen die erforderlichen Vertragsverhandlungen bis zur Unter-schriftsreife zu führen. Sie mußte damit rechnen, daß die [X.] nicht nur- 10 -eigene Mitarbeiter einsetzte, sondern auch - wie geschehen - Unter-vermittler einschaltete und diesen die Verhandlungen mit den [X.]. Deren Verhalten bei der Anbahnung der Darlehens- und [X.] muß die Beklagte sich ebenfalls gemäß § 278 BGB zu-rechnen lassen (vgl. Senatsurteil vom 24. September 1996 aaO; [X.],Urteil vom 9. Juli 1998 - [X.], [X.], 1673, 1674). Geradebei der von der Beklagten angebotenen speziellen Finanzierungsme-thode - Verbindung von [X.] und Bausparverträgen - be-steht für Kunden regelmäßig ein erheblicher Aufklärungs- und Bera-tungsbedarf. Der Beklagten mußte deshalb klar sein, daß den Anträgenauf [X.] und Bausparvertrag als Grundlage für eineGrunderwerbsfinanzierung durch Privatpersonen regelmäßig [X.] Gespräche vorausgehen, bei denen der Vermittler insbesondere [X.] und Möglichkeiten der Kunden ermittelt und Angaben überdie Konditionen des Darlehens und die monatliche Belastung des Kun-den aus Darlehens- und Bausparvertrag macht.Wenn die [X.] den Klägern die Auszahlung von 26.000 [X.] die kreditgebende Bank in Aussicht stellte und über die finan-zielle monatliche Belastung der Kläger durch die [X.] in Form einer schwer durchschaubaren Prognoseberechnungfalsche Angaben machte, so betraf das die Anbahnung von Verträgenmit der Beklagten, nicht den Kaufvertrag über die Eigentumswohnun-gen. Daß eine Bausparkasse, hätte sie selbst die nötigen [X.], für unrichtige Angaben über die monatliche Belastung der Klä-ger aus Darlehens- und Bausparvertrag sowie für die Erklärung, nachDurchführung der von ihr finanzierten Kaufverträge erhielten die [X.] DM, einzustehen hätte, liegt auf der Hand. Dadurch, daß [X.] die Gespräche selbständigen Vermittlern überließ, kann sie- 11 -sich ihrer Verantwortung für die Vertragsverhandlungen nicht entzie-hen.- 12 -II[X.] Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO).Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in [X.] selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) und der [X.].Nobbe [X.] [X.] Dr. Müller Dr. Joeres

Meta

XI ZR 336/99

14.11.2000

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.11.2000, Az. XI ZR 336/99 (REWIS RS 2000, 529)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 529

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