Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.02.2013, Az. 4 StR 544/12

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 7824

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 544/12

vom
27.
Februar
2013
in der Strafsache
gegen

wegen Vergewaltigung u. a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 27.
Februar
2013
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 27.
Juli 2012 mit den Feststellungen aufgehoben,
a)
soweit der Angeklagte wegen Vergewaltigung in Tatein-heit mit Freiheitsberaubung
und Bedrohung verurteilt worden ist (Fall
II.
2 der Urteilsgründe),
b)
im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren [X.] aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] zurück-verwiesen.
2.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

-
3
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tatein-heit mit Freiheitsberaubung und Bedrohung, wegen gefährlicher Körperverlet-zung und wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und ihn im Übrigen [X.].
Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbe-gründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
I.
Die Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts durch Ablehnung des Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Aussage der Geschädigten Ö.

-D.

hat aus den
zutreffenden Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 19.
Dezember 2012 keinen Erfolg.
II.
1.
Soweit das [X.] den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körper-verletzung in Tateinheit mit Bedrohung (Fall
II.
1 der Urteilsgründe) sowie we-gen gefährlicher Körperverletzung (Fall
II.
3 der Urteilsgründe) verurteilt hat, hat 1
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die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
2.
Die Verurteilung wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheitsbe-raubung und Bedrohung (Fall
II.
2 der Urteilsgründe) kann indes nicht bestehen bleiben.
a)
Insoweit hat die [X.] im Wesentlichen folgende Feststellun-gen getroffen:
Am 25.
Juni 2011 gegen 14.30
Uhr wollte die Ehefrau des Angeklagten, die Geschädigte Ö.

-D.

, die Familienwohnung verlassen, um sich mit
ihrem neuen Lebensgefährten zu treffen, weshalb es zum wiederholten Male zu
einem heftigen Streit mit dem
Angeklagten kam, der sie zu einer Wiederauf-nahme der ehelichen Beziehung überreden wollte. Nachdem die Geschädigte sich
geweigert hatte, die Beziehung zu ihrem neuen Lebensgefährten aufzuge-ben, schloss der Angeklagte die Wohnungstür ab und nahm der Geschädigten ihren Wohnungsschlüssel sowie ihr Mobiltelefon ab, um sie so am Verlassen der Wohnung zu hindern. Er drohte ihr an, sie nunmehr umzubringen, was die verängstigte Zeugin in dieser Situation auch glaubte, schleifte sie ins [X.] und warf sie auf die Couch, auf der bereits ihr stark verängstigter, sechs Jahre alter [X.] saß. Wegen des unter II.
1 der Urteilsgründe festgestellten Vorfalls, bei dem der Angeklagte die
Geschädigte
mit Faustschlägen und Tritten gegen Oberkörper und Kopf derart misshandelt hatte, dass sie sich in stationäre Behandlung hatte begeben müssen, hatte sie nach wie vor
große Angst vor ihm. Deshalb kam sie seiner Aufforderung nach, gegenüber ihrem [X.] die Schuld für die Beziehungsprobleme zwischen ihr und dem Angeklagten zu übernehmen und ihrem neuen Lebensgefährten mitzuteilen, dass man sich 5
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nicht mehr sehen werde; für das erforderliche Telefonat erhielt die Geschädigte vom Angeklagten kurzfristig ihr Mobiltelefon zurück. Möglichkeiten,
Hilfe zu
holen, bestanden während dieses Vorfalles nicht. Das im Schlafzimmer befind-liche Festnetztelefon war für die Geschädigte nicht erreichbar, Hilfeschreie
unterließ sie, weil sie unter anderem Angst vor weiteren Schlägen des Ange-klagten hatte.
Nunmehr zog der Angeklagte die Geschädigte ins Schlafzimmer und for-derte sie auf, sich zu entkleiden, während der [X.] verängstigt im Wohnzimmer zurückblieb. Dem folgte die Geschädigte aus Angst vor dem Angeklagten; sie ging davon aus, dass dieser an ihrem Körper nach Spuren sexueller Handlun-gen suchen wollte und möglicherweise vorhatte, sie zu verprügeln. Erst auf die Aufforderung hin, sich aufs Bett zu legen, erkannte die Geschädigte, dass der Angeklagte beabsichtigte, nun gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr zu vollziehen,

