Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2012, Az. III ZR 190/11

III. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8077

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
III ZR 190/11
Verkündet am:

15. März 2012

K i e f e r

Justizangestellter

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] § 241 Abs. 2, § 276 Ci
Zu den Hinweispflichten eines Anbieters von Telekommunikationsdiensten, der nach Vertragsbeginn zusätzliche Leistungen anbietet und für deren [X.] andere Parameter verwendet als für die bisher angebotenen Dienste (hier: mobiler [X.]zugang mit volumen-
und nicht zeitabhängigem Tarif).
[X.], Urteil vom 15. März 2012 -
III ZR 190/11 -
LG [X.]

[X.]

-

2

-

Der III.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2012
durch den Vizepräsidenten
Schlick und die Richter
Dörr, Dr.
[X.], Seiters
und Tombrink

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.]n wird das Urteil der 11.
Zivilkammer des [X.] aufgehoben, soweit sie die Berufung des [X.]n gegen seine Verurteilung zur Zahlung von mehr als 12,74

[X.] vom 7.
Dezember 2010 zurückgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache
zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die [X.]en streiten um die Berechtigung einer Entgeltforderung der Klägerin für die Erbringung von [X.].
Die [X.]en schlossen 2004 einen Mobilfunkvertrag,
der seinerzeit
eine Datenübertragung per [X.] noch nicht erfasste. Die dem Vertrag zu Grunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin lauteten auszugsweise wie folgt:

1
-

3

-

"4.1
Der Kunde ist zur Zahlung
der Benutzungsbeträge verpflichtet, wie sie sich aus den von [X.] veröffentlichten Tarifen
in der jeweils gültigen Fassung im Einzelnen ergeben

4.10
Sämtliche Bepreisungen für die Nutzung neuer Zugangs-
und Sonder-dienste, die erst zukünftig eingeführt oder in modifizierter Form angebo-ten werden, stellt unser Kundendienst auf Anfrage zur Verfügung."

Im Mai 2007 erwarb der
[X.]
bei
einem anderen Unternehmen
ein internetfähiges Mobiltelefon zu. Am 1.
Januar 2008 rief er mit diesem Gerät über die
[X.]seite "youtube" einen
Film ab, der eine Datenmenge von 45.835 KB beanspruchte
und dessen Übertragung 21 Minuten und 17 Sekun-den dauerte. Hierfür stellte die Klägerin dem [X.]n am 10.
Januar 2008 750,8444

in Rechnung. Dabei
legte sie
ihren Tarif "[X.]" zu Grunde, der 0,19

brutto für zehn Kilobyte (KB)
zuzüglich eines "Onlinepreises"
von 0,02

Stunde
vorsah. In der Rechnung war auch das Entgelt für eine weitere Datenverbindung
mit einer abgerufenen [X.] von 1.188
KB zum selben Tarif enthalten. Ferner umfasste sie die Grundgebühr und das Entgelt für zwei netzinterne Verbindungen. Insgesamt belief sich die Rechnung vom 10.
Januar 2008
auf 929,46

Nachdem der [X.] die Begleichung der Entgeltforderung der Klä-gerin verweigerte, kündigte diese den Mobilfunkvertrag im Mai 2008. Sie [X.] mit ihrer Klage den offenen Rechnungsbetrag
nebst Schadensersatz von 16,31

Die Klage hat in den [X.] Erfolg gehabt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen
Revisi-on verfolgt der [X.] seinen
Klageabweisungsantrag weiter, soweit der Klä-gerin ein höherer Betrag als die Grundgebühr und die Vergütung für zwei netz-2
3
-

4

-

interne Verbindungen (10,71

t Umsatzsteuer
= 12,74

) zuerkannt [X.] ist.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfech-tung des Berufungsurteils zu dessen
Aufhebung
und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

