Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.04.2017, Az. 2 StR 290/16

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 12322

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:190417U2STR290.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
2 StR 290/16
vom
19. April 2017
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen Betruges

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 19.
April 2017, an der
teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Dr. [X.]

als Vorsitzender,

[X.] am [X.]
Dr. [X.],
die [X.]innen am [X.]
Dr. [X.],
[X.],
[X.] am [X.]
Dr. [X.],

Staatsanwalt beim [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger für den
Angeklagten M.

,
Rechtsanwalt

als Verteidiger für den
Angeklagten K.

,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-

1.
Auf die Revision
der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 8.
Februar 2016
mit den [X.] aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschafts-strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten M.

wegen Betrugs unter Ein-
beziehung der Strafe aus der Verurteilung durch das [X.] Mönchen-
gladbach vom 26.
Januar 2015 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Den Angeklagten K.

hat es wegen Be-

ndgerichts Mönchengladbach vom 17.
Mai 2015
gebildeten Gesamtstrafe und Einbeziehung der dort erkann-ten Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs
Mo-naten verurteilt.
Die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der
sie die Verletzung materiel-len Rechts rügt,
hat Erfolg.
1
2
-
4
-

I.
1. Nach den Feststellungen errichteten die Angeklagten zusammen mit dem früheren Mitangeklagten H.

nach einem gemeinsamen Tatplan
eine Organisationsstruktur, mittels derer sie im Tatzeitraum zwischen Februar
und Dezember 2011 [X.] in Callcentern einsetzten, um potentiellen Anlegern telefonisch den vorbörslichen Erwerb von Aktien eines [X.] Un-
ternehmens, der E.

AG, anzubieten. Bei der dem H.

gehören-
den E.

AG handelte es sich um eine Vorratsgesellschaft, die nie eine Ge-
schäftstätigkeit entfalten sollte und für die auch kein Börsengang geplant war. Die von den Angeklagten instruierten [X.], die sich unter Verwen-dung von [X.] als Mitarbeiter eines international tätigen Finanzdienst-leisters ausgaben, erklärten den Anlegern jedoch unter Herausstellung hoher Gewinnerwartungen bewusst wahrheitswidrig, dass die E.

AG mit selte-
nen Erden aus [X.] handele und an die Börse gehen werde.
Die Anleger vertrauten auf die Angaben der [X.], unter-schrieben deswegen Zeichnungsscheine der E.

AG und überwiesen den
vermeintlich fälligen Kaufpreis auf vom früheren Mitangeklagten H.

eröffnete vermeintliche Treuhandkonten in [X.]. Einen Gegenwert in Form von Aktien erhielten die geschädigten Anleger nicht.
Zwischen dem 8.
Februar und 6.
Dezember 2011 wurden auf diese [X.] vier Anleger in 15 Fällen zur Zahlung von insgesamt 540.891
Euro auf die angeblichen Treuhandkonten veranlasst. Die eingezahlten Beträge wurden vom früheren Mitangeklagten H.

abgehoben. Nach Abzug seines eigenen
Anteils in Höhe der Hälfte der eingezahlten Beträge, zahlte er den Rest an die Angeklagten aus. Die Angeklagten beglichen damit die eigenen Kosten, insbe-3
4
5
-
5
-
sondere die Provisionen der [X.], in Höhe von fünf bis 20
Prozent des eingegangenen Betrags. Den Rest behielten sie für sich und verwendeten ihn, wie geplant, als regelmäßige Einnahme für ihren Lebensunterhalt.
2. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat die [X.]
ihre [X.] zum Tatgeschehen auch auf die Angaben von
drei im Tatzeitraum durch die Zeichnung von Aktien der E.

AG ebenfalls geschädigten Zeugen

S.

, G.

und F.

(UA S.
47, 48)

gestützt und insoweit Scha-
denshöhen von 74.000
Euro, 88.000 Euro und 19.000 Euro genannt.
3. Das [X.] hat

während die Anklage noch von 15 tatmehrheit-lich begangenen Taten ausgegangen war

angenommen,
dass die Angeklag-ten sich jeweils des

sde-r-liegen eines besonders schweren Falles gemäß
§
263 Abs.
3 Satz
2 Nr.
1 StGB ausgegangen und hat zu Lasten der Angeklagten die aus 15 Fällen [X.] von 540.891
Euro berücksichtigt.

