Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.07.2021, Az. 9 B 35/20

9. Senat | REWIS RS 2021, 4296

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Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 9. Juni 2020 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2 721,24 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung einer Wasserentnahmeabgabe für das [X.] (Entnahmestelle E.).

2

Sie verfügt für ihren landwirtschaftlichen Betrieb (eine Milchviehanlage mit insgesamt ca. 1 300 Milchkühen) über mehrere wasserrechtliche Erlaubnisse für die Entnahme von Grundwasser zur [X.]. Die Menge wird jeweils über eine Messeinrichtung erfasst. Der Beklagte setzte für das Zutagefördern von Grundwasser an der Entnahmestelle E. für das Veranlagungsjahr 2014 eine Wasserentnahmeabgabe in Höhe von 4 011,38 € fest.

3

Nachdem der Beklagte auf den Widerspruch der Klägerin die festgesetzte Höhe der Abgabe nur geringfügig abgeändert hatte, erhob die Klägerin Klage und begehrte im Hauptantrag eine Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids, weil die Wasserentnahme nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] erlaubnisfrei sei, hilfsweise eine Ermäßigung der Wasserentnahmeabgabe auch für die als [X.] verbrauchte Menge. Das Verwaltungsgericht verpflichtete den Beklagten auf den Hilfsantrag hin, die beantragte Ermäßigung zu gewähren, und hob den [X.] und den Widerspruchsbescheid insoweit auf. Auf die Berufung des Beklagten hob das Oberverwaltungsgericht das Urteil des [X.] auf, soweit es der Klage stattgegeben hatte, und wies die Klage insgesamt ab. Die Revision wurde nicht zugelassen.

II

4

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.

5

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

6

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

7

a) Zwar betreffen die Fragen,

nach welchen Kriterien ein landwirtschaftlicher Hofbetrieb im Sinne des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] vorliegt,

ob dieser insbesondere bei einem Betrieb der Massentierhaltung zu verneinen ist,

ob es insoweit maßgeblich auf die Höhe der entnommenen Wassermenge ankommt,

Bundesrecht und damit revisibles Recht, denn durch § 91 [X.] (Abgabe für Wasserentnahme) wird § 46 [X.] nicht mit der Folge ins Landesrecht inkorporiert, dass die Norm als landesrechtliche Regelung zur Anwendung kommt; vielmehr knüpft die landesrechtliche Regelung an die vom Landesgesetzgeber vorgefundene bundesrechtliche Regelung an, deren [X.] unverändert bleibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 2021 - 9 C 4.20 - juris Rn. 19 m.w.[X.], für die [X.] in BVerwGE vorgesehen).

8

Zur Klärung der Fragen bedarf es aber, soweit sie überhaupt entscheidungserheblich sind, nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, da sie sich anhand der herkömmlichen Auslegungsmethoden ohne Weiteres beantworten lassen.

9

Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] ist das Entnehmen von Grundwasser "für den Haushalt, für den landwirtschaftlichen Hofbetrieb, für das Tränken von Vieh außerhalb des Hofbetriebs oder in geringen Mengen zu einem vorübergehenden Zweck, (...) soweit keine signifikanten nachteiligen Auswirkungen auf den Wasserhaushalt zu besorgen sind", erlaubnisfrei. Das Oberverwaltungsgericht hat das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Hofbetriebs unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien verneint. Danach sollen von dem Begriff keine "Massentierhaltungen" erfasst werden; solche liegen nach der Gesetzesbegründung vor, wenn die [X.] nach der 4. BImSchV erreicht werden und damit eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erforderlich ist (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Wasserrechts, [X.]. 16/12275 S. 64). Dies sei hier ersichtlich der Fall, da die Klägerin selbst einen Bestand von ca. 1 300 Milchkühen angegeben habe; gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 der 4. BImSchV i.V.m. Ziff. 7.1.5 des Anhangs 1 sei bereits bei 600 oder mehr [X.] eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erforderlich.

Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass hinsichtlich der aufgeworfenen Fragen weiterer abstrakter Klärungsbedarf besteht. Soweit sie darauf hinweist, dass der Begriff der "Massentierhaltung" gesetzlich nicht geregelt ist, setzt sie sich nicht damit auseinander, dass die Gesetzesmaterialien - wie beschrieben - zur näheren Umschreibung des Begriffs auf die [X.] nach der 4. BImSchV verweisen und die Vorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] einhellig in diesem Sinne ausgelegt wird (vgl. nur VG Sigmaringen, Urteil vom 11. Juli 2019 - 3 K 6879.17 - juris Rn. 33 ff.; [X.], in: [X.][X.], Umweltrecht, Stand Dezember 2020, § 46 [X.] Rn. 10; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]/[X.], Stand September 2020, § 46 [X.] Rn. 2, 18; [X.], in: [X.]/[X.], [X.] Umweltrecht, § 46 [X.] Rn. 13; [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl. 2019, § 46 Rn. 14; [X.], in: [X.], [X.], Stand Juli 2020, § 46 [X.] Rn. 16, und [X.], in: [X.]/[X.]/Müggenborg, [X.], 2. Aufl. 2017, § 46 Rn. 10). Auf die in der Beschwerde erwähnten sonstigen Regelungen, in denen der Begriff des Hofbetriebs verwendet und abweichend ausgelegt wird, etwa die Düngeverordnung oder die Höfeordnung, kommt es ersichtlich nicht an, erst recht nicht auf die Verordnung des [X.] Landwirtschaftsministers über die Begrenzung von Abwasseremissionen aus der Massentierhaltung. Entscheidend ist allein die Auslegung des § 46 [X.]; insoweit zeigt die Beschwerde aber keine Zweifel an der Richtigkeit der vom Oberverwaltungsgericht vorgenommenen Auslegung auf.

Dass es für den Begriff des landwirtschaftlichen Hofbetriebs nicht auf die Höhe der entnommenen Wassermenge ankommt, erkennt die Beschwerde selbst (S. 4 Mitte); auch das Oberverwaltungsgericht hat nicht auf dieses Kriterium abgestellt. Die Frage ist damit schon nicht entscheidungserheblich.

b) Auch die - ebenfalls § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] betreffende - Frage,

ob es eine generelle Befreiung für das Tränken von Vieh außerhalb des Hofbetriebs gibt,

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision; auch insoweit fehlt es an einer Auseinandersetzung mit den tragenden Erwägungen des [X.]. Danach beschränkt der Wortlaut der Norm die Befreiung eindeutig auf den Bereich "außerhalb des Hofbetriebs", d.h. für das Tränken von auf den Weiden befindlichem Vieh. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin werde, so das Berufungsgericht, auch nicht von den von ihr bezeichneten Gesetzesmaterialien ([X.]. II/3536) gestützt. Der in Bezug genommene Schriftliche Bericht des 2. Sonderausschusses - [X.] - vom 23. Mai 1957 enthalte die Beschränkung der [X.] für die Viehtränke auf den Bereich "außerhalb" des Hofbetriebs und thematisiere an keiner Stelle eine generelle Freistellung der Viehtränke. Die Beschwerde beschränkt sich auf eine Wiederholung ihrer bereits vom Oberverwaltungsgericht entkräfteten Argumentation, ohne einen Klärungsbedarf aufzuzeigen.

c) Vergleichbares gilt für die Frage,

ob die Kriterien zur Bestimmung einer [X.] der Wasserentnahme und eine daran anknüpfende Abgabepflicht nach der sog. Wesentlichkeitstheorie gesetzlich geregelt werden müssen.

Auch hier fehlt es an jeder Auseinandersetzung mit den tragenden Erwägungen des [X.], das § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] unter Wiedergabe der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Frage der Bestimmtheit als ausreichende, insbesondere hinreichend bestimmte, da auslegungsfähige gesetzliche Regelung ansieht.

d) Schließlich hat sich das Oberverwaltungsgericht auch schon mit der Frage,

ob § 91 [X.] gegen Art. 9 der Richtlinie 2000/60/[X.] (Wasserrahmenrichtlinie - WRRL) verstößt,

befasst, ohne dass die Beschwerde hierzu weiteren Klärungsbedarf aufzeigt.

Nach Art. 9 Abs. 1 WRRL berücksichtigen die Mitgliedstaaten unter Einbeziehung der wirtschaftlichen Analyse gemäß [X.] und insbesondere unter Zugrundelegung des Verursacherprinzips den Grundsatz der Deckung der Kosten der Wasserdienstleistungen einschließlich umwelt- und ressourcenbezogener Kosten.

Die Mitgliedstaaten sorgen bis zum [X.] dafür,

- dass die Wassergebührenpolitik angemessene Anreize für die Benutzer darstellt, Wasserressourcen effizient zu nutzen, und somit zu den Umweltzielen dieser Richtlinie beiträgt;

- dass die verschiedenen Wassernutzungen, die mindestens in die Sektoren Industrie, Haushalte und Landwirtschaft aufzugliedern sind, auf der Grundlage der gemäß [X.] vorgenommenen wirtschaftlichen Analyse und unter Berücksichtigung des Verursacherprinzips einen angemessenen Beitrag leisten zur Deckung der Kosten der Wasserdienstleistungen.

