Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.11.2016, Az. AnwZ (Brfg) 58/14

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2016, 2891

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[X.]:[X.]:[X.]GH:2016:071116UANWZ.[X.]RFG.58.14.0

[X.]UN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
[X.] ([X.]) 58/14

Verkündet am:

7. November 2016

[X.]oppel

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache

wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
-

2

-

Der
[X.]undesgerichtshof, [X.] für Anwaltssachen,
hat auf die mündliche [X.] vom 7. November 2016
durch die Präsidentin des [X.] [X.], die Richterin [X.], [X.], die Rechtsanwältin Schäfer sowie
den Rechtsanwalt Dr. Lauer

für Recht erkannt:

Auf die [X.]erufung der Klägerin wird das Urteil des 5. [X.]s des [X.]ayerischen [X.] vom 31.
Oktober 2014,
zuge-stellt am 10. November 2014,
abgeändert.

Der [X.]escheid der [X.]eklagten vom 27.
Mai 2013
wird aufgehoben.

Die [X.]eklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Gegenstandswert wird auf 50.000

Tatbestand:

Die Klägerin, 2007 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen, übt seit 2009 die Tätigkeit einer selbständigen Rechtsanwältin in [X.]ürogemeinschaft mit zunächst einem, später
mit zwei Kollegen in C.

in
der S.

gasse
25 aus. Am 24.
August 2012 schloss sie einen Anstellungsvertrag (AV) über eine Teilzeit-beschäftigung bei der H.

-C.

als juristische Mitarbeiterin der dortigen Krankenversicherung ([X.] [X.]etrieb). Zu den Aufgaben der Klägerin gehört es 1
-

3

-

nicht,
Kunden zu akquirieren und Versicherungsverträge abzuschließen. In §
3 Abs.
1 AV heißt es
zur Arbeitszeit:

"Die regelmäßige Dauer der Arbeitszeit beträgt 20 Stunden in der Woche an 5
Tagen."

§
8 AV bestimmt zur Nebentätigkeit Folgendes:

"Die Arbeitnehmerin verpflichtet sich, jede bei Vertragsabschluss bereits ausgeübte oder später beabsichtigte Nebentätigkeit dem Arbeitgeber un-aufgefordert mitzuteilen.

Die Ausübung einer solchen Nebentätigkeit bedarf der Zustimmung des Arbeitgebers. Die Zustimmung wird erteilt, wenn die Arbeitnehmerin
dem Arbeitgeber schriftlich die Nebentätigkeit unter Angabe von Art, Umfang und Ort anzeigt und sachliche Gründe der Nebentätigkeit nicht entge-genstehen. Sachliche Gründe liegen insbesondere dann vor, wenn die Interessen
des Arbeitgebers beeinträchtigt werden.

Wurde eine Nebentätigkeit genehmigt und zeigt sich danach, dass die Nebentätigkeit die Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt, so kann die Nebentätigkeitsgenehmigung vom Arbeitgeber widerrufen werden. Die Arbeitnehmerin ist in diesem Falle verpflichtet, die Nebentätigkeit un-verzüglich einzustellen."

Die [X.]etriebsvereinbarung zur "Flexiblen Arbeitszeit"
zwischen der H.

-C.

und dem [X.]etriebsrat C.

enthält u.a. folgende Regelungen:

"3.2
Die regelmäßige Arbeitszeit muss nicht gleichmäßig auf die Kalen-derwochen oder Arbeitstage verteilt werden.

4.1
Der Arbeitszeitrahmen erstreckt sich montags bis freitags, jeweils von 7.00 bis 20.15
Uhr.

4.2
Eine Kernarbeits-
bzw. Mindestarbeitszeit besteht nicht.

2
3
-

4

-

4.3
Unter [X.]eachtung der in dieser [X.]etriebsvereinbarung niedergelegten Rahmenbedingungen kann der einzelne Mitarbeiter seine tägliche Arbeitszeit eigenverantwortlich bestimmen.

