Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.03.2013, Az. VII ZR 68/10

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 7581

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[X.]UNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VII ZR 68/10
Verkündet am:

7. März 2013

[X.]esirovic,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
[X.]G[X.] § 138 Abs. 1 [X.]b, § 632 Abs. 2;
VO[X.]/[X.] (2000) § 2 Nr. 6 Abs. 2
a)
Steht die nach § 2 Nr. 6 Abs. 2 VO[X.]/[X.] zu bestimmende Vergütung für im Vertrag nicht vor-gesehene Leistungen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich werden, in einem auffälligen, wucherähnlichen Missverhältnis zu diesen Leistungen, kann die der [X.] zugrunde liegende Vereinbarung sittenwidrig und damit nichtig sein.
b)
[X.]eträgt die nach § 2 Nr. 6 Abs. 2 VO[X.]/[X.] zu bestimmende Vergütung nahezu das Achtfache des ortsüblichen und angemessenen Preises, kann ein
auffälliges Missverhältnis vorliegen. Ein auffälliges Missverhältnis ist nur dann wucherähnlich, wenn der aufgrund dieses auffälli-gen [X.] über das übliche Maß hinausgehende Preisanteil sowohl absolut ge-sehen als auch im Vergleich zur Gesamtauftragssumme in einer Weise erheblich ist, dass dies von der Rechtsordnung nicht mehr hingenommen werden kann. Unter diesen Voraus-setzungen besteht eine Vermutung für ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben des [X.].
c)
An die Stelle der nichtigen
Vereinbarung über die Vergütung tritt die Vereinbarung, die Leis-tungen nach dem üblichen Preis zu vergüten (Fortführung von [X.], Urteil vom [X.] 2008 -
VII ZR 201/06, [X.]Z 179, 213).

[X.], Urteil vom 7. März 2013 -
VII ZR 68/10 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 8.
November 2012
durch den
Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
[X.], die Richterin Safari Chabestari
und die Richter
Dr. [X.], [X.] und Dr.
Kartzke
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird
das Urteil des 7.
Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 7.
April 2010 aufgeho-ben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.]erufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin macht [X.] geltend. Sie wurde
von der [X.] im Rahmen der Sanierung eines Krankenhauses mit Trockenbauarbeiten be-auftragt.
Die VO[X.]/[X.] (Stand
2000; im Folgenden nur: VO[X.]/[X.]) ist [X.]estandteil des Vertrages. Abzurechnen ist
nach Einheitspreisen.
Im Leistungsverzeichnis sind
unter anderem folgende Positionen enthalten:
1
-
3
-
04.05.11
Wanddurchführungen, [X.], Zulage; [X.] in [X.] durch Herstellen des Ausschnitts
sowie des elastischen Anschlusses durchführen-der Leitungen, Kanäle und dergleichen; als Zulage; Größe; 20/20-40/40
cm; 50 Stück á 67,99

04.05.12 Rundloch für Dosen und dergleichen; Rundloch in Gips-karton-
bzw. Gipsfaserplatten für Elektrosteckdosen oder [X.] bohren; Durchmesser: ca. 80
mm, 1250
Stück á 0,05

62,50

.
In ihren Schlussrechnungen, die zusammen
ein Volumen von etwa 1.125.000

rechnete die Klägerin insgesamt 4.725
Stück [X.]
zu je 65,50

r unter einer Position 04.05.11A ab. Dem lag zugrunde, dass sie in dieser Anzahl sowohl runde als auch eckige Wanddurchführungen in einer Größe bis zu 20 x 20
cm, jedoch mit einem größeren Durchmesser als 80
mm
hergestellt hatte. Den Schlussrechnungen war ein Schreiben der im Namen der [X.] handeln-den P.
GmbH bezüglich dieser Arbeiten vorausgegangen, worin es unter ande-rem hieß:
"Die Leistung ist in ihrer Ausführung als LV-Position nicht enthal-ten, so dass es sich erforderlich macht, diese über eine entspre-chende Nachtragsposition zu regeln. Wir fordern Sie im Namen des [X.]auherrn auf, hierfür ein entsprechendes [X.] mit einem prüffähigen Kalkulationsnachweis

