Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.04.2023, Az. VIa ZR 233/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 2714

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Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 19. Januar 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die [X.] zu 1., 2., 4. und 5. zurückgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung von unzulässigen Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Die Klägerin kaufte im Jahr 2010 von einem Händler einen von der [X.] hergestellten [X.] 1,6 l TDI für 28.000,01 €. Das Fahrzeug ist mit einem von der [X.] entwickelten Dieselmotor der Baureihe [X.] ausgestattet. Dieser enthielt eine Motorsteuerungssoftware, die das Durchfahren des [X.] auf dem Prüfstand erkannte und in diesem Fall einen geringeren [X.] als im Normalbetrieb bewirkte. Die Software wurde im [X.] 2015 öffentlich bekannt und vom [X.] als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet.

3

Mit der am 17. August 2020 anhängig gemachten Klage, die der [X.] am 24. September 2020 zugestellt worden ist, hat die Klägerin die Beklagte auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs, hilfsweise für den Fall, dass das Gericht zu dem Ergebnis gelange, dass der mit dem [X.] geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht bestehe, auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der [X.], weiter auf Feststellung des Annahmeverzugs der [X.] und Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin ihre Anträge im Wesentlichen weiterverfolgt und die Klage erweitert. Sie hat die Zahlung von 28.000,01 € abzüglich einer Nutzungsentschädigung von 14.616,38 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs, Feststellung der teilweisen Erledigung des Rechtsstreits, hilfsweise Feststellung der Schadensersatzpflicht der [X.], weiter Feststellung des Annahmeverzugs, Feststellung, dass der Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung [X.], sowie Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dabei hat es die Zurückweisung der Berufung betreffend den Hilfsantrag damit gerechtfertigt, der Hilfsantrag sei unzulässig, weil es an einem berechtigten Interesse an der Feststellung der Ersatzpflicht fehle, wenn "infolge des [X.] der Eintritt der Verjährung" feststehe. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungs(haupt)anträge mit Ausnahme des Antrags auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten weiter. Zu der den Hilfsantrag betreffenden Zurückweisung der Berufung verweist sie in der Sache auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Gegenstandslosigkeit der Abweisung des [X.] eines (Teil-)Erfolgs mit dem Hauptantrag (vgl. [X.], Urteil vom 23. Februar 2021 - [X.], [X.], 721 Rn. 10 mwN).

Entscheidungsgründe

4

Die auf die [X.] der Klägerin mit Ausnahme des Freistellungsbegehrens beschränkte Revision hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht ([X.], Urteil vom 19. Januar 2022 - 7 U 183/20, juris) hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, wie folgt gerechtfertigt:

6

Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB sei verjährt. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Restschadensersatz gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB. Die Beklagte habe bei wirtschaftlicher Betrachtung durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs keinen Vermögensvorteil auf Kosten der Klägerin erlangt, weil die Bereicherung der Beklagten allein auf der Veräußerung des Fahrzeugs an den Händler beruht habe. Auch der Umstand, dass die Bestellung des Händlers beim Hersteller im Neuwagengeschäft häufig durch den Kaufvertrag des Händlers mit dem Kunden und gemäß dessen Ausstattungsvorgaben veranlasst werde, begründe wirtschaftlich keine Bereicherung der Beklagten auf Kosten der Klägerin. Damit seien auch die Anträge auf Feststellung des Annahmeverzugs und auf Feststellung der Herleitung eines Anspruchs aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung unbegründet.

II.

7

Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

8

1. Zu Recht und von der Revision unbeanstandet ist das Berufungsgericht zu dem Schluss gelangt, die Klägerin habe einen Anspruch gegen die Beklagte gemäß §§ 826, 31 BGB auf Erstattung des von ihr für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs, dem die Beklagte die Einrede der Verjährung nach § 214 Abs. 1 BGB entgegenhalten könne (vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.]Z 233, 16 Rn. 24 ff., 33 ff.; außerdem [X.], Urteil vom 13. Juni 2022 - [X.], NJW-RR 2022, 1251 Rn. 25 ff.).

9

2. Indessen tragen die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht die Annahme, die Klägerin habe auch keinen Restschadensersatzanspruch gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB gegen die Beklagte. Das Berufungsgericht, das einen Restschadensersatzanspruch der Klägerin vor den Entscheidungen des [X.] vom 21. Februar 2022 ([X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.]Z 233, 16 Rn. 51 ff., 81 ff.; Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.], 742 Rn. 11 ff.) und vom 21. März 2022 ([X.], Urteil vom 21. März 2022 - [X.], [X.], 745 Rn. 27 f.) verneint hat, hat keine hinreichenden Feststellungen zur Anwendbarkeit der §§ 826, 852 Satz 1 BGB getroffen, weil es rechtsfehlerhaft hat [X.], ob die Klägerin das Fahrzeug auf der Grundlage einer die Annahme einer zumindest mittelbaren Vermögensverschiebung begründenden Absatzkette erworben hat oder nicht (vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], aaO, Rn. 14; Urteil vom 21. März 2022, aaO, Rn. 27 f.).

III.

Das Berufungsurteil unterliegt mithin in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang der Aufhebung (§ 562 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Insbesondere kann der Senat entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht die Durchsetzbarkeit eines Restschadensersatzanspruchs nach § 852 Satz 2 Fall 1, § 214 Abs. 1 BGB verneinen. Hierzu fehlen tragfähige Feststellungen (§ 313 Abs. 2 Satz 2, §§ 314, 559 Abs. 1; vgl. [X.], Urteil vom 19. Dezember 2022 - [X.], juris Rn. 15), weil das Berufungsgericht einerseits als unstreitig einen Erwerb des Fahrzeugs am 9. Dezember 2010 festgestellt und andererseits konkret (vgl. [X.], Urteil vom 24. Juni 2014 - [X.], [X.], 1095 Rn. 42; Urteil vom 12. Mai 2015 - [X.], [X.], 1165 Rn. 48) auf eine Anlage [X.] der Klägerin Bezug genommen hat, der die Angabe "Kaufvertrags-Datum: 09.08.2010" zu entnehmen ist. Auf den in dritter Instanz erstmals gehaltenen und nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO im Revisionsverfahren unzulässigen (vgl. [X.], Urteil vom 28. Mai 2020 - [X.], [X.], 1022 Rn. 31) weiteren Vortrag der Klägerin zu den für die Entstehung des Schadens maßgeblichen Umständen kommt es für die Entscheidung des [X.] nicht an.

Die Sache ist daher im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

[X.]     

  

Möhring     

  

Götz

  

Rensen     

  

Vogt-Beheim     

  

Meta

VIa ZR 233/22

03.04.2023

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Brandenburgisches Oberlandesgericht, 19. Januar 2022, Az: 7 U 183/20, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.04.2023, Az. VIa ZR 233/22 (REWIS RS 2023, 2714)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2714

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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I ZR 253/16

VI ZR 102/14

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