Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.10.2012, Az. VI ZR 311/11

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2648

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]/11
Verkündet am:

2. Oktober 2012

Holmes

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
[X.] § 823 Dc, [X.] § 25, [X.] § 14
Eine Haftung des [X.] wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht besteht grundsätzlich nicht für waldtypische Gefahren.

[X.], Urteil vom 2. Oktober 2012 -
VI [X.]/11 -
OLG [X.]

LG [X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 2.
Oktober
2012 durch den Vorsitzenden [X.],
den
Richter Well-ner, die Richterin [X.], den Richter Pauge und die Richterin von Pentz
für Recht erkannt:
Auf die Revisionen
der [X.] wird das Urteil des 1.
Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 9.
November 2011 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.]s [X.]
vom 3. März 2010 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die
Klägerin
wurde bei einem Waldspaziergang von einem herabfallen-den Ast getroffen und dabei schwer verletzt. Sie ging am 18. Juli 2006 mit ihrem Hund in einem etwa 300 ha großen, planmäßig bewirtschafteten Wald der [X.] zu 1 spazieren, der am Stadtrand von [X.] gelegen ist und als [X.] dient. Der Beklagte zu 2 ist [X.] und bei der [X.] zu 1 für den Bereich des Waldgrundstücks zuständig. In einer Abteilung des Waldgebiets steht ein seinerzeit 106-jähriger Eichenwald, der teilweise mit an-1

-

3

-

deren Laub-
und Nadelhölzern gemischt ist und durch den ein etwa 3,5 m brei-ter [X.] führt. Von einer Eiche, die etwa fünf bis sechs Meter neben diesem von der Klägerin begangenen Weg stand, löste sich ein so ge-nannter Starkast, der die Klägerin am Hinterkopf traf. Der Ast war etwa 17 m lang, mehrfach gekrümmt und in etwa 4,5 m Entfernung vom Stamm gegabelt. Sein Durchmesser betrug an der Basis 26 cm und im Ausgangsbereich des Bruchs -
in etwa 1,8 bis 2,0 m Entfernung vom Stamm
-
etwa 23 cm. Zum Un-fallzeitpunkt herrschte leichter Wind, und es war sehr warm.
Die Klägerin erlitt eine schwere Hirnschädigung. Sie befindet sich -
nach stationären Aufenthalten unter anderem
in einer Klinik für Wachkomapatienten
-
heute in häuslicher Pflege bei ihrer Schwester. Sie wird durch ihre Mutter als Betreuerin vertreten.
Die Klägerin nimmt die [X.] wegen Verletzung der Verkehrssiche-rungspflicht auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] der Klage durch Grund-
und Teilurteil stattgegeben. Mit den
vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen
begehren die [X.] die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil bei juris veröffentlicht ist (OLG [X.], Urteil vom 9. November 2011 -
1 U 177/10
-
46), ist der [X.], die [X.] hätten die ihnen obliegenden Verkehrssicherungspflichten schuldhaft verletzt. Soweit in §
14 Abs.
1 Satz 3 [X.] geregelt sei, dass
das 2
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-