I.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Klage in vollem Umfang [X.]. Die Klägerin habe die dem [X.]n unter dem 10.
Januar 2008 in Rechnung gestellten Leistungen erbracht. Dieser könne sich nicht darauf beru-fen, dass ihm die Tarife für die [X.]dienste nicht mitgeteilt worden seien. Als der Vertrag zwischen den [X.]en abgeschlossen worden sei, sei ein Surfen per Handy im [X.] noch nicht möglich gewesen. Die [X.] der Klägerin bestimmten hinsichtlich möglicher künftiger Dienste, dass diese nach den
jeweils geltenden Tarifen berechnet würden, welche auf Anfrage zugesandt würden. In diesen Bestimmungen könne keine unangemes-sene Benachteiligung für den Nutzer erkannt werden. Der [X.] habe
als Durchschnittskunde davon ausgehen müssen, dass, wenn inzwischen eine Be-nutzung des [X.]s auch mit dem Handy möglich sei, die Klägerin bei ent-sprechenden Verbindungen
diese nach
dem Datenvolumen vergütet haben [X.]. Es sei ihm zuzumuten gewesen, sich über die hierfür berechneten Tarife zu informieren. Anhaltspunkte dafür, dass das in Rechnung gestellte Entgelt von 4
5
-

5

-

0,19

KB Anfang 2008 als auffällig über dem Marktpreis liegender Wu-cherpreis
anzusehen gewesen sei, gebe es nicht.

Entgegen der Ansicht des [X.]n habe die Klägerin im Hinblick auf die Kosten der [X.]verbindungen auch keine Hinweis-
oder Aufklärungs-pflicht gehabt. Grundsätzlich sei es die Sache jeder [X.], ihre Interessen selbst wahrzunehmen. Es dürfte jedem [X.]nutzer bekannt sein, dass, wenn keine
Flatrate vereinbart sei, die Gefahr hoher Kosten bestehe.

Insbesondere habe die Klägerin als Mobilfunkanbieterin keine Pflicht zu einem Hinweis auf die Datenmenge gehabt. Der Klägerin sei es gar nicht [X.], welche Datenmenge
ein Film
habe, den der Nutzer herunterladen wolle. Selbst wenn eine
technische Möglichkeit für die Klägerin bestanden haben soll-te, festzustellen, welche Daten ein Nutzer herunterlade, könne nicht davon aus-gegangen werden, dass sie bereits zum Zeitpunkt der Verbindung die notwen-digen
Erkenntnisse habe, um ihren Vertragspartner im
Vorfeld zu warnen. Auch habe zumindest 2008 keine Verpflichtung des [X.], bei Erreichen einer bestimmten Datenmenge die Verbindung zu
kappen oder zumindest ab einer
bestimmten Datenmenge eine
Warnung vorzunehmen. Wenn ein Handybesitzer
im Bewusstsein, dass er keine Datenflatrate besitze, über sein Gerät ins [X.] gehe, liege dies
in dessen Eigenverantwortung. Wolle er mögliche Kostenfallen vermeiden, obliege es ihm, sich entsprechend vorher zu informieren und sich gegebenenfalls eine Warnanzeige ab einer
be-stimmten Datenmenge selbst zu installieren.

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6

-

II.

Dies hält nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.

1.
Dem Berufungsgericht ist jedoch darin
beizupflichten, dass die Klägerin im Ausgangspunkt einen Entgeltanspruch gegen den [X.]n erworben hat, weil dieser sich mit seinem Mobiltelefon in das [X.] eingewählt und Daten heruntergeladen hat. Die Ausführungen der Vorinstanz zur Erweiterung des ursprünglich zwischen den [X.]en geschlossenen Vertrags um die Option, das Mobilfunkgerät auch zum Empfang von Daten aus dem [X.]
zu nutzen, sind nicht zu beanstanden. Dies gilt auch für die Erwägungen zu dem hierfür zu entrichtenden Entgelt und zu dessen Höhe. Insbesondere bestehen keine Be-denken dagegen, dass in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin die Erweiterung des ursprünglich vereinbarten Leistungsspektrums vorgesehen und für den Fall, dass der Kunde
die zusätzliche Option, wie hier die Daten-übertragung per [X.], in Anspruch nimmt, auf den jeweils gültigen veröffent-lichten Tarif verwiesen wird. Nicht zuletzt im Hinblick auf die ständige Fortent-wicklung der Kommunikationstechnik besteht
keine unangemessene Benachtei-ligung des Vertragspartners des Verwenders (§
307 Abs.
1 Satz
1 [X.]), wenn der Vertrag
der Klägerin die Möglichkeit einräumt,
zusätzliche Leistungen [X.], sofern deren
Inanspruchnahme, wie im vorliegenden Sachverhalt,
dem Kunden frei gestellt ist. Rechtlich nicht zu beanstanden ist ferner
die weitge-hend dem Tatrichter vorbehaltene Würdigung des Berufungsgerichts, der Preis von 0,19