5.1
Für jeden Mitarbeiter wird ein [X.] geführt, in dem die tat-sächlich erbrachte Arbeitszeit der individuellen Sollarbeitszeit ge-genübergestellt wird.

5.2
Das [X.] eines Mitarbeiters
darf einen Saldo von +50 Stunden jeweils zum Monatsende nicht überschreiten. -25 Stunden dürfen zum Monatsende nicht überschritten werden.

5.5
Für Mitarbeiter in Teilzeit gelten abweichend zu Ziffer 5.2 folgende Maximalsalden:

Teilzeit bis 19 h/Woche: +25/-10
Teilzeit bis 25 h/Woche: +30/-15
Teilzeit bis 30 h/Woche: +40/-20"

Mit Schreiben vom 26.
Februar 2013 teilte die Klägerin der [X.]eklagten das Anstellungsverhältnis mit. Hierbei legte sie eine [X.]escheinigung ihres Ar-beitgebers vom 2.
Januar 2013 vor, in der es heißt:

"Frau J.

E.

Wir haben keine Einwände, dass sie ihre Zulassung zur Rechtsanwalt-schaft betreibt. Frau E.

hat die Möglichkeit, bei [X.]eachtung der uns gegenüber obliegenden arbeitsvertraglichen Verpflichtungen, auch [X.] unserer Öffnungszeiten im Rahmen der Gleitzeit/flexiblen Arbeits-zeit Termine und [X.]esprechungen als Rechtsanwältin wahrzunehmen. Es gehört nicht zu seinen/ihren arbeitsvertraglichen Aufgaben, Kunden zu akquirieren und Versicherungsverträge abzuschließen."

Mit [X.]escheid vom 27.
Mai 2013 widerrief die [X.]eklagte die Zulassung der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft nach §
14 Abs.
2 Nr.
8 [X.]. Die Klägerin habe keine unwiderrufliche Nebentätigkeitserlaubnis bzw. Freistellungserklä-rung vorgelegt, die ihr den notwendigen tatsächlichen und rechtlichen Hand-lungsspielraum für ihre anwaltliche Tätigkeit verschaffe. Das bloße Einver-4
5
-

5

-

ständnis des Arbeitgebers reiche nicht aus. Denn darin liege nicht die -
zudem unwiderrufliche -
Erlaubnis, auch während der Arbeitszeit notwendige anwaltli-che Geschäfte zu erledigen.

Gegen diesen [X.]escheid hat die Klägerin Klage erhoben. Im Laufe des Verfahrens hat die Klägerin noch zwei weitere [X.]escheinigungen der H.

-C.

vorgelegt. Im Schreiben vom 13.
Juni 2013 heißt es u.a.:

"

n Ergänzung unseres Schreibens vom [X.] können wir Ihnen
wie besprochen bestätigen, dass Sie im Rahmen der [X.] die nötigen Freiräume haben, um Ihrer anwaltli-chen Tätigkeit nachzukommen.
In der [X.]etriebsvereinbarung ist u.a. der Arbeitszeitrahmen geregelt und keine festen "Dienststunden". Der Arbeitszeitrahmen erstreckt sich von 07.00
Uhr bis 20.15 Uhr, in dem Sie Ihre 20 Stunden pro Woche flexibel erbringen können. Die Erbringung Ihrer Arbeitszeit können Sie in diesem Rahmen eigenverantwortlich bestimmen, sofern Terminvorgaben einge-halten werden. Eine Kern-
oder Mindestarbeitszeit besteht daher für Sie nicht.
Ihre erbrachte Arbeitszeit wird auf einem [X.] geführt. Das [X.] darf am Monatsende minus 25 Stunden aufweisen.
Sie arbeiten aktuell mit drei
weiteren
Juristen zusammen, so dass Sie die Flexibilität der [X.]etriebsvereinbarung tatsächlich leben.