4

-

Betreten des Waldes "auf eigene Gefahr"
erfolge, schließe dies nicht die [X.] für Waldbesitzer aus, sondern lediglich die Entstehung besonderer zusätzlicher Verkehrssicherungspflichten. Der Grund-satz, dass der Waldbesitzer nicht für typische, sondern lediglich für atypische Waldgefahren hafte, gelte nicht uneingeschränkt. Unter Berücksichtigung der im Streitfall gegebenen besonderen Umstände habe die Beklagte zu 1 eine -
allerdings herabgestufte und eingeschränkte
-
Verkehrssicherungspflicht hin-sichtlich der am Rand des [X.] stehenden Bäume getroffen, die sie unabhängig von der Typizität der Gefahr jedenfalls dann zum Einschreiten ver-pflichtet habe, wenn sich ihr konkrete Anhaltspunkte für eine besondere, unmit-telbare Gefährdung geboten hätten. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt, weil der Wald von der Bevölkerung als Naherholungsgebiet stark fre-quentiert werde, der Baum etwa fünf bis sechs Meter neben dem Weg [X.] habe und der betreffende Ast aufgrund seines Ausmaßes geeignet gewe-sen sei, auf den Weg zu stürzen und dort befindliche Waldbesucher zu schädi-gen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen [X.] seien Auslöser des Bruchs zum einen der generelle Sommerbruch und zum anderen die den oberen Astquerschnitt durch Durchtrennung seines [X.] schwä-chende Starkastfäule gewesen, welche vermutlich auf [X.] aus dem [X.] zurückgehe. Zwar hätte die Bruchstelle, die sich in einer Höhe von acht bis zehn Metern auf der Oberseite des Astes befunden habe, bei einer Sichtkontrolle vom Boden aus nicht erkannt werden können, doch habe das Spezifische der Gefahr in der fünf bis zehn Jahre zuvor weggebrochenen Hauptkrone und dem lediglich noch verbliebenen Nebenbereich des später [X.] schweren, schräg stehenden Astes bestanden, bei dem es sich um einen "Löwenschwanzast"
mit nur noch geringer aktiver Ernährung durch die [X.] gehandelt habe. Hauptursache für die Beeinträchtigung der Stabilität sei die ungünstige Statik des Baums gewesen, die durch den A[X.]ruch

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5

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der Hauptkrone und das erhebliche Gewicht sowie den Schrägstand des Astes eingetreten sei. Aufgrund dieser Besonderheiten sei von dem Baum eine unmit-telbare Gefahr ausgegangen, die sich jederzeit habe realisieren können und auf die der Beklagte zu 2 hätte reagieren müssen. Dessen pflichtwidriges Verhalten müsse sich die Beklagte zu 1, da seine Stellung als diejenige eines verfas-sungsmäßig berufenen Vertreters zu qualifizieren sei, gemäß § 31 [X.] als ei-genes
zurechnen lassen. Darüber hinaus bestehe eine Eigenhaftung des [X.] zu 2 gemäß §§
823, 249
ff., 253 [X.].

II.
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht überspannt Ausmaß und Umfang der für einen Waldbesitzer geltenden Verkehrssicherungspflichten.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist derjenige, der eine Gefahrenlage -
gleich welcher Art
-
schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädi-gung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssiche-rung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren (Senatsurteile vom 6. März 1990 -
VI
ZR 246/89, [X.], 796, 797; vom 8.
November 2005 -
VI
ZR 332/04, [X.], 233 Rn.
9; vom 6.
Februar 2007 -
VI
ZR 274/05, [X.], 659 Rn.
14; vom 3. Juni 2008 -
VI
ZR 223/07, [X.], 1083 Rn.
9; vom 9. September 2008 -
VI
ZR 279/06, [X.], 1551 Rn.
10; vom 2. März 2010 -
VI
ZR 223/09, [X.], 544 Rn.
5 und vom 15.
Februar 2011 -
VI
ZR 176/10, [X.], 546 Rn.
8, jeweils mwN). [X.] ist auch der-5
6

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6

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jenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine eingetretene Gefahrenlage andauern lässt (vgl. Senatsurteil vom 12. Februar 1985 -
VI
ZR 193/83, NJW 1985, 1773, 1774; [X.], Urteile vom 2. Februar 2006 -
III
ZR 159/05, [X.], 803 Rn.
12 und vom 16.
Februar 2006 -
III
ZR 68/05, [X.], 665 Rn.
13).
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vor-beugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu ge-fährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung [X.], ist im praktischen Leben nicht erreichbar. [X.] wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getrof-fen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr [X.] Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis
derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicher-heitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Um-ständen nach zuzumuten sind
(Senatsurteile vom 6. März 1990 -
VI
ZR 246/89, aaO; vom 8.
November 2005 -
VI
ZR 332/04, aaO Rn.
10; vom 6.
Februar 2007 -
VI
ZR 274/05, aaO Rn.
15; vom 3.
Juni 2008 -
VI
ZR 223/07, aaO; vom 9. September 2008 -
VI
ZR 279/06, aaO; vom 2. März 2010 -
VI
ZR 223/09, aaO Rn.
6; vom 15. Februar 2011 -
VI
ZR 176/10, aaO Rn.
9, jeweils mwN).
Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getrof-fen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausge-7
8