für je zehn KB sei zumindest 2008 nicht sittenwidrig überhöht gewe-sen
(siehe zu einem solchen Preis
im Jahr 2008
jedoch auch [X.] MMR 2011, 838
f
in der Anmerkung zu [X.], 836). Zu allen diesen Punkten
erhebt
auch die Revision keine Rügen.

8
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-

7

-

2.
Demgegenüber ist nach dem bisherigen Sach-
und Streitstand
ein Scha-densersatzanspruch des
[X.]n gegen die Klägerin nach §
280 Abs.
1 [X.] wegen Verletzung einer Hinweispflicht (§
241 [X.]) nicht auszuschließen, der zur Folge hat, dass der Forderung der Klägerin zumindest teilweise gemäß §
242 [X.] der Einwand des "dolo agit, qui petit quod statim redditurus est"
entgegen steht. Die Klägerin war bei Erweiterung ihres Angebots um den mobi-len [X.]zugang zu einem Hinweis auf die mit der volumenabhängigen [X.] verbundenen Gefahren verpflichtet. Es kommt darüber hinaus je nach den im Januar 2008 bestehenden technischen Möglichkeiten und Usancen in Betracht, dass die Klägerin verpflichtet war, den [X.]n durch eine auf sein Mobilfunkgerät zu sendende Mitteilung zu warnen, sobald eine von dem normalen
Nutzungsverhalten außergewöhnlich abweichende Gebüh-renhöhe erreicht
war, um ihm die Möglichkeit zu geben, die Datenübertragung abzubrechen und so das Entstehen einer unerwünscht hohen weiteren Entgelt-forderung zu verhindern.

a) Allerdings bestand und besteht
noch keine gesetzlich
normierte Pflicht der Diensteanbieter zu derartigen Hinweisen.

§
45n Abs.
6 Satz
1 Nr.
5 TKG in der noch nicht im [X.] verkündeten
Fassung des Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtli-cher Regelungen (Gesetzesbeschluss des [X.] vom 27.
Ok-tober 2011, Plenarprotokoll 17/136, S.
1609)
sieht zwar
eine Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung vor, durch die Anbieter
öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste verpflichtet werden können, geeignete Einrichtun-gen anzubieten, um die Kosten der Inanspruchnahme der Telekommunikati-onsdienste zu kontrollieren. Diese Befugnis schließt die Verpflichtung zu unent-geltlichen Warnhinweisen bei anormalen oder übermäßigem Verbraucherver-10
11
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-

8

-

halten ein.
Das Gesetz ist
jedoch noch nicht in Kraft
getreten; eine Rechtsver-ordnung ist noch nicht erlassen worden.

b) Dies schließt indessen nicht aus, dass sich eine solche Verpflichtung
bereits
als Nebenpflicht aus dem zwischen den [X.]en geschlossenen Mobil-funkvertrag ergab.

aa) Grundsätzlich hat zwar jede [X.] im Rahmen vertraglicher [X.] aufgrund der im Zivilrecht herrschenden Privatautonomie ihre Belange selbst wahrzunehmen. Insbesondere obliegt es einem
Vertragspartner, selbst darauf bedacht zu sein, die Leistungen seiner Gegenseite nicht in einem Um-fang in Anspruch zu nehmen, der zu unerwünscht hohen Entgeltforderungen führt.
In Fallgestaltungen
jedoch, in
denen der Vertragsgegner
über eine
über-legene Sachkunde verfügt, können ihn gemäß §
241 Abs.
2 [X.] Hinweis-
und Aufklärungspflichten zur Wahrung des Leistungs-
oder Integritätsinteresses sei-nes Partners treffen, wenn dieser mangels eigener Kenntnisse der Gefährdung seiner Belange nicht selbst in ausreichendem Maß entgegenwirken kann (vgl. z.B. [X.], Urteil vom 19.
Februar 1975 -
VIII
ZR 144/73, [X.]Z 64, 46, 49; [X.]/[X.]/[X.]/Sutschet, [X.], 2.
Aufl., §
241 Rn.
77; [X.]/
[X.], [X.], 71.
Aufl., §
280 Rn.
30). Insbesondere
in Bereichen, in denen nicht spezifisch vorgebildeten Verbrauchern die Nutzung anspruchsvoller
Tech-nik angeboten wird, kommen solche Hinweis-
und Aufklärungspflichten des Ver-tragspartners
in Betracht, der im Gegensatz zur anderen Seite über den not-wendigen Sachverstand verfügt. Dies trifft auch und gerade auf den [X.] zu. In diesem kommt nicht nur komplizierte Technik mit einer mittlerweile schon
schwer zu überblickenden
Fülle von Anwendungsmöglichkei-ten
und Tarifen zum Einsatz. Vielmehr zeichnet sich dieser Bereich
überdies
im Verbund mit der Computertechnologie
durch eine besonders dynamische Fort-13
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-