"

In der
weiteren [X.]escheinigung vom 11.
September 2013 heißt es u.a.:

"

iermit bestätigen wir im Nachgang zu unserer Freistellungserklä-rung mit den Schreiben vom [X.] und 13.06.2013, dass Sie wider-ruflich die Erlaubnis haben, einer Tätigkeit als Rechtsanwältin nachzuge-hen, und Ihnen bei Terminwahrnehmungen zugestanden wird, Ihr [X.] bis zu 25 Stunden in einen negativen Saldo zu bringen. Wir verpflichten uns, einen eventuellen Widerruf der Freistellungserklärung der Rechtsanwaltskammer [X.].

unverzüglich anzuzeigen."

6
7
-

6

-

Der [X.] hat die Klage abgewiesen; eine lediglich wider-rufliche Nebentätigkeitserlaubnis/Freistellungserklärung genüge nicht.

Gegen das Urteil des [X.] richtet sich die vom [X.] zu-gelassene [X.]erufung der Klägerin.

Entscheidungsgründe:

Die [X.]erufung ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

I.

Nach §
14 Abs.
2 Nr.
8 [X.] ist die
Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt eine Tätigkeit ausübt, die mit seinem [X.]eruf, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann; dies gilt nicht, wenn der Widerruf für ihn eine unzumutbare Härte bedeuten würde.

Diese Voraussetzungen für einen Widerruf der Zulassung der Klägerin liegen nicht vor.

Die durch Art.
12 Abs.
1 GG gewährleistete Freiheit der [X.]erufswahl um-fasst grundsätzlich das Recht, mehrere [X.]erufe zu wählen und nebeneinander auszuüben
(vgl. nur [X.] 21, 173, 179; 87, 287, 316; 110, 304, 321). Dies gilt auch für einen Rechtsanwalt, sofern die weitere Tätigkeit mit dem Anwalts-8
9
10
11
12
13
-

7

-

beruf vereinbar ist. Letzteres
ist nach der [X.]srechtsprechung unter anderem dann nicht der Fall, wenn der Rechtsanwalt infolge eines ständigen Arbeits-
oder Dienstverhältnisses den Anwaltsberuf nicht mehr mit dem notwendigen
Maß an Unabhängigkeit ausüben kann. Der Rechtsanwalt muss insoweit neben seinem Zweitberuf den für die anwaltliche Tätigkeit unentbehrlichen tatsächli-chen und rechtlichen Handlungsspielraum besitzen. Dies wird danach be-stimmt, ob er in der Lage ist, seinen [X.]eruf in einem, wenn auch beschränkten, so doch irgendwie nennenswerten
Umfang und jedenfalls mehr als nur gele-gentlich auszuüben. Die rechtliche Möglichkeit hierzu hat ein Rechtsanwalt, wenn der Arbeitgeber im Anstellungsvertrag oder in einer auf Dauer angelegten Erklärung eine anwaltliche Tätigkeit dieses Ausmaßes erlaubt; die tatsächliche Möglichkeit hat ein Rechtsanwalt, den seine Inanspruchnahme durch den Ar-beitgeber und die Grenzen seiner Arbeitskraft an einer solchen [X.]etätigung nicht hindern (vgl. nur [X.]sbeschlüsse vom 7.
November 1960 -
[X.]
([X.]) 2/60, [X.]GHZ
33,
266,
268
f.
und
vom
13.
März
1978
-
[X.]
([X.]) 32/77, [X.]GHZ 71, 138, 140). Diese Einschränkung der [X.]erufswahlfreiheit ist verfassungsgemäß (siehe [X.] 87, 287, 297
f., 323).

Dass die Klägerin in der Lage ist, in nennenswertem Umfang als Rechts-anwältin tätig zu werden, liegt auf der Hand.
Ihre regelmäßige Arbeitsverpflich-tung bei der H.