einzureichen

."
Hierauf reagierte
die Klägerin mit [X.] vom 18.
April 2005, in dem
sie die Position entsprechend der späteren Abrechnung in den Schluss-rechnungen anbot.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Einheitspreis für die [X.] sei nach Maßgabe der [X.] unter [X.]erücksichtigung der vergleichbaren Position 04.05.11 zu berechnen. Denn die 2
3
4
-
4
-
Leistungen seien mit Ausnahme der Größe der Wanddurchführungen identisch. In beiden Fällen seien bereits vorhandene Leitungen, Rohre, Kanäle oder [X.] in die Trockenbauwände einzubinden
gewesen. Für die [X.] aus der Position 04.05.11
habe sie mit einem Zeitaufwand von 136
Minuten pro Öffnung kalkuliert. Wegen der etwas kleineren Öffnungen habe sie diesen Aufwand für die Nachtragsposition um fünf Minuten gekürzt und sei bei einem Lohn von 30

e-langt. Demgegenüber sei entgegen der von der [X.] vertretenen [X.] die ausgeschriebene Position 04.05.12
nicht vergleichbar.
Das dort vorge-sehene [X.]ohren von [X.] erfolge nach Herstellung der Montage der Gipskartonplatten und führe damit zu keiner Unterbrechung im [X.]. Auch seien Anzeichnen und Messen entbehrlich.
Das [X.] hat die [X.]eklagte zur Zahlung von 37.981,98

Zinsen unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt. Die [X.]erufung der Klägerin, mit der sie die Zahlung von insgesamt 355.767,43

r-langt hat, blieb erfolglos. Mit der
vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge aus der [X.]erufungsinstanz weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des [X.]erufungsurteils und zur [X.] an das [X.]erufungsgericht.

5
6
-
5
-
I.
Das [X.]erufungsgericht hat angenommen, dass die mit der streitigen Posi-tion der Schlussrechnung abgerechnete Leistung weder auf einer Änderung des [X.] beruhe noch ihr eine andere Anordnung des Auftraggebers im Sinne des §
2 Nr.
5 VO[X.]/[X.] zugrunde liege. Ebenso wenig könne dem Antrag der Klägerin auf der Grundlage
des §
2 Nr.
6 VO[X.]/[X.] entsprochen werden. Zwar liege eine typische Zusatzleistung vor,
weil die streitgegenständliche
Leistung zur Herbeiführung der von der [X.] beabsichtigten Sanierung notwendig gewesen sei. Die Leistung sei jedoch nicht Gegenstand des zwischen den Par-teien zustande gekommenen
Vertrages über die [X.]. Denn sie sei aus der Ausschreibung nicht ersichtlich gewesen; dement-sprechend habe
sich
das Angebot der Klägerin
hierauf auch nicht bezogen. [X.] über das Leistungsverzeichnis hinausgehende Ausführung sei deshalb nicht geschuldet gewesen.
Die Klägerin habe jedoch gemäß §
2 Nr.
8 Abs.
2 Satz
1 VO[X.]/[X.] einen Anspruch auf Vergütung für die Herstellung der 4.725
Stück Wanddurchführun-gen mit einer Größe bis zu 20 x 20
cm. Die [X.]eklagte habe die zusätzliche Leis-tung der Klägerin mit der in ihrem Namen erklärten Aufforderung der P.
GmbH zur Erstellung eines [X.]s vom 12.
April 2005 nachträglich aner-kannt. Deshalb gelte gemäß §
2 Nr.
8 Abs.
2 Satz
3 VO[X.]/[X.] für die [X.] der Vergütung §
2 Nr.
6 VO[X.]/[X.] entsprechend. Die danach zu berech-nende Vergütung sei aus der [X.] abzuleiten. Hierfür sei auf die Positi-on 04.05.11
des Leistungsverzeichnisses des Vertrages
zurückzugreifen. Denn nach den Ausführungen
des Sachverständigen seien die Leistungen vergleich-bar, weil in beiden Fällen die Wanddurchführungen vor dem Montieren der Plat-ten angezeichnet und hergestellt würden. Auch habe die Klägerin in beiden Po-sitionen nach dem erforderlichen Zeitaufwand kalkuliert.
Gleichwohl habe die 7
8
-
6
-
Klägerin keinen Anspruch auf eine Fortschreibung des Preises aus der Position [X.] Die [X.]indung an den alten Preis finde dort ihre
Grenze, wo das Aus-maß der Mehrleistung jeden
äquivalenten
Rahmen sprenge. Das sei jedenfalls der
Fall, wenn die Änderung mehr als 30
% der Vertragsvergütung ausmache. Dieser Ausnahmefall liege hier vor. Die Mehrleistung (4.725
Stück) überschreite die Leistung, die der Kalkulation der Klägerin zu der Position 04.05.11
zugrunde gelegen habe (50 Stück),
um nahezu das 100-fache. Daher schulde die [X.] lediglich die ortsübliche und angemessene Vergütung, die der [X.] zutreffend mit 6,44