entwicklung aus
(vgl. hierzu Senatsurteil vom 9.
Juni 2011 -
III
ZR 157/10, [X.], 1678 Rn.
28), die der Durchschnittsverbraucher
nicht ständig
nachver-folgt.

Der Senat
hat dementsprechend in seinem vorzitierten Urteil vom 9.
Juni 2011
(aaO Rn.
14)
im Hinblick auf die schwer zu durchschauende Vielzahl von Mobilfunktarifen eine Pflicht des Diensteanbieters angenommen, Kunden, die sein
Angebot nur im Rahmen einer Kreditlinie nutzen dürfen, rechtzeitig vor [X.] zu warnen, bevor
er seine Leistungen einstellt.
Auch in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung werden Hinweis-
und Aufklärungspflichten des Anbieters von Telekommunikationsdienstleistungen gegenüber seinen Kun-den zur Vermeidung unerwartet hoher Rechnungen für unterschiedliche Kons-tellationen angenommen ([X.], 836, 837 mit zustimmen-der Anmerkung von [X.] aaO S.
838;
LG Münster K&R
2011, 359, 360

jeweils zur Aktualisierung von Navigationskarten mit großem
Datenvolumen
auf einem
neu erworbenen beziehungsweise vermieteten Mobilfunkgerät; [X.], Urteil vom 15.
Juni 2011 -
2
O 9/11, juris Rn.
22 zum Entstehen hoher nutzungsabhängiger Durchleitungsgebühren im Ausland [Roaming]
bei [X.] einer Flatrate im Inlandsverkehr; LG Bonn
K&R 2010, 679
mit zustim-mender Anmerkung von [X.] aaO S.
680, 681
zur ständigen Verbindung eines Routers mit dem [X.] bei zeitabhängigem Tarif; [X.], 422, 423 zur Einwahl in das [X.] zu beinahe 200-fachen Kosten einer Stan-dardverbindung; [X.], 496, 497 zum permanenten Einwählen eines Mobiltelefons in einen analogen [X.]zugang; vgl.
auch Landesgericht
Feldkirch [[X.]], Urteil vom 7.
September 2010 -
2
R 284/10w, im [X.] abrufbar unter www.vol.at/2012/02/Entscheidung-LG-Feldkirch-2r284_10w.pdf
zum unbeabsichtigten Roaming im Grenzgebiet).

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-

10

-

bb) Auch in der vorliegenden Fallgestaltung bestand eine Hinweispflicht
der Klägerin. Sie war gehalten,
ihre Kunden bei Einführung des neuen Dienstes hinreichend deutlich -
etwa durch ein Anschreiben, einen Hinweis auf den Rechnungen oder eine [X.]
-
darüber zu unterrichten, dass der Zugang zum [X.] per Mobilfunkgerät im Gegensatz zu den Telefonverbindungen nicht nach der [X.], sondern nach dem heruntergeladenen Datenvo-lumen berechnet wird. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts musste ein Durchschnittskunde bei der Erweiterung des Leistungsspektrums der Klägerin nicht davon ausgehen, dass sie das Entgelt für den neuen Dienst nach anderen Parametern berechnen werde als für den
Telefonverkehr, zumal bei der Inter-netnutzung über das Festnetz außerhalb von [X.] eine zeitabhängi-ge Entgeltberechnung zumindest weit verbreitet war.
Darüber hinaus
war die Klägerin verpflichtet, ihre Kunden darauf hinzuweisen, dass auch bei Nutzung nicht außergewöhnlich erscheinender [X.]angebote
sehr große Datenmen-gen anfallen können, die bei volumenabhängigen Verbindungsentgelten für den mobilen Netzzugang zu ungewöhnlich hohen Kosten führen. Der [X.] musste auch hiermit mangels entsprechender Kenntnisse nicht rechnen, während der Klägerin als Telekommunikationsanbieter dies bekannt war. Hier-nach bestand
das [X.], das für die Begründung von [X.] einer Vertragsseite zur Wahrung der Interessen des Gegners aus-schlaggebend ist.