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-

schlossen, aber nur unter beson[X.] eigenartigen und entfernter liegenden Um-ständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so muss der Geschädigte -
so hart dies im Einzelfall sein mag
-
den Schaden selbst tragen.
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und der gesetzlichen Risi-kozuweisung hinsichtlich waldtypischer Gefahren ist
eine Haftung der [X.] zu 1 wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorliegend nicht gegeben.
a) Nach §
25 Abs.
5 Satz
1 des Waldgesetzes für das [X.] vom 26.
Oktober 1977 (Landeswaldgesetz, Amtsbl. [X.], im Folgenden: [X.])
in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des [X.] vom 9. Juli 2003 (Amtsbl. S.
2130) erfolgt die Benutzung des Waldes auf eigene Ge-fahr. Hieraus ergibt sich, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, dass
der Waldbesitzer grundsätzlich
nur
für atypische Gefahren, nicht aber für waldtypische Gefahren haftet.
aa) Dem Waldbesucher ist das Betreten des Waldes gestattet. Eine sol-che Gestattung ist in §
14 Abs.
1 Satz
1 des Gesetzes zur Erhaltung des [X.] und zur Förderung der Forstwirtschaft vom 2. Mai 1975 ([X.] I S.
1037, im Folgenden: [X.]) geregelt. §
14 [X.] enthält allerdings keine für den Bürger unmittelbar verbindlichen Rechtssätze; Normadressaten sind vielmehr allein die Länder, die zum Erlass entsprechender Außenrechtssätze verpflichtet werden. Der Vorschrift kommt insgesamt lediglich ein rahmenrechtlicher Cha-rakter zu ([X.] 80, 137, 156 f., vgl. §§
5, 14 Abs.
2 [X.]). Die [X.] ergibt sich aber aus den auf dieser Grundlage erlassenen lan-desgesetzlichen Vorschriften, im Streitfall aus §
25 Abs.
1 Satz
1 [X.]. Mit der [X.] ist nach §
25 Abs.
5 Satz
1 [X.] die Rege-9
10
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lung verbunden, dass die Benutzung des Waldes auf eigene Gefahr geschieht (siehe auch §
14 Abs.
1 Satz
3 [X.]).
[X.]) Da der Waldbesucher den Wald auf eigene Gefahr nutzt, ist eine Haftung des [X.] für waldtypische Gefahren ausgeschlossen. Dies entspricht der in der Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend [X.] Auffassung (vgl. [X.], NJW-RR 1987, 988; [X.], [X.], 391, 392; NJW-RR 2003, 1253, 1254; [X.], [X.], 1423 unter Be-zugnahme auf [X.], [X.] 2006, 597; [X.], [X.] 2007, 845; [X.], NJW-RR 2008, 1247, 1248; [X.], [X.] 2011, 823, 824; LG [X.]schweig, [X.] 2007, 778; [X.], [X.] 2007, 780 f.; siehe auch [X.], [X.] 1976, 222; [X.], [X.], 1166; [X.], [X.], 224, 226; vgl. [X.][X.], [X.], 2.
Aufl., §
60 Rn.
6 ff.; [X.], [X.], 754, 763; [X.]/[X.], [X.], Neubearb. 2009, §
823 Rn.
[X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 3.
Aufl., §
823 Rn.
288; [X.]/[X.], [X.], 71. Aufl., §
823 Rn.
190; [X.]/[X.], [X.], 26. Aufl., Kap.
14 Rn.
95; vgl. [X.]Komm[X.]/[X.], 5. Aufl., §
823 Rn.
437).
Der Tatbestand des Handelns auf eigene Gefahr ist erfüllt, wenn sich [X.] in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt, obwohl er die be-sonderen Umstände kennt, die für ihn eine konkrete Gefahrenlage begründen (vgl. Senatsurteile vom 14.
März 1961 -
VI
ZR 189/59, [X.]Z 34, 355, 363
ff.; vom 17.
März 2009 -
VI
ZR 166/08, [X.], 693 Rn.
9 mwN; [X.], aaO S. 759 f.; [X.]/[X.], [X.], 71.
Aufl., §
254 Rn.
32). Der Waldbe-sucher setzt sich mit dem Betreten des Waldes bewusst den waldtypischen [X.] aus. Nach der Wertung des Gesetzgebers fallen diese Gefahren grund-sätzlich in seinen Verantwortungsbereich (vgl. [X.], [X.], 896, 899). In einem Schadensfall ist dieses Handeln auf eigene Gefahr gemäß §
25 Abs.
5 12
13