Wanddurchführungen ermittelt und die das
[X.] mit einem Mittelwert
jedenfalls nicht zum Nachteil der
Klägerin
der [X.]erechnung des noch zuerkann-ten [X.]etrages zugrunde gelegt habe.

II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht
stand.
1.
Im Ansatz zutreffend geht das [X.]erufungsgericht davon aus, dass der geltend gemachte Vergütungsanspruch für die ausgeführten 4.725
Stück Wanddurchführungen mit einer Größe bis zu 20 x 20
cm gemäß §
2 Nr.
8 Abs.
2 Satz
1, Satz
3
VO[X.]/[X.]. §
2 Nr.
6 Abs.
2 Satz
1 VO[X.]/[X.] begründet sein kann.
a) Die von der Klägerin ausgeführten weiteren 4.725 Stück [X.] in der Größe bis zu 20 x 20
cm sind nach der vertretbaren und von den Parteien im Tatsächlichen nicht angegriffenen Würdigung des [X.]erufungs-gerichts Leistungen im Sinne des
§
2 Nr.
8 Abs.
2 Satz
1 in Verbindung mit 9
10
11
-
7
-
Abs.
1 Satz
1 VO[X.]/[X.]. Nach diesen Regelungen muss es
sich
um Leistungen handeln, die der Auftragnehmer ohne Auftrag (oder

