Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.12.2013, Az. II ZR 186/12

II. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 213

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZR 186/12
vom
17. Dezember 2013
in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der II. Zivilsenat des [X.] hat am 17. Dezember 2013 durch den Vorsitzen[X.]
Dr.
Bergmann und [X.]
Dr.
Strohn, die Richterin Dr.
Reichart sowie die Richter Dr.
Drescher und Born

beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der [X.] wird das Urteil
des 7.
Zivilsenats des [X.] vom
15. Februar 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 353.727,10

ge: 300.000

Gründe:
I.
Die Kläger, ehemalige Vorstandsmitglieder der [X.], machen Vergütungsansprüche gegen die Beklagte geltend. Die Beklagte rechnet mit Schadensersatzansprüchen auf, die sie darauf stützt, dass die Kläger bei der Entscheidung, die 1997/1998 erworbenen Grundstücke in der L.

straße in G.

zu bebauen, ihre Pflichten als Vorstandsmitglieder verletzt haben, und nimmt im Wege einer Teilwiderklage die Kläger auf Zahlung von [X.] in Anspruch. Zur Finanzierung des Bauvorhabens L.

straße nahmen die Kläger für die Beklagte ein Darlehen in Höhe von 4.090.335,05

zu einem Zinssatz von 6,38
% und einer jährlichen Tilgungsrate von 1
% auf. 1
-
3
-
Die Gebäude wurden
am 30.
Juli 2001 zu einem Preis von 5.424.421,08

r-tiggestellt. Die erzielten Mieten waren nicht kostendeckend. Die Beklagte
geriet im Jahr 2002 in [X.]. Mit Kaufvertrag vom 1.
Juli
2005 veräußerte sie die Grundstücke L.

straße zusammen mit weiteren [X.] zu einem Kaufpreis von 38,53 Millionen

Die Beklagte hat von den Klägern Ersatz des Schadens (149.757,47

verlangt, der ihr von der Fertigstellung bis zur Veräußerung der Wohnanlage dadurch entstanden sei, dass die Mieteinnahmen nicht ausgereicht hätten, um die aufzubringenden Finanzierungszinsen und die Verwaltungskosten zu [X.]. Ferner hat sie die Vermögenseinbuße geltend gemacht, die sie erlitten habe, weil die Herstellung der Wohnanlage L.

straße einen weit über dem Verkehrswert der errichteten Gebäude liegenden Aufwand verursacht habe, woraus sich ein weiterer
Schaden von 3.091.289,11

hat der Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme stattgegeben und die Widerklage abgewiesen, weil die Kläger nicht pflichtwidrig gehandelt hätten. Im Übrigen fehle es an der hinreichenden Darlegung eines Schadens. Jedenfalls habe die Beklagte auf etwaige Schadensersatzansprüche verzichtet. Das [X.] hat angenommen, dass die Kläger als Vorstandsmitglieder der [X.] bei der Durchführung des Bauvorhabens L.

straße die sie treffen-den Sorgfaltspflichten nicht beachtet hätten. Jedoch sei nicht feststellbar, dass und in welcher Höhe der [X.] hierdurch ein Schaden entstanden sei. Die Revision hat es nicht zugelassen. Die Beklagte begehrt mit ihrer Beschwerde die Zulassung der Revision, mit der sie ihre Anträge auf Klageabweisung und Verurteilung der Kläger im Umfang der Widerklage weiterverfolgen möchte.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat in entschei-2
3
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4
-
dungserheblicher Weise den Anspruch der [X.] auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG).
1.
Die Beklagte hat von den Klägern Ersatz des Schadens verlangt, der ihr dadurch entstanden sei, dass die Mieteinnahmen bis zur Veräußerung der Immobilien nicht ausgereicht hätten, um die mit der Wohnanlage verbundenen Finanzierungszinsen und Verwaltungskosten zu decken. Das Berufungsgericht hat einen solchen Schaden nicht festzustellen vermocht. Dabei hat es verfah-rensfehlerhaft die von der [X.] in der Berufungsinstanz als Anlagenkonvo-lut BB
17 vorgelegten, sechs Ordner füllenden Unterlagen unter Hinweis auf §
529 Abs.
1, §
531 Abs.
2 ZPO nicht berücksichtigt und deshalb von einer nach seiner
Auffassung grundsätzlich möglichen betriebswirtschaftlichen Aus-wertung der Unterlagen durch einen Sachverständigen abgesehen. Damit hat es zugleich in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.
a) Das Berufungsgericht hat die in zweiter Instanz mit Schriftsatz vom 18.
Januar 2012 vorgelegten Unterlagen [X.] unberücksichtigt gelassen, weil es sich entgegen seiner Beurteilung nicht um neuen Vortrag im Sinn von §
531 Abs.
2 ZPO handelte. Die vorgelegten Unterlagen stehen Par-teivortrag im Sinn von §
137 Abs.
2 ZPO gleich ([X.], Urteil vom 20.
März
1995 -
II
ZR
198/94, [X.], 1292 f.). Der von der [X.] in zweiter Instanz durch Bezugnahme auf das [X.] gehaltene Vortrag war nicht neu im Sinn von §
531 Abs.
2 ZPO. Zwar wurden die Unterlagen erstmals in der zweiten Instanz vorgelegt. Ein erstmals in der zweiten Instanz gehaltener Vor-trag ist aber nicht neu im Sinne dieser Vorschrift, wenn ein schon in der ersten Instanz schlüssiges Vorbringen lediglich durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird ([X.], Urteil vom 8.
Juni
2004