-C.

umfasst 20 Stunden pro Woche und damit nur einen Teil ihrer Arbeitskraft. Ihr Zweitberuf lässt ihr insoweit ausreichend Raum für eine nicht lediglich geringfügige anwaltliche Tätigkeit
(vgl. auch [X.]sbe-schluss vom 14. Mai 2009 -
[X.] ([X.]) 119/08, NJW-RR 2009, 1359 Rn. 13). In seiner bisherigen Rechtsprechung hat der [X.] auch nur erheblich geringere Zeitkontingente für die anwaltliche Tätigkeit beanstandet (vgl. etwa [X.]eschlüsse
vom 30. Juni 1980 -
[X.] ([X.]) 4/80, Umdruck S. 7 ff.
und vom 14. Dezember 1981 -
[X.] ([X.]) 21/81, Umdruck S. 6 f.
zu Erlaubnissen, neben dem Zweitberuf 14
-

8

-

10 beziehungsweise 8 Stunden wöchentlich als Rechtsanwalt zu arbeiten; aus-reichend dagegen
die Erlaubnis, 20 Stunden
als Rechtsanwalt zusätzlich zu arbeiten, siehe [X.], [X.]eschluss vom 16. Februar 1998 -
[X.] ([X.]) 74/97, NJW-RR 1998, 1216).

Die Klägerin ist in ihrem Zweitberuf auch nicht auf bestimmte Arbeitszei-ten festgelegt, was eine ordnungsgemäße anwaltliche Tätigkeit beeinträchtigen kann, wenn diese
nur außerhalb dieser Zeit erfolgen darf oder dies zwar nicht der Fall ist, der Erledigung der Aufgaben im Zweitberuf
arbeitsvertraglich aber Vorrang vor dem Anwaltsberuf zukommt
(vgl. hierzu [X.], [X.]eschlüsse
vom 16.
Februar 1998 und vom 14. Mai 2009, jeweils aaO). Vielmehr ist sie im Rahmen der [X.]etriebsvereinbarung
in der Lage,
ihre Arbeitszeit flexibel so [X.], dass -
je nach [X.]edarf -
die Wahrnehmung anwaltlicher Termine vormit-tags oder nachmittags möglich ist. Soweit dies theoretisch nicht ausschließt, dass es im Einzelfall doch einmal zu Konflikten zwischen der anwaltlichen und der zweitberuflichen Tätigkeit kommen kann, führt dies nicht zur [X.]. Denn von dem in einem ständigen Dienstverhältnis stehenden [X.] kann nicht verlangt werden, dass er so frei und unabhängig ist, dass er sich zwecks Wahrnehmung eines ihm in seiner Eigenschaft als freier Rechts-anwalt obliegenden Termins selbst dann von seinem Arbeitsplatz entfernen kann, wenn sein Arbeitgeber von ihm für den gleichen Zeitraum plötzlich die Vornahme einer in den dienstvertraglichen [X.]ereich fallenden Tätigkeit verlangt (vgl. [X.]sbeschluss vom 7.
November 1960, aaO S. 269 f.). Insoweit reicht die bloße Möglichkeit, dass in Ausnahmesituationen nicht koordinierbare, gleichermaßen dringliche Aufgaben aus beiden [X.]ereichen anstehen und eine Entscheidung zugunsten der einen oder anderen Tätigkeit erfordern, nicht aus, die Zulassung zu widerrufen (vgl. [X.]sbeschlüsse vom 17.
März 2003
-
[X.]
([X.]) 3/02, NJW 2003, 1527, 1528 und vom 14.
Mai 2009 aaO).
15
-