was hier nicht in [X.]etracht kommt
unter eigenmächtiger Abweichung vom Auftrag) ausgeführt hat. Leis-tungen ohne Auftrag in diesem Sinne sind jedenfalls auch
die nicht vereinbarten Leistungen im Sinne von §
1 Nr.
4 Satz
1 VO[X.]/[X.]. Das sind
solche Leistungen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung, nämlich des geschuldeten Werk-
erfolgs,
erforderlich, jedoch von der auf die einzelnen Ausführungsleistungen bezogenen Vergütungsvereinbarung nicht erfasst sind. Reichen die vertraglich vereinbarten Ausführungsleistungen, die im Einheitspreisvertrag zugleich der
[X.]emessung der Vergütung dienen, nicht aus, um den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeizuführen, gestattet § 1 Nr. 4 Satz 1 VO[X.]/[X.] dem Auftraggeber, ein-seitig zu verlangen, dass die zur Erreichung des geschuldeten Erfolgs
erforder-lichen weiteren Leistungen vom Auftragnehmer durchgeführt werden
(vgl. [X.], Urteil vom 25.
Januar
1996 -
VII
ZR
233/94, [X.]Z 131, 392, 399). Als Aus-gleich hierfür gewährt §
2 Nr.
6 Abs.
1 Satz
1 VO[X.]/[X.] dem Auftragnehmer einen Anspruch auf
eine besondere,
im Vertrag bisher nicht vereinbarte, (zusätzliche) Vergütung.
Sie
bestimmt sich nach §
2 Nr.
6 Abs.
2 Satz
1 VO[X.]/[X.].
Fehlt es an der Forderung dieser im Vertrag nicht vereinbarten Ausfüh-rungsleistung durch den Auftraggeber, kann gleichwohl ein Vergütungsan-spruch bestehen.
Er ist in den Fällen der in §
2 Nr.
8 Abs.
2 Satz
1 VO[X.]/[X.] ge-nannten Anerkennung durch den Auftraggeber gerechtfertigt, weil sie nachträg-lich dessen fehlende Veranlassung ersetzt.
b) Die Leistung, deren Vergütung hier in Streit steht, ist eine solche im Sinne von §
1 Nr.
4 Satz
1 VO[X.]/[X.]. Sie war zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich. Zwar hat das [X.]erufungsgericht angenommen, sie sei
nicht Gegenstand des zwischen den Parteien ursprünglich geschlossenen Vertrags über die Trockenbauarbeiten
gewesen. Soweit es damit gemeint haben sollte, 12
13
-
8
-
der ursprünglich von der Klägerin geschuldete [X.] sei auch ohne Her-stellung dieser Wanddurchführungen mangelfrei erreichbar gewesen, wäre dies jedoch rechtsfehlerhaft. Denn das [X.]erufungsgericht hat festgestellt, dass die streitgegenständliche Leistung zur Herbeiführung der von der [X.] beab-sichtigten Sanierung notwendig gewesen ist. Die Wanddurchführungen waren passend zu den Installationen von Leitungen, Kanälen und ähnlichem an den von der Klägerin aufzustellenden [X.]
vor deren Einbau herzustellen. Damit konnten die der Klägerin übertragenen Trockenbauarbeiten nicht sinnvoll ohne diese Wanddurchführungen erbracht werden. Es
ist uner-heblich,
dass diese Leistung im Einzelnen der Ausschreibung nicht entnommen werden konnte.
Dieser Umstand hat nur [X.]edeutung für die Frage, ob und wie die Leistung zu vergüten ist.
c) Rechtsfehlerfrei hat das [X.]erufungsgericht angenommen, die [X.]eklagte habe die zusätzliche Leistung der Klägerin mit der in ihrem Namen erklärten Aufforderung der
P.
GmbH zur Erstellung eines [X.]s vom 12.
April 2005 im Sinne von §
2 Nr.
8 Abs.
2 Satz
1 VO[X.]/[X.]
nachträglich aner-kannt. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung steht dem nicht ent-gegen, dass die [X.]eklagte bei ihrer Aufforderung zur Abgabe eines Nach-tragsangebots mit der von der Klägerin gewünschten Vergütung in Anlehnung an die Position 04.05.11
nicht einverstanden war. Davon sind
das vom [X.] zu Recht als entscheidend angesehene Einverständnis mit der Leistung und die [X.]illigung als in den Vertrag einbezogen nicht in Frage gestellt.
d) [X.]ei den in Rede stehenden Leistungen handelt es sich nach allem
um Leistungen, die nach §
2 Nr.
6 Abs. 2 VO[X.]/[X.] zu vergüten sind.
Nach Auffassung des [X.]erufungsgerichts ist die nach §
2 Nr.
6 VO[X.]/[X.] zu berechnende Vergütung aus der [X.] abzuleiten. Hierfür sei auf die 14
15
16
-
9
-
Position
04.05.11
des Leistungsverzeichnisses des Vertrages zurückzugreifen. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen seien die Leistungen ver-gleichbar, weil in
beiden Fällen die Wanddurchführungen vor dem Montieren der Platten angezeichnet und hergestellt würden. Auch habe die Klägerin in beiden Positionen nach dem erforderlichen Zeitaufwand kalkuliert.
Letzteres sei damit die Grundlage der Preisermittlung für die vertragliche Leistung, die von der Klägerin ihrer Klageforderung zu Recht zugrunde gelegt worden sei.
Diese
[X.]eurteilung
ist
in der Revision von keiner Partei angegriffen [X.].
Sie beruht auch auf Grundsätzen, die der herrschenden Meinung in der Literatur entsprechen (Nachweise bei [X.], [X.]auR
2012, 359
ff.).
Zutreffend
ist das [X.]erufungsgericht auf dieser Grundlage davon ausgegangen, dass §
2 Nr.
6 Abs.
2 VO[X.]/[X.] in der Weise anzuwenden ist, dass die Vergütung aus dem vereinbarten Preis einer vergleichbaren Position des Leistungsverzeichnisses abzuleiten ist. Denn dies entspricht dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien von dem Inhalt dieser Klausel der als [X.] vereinbarten VO[X.]/[X.].
Die [X.]eklagte hatte die Klägerin deshalb aufgefordert, hierfür ein [X.] mit einem prüffähigen Kalkulationsnachweis ein-zureichen. Die Klägerin hatte dem entsprochen. Die Parteien haben -
auch im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren -
nur darüber gestritten, welches die zu-treffende Vergleichsposition aus dem Leistungsverzeichnis ist. Damit kommt es nicht darauf an, wie
eine objektive Auslegung des §
2 Nr.
6 Abs. 2 VO[X.]/[X.]
vor-zunehmen wäre. Haben die Vertragsparteien eine Klausel übereinstimmend in einem bestimmten Sinne verstanden, so geht dieser übereinstimmende Wille nicht nur der Auslegung einer Individualvereinbarung, sondern auch der Ausle-gung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor ([X.], Versäumnisurteil vom 16.
Juni
2009 -
XI
ZR
145/08, [X.]Z 181, 278 Rn.
16 m.w.[X.]).

