Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.09.2015, Az. XII ZB 125/15

12. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 5698

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Gegenstand

Betreuungssache: Voraussetzungen für die Einrichtung einer Kontrollbetreuung zur Überwachung des Vorsorgebevollmächtigten


Leitsatz

Zur Erforderlichkeit einer Kontrollbetreuung bei einem vom Betroffenen geäußerten Verdacht der unberechtigten Entnahme eines Geldbetrags durch den Vorsorgebevollmächtigten (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 16. Juli 2014, XII ZB 142/14, FamRZ 2014, 1693).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des [X.] vom 24. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.

[X.]: 5.000 €

Gründe

I.

1

Die 83jährige Betroffene leidet an seniler Demenz, wegen derer sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Am 26. September 2004 hatte sie ihrer Tochter, der Beteiligten zu 3 (im Folgenden: Bevollmächtigte), Vorsorgevollmacht erteilt.

2

Mit Schreiben vom 14. August 2013 widerrief die Betroffene die Vorsorgevollmacht, weil sie das Vertrauen in die Bevollmächtigte verloren habe. Am 5. September 2013 erteilte sie einer anderen Person Vollmacht. Im Zeitpunkt dieser beiden Erklärungen war die Betroffene jedoch nicht mehr geschäftsfähig.

3

Das Amtsgericht hat eine [X.] mit dem Aufgabenkreis der Geltendmachung von Rechten der Betroffenen gegenüber der [X.] eingerichtet und die Beteiligte zu 1 als Berufsbetreuerin bestimmt.

4

Das [X.] hat die von der Bevollmächtigten im eigenen Namen eingelegte Beschwerde zurückgewiesen; hiergegen richtet sich deren Rechtsbeschwerde.

II.

5

1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 und 2 FamFG zulässig. Insbesondere ist die Bevollmächtigte als Tochter der Betroffenen, die im ersten Rechtszug beteiligt worden ist, gemäß § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG [X.] (vgl. Senatsbeschluss vom 9. April 2014 - [X.] 595/13 - FamRZ 2014, 1099 Rn. 10 ff.).

6

2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet.

7

a) Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Betroffene sei aufgrund ihrer Erkrankung nicht in der Lage, die Bevollmächtigte zu kontrollieren bzw. dem von ihr geäußerten Wunsch auf Widerruf der Vorsorgevollmacht und Bevollmächtigung einer anderen Person Rechtsgültigkeit zu verleihen. Die Betreuerbestellung sei auch erforderlich, da die Betroffene erklärt habe, sie wolle aufgrund eines tiefgreifenden Vertrauensverlusts nicht mehr von der Bevollmächtigten vertreten werden und widerrufe die Vollmacht. Diesem eindeutigen Willen der Betroffenen sei unabhängig von ihrer Geschäftsfähigkeit zu entsprechen.

8

b) Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.

9

aa) Nach § 1896 Abs. 3 BGB kann ein Betreuer zur Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten bestellt werden. Mit dieser so genannten [X.] kann im Falle einer wirksam erteilten Vorsorgevollmacht für eine Kontrolle des Bevollmächtigten gesorgt werden, wenn der Vollmachtgeber aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht mehr in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen.

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das [X.] rechtsfehlerfrei festgestellt; dagegen erinnert auch die Rechtsbeschwerde nichts.

bb) Eine [X.] darf jedoch wie jede andere Betreuung (vgl. § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB) nur dann eingerichtet werden, wenn sie erforderlich ist. Da der Vollmachtgeber die Vorsorgevollmacht gerade für den Fall erteilt hat, dass er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, um eine gerichtlich angeordnete Betreuung zu vermeiden, kann das Bedürfnis nach einer [X.] nicht allein damit begründet werden, dass der Vollmachtgeber aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen. Denn der Wille des Vollmachtgebers ist auch bei der Frage der Errichtung einer [X.] zu beachten (vgl. § 1896 Abs. 1 a BGB). Daher müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Errichtung einer [X.] erforderlich machen. Notwendig ist der konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juli 2014 - [X.] 142/14 - FamRZ 2014, 1693 Rn. 11).

Dies kann der Fall sein, wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle schon deshalb geboten ist, weil Anzeichen dafür sprechen, dass der Bevollmächtigte mit dem Umfang und der Schwierigkeit der vorzunehmenden Geschäfte überfordert ist, oder wenn gegen die Redlichkeit oder die Tauglichkeit des Bevollmächtigten Bedenken bestehen. Ein Missbrauch der Vollmacht oder ein entsprechender Verdacht ist nicht erforderlich. Ausreichend sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juli 2014 - [X.] 142/14 - FamRZ 2014, 1693 Rn. 12).

cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das [X.] die Beschwerde gegen die Bestellung der Beteiligten zu 1 zur Kontrollbetreuerin zu Recht zurückgewiesen. In der vom [X.] in Bezug genommenen Anhörung vom 25. Juli 2014 hat die Betroffene den konkreten Verdacht erhoben, die Bevollmächtigte habe sie hintergangen. Nach ihrer Rückkehr aus dem Pflegeheim in die eigene Wohnung habe eine Geldkassette mit 7.000 € gefehlt, die nur ihre Tochter genommen haben könne, da sie Schlüssel zur Wohnung habe.

Träfe der Vorwurf zu, die Bevollmächtigte habe einen Betrag von 7.000 € entnommen, ohne ihn für die Betroffene zu verwenden, bestünden jedenfalls Rückzahlungsansprüche der Betroffenen gegen die Bevollmächtigte. Die [X.] ist daher erforderlich, um die ordnungsgemäße Verwendung der Mittel der Betroffenen - etwa durch Verlangen nach Auskunft und Rechenschaftslegung (§ 666 BGB) - zu klären und eventuelle Ersatzansprüche gegen die Bevollmächtigte geltend zu machen. Ließe danach das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls der Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten, dient die [X.] auch dazu, eine Erweiterung der Betreuung um den Aufgabenkreis des [X.] (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Juli 2015 - [X.] 674/14 - juris Rn. 10 ff.) sowie die Regelbetreuung anzuregen.

Dose                     Weber-Monecke                                  [X.]

             [X.]

Meta

XII ZB 125/15

09.09.2015

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Dresden, 24. Februar 2015, Az: 2 T 132/15

§ 1896 Abs 2 BGB, § 1896 Abs 3 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.09.2015, Az. XII ZB 125/15 (REWIS RS 2015, 5698)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 3575 REWIS RS 2015, 5698

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