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9

-

Satz
1 [X.] deshalb ausnahmsweise nicht erst im Rahmen der Abwä-gung der Verursachungs-
und Verschuldensanteile nach §
254 [X.] zu berück-sichtigen (zu §
254 [X.] vgl. Senatsurteile vom 14.
März 1961 -
VI
ZR 189/59, aaO und vom 17.
März 2009 -
VI
ZR 166/08, aaO Rn.
7 ff.). Soweit der [X.] auf eigene Gefahr handelt, fehlt es vielmehr bereits an einer [X.] des [X.], denn diesem sollen nach der [X.] zu dem Gesetzentwurf, der §
14 Abs.
1 [X.] zugrunde liegt, ne-ben der "normalen" Verkehrssicherungspflicht keine weiteren Sicherungspflich-ten auferlegt werden (vgl. BT-Drucks. 7/889, S.
29).
Die Verkehrssicherungspflicht des [X.] ist mithin nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern auf die Sicherung gegen solche Gefahren be-schränkt, die nicht waldtypisch, sondern im Wald atypisch sind (zum jeweiligen Landesrecht vgl. [X.], [X.], 542 f.; [X.], aaO; [X.], aaO; [X.], aaO; [X.], aaO; [X.], NJW-RR 2008, 1247, 1248; [X.], aaO; LG [X.]schweig, aaO; [X.], aaO S. 780; [X.]/[X.], [X.], aaO; [X.], in [X.]/En-dres/[X.]/[X.], Naturschutz, Landschaftspflege und einschlägige Regelungen des Jagd-
und [X.]s, §
14 [X.] Rn.
20 [Stand: Dezember 2011]; [X.]/[X.], [X.], 2.
Aufl., §
14 [X.] Rn.
45 f.; an[X.] noch [X.], [X.], 597: keine Verkehrssicherungspflicht). Dementsprechend stellt §
25 Abs.
5 Satz
2 [X.] klar, dass durch die Benutzung des Waldes keine besonderen Sorgfalts-
und Verkehrssicherungspflichten begründet wer-den.
cc) Die Haftungsbeschränkung auf atypische Gefahren gilt auch für Waldwege. Gemäß §
2 Abs.
2 Satz
1 [X.] gelten auch Waldwege als Wald (vgl. §
2 Abs.
1 Satz
2 [X.]). Der Waldbesucher, der auf eigene [X.] betritt, kann grundsätzlich nicht erwarten, dass der Waldbesitzer 14
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Sicherungsmaßnahmen gegen waldtypische Gefahren ergreift. Mit waldtypi-schen Gefahren muss der Waldbesucher stets, also auch auf Wegen rechnen (vgl. [X.], NJW-RR 2008, 1247, 1248; [X.]/[X.], aaO; [X.], [X.], 281, 284). Er ist primär selbst für seine Sicherheit verantwortlich (vgl. [X.], aaO; [X.]Komm[X.]/[X.], aaO Rn.
470). Risiken, die ein freies Bewegen in der Natur mit sich bringt, gehören grundsätzlich
zum ent-schädigungslos hinzunehmenden allgemeinen Lebensrisiko (vgl. Senatsurteil vom 18. Oktober 1988 -
VI
ZR 94/88, [X.], 155, 156; [X.], [X.] 2012, 207, 208).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen für die Verkehrssicherung von Straßenbäumen. Der Eigentümer des an einer öffentlichen Straße liegenden Waldgrundstücks ist mit Rücksicht auf den Straßenverkehr verpflichtet, schädliche Einwirkungen auf die Verkehrsteilnehmer durch umstürzende Bäume zu vermeiden. Er ist verpflich-tet, den Baumbestand so anzulegen, dass er im Rahmen des nach [X.] Erkenntnis Möglichen gegen Windbruch und Windwurf gesichert ist (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 1973 -
VI
ZR 115/72, [X.], 88, 89 mwN; siehe auch [X.], Urteile vom 21. Januar 1965 -
III
ZR 217/63, [X.], 475, 476; vom 27.
Oktober 1988 -
III
ZR 23/88, NVwZ 1990, 297, 298 und vom 4. März 2004 -
III
ZR 225/03, [X.], 877, 878). Entsprechendes gilt, wenn Bäume ein Nachbargrundstück gefährden (vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 1988 -
VI [X.], [X.], 957 f.; [X.], Urteile vom 21. März 2003 -
V
ZR 319/02, NJW 2003, 1732, 1733; vom 2. Juli 2004 -
V
ZR 33/04, [X.]Z 160, 18, 22 f. und vom 8.
Oktober 2004 -
V
ZR 84/04, [X.] 2005, 410).
Diese Grundsätze sind auf Waldwege nicht übertragbar.
Waldwege sind mangels entsprechender Widmung keine öffentlichen Straßen nach dem Straßen-
und Wegerecht (vgl. [X.], [X.] 2007, 707, 713; 16
17