VI
ZR
199/03, [X.]Z 159, 245, 251; Beschluss vom 21. Dezem-4
5
-
5
-
ber 2006

[X.], NJW 2007, 1531 Rn.
7; Beschluss vom 2.
April 2009

V
ZR
177/08, NJW-RR 2009, 1236 Rn.
9; Urteil vom 21.
Dezember
2011

VIII
ZR
166/11, NJW-RR 2012, 341, Rn. 15). So verhält es sich hier. Die [X.] hat bereits in der ersten Instanz unter Vorlage einer Aufstellung schlüssig und substantiiert vorgetragen, dass von der Fertigstellung bis zur Veräußerung des Objekts L.

straße ihre aus den Finanzierungs-
und den Verwaltungs-kosten bestehenden Ausgaben höher waren als ihre Mieteinnahmen und hat den sich hieraus für die einzelnen Jahre ergebenden Schaden beziffert. Dieser Vortrag war offensichtlich auch aus der Sicht des Berufungsgerichts schlüssig, da es über ihn Beweis durch Vernehmung der Zeugin P.

erhoben hat. Die in zweiter Instanz eingereichten Unterlagen hat die Beklagte zum Beleg dafür vorgelegt, dass ihr ein Schaden in der von ihr vorgetragenen Höhe entstanden ist.
b)
Die unterbliebene Berücksichtigung des in zweiter Instanz vorgelegten [X.]s
verletzt den Anspruch der [X.] auf Gewährung rechtli-chen Gehörs. Zwar
begründet nicht jede, auf der [X.]en An-wendung des
Prozessrechts beruhende Zurückweisung von [X.] einen Verstoß gegen Art.
103 GG. Dies ist aber jedenfalls dann der Fall, wenn eine
Präklusionsvorschrift offenkundig unrichtig angewendet wird
([X.], Beschluss vom 21.
Februar
2006

VIII
ZR
61/04, NJW-RR 2006, 755 Rn.
5; Beschluss vom 14.
Juli
2008

II
ZR
202/07, [X.], 1675 Rn.
8; Beschluss vom 2.
April
2009

V
ZR
177/08, NJW-RR 2009, 1236 Rn.
8, jeweils mwN; [X.], NJW 2000, 945, 946). [X.] haben wegen ihrer das rechtliche Gehör beschränkenden Wirkung Ausnahmecharakter, so dass ihre Anwendung einer strengeren verfassungsrechtlichen Kontrolle
unterliegt, als dies üblicher-weise bei der Anwendung des einfachen Rechts geschieht (vgl. [X.]E 75, 302, 312).
Von einer offenkundig fehlerhaften
Anwendung der Präklusionsvor-schriften ist auszugehen, wenn -
wie hier
-
Vorbringen, das nicht neu im Sinn 6
-
6
-
von
§
531 Abs.
2 ZPO ist, unter Berufung auf diese Vorschrift zurückgewiesen wird ([X.], Beschluss vom 2.
April
2009

V
ZR
177/08, NJW-RR 2009, 1236 Rn.
7
ff.; Beschluss vom 21. Dezember 2006

VII
ZR
279/05, NJW 2007, 1531 Rn. 6 ff.).