17
-
10
-
2. Das [X.]erufungsgericht vertritt die Auffassung, die [X.]indung an den alten Preis finde dort ihre Grenze, wo das Ausmaß der Mehrleistung jeden [X.] Rahmen sprenge. Das sei jedenfalls der Fall, wenn die Änderung mehr als 30 Prozent der Vertragsvergütung ausmache. Diese Auffassung kann so nicht geteilt werden. Das [X.]erufungsgericht lässt nicht erkennen, aus welchem Grund es die [X.]indung an den vereinbarten Preis nicht mehr für gegeben hält. Der Hinweis auf Kapellmann/[X.], VO[X.] Teile A und [X.], 4.
Aufl., §
2 VO[X.]/[X.] Rn.
217, und auf die große Mengenmehrung, die allerdings irrtümlich auf das 1.000-fache angesetzt wird, lässt vermuten, dass das [X.]erufungsgericht die Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage annehmen will. [X.] ist das [X.]erufungsurteil jedoch nicht ausreichend begründet. Die Voraus-setzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ergeben sich aus §
313 Abs.
1 und 2 [X.]G[X.]. Geschäftsgrundlage sind die bei Vertragsschluss bestehenden ge-meinsamen Vorstellungen beider Parteien oder die dem Geschäftsgegner [X.] und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertrags-partei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut
([X.], Urteil vom 30.
Juni
2011 -
VII
ZR
13/10, [X.]Z
190, 212 Rn.
21). Grundsätzlich ist es möglich, dass die Parteien bestimmte Vorstellungen zu der tatsächlichen Menge der unter Position 04.05.11 ausgeschriebenen oder einer vergleichbaren Leistung entwickelt haben, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 23.
März
2011 -
VII
ZR
216/08, [X.]auR
2011, 1162 = NZ[X.]au
2011, 353). Diese Vorstellungen müssten sich als falsch herausgestellt haben. Die Parteien müssten, wenn sie dies vorausgesehen hätten, den [X.] anders geschlossen haben. Eine Anpassung des Vertrages kann zudem nur gefordert werden, soweit einem Teil unter [X.]erücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikovertei-lung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. 18
-
11
-
Zu diesen Voraussetzungen hat das [X.]erufungsgericht keine Feststellungen ge-troffen. Allein der Umstand, dass die einer Position zugrunde gelegte Menge drastisch überschritten wird, begründet nicht den Wegfall der [X.]. Insbesondere gibt es keinen vom Einzelfall unabhängigen Prozentsatz der Vertragsvergütung, der die Annahme rechtfertigt, eine bestimmte Menge sei Geschäftsgrundlage des Vertrages geworden (so aber [X.]/[X.], VO[X.] Teile A
und [X.], 4.
Aufl., §
2 VO[X.]/[X.] Rn.
217; [X.]/[X.],
VO[X.]/[X.], 4.
Aufl., §
2 Rn.
215: Wegfall der [X.] bei einer Änderung, die mehr als 30
% der Vertragsvergütung ausmacht). Auch hat das [X.]erufungsgericht nicht begründet, warum es den [X.] anpasst.
3. Das [X.]erufungsgericht erhält durch die Aufhebung und [X.] Gelegenheit, die notwendigen Feststellungen zu treffen und insoweit er-neut zu entscheiden. Dabei wird es jedoch zuvor zu prüfen haben, ob der von der Klägerin verlangte Preis schon deshalb nicht gefordert werden kann, weil die ihm zugrunde liegende Preisvereinbarung nichtig ist.
Der geltend gemachte Zahlungsanspruch besteht nicht, wenn die [X.], auf der Grundlage des in der Position 04.05.11 vereinbarten [X.] eine Vergütung nach den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung und den besonderen Kosten der geforderten Leistung zu bestimmen, sittenwidrig und nichtig ist, §
138 Abs.
1 [X.]G[X.]. Das kommt in [X.]e-tracht.
a) Der [X.] hat bereits entschieden, dass die Prüfung der Sittenwidrig-keit auf die Vereinbarung einzelner Einheitspreise und auch auf die Vereinba-rung der Preisbildung für den Fall der Mengenmehrung beschränkt werden
kann. Denn diese Vereinbarungen bilden Teile des Rechtsgeschäfts, deren Sit-19
20
21
-
12
-
tenwidrigkeit unabhängig davon beurteilt werden kann, ob die sonstigen Rege-lungen des Rechtsgeschäfts sittenwidrig sind. [X.]ei der [X.]eurteilung kommt es maßgeblich darauf an, welcher Preis im Vertrag vereinbart ist und wie sich die-ser Preis auf die neue Vergütung
auswirkt (vgl. [X.], Urteil vom 18. Dezember 2008 -
VII
ZR
201/06, [X.]Z 179, 213
Rn.
9). In der Rechtsprechung ist es [X.], dass die Vereinbarung eines Preises gemäß
§
138 Abs.
1 [X.]G[X.] sitten-widrig sein kann, wenn der Preis in einem auffälligen Missverhältnis zur Gegen-leistung steht. Dafür erforderlich ist sowohl ein objektiv auffälliges, wucher[X.] Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung als auch das Hinzutreten subjektiver Umstände, wie zum [X.]eispiel das Zutagetreten einer verwerflichen Gesinnung des [X.]egünstigten ([X.], Urteil vom 18.
Dezember
2008