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-

Kodal/[X.], [X.], 7.
Aufl., Kap.
5 Rn.
5 und 17 sowie Kap.
8 Rn.
1; [X.], [X.], 311, 313; [X.], Öffentliche Straßen, 2.
Aufl., Rn.
206). Nach §
25 Abs.
1 Satz
3 [X.] sind Wege im Sinne des [X.] nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmete, dauerhaft angelegte oder naturfeste forstliche Wirtschaftswege. Die Befugnis, Waldwege zu betreten, ergibt sich erst aus den landesgesetzlichen Regelungen, die auf der Grundlage von §
14 [X.] ergangen sind (vgl. auch [X.], [X.], 597), im Streitfall aus §
25 Abs.
1 Satz
1 [X.]. Für das Betreten der Waldwege gilt mithin dasselbe wie für das Betreten des Waldes. Beides erfolgt -
an[X.] als etwa bei öffentlichen Straßen
-
grundsätzlich auf eigene Gefahr (vgl. §
25 Abs.
5 Satz
1 [X.]; [X.], RdL
2008, 281, 282).
dd) Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Waldbesitzer nicht für waldtypische Gefahren an Waldwegen verantwortlich ist, kommt entgegen der vom Berufungsgericht und Teilen der Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansicht nicht bereits dann in Betracht, wenn diese stark frequentiert werden (vgl. zu dieser Ansicht [X.], aaO S. 781; [X.], aaO S. 715; [X.], Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen, 6.
Aufl., S.
77 f.; dies., [X.], 710, 711; dies., [X.] 2004, 174, 176; [X.], aaO; [X.]/[X.], aaO Rn.
45 ff., 63; Hötzel, [X.], 1234, 1238; Schaefer/[X.], [X.], §
22 Nr. 2.5 [Stand: Februar 2011]; [X.], [X.], 743, 753; [X.]. in [X.] 2011, S.
9, 32; [X.], [X.] 2012, 121, 126 f.).
Zwar ist dem Berufungsgericht zuzugeben, dass das Bestehen von [X.]en von der Verkehrserwartung und der Zweckbestim-mung der jeweiligen Verkehrsfläche abhängen kann. Dies gilt angesichts der in §
25 [X.] normierten Risikoverteilung jedoch nicht hinsichtlich waldtypi-scher Gefahren. Die Befugnis der Waldbesucher, den Wald zu betreten, stellt 18
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-