II.
Die auf die Sachrüge gestützte, vom
Generalbundesanwalt vertretene Revision
der Staatsanwalt hat
Erfolg.

1. [X.] hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, da die [X.] bei beiden Angeklagten eine Verurteilung we-gen des

nach den Feststellungen hier naheliegenden

Qualifikationstatbe-standes des gewerbs-
und bandenmäßigen Betruges (§
263 Abs.
5 StGB) nicht erwogen hat.
6
7
8
9
-
6
-
a) Der Begriff der Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich aufgrund einer ausdrücklichen oder [X.] Abrede verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige Taten des Betruges zu begehen (vgl. Fischer, StGB, 64.
Aufl., §
263 Rn.
211). Dabei ist es unschädlich, wenn diese Taten für einzelne [X.] auf Grund eines einheitlichen Organisationsbeitrages in Tateinheit zuei-nander stehen ([X.], Urteil vom 17.
Juni 2004

3
StR 344/03, [X.]St 49, 177, 183).
b) Die Feststellungen
der [X.]
weisen
auf eine ausdrückliche Bandenabrede im Sinne des §
265 Abs.
5 StGB zwischen den Angeklagten und dem gesondert verfolgten H.

hin. Während die Angeklagten entspre-
chend der bei einem Treffen in [X.] getroffenen Vereinbarung für die Organisation des Callcenters

Einrichtung, Verwaltung und Überwachung

sowie die Beschaffung der Unternehmensunterlagen (Verkaufsprospekte, Zeichnungsscheine und Internetauftritt) verantwortlich waren und hierfür mit einem Anteil von 50
Prozent der betrügerisch erlanr-den sollten, oblag dem gesondert verfolgten H.

die Lenkung der Ge-
schäfte in [X.], namentlich die Bereitstellung des emittierenden [X.] und die Einrichtung der vermeintlichen Treuhandkonten. Hierfür sollte er
50
Prozent der betrügerisch erlangten Summen erhalten. Sowohl für die [X.] als auch für H.

sollten
die mit den Betrugshandlungen er-
langten Gelder eine dauerhafte Einnahmequelle in erheblicher Höhe bilden (UA S.
34 unten, 36 unten).
2.
Die Aufhebung des Schuldspruchs entzieht dem Strafausspruch die Grundlage. Die
Sache bedarf hinsichtlich beider Angeklagter neuer Verhand-lung und Entscheidung. Für die neu zu treffenden Feststellungen wird der neue Tatrichter zu prüfen haben, ob und inwieweit weitere

von der Anklage umfass-10
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-
7
-
te

Schadensfälle einzubeziehen sind, um der Kognitionspflicht aus §
264 StPO zu genügen.
Die umfassende gerichtliche Kognitionspflicht gebietet, dass der durch die zugelassene Anklage abgegrenzte [X.] vollständig erschöpft wird (st. Rspr.;
vgl. nur [X.], Urteil vom 29.
Oktober 2009

4
StR 239/09, [X.], 222, 223 mwN). Die Tat als Gegenstand der Urteilsfindung ist der ge-schichtliche Vorgang, auf den Anklage und Eröffnungsbeschluss hinweisen und innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Hierbei handelt es sich um einen eigenständigen Begriff; er ist weiter als derje-nige der Handlung im sachlichen Recht. Zur Tat im prozessualen Sinne gehört

unabhängig davon, ob Tateinheit oder Tatmehrheit vorliegt

das gesamte Verhalten des [X.], soweit es nach der Auffassung des Lebens einen einheit-lichen Vorgang darstellt. Somit umfasst der [X.], aus dem die zuge-lassene Anklage einen strafrechtlichen Vorwurf herleitet, alle damit zusammen-hängenden und darauf bezüglichen Vorkommnisse, auch wenn diese in der Anklageschrift nicht ausdrücklich erwähnt sind. Dabei kommt es auf die Um-stände des Einzelfalls an. Entscheidend ist, ob zwischen den in Betracht kom-menden Verhaltensweisen

unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Be-deutung

ein enger sachlicher Zusammenhang besteht (st. Rspr.;
vgl. nur [X.], Urteil vom 7.
Februar 2012

1
StR 542/11, [X.], 355, 356
mwN).
13
-
8
-
Nach diesen Maßstäben wird der neu entscheidende Tatrichter zu erwä-gen haben, ob auch die in der Anklage erwähnten und im Urteil skizzierten, die drei weiteren Zeugen S.

, G.

und F.

betreffenden Vorgänge, bei
denen es auch um den Erwerb von Aktien der E.

AG ging, Verfahrensge-
genstand sind und damit der Aburteilung unterliegen.
[X.] [X.] [X.]

[X.] [X.]

14

Meta

2 StR 290/16

19.04.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.04.2017, Az. 2 StR 290/16 (REWIS RS 2017, 12322)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 12322

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