9

-

Zwar ist es, worauf die [X.]eklagte und der [X.] abgestellt haben, zutreffend, dass Voraussetzung für die Vereinbarkeit des [X.] mit der anwaltlichen Tätigkeit grundsätzlich das Vorliegen einer nicht einseitig widerruflichen Freistellungserklärung
des Arbeitgebers
ist. Jedoch hat der [X.] diesen Grundsatz nicht zur Teilzeit, sondern in
Fällen entwickelt, in denen der Rechtsanwalt
eine vollwertige zweitberufliche Tätigkeit ausgeübt hat
(vgl. nur [X.]sbeschlüsse vom 7.
November 1960
-
[X.]
([X.]) 2/60, [X.]GHZ 33, 266, 268; vom 10. Juli 1972 -
[X.] ([X.]) 1/72, juris Rn. 8; vom
12. Mai 1975
-
[X.]
([X.]) 4/75, juris Rn. 12; vom 13.
März 1978 -
[X.]
([X.]) 72/77, [X.]GHZ 71, 138, 140; vom 17.
Dezember 1990 -
[X.]
([X.]) 63/90, [X.]RAK-Mitt. 1991, 101; vom 14.
Juni
1993
-
[X.]
([X.])
14/93,
Anw[X.]l.
1993,
536;
vom
13.
September
1993 -
[X.]
([X.]) 25/93, [X.]RAK-Mitt. 1993, 219
f.; vom 13.
Februar 1995
-
[X.]
([X.]) 56/94, [X.]RAK-Mitt. 1995, 212
f.; vom 21.
Juli 1997 -
[X.]
([X.]) 20/97, juris Rn.
9; vom 16.
November 1998 -
[X.]
([X.]) 44/98, NJW-RR 1999, 570; vom 17.
März 2003,
aaO S. 1527 und vom 10.
Oktober 2011 -
[X.]
([X.]) 49/10, NJW 2012, 534 Rn.
28).
Dieser Grundsatz kann deshalb nicht unbesehen auf jede Art von Teilzeitarbeit übertragen werden.

Grundsätzlich kann ein Arbeitnehmer außerhalb seiner Arbeitszeit tun und lassen,
was er möchte. Er kann deshalb in dieser Zeit, ohne verpflichtet zu sein, dies dem Arbeitgeber anzuzeigen oder sich dies vom Arbeitgeber geneh-migen zu lassen, eine weitere Nebenbeschäftigung ausüben. Unzulässig ist eine Nebentätigkeit nur, wenn dadurch berechtigte [X.]elange des [X.]etriebs betrof-fen sind. Zwar hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, in einen Arbeitsvertrag -
so wie hier -
eine Klausel aufzunehmen, dass ihm der Arbeitnehmer Nebentätigkei-ten anzeigen muss beziehungsweise dass diese zu genehmigen sind. Ein sol-cher Vorbehalt dient aber nur dazu, dem Arbeitgeber die Prüfung zu ermögli-16
17
-

10

-

chen, ob die Tätigkeit den betrieblichen Interessen zuwiderläuft. Der [X.] hat einen Anspruch auf Genehmigung beziehungsweise
diese darf nur versagt sowie eine erteilte Genehmigung nur widerrufen werden, wenn die [X.] Interessen dies erfordern (vgl. [X.]AGE 83, 311, 319; [X.]AG D[X.] 2000, 1336; [X.], 965, 967; siehe auch
[X.] in [X.], [X.], 16.
Aufl., §
42 Rn.
3, 10 f., 14, §
43 Rn.
8; MüKo[X.]G[X.]/[X.], 6.
Aufl., §
611 Rn.
1095 ff., 1105; [X.] in Preis, [X.], 5.
Aufl., II
N
10 Rz.
3, 5, II T
10 Rz.
43; [X.]/[X.]/Kalb, Arbeits-recht, 7.
Aufl., §
611 [X.]G[X.] Rn.
368 ff.). Innerhalb seiner Arbeitszeit muss der Arbeitnehmer dagegen ausschließlich dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen. Ein Arbeitnehmer, der während seiner Arbeitszeit anderweitig tätig ist, verletzt seine Arbeitspflicht (vgl. nur Preis in [X.] Kommentar zum Arbeitsrecht, 16.
Aufl., Nr. 230 § 611 Rn. 725; [X.] in Tschöpe, [X.], 8. Aufl., Rz. 223; siehe auch [X.],
aaO Rn. 3; [X.], aaO Rn.
1099; [X.],
aaO Rn. 5). Er ist insoweit auf das Entgegenkommen seines Arbeitgebers angewiesen, dass dieser ihm auch solche anderweitigen
Tätigkei-ten erlaubt
(vgl. [X.]AG, Urteil vom 3. Dezember
1970 -
2 [X.], juris Rn.
12; D[X.] 2000, 1336).