12

-

als Konkretisierung der Sozialgebundenheit (Art.
14 Abs.
2 [X.]) eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums dar (vgl.
[X.] in von [X.]/[X.], [X.], 6.
Aufl., Art.
14 Rn.
65 "Wald"; BT-Drucks. 7/889, S.
29). Indem §
25 [X.] dem Waldbesucher auf der Grundlage von § 14 [X.] eine Betretungsbe-fugnis einräumt, ihm aber zugleich das Risiko waldtypischer
Gefahren auferlegt, schafft die Vorschrift den nach §
1 Nr.
3 [X.] und §
1 Abs.
2 Nr.
3 [X.] bezweckten Ausgleich zwischen dem Interesse der Allgemeinheit und den Belangen der Waldeigentümer bzw. Waldbesitzer.
Nach der gesetzlichen
Risikoverteilung (§
25 Abs.
5 Satz
1 [X.])
ist auch eine auf stark frequentierte Waldwege beschränkte Verkehrssiche-rungspflicht des [X.] hinsichtlich waldtypischer Gefahren grundsätz-lich nicht gegeben. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass die Waldnutzung im Verlauf der
Jahre zugenommen hat (vgl. [X.], [X.], 281, 284 f.; [X.]., [X.], 311
f.). Auch an stark frequentierten Waldwegen werden die Haftungsri-siken relevant, die nach den gesetzlichen Vorschriften der Waldbesucher tragen soll. Gegen eine vom Grad der Frequentierung abhängige Verkehrssicherungs-pflicht sprechen auch praktische Erwägungen. Eine solche Verkehrssiche-rungspflicht würde zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen (vgl. [X.], aaO S.
714). Unter welchen Voraussetzungen eine starke Frequentierung anzuneh-men ist, kann abstrakt nicht mit hinreichender Zuverlässigkeit beschrieben wer-den. Hinzu kommt, dass die Frage, welche Sicherungsmaßnahmen gegebenen-falls erforderlich sein sollen, nicht allgemein, sondern nur für den jeweiligen Einzelfall beantwortet werden kann.
Baumkontrollen wie bei Straßenbäumen sind dem Waldbesitzer auch an stark frequentierten Waldwegen nicht zuzumuten. Sie sind nicht mit einer all-gemeinen Überprüfung häufig genutzter Waldwege, die ein Waldbesitzer etwa nach [X.] zur Schadensfeststellung durchführen mag, zu vergleichen. 20
21