Das Oberverwaltungsgericht weist in Randnummer 19 seines Urteils darauf hin, dass sich aus dem von der Klägerin in Bezug genommenen Urteil des [X.] vom 11. September 2014 - [X.]/12 ([[X.]:[X.]:[X.]], Kommission/[X.] - NVwZ 2014, 1442) nicht deshalb ein Verstoß des § 91 [X.] gegen Art. 9 WRRL ergebe, weil Entgelte und Benutzungsgebühren nur zur Deckung der Kosten der Wasserdienstleistungen erhoben werden könnten. Vielmehr habe der [X.] in dem vorgenannten Urteil (dort Rn. 58) ausdrücklich das Gegenteil festgestellt und ausgeführt, "dass die mit der Richtlinie 2000/60/[X.] verfolgten Ziele nicht zwangsläufig eine Auslegung ... implizieren, dass sie alle dort genannten Tätigkeiten dem Grundsatz der Kostendeckung unterwerfen". Damit ist das Oberverwaltungsgericht - entgegen der Annahme der Beschwerde - nicht davon ausgegangen, "dass Kostendeckungsgesichtspunkte irrelevant wären". Im Übrigen ist zu dem vorgenannten Urteil des [X.] ergänzend anzumerken, dass diesem ein Vertragsverletzungsverfahren zugrunde lag, das die [X.]-Kommission u.a. gerade mit der Rüge erhoben hatte, dass in [X.] einige Bundesländer keine Wasserentnahmeentgelte erhöben und dass zu weitreichende Ausnahmen bestünden ([X.], Urteil vom 11. September 2014 - [X.]/12 - Rn. 35). Weshalb sich aus diesem Urteil ein Verstoß des § 91 [X.], der gerade ein Wasserentnahmeentgelt vorsieht, gegen Art. 9 WRRL ergeben soll, erschließt sich nicht und wird auch in der Beschwerde nicht näher dargelegt.

Soweit die Beschwerde des Weiteren darauf hinweist, dass die Wassernutzungen nach Art. 9 WRRL nach den Sektoren Industrie, Haushalte und Landwirtschaft aufzugliedern seien, sodass ein Einheitssatz wie in Anlage 5 Nr. 6 zum [X.] mangels Differenzierung unzulässig sei, übersieht sie, dass die Wasserrahmenrichtlinie eine auf der Grundlage von Art. 175 Abs. 1 [X.] (jetzt Art. 192 A[X.]V) erlassene Rahmenrichtlinie ist, der [X.] sich einer vollständigen Harmonisierung der wasserrechtlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten also gerade enthalten hat (BVerwG, Beschluss vom 25. März 2015 - 9 [X.] - [X.] 445.20 [X.] Nr. 4 Rn. 11 m.w.[X.]). Nach der Rechtsprechung des [X.] bestätigt zwar der Umstand, dass Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 zweiter Gedankenstrich WRRL die verschiedenen Wirtschaftszweige nennt, die einen angemessenen Beitrag zur Kostendeckung leisten müssen, dass die Verpflichtung zur Berücksichtigung des Kostendeckungsgrundsatzes im Rahmen der allgemeinen Politik der Mitgliedstaaten zu diesen Dienstleistungen gilt. Aus dem Wortlaut von Art. 9 Abs. 1 WRRL ergebe sich aber, dass "nur durch eine Gesamtbetrachtung der einschlägigen nationalen Vorschriften zur Umsetzung von für Wasserdienstleistungen geltenden Maßnahmenprogrammen" geprüft werden könne, ob ein Mitgliedstaat den Grundsatz der Deckung der Kosten dieser Dienstleistungen berücksichtigt habe. Dies könne "nicht isoliert anhand einer nationalen Maßnahme, der Nutzer der Wasserressource unterliegen, beurteilt werden" ([X.], Urteil vom 7. November 2019 - [X.]/18 bis [X.]/18 [[X.]:[X.]:[X.]] - juris Rn. 35 f.). Die von der Klägerin ohne nähere Begründung in den Raum gestellte Schlussfolgerung - Unzulässigkeit der Wasserentnahmeabgabe wegen mangelnder Differenzierung (s.o.) - kann daher nicht gezogen werden.

2. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Meta

9 B 35/20

07.07.2021

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 9. Juni 2020, Az: 4 A 590/18, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.07.2021, Az. 9 B 35/20 (REWIS RS 2021, 4296)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 4296

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