Hieran knüpft die [X.]srechtsprechung an. Hierbei bezieht sich die
in diesem Zusammenhang geforderte Unwiderruflichkeit nicht auf den Umstand, dass es jedem Arbeitgeber -
so wie hier der H.

-C.

nach §
8 Abs.
3 AV -
möglich
ist, eine anderweitige [X.]eschäftigung des Arbeitnehmers zu untersagen, wenn diese die [X.]etriebsinteressen beeinträchtigt. Da dies arbeitsrechtlich selbstverständlich, das heißt jedem Arbeitsvertrag immanent ist und kein Ar-beitgeber auf diese Selbstverständlichkeit verzichten würde -
im [X.]ereich des öffentlichen Dienstes ist bei [X.]eeinträchtigungen dienstlicher Interessen der [X.] der Nebentätigkeitsgenehmigung gesetzlich sogar zwingend [X.]
-

11

-

schrieben (vgl. nur §
99 Abs.
4 Satz
2 [X.][X.]G; Art. 81 Abs. 3 Satz 7 [X.]ay[X.]G) -,
wäre bei einem anderen Verständnis für einen Rechtsanwalt ein solcher Zweit-beruf immer ausgeschlossen. Ein
Widerrufs-
beziehungsweise Untersagungs-vorbehalt bei [X.]eeinträchtigung von [X.]etriebsinteressen steht deshalb der Ver-einbarkeit nicht entgegen
(vgl. nur [X.], [X.]eschluss vom 16. Februar 1998
-
[X.] ([X.]) 74/97, NJW-RR 1998, 1216; siehe auch [X.] in Gaier/
Wolf/Göken, Anwaltliches [X.]erufsrecht, 2.
Aufl., §
7 [X.] Rn.
70). In diesem Sinne hat der [X.] auch in seinem [X.]eschluss vom 14.
Mai
2009 ([X.]
([X.]) 119/08, NJW-RR 2009, 1359) dem
Umstand, dass dort die anwaltliche [X.] nur "unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs, wenn sich eine [X.]eeinträchtigung dienstlicher Interessen ergibt"
genehmigt worden war, keine [X.]edeutung beigemessen.

Die Notwendigkeit der Unwiderruflichkeit bezieht sich demgegenüber auf die Nutzung der Arbeitszeit für anwaltliche Zwecke, nur insoweit bedarf es auch begrifflich einer Freistellung. Hintergrund der [X.]srechtsprechung ist, dass der hauptberuflich bei einem privaten Arbeitgeber beschäftigte Rechtsanwalt seinen Nebenberuf nur ausüben kann, wenn er auch während der hauptberufli-chen Arbeitszeiten als Anwalt tätig werden darf. Die entsprechende Genehmi-gung darf deshalb nicht einseitig widerruflich sein. Anderenfalls würde die [X.] Tätigkeit vom [X.]elieben des Arbeitgebers abhängen. Dem [X.] würde damit die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit
fehlen, die [X.] beider [X.]erufe eigenverantwortlich zu organisieren und aufeinander abzustimmen. Ihm würde die notwendige Unabhängigkeit fehlen, da ihm der Arbeitgeber die Voraussetzungen für die Zulassung jederzeit entziehen könnte.

19
-

12

-

Der Rechtsanwalt könnte damit nicht mehr frei darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang er während der Dienststunden bei seinem Arbeitgeber [X.] wahrnehmen, eilige Schriftsätze fertigen, [X.] oder sonstige unaufschiebbare Tätigkeiten erledigt. Unter dem Druck des jederzeit möglichen Widerrufs könnte er der Versuchung erliegen, bei gegen-sätzlichen anwaltlichen und zweitberuflichen Interessen letzteren den Vorzug zu geben bzw. könnte sich der Arbeitgeber entsprechend durchsetzen. Zwar reicht -
wie ausgeführt -
die bloße Möglichkeit, dass in Ausnahmesituationen nicht koordinierbare, gleichermaßen dringliche Aufgaben aus beiden [X.]ereichen an-stehen und eine Entscheidung zugunsten der einen oder anderen Tätigkeit er-fordern, nicht aus, die Zulassung zu widerrufen. Nur ist bei einer Vollzeitbe-schäftigung der Konflikt zwischen hauptberuflicher und anwaltlicher Tätigkeit keine Ausnahme, sondern der Regelfall.