VII
ZR
201/06, aaO
Rn.
11
m.w.[X.]). Dabei sind die subjektiven Umstände des Tatbestandes des §
138 Abs.
1 [X.]G[X.] häufig einem direkten Nachweis nicht zu-gänglich und können oft nur aus den objektiven Umständen erschlossen wer-den, wobei in manchen Fallgestaltungen Art und Ausmaß der objektiven Um-stände eine Vermutung für das Vorliegen auch der subjektiven Tatbestands-merkmale begründen
([X.], Urteil vom 18.
Dezember
2008 -
VII
ZR
201/06, aaO
Rn.
11 m.w.[X.]).
Hiervon ausgehend hat der [X.] angenommen, jedenfalls eine
entwe-der auf §
2 Nr.
3 oder §
2 Nr.
5 VO[X.]/[X.] gegründete Vereinbarung der Parteien, für Mehrmengen eine
(im Vergleich zum üblichen und angemessenen Preis)
um mehr als das [X.] und damit außerordentlich überhöhte Vergütung festzulegen, begründe
die Vermutung, ihr liege ein sittlich verwerfliches Ge-winnstreben des Auftragnehmers zugrunde. Diese Vermutung gründet sich auf die [X.]esonderheiten des
[X.]auvertrages. Die Vereinbarung eines außerordentlich überhöhten Preises für Mehrmengen fußt auf der Vereinbarung eines außeror-dentlich überhöhten Einheitspreises in der dem Preisanpassungsverlangen zu-grunde liegenden Position des Leistungsverzeichnisses. Regelmäßig beruht die 22
-
13
-
Vereinbarung dieses Einheitspreises auf einem entsprechenden Angebot des Auftragnehmers, dem das Leistungsverzeichnis zum Zwecke der [X.]epreisung übergeben worden ist. In dem Fall, dass der Auftragnehmer
in einer Position des Leistungsverzeichnisses einen außerordentlich überhöhten Einheitspreis angegeben hat, besteht die widerlegbare Vermutung, dass er in dieser Position auf eine Mengenmehrung hofft und durch [X.] auch für diese Mengenmehrung einen außerordentlich überhöhten Preis erzielen will. Die ver-tragsuntypische Spekulation des Auftragnehmers
durch Einsatz deutlich über-höhter Einheitspreise ist regelmäßig mit der Erwartung verbunden, einen au-ßerordentlichen Gewinn zu erzielen, der andererseits zu nicht eingeplanten Mehrkosten bei dem Auftraggeber führt, denen kein entsprechender Gegenwert gegenübersteht. Regelmäßig beruht die [X.]ildung überhöhter Preise auch auf einem nicht offengelegten Informationsvorsprung des Auftragnehmers, der [X.] zu der Spekulation gibt, sei es die auf Tatsachen oder Erfahrungssätze gegründete Erwartung oder sogar die Gewissheit von [X.]. [X.] Verhalten eines späteren Auftragnehmers widerspricht eklatant dem ge-setzlichen Leitbild eines Vertrages, das -
nicht anders als die Vergabe-
und [X.]sordnung für [X.]auleistungen -
einen fairen, von [X.] und Glauben geprägten Leistungsaustausch im [X.]lick hat, vgl. §
157 [X.]G[X.]. Es begründet die Vermutung, der Auftraggeber, der über entsprechende Informationen möglicherweise nicht verfügt oder die mit der Preisgestaltung verfolgte Absicht im Einzelfall nicht er-kennt, solle aus sittlich verwerflichem Gewinnstreben übervorteilt werden ([X.], Urteil vom 18.
Dezember
2008 -
VII
ZR
201/06, aaO
Rn.
15).
b) Vergleichbares gilt für die Vereinbarung einer Vergütung für im Vertrag nicht vorgesehene Leistungen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung
erforderlich werden (§
1 Nr.
4 Satz
1, §
2 Nr.
6 Abs.
2, Nr.
8 Abs.
2 VO[X.]/[X.]).