Ob die Klägerin diese Pflicht verletzt hat und ob solche notwendig abs-trakt gehaltenen Hinweise den [X.]n davon abgehalten hätten, sein [X.] am 1.
Januar 2008 wie geschehen zu nutzen, mithin ob der
etwaige Verstoß
dieser Pflichten kausal für den eingetretenen Schaden war, wird im neuen Berufungsverfahren festzustellen sein.

16
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-

11

-

cc) Unter dem Vorbehalt
im neuen Berufungsverfahren noch nachzuho-lender weiterer tatsächlicher
Feststellungen
bestand
-
neben der Pflicht zu den abstrakten Warnhinweisen bei Einführung der neuen Leistung
-
die Verpflich-tung der Klägerin als Diensteanbieterin, ihre Kunden, etwa mittels einer [X.], zu warnen, wenn die Kosten für die jeweilige Inanspruchnahme des [X.]-dienstes
den üblicherweise von einem durchschnittlichen
Nutzer
ausgeschöpf-ten Rahmen signifikant überstiegen, so dass die Gefahr einer unbewussten Selbstschädigung nahe lag. Hierdurch hatte die Klägerin dem Nutzer die Mög-lichkeit zu geben, die Verbindung zur Vermeidung weiterer unerwünscht hoher Kosten zu beenden.

(1) Nach dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sach-
und Streitstand ist nicht auszuschließen, dass der [X.]
im Januar 2008 im Ge-gensatz zur Klägerin
keine zureichenden Möglichkeiten hatte, das durch die jeweilige [X.]nutzung angefallene Entgeltaufkommen während der Verbin-dung zu verfolgen. Bei einem zeitabhängigen Tarif hat
der Nutzer wenigstens die Chance, die entstehenden Gebühren abzuschätzen, da er die hierfür maß-geblichen Parameter -
die Dauer der Verbindung und
das vereinbarte Entgelt pro Zeiteinheit
-
kennen kann, wenngleich Letzteres angesichts der [X.] Unübersichtlichkeit der Tarife schon nur mit Einschränkungen gilt (vgl. Senatsurteil vom 9.
Juni 2011 -
III
ZR 157/10, [X.], 1678 Rn.
14). [X.] ist es den Nutzern regelmäßig nicht möglich, die
im vorliegenden Fall für die [X.] maßgeblichen,
von dem Mobilfunkgerät heruntergeladenen Datenmengen zu überblicken ([X.] MMR 2011, 838). Diese hängen von der Größe der jeweils angewählten Dateien ab, welche für den Kunden mit
seinem Mobiltelefon regelmäßig nicht
erkennbar ist. Hiervon ist jedenfalls im Revisions-verfahren auszugehen, da gegenteilige Feststellungen insoweit fehlen.
Dies gilt auch, soweit das Berufungsgericht meint, es obliege dem Besitzer eines Mobil-18
19
-

12

-

funkgeräts, sich eine Warnanzeige selbst zu installieren. Damit setzt das [X.] das Bestehen einer solchen Möglichkeit und die Zumutbarkeit für den [X.], diese wahrzunehmen,
voraus, ohne allerdings die tatsächlichen Voraussetzungen hierfür festzustellen. Auch im Vortrag der [X.] findet sich für diese
Annahme
keine Grundlage, da dieser Gesichtspunkt von keiner Seite
angesprochen wurde.
Fehlt damit dem Nutzer ein Gebühren-parameter,
kann er die anfallenden Entgelte bei der mobilen [X.]nutzung noch nicht einmal
schätzen. Demgegenüber muss der Diensteanbieter die ab-gerufenen Datenmengen erfassen,
da er sie zur Entgeltermittlung
und -abrech-nung benötigt (§
97
Abs.
1 TKG). Hiernach besteht ein weiteres Informationsge-fälle zwischen dem Nutzer und dem Diensteanbieter, das Hinweispflichten des Letzteren zur Wahrung der Interessen seiner Kunden begründen kann.

