Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.05.2017, Az. 3 StR 43/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 10907

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2017:160517B3STR43.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 43/17
vom
16. Mai 2017
in der Strafsache
gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 16. Mai 2017 gemäß §
349 Abs.
2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24.
Oktober 2016 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen not-wendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen [X.] einer widerstandsunfähigen Person unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten ver-urteilt. Seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision erweist sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StGB.

1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hatte der Ange-klagte nach einem gemeinsamen Gasthausbesuch der Nebenklägerin, die eine Blutalkoholkonzentration von mindestens drei Promille aufwies und sich nicht mehr selbständig fortzubewegen vermochte, und deren Freundin vorgeschla-gen, in seiner Wohnung zu übernachten. Dort entkleidete er -
ohne dass sie dies bemerkte -
den Unterleib der auf dem Bett schlafenden Nebenklägerin und fasste an ihre Brüste. Hiervon erwachte die Nebenklägerin, die erfolglos ver-1
2
-
3
-
suchte, die Hände des Angeklagten wegzuschieben, was ihr jedoch nicht ge-lang, weil sie die Arme kaum heben konnte. Der Angeklagte
drehte die reglos daliegende Geschädigte nun auf den Rücken, drang mit seinem Glied in ihre Scheide ein und vollzog ungeschützt den Geschlechtsverkehr. Dabei war ihm bewusst, dass die Nebenklägerin infolge der massiven [X.] und ihrer Übermüdung nicht in der Lage war, seinem Verhalten entgegenzutreten. Die Nebenklägerin gab allerdings durch Hin-
und Herwerfen ihres Kopfes und die wiederholt gemurmelte Aufforderung, dies zu unterlassen, zu verstehen, dass sie mit dem Geschlechtsverkehr nicht einverstanden war, bevor sie wieder einschlief.

2. Das [X.] hat dieses Verhalten rechtsfehlerfrei nach dem zur Tatzeit und noch zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung geltenden Recht als schweren sexuellen Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person nach §
179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB aF gewertet. Zwar ist danach das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches -
Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 ([X.] I S. 2460 ff.) in [X.] getreten, was der [X.] bei seiner Entscheidung gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO zu berücksichtigen hat. Das angefochtene Urteil hat jedoch auch unter Beachtung der neuen Gesetzeslage Bestand, da sich diese im konkreten Fall nicht als milderes Recht im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB darstellt. Im [X.]:

a) Der Missbrauch widerstandsunfähiger Personen wurde durch § 179 Abs. 1 StGB aF im Grundtatbestand mit Freiheitsstrafe von sechs
Monaten bis zu zehn
Jahren bedroht. Als widerstandsunfähig im Sinne der Vorschrift wurde angesehen, wer aus einem der dort genannten Gründe -
wenn auch nur vo-rübergehend -
keinen zur Abwehr ausreichenden Widerstandswillen gegen das sexuelle Ansinnen des [X.] bilden, äußern oder durchsetzen konnte ([X.] 3
4
-
4
-
Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 15. März 1989 -
2 [X.], [X.]St 36, 145, 147; Beschlüsse vom 23. November 2010 -
3 [X.], [X.], 210; vom 10. August 2011 -
4 [X.], [X.], 150; Urteil vom 5.
November 2014 -
1 [X.], [X.], 44, 45).

Das neue Recht enthält demgegenüber im Grundtatbestand differenzie-rende Regelungen. § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB nF erfasst die Fälle, in denen das Opfer nicht mehr fähig ist, einen der sexuellen Handlung
entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern. Ist das Opfer infolge seines körperlichen oder psychischen Zustands nur erheblich eingeschränkt zur Bildung oder Äußerung eines derartigen Willens in der Lage und versichert sich der Täter nicht der Zu-stimmung des Opfers zu der sexuellen Handlung, so unterfällt die Tat § 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB [X.] Vermag das Opfer dagegen -
wie hier -
noch einen ab-lehnenden Willen zu bilden und zu äußern, setzt sich der Täter jedoch darüber hinweg, so greift § 177 Abs. 1 StGB nF ein. In allen diesen Fällen wird die Tat als sexueller Übergriff mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedroht. Infolge dieser geringeren Strafdrohung kann sich § 177 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 oder 2 StGB nF im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB
als milderes Gesetz im Vergleich zu § 179 Abs. 1 StGB aF darstellen ([X.], Beschluss vom 4. April 2017 -
3 [X.], juris Rn.
4).