23
-
14
-
Der [X.] hat es in seinem Urteil vom 18.
Dezember
2008 (VII
ZR
201/06, aaO) für unerheblich gehalten, ob das auffällige Missverhältnis zwischen neu ermitteltem Preis und Gegenleistung auf einer Mengenmehrung im Sinne von §
2 Nr.
3 Abs. 2 VO[X.]/[X.]
oder einer Änderung des [X.] oder anderen Anordnungen im Sinne von §
2 Nr.
5 VO[X.]/[X.] beruht. Mit der Mög-lichkeit des Eintritts jeder der Varianten rechnen die Parteien eines [X.]auvertra-ges von vorherein, was sich an der entsprechenden vorsorglichen Vereinbarung der Vergütung zeigt. Deshalb ist auch die Annahme der Vermutung gerechtfer-tigt, ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben liege der Preisbildung zugrunde, wenn sie zu einem außerordentlich überhöhten Preis führt. Gleiches gilt für die (vorsorgliche) Vereinbarung der Vergütung für (bisher) im Vertrag nicht vorge-sehene, aber erforderliche
Leistungen. Auch mit der Möglichkeit einer derarti-gen Änderung rechnen die Parteien eines [X.]auvertrages aufgrund der allgemei-nen Erfahrungen von vornherein, weshalb sie mit der VO[X.]/[X.] hierfür
ebenfalls
bereits eine Vergütungsvereinbarung treffen. Auch
auf diese im Rahmen der vertraglichen Leistung erforderlich werdenden Änderungen können sie deshalb in gleicher Weise spekulieren.
c) Der für die zusätzlichen Leistungen geforderte, nach §
2 Nr.
6 Abs.
2 VO[X.]/[X.] berechnete Preis beträgt 359.005