[X.]ei einer Teilzeitbeschäftigung stellt sich
die Situation anders
dar. Sie bietet zunächst unproblematisch ausreichend Raum für die notwendige nicht unerhebliche anwaltliche Tätigkeit. Ein den Problemen bei der Vollzeitbeschäf-tigung vergleichbarer Konflikt kann hier nur dann auftreten, wenn der [X.] auf bestimmte Arbeitszeiten -
zum [X.]eispiel vormittags
-
festgelegt ist und deshalb bestimmte Aufgaben -
zum [X.]eispiel die Teilnahme an Gerichtster-minen -
nicht erledigen kann oder wenn der Arbeitgeber seine Erlaubnis zur diesbezüglichen Nutzung der Arbeitszeiten jederzeit einseitig
zurücknehmen kann. Entscheidend ist mithin die Frage der nicht frei widerruflichen Flexibilität. Insoweit hat der [X.] in seinem [X.]eschluss vom 16.
Februar 1998 ([X.] ([X.]) 74/97, NJW-RR 1998, 1216)
bei einem teilzeitbeschäftigten wissenschaftlichen

20
-

13

-

Mitarbeiter an einer [X.] die diesem eingeräumte Möglichkeit, eine [X.] Nebentätigkeit
von maximal 20 Wochenstunden auszuüben, ausrei-chen lassen und als wesentlich dabei gewertet, dass der Mitarbeiter keine [X.] Dienstzeiten gehabt hat. In seinem [X.]eschluss vom 14.
Mai 2009 ([X.] ([X.]) 119/08, NJW-RR 2009, 1359 Rn. 13) hat der [X.] die Unvereinbarkeit der dor-tigen Teilzeitbeschäftigung mit der anwaltlichen Tätigkeit damit begründet,
dass die Klägerin
-
anders als hier
-
innerhalb der vom Arbeitgeber vorgegebenen Arbeitszeiten keine anwaltliche Tätigkeiten habe durchführen dürfen mit der Folge, dass [X.]eeinträchtigungen der anwaltlichen Tätigkeit durch den Zweitberuf den Regel-
und nicht den Ausnahmefall darstellten. In diesem Sinne wird auch in der Literatur zu Recht darauf verwiesen, dass bei Teilzeitarbeit wesentlich die Flexibilität sei (vgl. nur [X.], aaO Rn.
71; siehe auch [X.]
Prütting, [X.], 4.
Aufl., §
7 Rn.
98). Eine Teilzeitbeschäftigung schadet des-halb nicht, wenn dem Rechtsanwalt -
wie hier der Klägerin durch die nicht zur freien Disposition des Arbeitgebers stehende
und deshalb auch nicht mit einer widerruflichen Genehmigung des Arbeitgebers vergleichbaren [X.]etriebsverein-barung
-
eine ausreichend flexible Einteilung der Arbeitszeit möglich ist, die es erlaubt, bei [X.]edarf sowohl vormittags oder als auch nachmittags Termine wahr-zunehmen.

-

14

-

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs.
1
Satz
1 [X.] [X.]. §
154 Abs.
1
VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §
194 Abs.
2 Satz
2 [X.].

[X.]
[X.]

[X.]

Schäfer
Lauer
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung
vom 31.10.2014 -
[X.]ayAGH I -
5 -
5/13 -

21

Meta

AnwZ (Brfg) 58/14

07.11.2016

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.11.2016, Az. AnwZ (Brfg) 58/14 (REWIS RS 2016, 2891)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 2891

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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