b) Allerdings hat der Angeklagte
mit der Geschädigten den Beischlaf vollzogen. In einem solchen Fall, für den der vom [X.] zur Anwendung gebrachte Qualifikationstatbestand des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF eine Frei-heitsstrafe nicht unter zwei Jahren vorsah, enthält auch das neue Recht in §
177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall des sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 und Abs. 2 StGB nF, bei dessen Vorliegen dem Täter ebenfalls eine Mindeststrafe von zwei Jahren 5
6
-
5
-
droht. Allerdings folgt hieraus nicht, dass der Strafrahmen für Taten, die nach früherer Rechtslage im Grundtatbestand von § 179 Abs. 1 StGB aF erfasst [X.], nun aber § 177 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 bzw. 2 StGB nF unterfallen, ohne weiteres identisch ist, wenn der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht. Denn während § 179 Abs. 5 StGB aF einen Qualifikationstatbestand enthielt, der bei Vollzug des [X.] -
auch bei Annahme eines minder schweren Fal-les (vgl. § 179 Abs. 6 aF) -
zwingend einen gegenüber dem Grundtatbestand des § 179 Abs. 1 StGB aF höheren Strafrahmen vorsah, stellt es eine allein dem Tatrichter obliegende Entscheidung der Strafzumessung dar, ob er es bei der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF beläs[X.] In einem sol-chen Fall ist das neue Recht nicht milder und es verbleibt bei der Anwendung des § 179 StGB aF, während sich bei einem Absehen von der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF das neue Recht für den Angeklagten mit der Strafandrohung aus § 177 Abs. 1 StGB nF als günstiger darstellt, so dass es nach § 2 Abs. 3 StGB anzuwenden i[X.]

3. Vor diesem Hintergrund hat das Urteil Bestand. Der [X.] kann aus-schließen, dass das [X.], hätte es das neue Recht angewandt, von der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF abgegangen wäre und eine niedrigere Strafe als die festgesetzte von drei Jahren und sechs
Monaten verhängt hätte. Es ist bei der Bemessung der Strafe von dem [X.] des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF ausgegangen. Einen minder schweren

7
-
6
-
Fall gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF hat es nach ausführlicher und rechtlich nicht zu beanstandender Gesamtabwägung verneint. Diese Gründe hätten das [X.]
aber ebenso veranlasst, es bei der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF zu belassen.

[X.] Gericke Spaniol

Tiemann Berg

Meta

3 StR 43/17

16.05.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.05.2017, Az. 3 StR 43/17 (REWIS RS 2017, 10907)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10907

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 43/17 (Bundesgerichtshof)

Schwerer sexueller Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person: Feststellung des milderen Gesetzes nach Novellierung des Sexualstrafrechts


2 StR 111/17 (Bundesgerichtshof)

Sexueller Übergriff: Strafrechtliche Beurteilung des Hinwegsetzens über den Willen einer widerstandsunfähigen Person nach neuem Recht; …


4 StR 366/16 (Bundesgerichtshof)

Schwerer sexueller Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person: Anwendung des mildesten Gesetzes nach Gesetzesänderung


2 StR 45/17 (Bundesgerichtshof)

Schwerer sexueller Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person: Strafzumessung betreffend die Anwendung eines Regelbeispiels im Übergangsfall; Begrenzung …


2 StR 45/17 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

3 StR 43/17

3 StR 410/10

4 StR 338/11

1 StR 394/14

3 StR 524/16

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.