(4.725
x
65,50

16
% Umsatzsteuer).
Der vom Sachverständigen ermittelte ortsübliche und an-gemessene Preis für rechteckige Ausschnitte beträgt 45.549

x
9,64

brutto). Der geltend gemachte Preis beträgt damit nahezu das Achtfache des üblichen Preises. Ein
solches Verhältnis stellt auch unter [X.]erücksichtigung von gewissen
Schwankungen zwischen einzelnen Einheitspreisen
im Vergleich zu üblichen Preisen, die sich bei den ursprünglich ausgeschriebenen Mengen [X.] ausgleichen werden, ein auffälliges Missverhältnis dar. Dieses ist auch wu-cherähnlich. Für diese Feststellung
bedarf es
allerdings
einer zusätzlichen [X.], ob der aufgrund dieses auffälligen [X.]
über das übliche 24
25
-
15
-
Maß hinausgehende Preisanteil sowohl absolut gesehen als auch im Vergleich zu Gesamtauftragssumme in einer Weise erheblich ist, dass dies von der Rechtsordnung nicht mehr hingenommen werden kann. Denn obwohl die [X.] für sich genommen an dem Maßstab der Sit-tenwidrigkeit zu messen ist, kann von einer wucherähnlichen Auswirkung nur gesprochen werden, wenn der Werklohn insgesamt in nennenswerter Weise beeinflusst wird, die zugleich auch die Vermutung sittlich verwerflichen Gewinn-strebens trägt.
Dabei kommt in [X.]etracht, dass je größer der absolute [X.]etrag ist, desto kleiner die relative Überschreitung sein kann, bis zu der die [X.] noch hingenommen werden können. Hier beträgt die absolute Überschrei-tung des Preises 313.456

hezu 39
% der [X.] bei Ansatz der üblichen Preise (1.125.000

313.456

[X.]eide Werte sind jedenfalls ausreichend erheblich, ohne dass feste Grenzwerte bestimmt werden müssten.
d) Das auffällige und wucherähnliche Missverhältnis begründet die [X.], der Auftraggeber solle aus sittlich verwerflichem Gewinnstreben über-vorteilt werden. Diese Vermutung ist widerlegbar (vgl. [X.], Urteil vom 18.
De-zember
2008

VII
ZR
201/06, aaO
Rn.
16
ff.). Der [X.] kann in der Sache nicht abschließend entscheiden. Der Klägerin ist Gelegenheit zu geben, zur Vermutung ihrer verwerflichen Gesinnung Stellung zu nehmen und diese zu widerlegen. [X.]isher steht nur fest, dass die Klägerin ihren Preis so hoch
kalku-liert hat, weil sie 131 Minuten Arbeitszeit pro Ausschnitt angesetzt hat, während nach dem Sachverständigengutachten hierfür regelmäßig tatsächlich nur 15 Minuten Arbeitszeit gebraucht werden.
Das ist für sich genommen nicht geeig-net, die Vermutung zu widerlegen.

26
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16
-
III.
Für das weitere Verfahren weist der [X.] auf Folgendes hin: Für den Fall, dass das [X.]erufungsgericht die Sittenwidrigkeit der Vergütungsvereinba-rung für die in Rede stehenden Leistungen bejaht, tritt an die Stelle der [X.] zur Vergütung die Vereinbarung, die Leistungen
nach den üblichen Einheitspreisen zu vergüten (vgl. [X.], Urteil vom 18.
Dezember
2008 -
VII ZR 201/06, aaO
Rn.
29 ff.).
Entgegen der Ansicht der Revision ist das [X.]e-rufungsgericht verfahrensfehlerfrei davon ausgegangen, dass die vom [X.] ermittelte Höhe der ortsüblichen und angemessenen Vergütung für die in Rede stehenden Leistungen jedenfalls nicht zu Ungunsten der Klägerin unzu-treffend ist. Der gerügte Gehörsverstoß liegt nicht vor. Mit ihrer [X.]erufungsbe-gründung hat die Klägerin die Anhörung des Sachverständigen nur noch zu der Frage begehrt, ob die Leistungen mit der ausgeschriebenen Position 04.05.11

27
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17
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vergleichbar seien. Die Ermittlung der Höhe der ortsüblichen Vergütung hat sie dagegen nicht
mehr angegriffen. Das [X.]erufungsgericht war deshalb zu einer Anhörung des Sachverständigen zu diesem Punkt nicht verpflichtet.
[X.]
Safari Chabestari

[X.]

[X.]

Kartzke

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 20.05.2009 -
1 [X.]/06 -

OLG [X.], Entscheidung vom 07.04.2010 -
7 U 499/09 -

Meta

VII ZR 68/10

07.03.2013

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.03.2013, Az. VII ZR 68/10 (REWIS RS 2013, 7581)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7581

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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