c) Der in der unzulässigen Zurückweisung der vorgelegten Unterlagen liegende Verstoß des Berufungsgerichts gegen Art.
103 Abs.
1 GG ist entschei-dungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsge-richt bei der -
von ihm in Betracht gezogenen
-
betriebswirtschaftlichen Auswer-tung der Unterlagen durch
einen Sachverständigen den von der [X.] be-haupteten Schaden festgestellt und anders entschieden hätte.
2. Das Berufungsgericht hat einen in der Differenz zwischen den [X.] für das Wohnobjekt L.

straße und dem durch die Bebauung der [X.] geschaffenen Gegenwert bestehenden Schaden der [X.] verneint, weil der [X.] der tatsächlich erzielte Kaufpreis hätte bekannt sein können und es ihr verwehrt sei, ihren Schaden abstrakt nach der Differenz zwischen den unstreitigen Aufwendungen für das Bauvorhaben L.

straße und dem auf der Grundlage des Verkehrswertes behaupteten Verkaufspreis zu berech-nen. Diese Ansicht beruht auf einer weiteren Verletzung des rechtlichen Gehörs der [X.].
a) Mit diesen Ausführungen hat das Berufungsgericht unter Verstoß ge-gen Art.
103 Abs.
1 GG [X.] des Vorbringens der [X.] nicht erfasst (vgl. nur [X.], Beschluss vom 17.
Januar
2008 -
V
ZR
92/07, juris Rn.
7; Beschluss vom 9.
Februar
2009

II
ZR
77/08, [X.], 1154 Rn.
3
f.; Beschluss vom 15.
März
2010

II
ZR
4/09, [X.], 1541 Rn.
4). Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, hat sich die Beklagte nicht darauf beru-fen, durch das pflichtwidrige Handeln der Kläger zu einem verlustreichen Ver-7
8
9
-
7
-
kauf der Immobilien in der L.

straße gezwungen worden zu sein. Vielmehr hat sie den Klägern angelastet, das Bauvorhaben L.

straße pflichtwidrig initiiert und durchgeführt zu haben, ohne eine ausreichende [X.] zu erstellen. Sie hat geltend gemacht, dass die Kläger sie deshalb so zu stellen hätten wie sie stünde, wenn das Bauvorhaben unterblieben wäre,
und ihr deshalb die
Vermögenseinbuße zu ersetzen hätten, die sie dadurch er-litten habe, dass der durch die Bebauung
geschaffene
Vermögenswert
deutlich geringer sei
als die von ihr aufgewandten -
unstreitigen
-
Baukosten in Höhe von 5.424.421,08

(GA I 54, [X.], [X.] 1724
-
1726).
Auf den im Rah-men der Verkaufsverhandlungen mit einem Kaufinteressenten für das Objekt L.

straße angesetzten Verkaufspreis von 2.836.000

die Beklagte nur als Anhaltspunkt
für den Verkehrswert des Grundstücks und als Grundlage für dessen Schätzung berufen ([X.] 1728, VIII 2102
f.).
b) Ebenfalls unter Verstoß gegen Art.
103 Abs.
1 GG hat das Berufungs-gericht einen Schaden der [X.] verneint, ohne ihrem Beweisangebot auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem durch die Bebauung der Grundstücke L.

straße geschaffenen Wert, der im Verkehrswert der errich-teten Gebäude besteht, nachzukommen.
c) Der in dem Übergehen des beweisunterlegten Vortrags der [X.] liegende Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Hätte das Berufungsgericht [X.] des Vortrags der [X.] zur Kenntnis genommen und zum Verkehrswert der Grundstücke Beweis erhoben, hätte es möglicher-weise festgestellt, dass der [X.] ein Schaden entstanden ist. Es ist nicht auszuschließen, dass es in diesem Fall zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.

10
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-
8
-
3.
Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich mit den Einwendungen der Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung zu der

von ihm bejahten
-
Pflichtwidrigkeit der unternehmerischen Entscheidung der Kläger zu befassen und die -
gegebenenfalls nach ergänzendem [X.]
-
erfor-derlichen Feststellungen zu treffen.

Bergmann
Strohn
Reichart

Drescher
Born

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 07.08.2009 -
2 O 45/04 -

OLG [X.], Entscheidung vom 15.02.2012 -
7 [X.]/09 -

12

Meta

II ZR 186/12

17.12.2013

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.12.2013, Az. II ZR 186/12 (REWIS RS 2013, 213)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 213

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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