sich jedoch dem Wunsch des Angeklagten aus Angst vor Schlägen. Dieser
voll-zog daraufhin mit ihr den vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss.
b)
Die Annahme des [X.], das Verhalten des Angeklagten [X.] die Voraussetzungen einer Vergewaltigung im Sinne von §
177 Abs.
1 Nr.
3 StGB, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
aa)
Das [X.] ist zwar mit tragfähiger Begründung zu der Über-zeugung gelangt, dass sich die Geschädigte bei Beginn und während der Durchführung des Geschlechtsverkehrs mit dem Angeklagten objektiv in einer schutzlosen Lage im Sinne des §
177 Abs.
1 Nr.
3 StGB befunden hat. Auch die Annahme der [X.], sie habe nur unter dem Eindruck ihres schutzlosen Ausgeliefertseins aus Furcht vor möglichen Einwirkungen des Angeklagten auf 8
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den ihr grundsätzlich möglichen Widerstand verzichtet, ist vor dem Hintergrund der dazu getroffenen Feststellungen aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Jedoch werden im angefochtenen Urteil die Voraussetzungen eines dahinge-henden Vorsatzes des Angeklagten nicht hinreichend belegt.
bb)
Der subjektive Tatbestand im Sinne des §
177 Abs.
1 Nr.
3 StGB setzt zumindest bedingten Vorsatz dahingehend voraus, dass das Tatopfer in die sexuellen Handlungen nicht eingewilligt
hat
und dass es gerade im Hinblick auf seine Schutzlosigkeit auf möglichen Widerstand verzichtet ([X.]sbe-schluss vom 8.
November 2011

4
StR
445/11, [X.], 268; [X.], [X.] vom 12.
November 2008

2
StR
474/08).
Feststellungen dazu, ob der Angeklagte diese Umstände in seinen zu-mindest bedingten Vorsatz aufgenommen hat, hat das [X.] indes nicht getroffen. Den Urteilsgründen ist auch nicht zu entnehmen, zu welchem Zeit-punkt innerhalb des sich länger hinziehenden Tatgeschehens der Angeklagte den Vorsatz fasste, mit der Geschädigten notfalls auch gegen deren Willen den Geschlechtsverkehr auszuüben.
Vielmehr beschränkt sich das Urteil insoweit auf die Mitteilung, dass die Geschädigte dieses Vorhaben realisierte, als der Angeklagte sie aufforderte sich auf das Bett zu legen.
3.
Da die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen
von dem Rechts-fehler nicht betroffen sind, kann der [X.] sie aufrechterhalten. Ergänzende Feststellungen, die den getroffenen nicht widersprechen, sind möglich.
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7
-
Für die neue Verhandlung und Entscheidung merkt der [X.] an:
Auch frühere Drohungen können wie frühere Misshandlungen eine in die [X.] fortwirkende Drohwirkung entfalten, sodass im Einzelfall auch ausdrückliche oder konkludente Erklärung des [X.] eine finale Verknüpfung mit dem sexuellen Übergriff hergestellt, dies vom Opfer als Drohung empfunden wird und der Täter dies zumindest billigt (vgl. [X.]sbeschluss vom 20.
März 2012

4
StR
561/11, [X.], 534, Tz.
14; [X.], StGB, 60.
Aufl., §
177 Rn.
20 mN zur
Rspr.; vgl. auch [X.]/[X.], §
177 Rn.
12). Sollte die neue Verhandlung daher ergeben, dass der Angeklagte seinen Tatvorsatz [X.] zu dem Zeitpunkt fasste, als er die Zeugin ins Schlafzimmer zog, wird vor dem Hintergrund einer möglicherweise hierin liegenden Gewaltanwendung bzw.
des vorangegangenen Geschehens zu erwägen sein, ob der Angeklagte bereits die Voraussetzungen von §
177 Abs.
1 Nr.
1 oder Nr.
2 StGB erfüllt hat.
Mutzbauer
Roggenbuck
Franke

Quentin
Reiter
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15

Meta

4 StR 544/12

27.02.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.02.2013, Az. 4 StR 544/12 (REWIS RS 2013, 7824)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7824

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