-

13

-

Auch als Kehrseite der Bewirtschaftung ist es dem Waldbesitzer nicht zumut-bar, ihm neben seiner mit der [X.] des Waldbesuchers verbun-denen Duldungspflicht noch entsprechende Verkehrssicherungspflichten aufzu-erlegen (vgl. [X.], aaO S.
763; [X.], [X.], 281, 285; zur [X.] als Kehrseite der Bewirtschaftung Senatsurteil vom 31. Mai 1988 -
VI
[X.], aaO S.
958). Dass der Waldbesucher die waldtypischen Gefahren selbst tragen muss, ist gleichsam der Preis für die eingeräumte Betretungsbe-fugnis (vgl. [X.], aaO).
ee) Dass den Waldbesitzer grundsätzlich keine Pflicht trifft, den Verkehr auf Waldwegen gegen waldtypische Gefahren zu sichern, entspricht auch der nunmehr in §
14 [X.]
für das Betreten des Waldes getroffenen Regelung. In Abs.
1 Satz 3 dieser Vorschrift heißt es, dass die Benutzung auf eigene Gefahr geschieht. Nach Abs. 1 Satz 4 in der heute geltenden Fassung gilt dies insbe-sondere für waldtypische Gefahren. Diese Vorschrift wurde -
zeitlich nach dem Unfall der Klägerin
-
mit dem [X.] zur Änderung des [X.] vom 31. Juli 2010 ([X.] I 2010, S.
1050) eingeführt und ist am 6.
August 2010 in [X.] getreten (zur Gesetzgebung des [X.] und der Län-der in den Jahren zuvor vgl. [X.], [X.], 311, 314
ff.). Mit der in §
14 Abs.
1 [X.] als Satz 4 eingefügten Vorschrift wollte der Gesetzgeber die "derzeit gültige Rechtsprechung" durch eine klarstellende Ergänzung gesetzlich [X.] (BT-Drucks. 17/1220, S.
1, 7; vgl. auch [X.], [X.] 2011, 823, 824; [X.], aaO). Zur Begründung wurde angeführt, dass die Waldbesitzer aufgrund Landes-
oder Kommunalrechts oft das Ausschildern von [X.] durch Kommunen und/oder anerkannte Wandervereine dulden müssten
und außerdem eine möglichst naturnahe Waldbewirtschaftung mit ausreichen-dem Totholzanteil gefordert werde. Die Waldbesitzer würden folglich durch [X.] im Sinne des Gemeinwohls mehr und mehr gezwungen, gefährliche Situationen zu dulden oder gar zu schaffen. Im Gegensatz zu jedem anderen 22