(2) Weitere Voraussetzung für eine Hinweispflicht der Klägerin gegen-über dem [X.]n ist allerdings, dass zum Zeitpunkt der dem Rechtsstreit zu Grunde liegenden [X.]nutzungen, also im Januar
2008, bereits die techni-schen Möglichkeiten bestanden, das übliche Entgeltaufkommen eines Kunden festzustellen, mit dem
aktuellen Gebührenanfall abzugleichen und während des laufenden von dem
Mobilfunkgerät abgewickelten [X.] eine Warnung zu versenden. Sollte es nicht möglich gewesen sein, das übliche Entgeltauf-kommen des jeweiligen Kunden individuell zu erfassen,
war auf den [X.] abzustellen.
Weiterhin muss der Einsatz
der entsprechenden Computerprogramme wirtschaftlich zumutbar gewesen sein.

20
-

13

-

(3) Zu den unter Nummern (1) und (2) angeführten tatsächlichen
Um-ständen fehlen bislang Feststellungen des Berufungsgerichts. Für die Voraus-setzungen einer Pflichtverletzung der Klägerin ist grundsätzlich der [X.] darlegungs-
und beweispflichtig. Für das weitere Verfahren weist der Senat [X.] darauf hin, dass an die Substantiierung des Vortrags
des [X.]n keine hohen
Anforderungen gestellt werden dürfen, obgleich er die Darlegungslast trägt.
Vielmehr trifft die Klägerin eine sekundäre Darlegungslast, da der [X.] keinen Einblick in die den Diensteanbietern im maßgeblichen Zeitraum zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten haben kann, die
Klägerin hin-gegen die
wesentlichen Tatsachen kennt und ihr deshalb nähere Angaben möglich und zumutbar sind (vgl. Senatsurteil
vom
17.
Januar 2008 -
III
ZR 239/06,
NJW
2008, 982 Rn.
16; [X.], Urteil vom 14.
Juni 2005 -
VI
ZR 179/04, [X.]Z 163, 209, 214 jeweils mwN; siehe auch Senatsurteil vom 13.
Januar 2011 -
III
ZR 146/10, NJW 2011, 1509 Rn.
20).

(4) Ein der Entgeltforderung der Klägerin entgegenzusetzender Scha-densersatzanspruch des [X.]n wegen Verletzung einer Hinweispflicht scheidet jedoch aus, wenn die Klägerin den
Pflichtenverstoß nicht zu vertreten hat (§
280 Abs.
1 Satz
2 [X.]).
Dies ist namentlich dann nicht anzunehmen, wenn im Januar 2008
zwar schon die technischen Möglichkeiten für die in Rede stehenden Warnhinweise bestanden, deren praktische Anwendung jedoch
noch völlig unüblich war. In diesem Fall kann es der Klägerin nicht zum Vorwurf der Fahrlässigkeit (§
276 Abs.
1, 2 [X.]) gereichen, wenn sie die
(etwaig)
vorhan-denen Computerprogramme noch nicht zum Einsatz gebracht hat.

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-

14

-

3.
Da der Rechtsstreit wegen der [X.] tatsächlichen Feststel-lungen noch nicht zur Endentscheidung reif ist, ist die Sache unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils an die Vorinstanz zurückzu-verweisen (§
563 Abs.
1 Satz
1, Abs.
3 ZPO).

Schlick

Dörr
[X.]

Seiters
Tombrink
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.01.2011 -
2 C 2984/10 -

LG [X.], Entscheidung vom 13.07.2011 -
11 S 25/11 -

23

Meta

III ZR 190/11

15.03.2012

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2012, Az. III ZR 190/11 (REWIS RS 2012, 8077)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8077

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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