-

14

-

Grundstückseigentümer sei es dem Waldbesitzer aber verwehrt, seinen [X.]en dadurch nachzukommen, dass er Besuchern den [X.] zu seinen Flächen verwehre (BT-Drucks. 17/1220, S.
6; vgl. dazu [X.], [X.] 17/2010, 44 f.).
Die neu eingeführte Regelung des §
14 Abs.
1 Satz
4 [X.] entspricht der für die [X.] des §
59 Abs.
1 [X.] in § 60 [X.] angeordneten Haftungsregelung der neuen Fassung des [X.] vom 29. Juli 2009 ([X.]naturschutzgesetz, [X.]
I 2009, S.
2542, im Folgenden: [X.], in [X.] getreten am 1.
März 2010). Das Betreten der freien Landschaft erfolgt gemäß §
60 Satz
1 [X.] auf eigene Gefahr. §
60 Satz
2 [X.] regelt, dass durch die Betretungsbe-fugnis des §
59 Abs.
1 [X.] keine zusätzlichen Sorgfalts-
oder Verkehrs-sicherungspflichten begründet werden. Nach §
60 Satz
3 [X.] besteht insbesondere keine Haftung für typische, sich aus der Natur ergebende Gefah-ren. Damit sollen in der Praxis bestehende Unsicherheiten zur Frage der Ver-kehrssicherungsmaßnahmen durch eine gesetzgeberische Klarstellung verrin-gert werden (vgl. BT-Drucks. 16/12274, S.
74; näher zur Haftungsregelung sie-he [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., §
60 Rn.
4 ff.; [X.][X.], [X.], 2011, §
60 Rn.
4 ff.). Eine Ände-rung der zuvor bestehenden Rechtslage ist mit den in §
14 Abs.
1 Satz
4 und §
60 Satz 2 und 3 [X.] getroffenen Klarstellungen nicht eingetreten. Sie war ausweislich der jeweiligen Gesetzesbegründung auch nicht beabsichtigt.
b) Im Streitfall hat sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts eine waldtypische Gefahr verwirklicht, für welche die Beklagte zu 1 mithin nicht verantwortlich war.
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aa) Zu den typischen Gefahren des Waldes, gegen die der Waldbesitzer Waldwege grundsätzlich nicht sichern muss, zählen solche, die sich aus der Natur oder der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Waldes unter Beach-tung der jeweiligen
Zweckbestimmung ergeben (vgl. [X.], aaO; [X.]/[X.], aaO Rn.
48; [X.], [X.], 754, 758; [X.]., [X.] 17/2010, 44
f.). Sie umfassen die Gefahren, die von lebenden oder toten Bäumen [X.] (vgl. §
2 Abs.
1 Satz
3 des Landesforstgesetzes für das [X.] in der Fassung vom 19. Juni 2007, GV. NW. S.
234; [X.], aaO S. 597 f., bestätigt durch [X.], [X.], 1423). Zu den typischen Gefahren des Waldes können herabhängende Äste (vgl. [X.], aaO; [X.], aaO; [X.], [X.], 754, 758; [X.]/[X.], aaO) oder die mangelnde Stand-
oder Bruchfestigkeit von Bäumen gehören (vgl. [X.], aaO; [X.], [X.] 2007, 845; LG [X.]schweig, aaO S. 778 f.; [X.], aaO; [X.], aaO S. 715; [X.], aaO; [X.]/[X.], aaO).
Atypische Gefahren sind alle nicht durch die Natur oder durch die Art der Bewirtschaftung mehr oder weniger zwangsläufig vorgegebenen Zustände, ins-besondere vom Waldbesitzer geschaffene oder geduldete Gefahren, die ein Waldbesucher nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auf die er sich nicht einzurichten vermag, weil er nicht mit ihnen rechnen muss (vgl. [X.], aaO; [X.], [X.], 1166; NJW-RR 2008, 1247, 1248; [X.], [X.] 2007, 845; [X.], [X.] 2011, 823, 824; LG [X.]-schweig, aaO S. 778; [X.], aaO S. 780; [X.], [X.], 754, 758; [X.]/[X.], aaO; [X.]/[X.], aaO Rn.
50; [X.]/[X.], aaO Rn.
95). Dazu können etwa (nicht waldtypische) Hindernisse, die einen Weg versperren, oder nicht gesicherte Holzstapel gehören (vgl. [X.], aaO; [X.], aaO; [X.], aaO S. 780; [X.], aaO; [X.]/[X.], aaO Rn.
51).
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[X.]) Nach den getroffenen Feststellungen hat sich mit dem Asta[X.]ruch eine Gefahr verwirklicht, die in der Natur des Baumes begründet war. Wie der Sachverständige [X.], auf dessen Ausführungen sich das Berufungsgericht stützt, dargelegt hat, war ein Auslöser des Asta[X.]ruchs der generelle Sommerbruch, ein durch Trockenheit und hohe Temperaturen begünstigter Versagensmecha-nismus. Weiterer Auslöser war eine Faulstelle an der Oberseite des Astes. [X.] Faulstelle sei vermutlich durch [X.] aus dem [X.] verursacht worden. Auch die Gefahr, dass sich durch Verletzungen eines Bau-mes über mehrere Jahrzehnte [X.] bilden, die einen Ast schwächen, ist jedoch in der Natur des Baumes begründet. Gleiches gilt für die Ausbildung ei-nes langen "Löwenschwanzastes" und den A[X.]ruch der Hauptkrone des Bau-mes. Eine der [X.] zu 1 zuzurechnende atypische Gefahr, die eine [X.] begründet hätte, hat nach den getroffenen [X.] demnach nicht vorgelegen. Die Gefahr eines Asta[X.]ruchs wird nicht des-halb, weil ein geschulter Baumkontrolleur sie erkennen kann, zu einer im Wald atypischen Gefahr, für die der Waldbesitzer einzustehen hätte.
3. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ist auch dem [X.] zu 2, der als Mitarbeiter der [X.] zu 1 für Baumkontrollen verantwortlich war, nicht anzulasten, denn ihn treffen keine weitergehenden Pflichten als die Beklagte zu 1.
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4. Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, kann der Senat gemäß §§
562, 563 Abs.
3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des [X.]s ist als unbegrün-det zurückzuweisen.
Galke
[X.]
[X.]

Pauge
von Pentz

Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 03.03.2010 -
12 O 271/06 -

OLG [X.], Entscheidung vom 09.11.2011 -
1 [X.] -

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Meta

VI ZR 311/11

02.10.2012

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.10.2012, Az. VI ZR 311/11 (REWIS RS 2012, 2648)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2648

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VI ZR 311/11

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